"Lippels Traum" (Paul Maar): Unterschied zwischen den Versionen

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[[Datei:Maar_Lippels Traum_EA.jpg|thumb|right|203x255px|Paul Maar: <em>Lippels Traum</em>, Erstausgabe 1984]]
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''Lippels Traum ''ist ein Kinderbuch von Paul Maar, das erstmals 1984 im Oetinger Verlag erschienen ist. Hauptfigur sind der Grundschüler Philipp, den alle Lippel nennen, und seine neuen türkischen Freunde Arslan und Hamide. Während seine Eltern ohne den Sohn verreisen, kümmert sich die unsympathische Frau Jakob für eine Woche um Lippel. Schon kurz nach Abfahrt der Eltern beschlagnahmt sie das Buch ''Tausendundeine Nacht'', das Lippels Eltern ihm für die Zeit ihrer Abwesenheit als Lektüre geschenkt hatten. In der darauffolgenden Nacht träumt Lippel den bereits gelesenen Teil der Geschichte weiter und wird dabei selbst zum Protagonisten, während seine türkischen Freunde als Prinzessin Hamide und Prinz Asslam erscheinen.<ref>Zum Umgang mit dem Thema Interkulturalität vgl. J. Budde (2017).</ref> Auch weitere Figuren tauchen im Laufe des Romans in seinen Träumen auf. Denn auf Frau Jeschkes Rat hin gelingt es Lippel, die Geschichte Nacht für Nacht ein Stück weiter zu träumen. Kurz vor dem Ende jedoch bricht Lippels Fortsetzungstraum ab, und auch das nach Frau Jakobs Abreise zurückeroberte Buch bringt nicht die ersehnte Auflösung, da Lippels Abenteuer der Erzählung aus dem Buch in keiner Weise ähnelt. So ist es schließlich die Mutter, die dem Protagonisten wie den Leser*innen das Ende der Geschichte erzählt.
''Lippels Traum ''ist ein Kinderbuch von Paul Maar, das erstmals 1984 im Oetinger Verlag erschienen ist. Hauptfiguren sind der Grundschüler Philipp, den alle Lippel nennen, und seine neuen türkischen Freunde Arslan und Hamide. Während seine Eltern ohne den Sohn verreisen, kümmert sich die unsympathische Frau Jakob für eine Woche um Lippel. Schon kurz nach Abfahrt der Eltern beschlagnahmt sie das Buch ''Tausendundeine Nacht'', das Lippels Eltern ihm für die Zeit ihrer Abwesenheit als Lektüre geschenkt hatten. In der darauffolgenden Nacht träumt Lippel den bereits gelesenen Teil der Geschichte weiter und wird dabei selbst zum Protagonisten, während seine türkischen Freunde als Prinzessin Hamide und Prinz Asslam erscheinen.<ref>Zum Umgang mit dem Thema Interkulturalität vgl. J. Budde (2017).</ref> Auch weitere Figuren tauchen im Laufe des Romans in seinen Träumen auf. Denn auf Frau Jeschkes Rat hin gelingt es Lippel, die Geschichte Nacht für Nacht ein Stück weiter zu träumen. Kurz vor dem Ende jedoch bricht Lippels Fortsetzungstraum ab, und auch das nach Frau Jakobs Abreise zurückeroberte Buch bringt nicht die ersehnte Auflösung, da Lippels Abenteuer der Erzählung aus dem Buch in keiner Weise ähnelt. So ist es schließlich die Mutter, die dem Protagonisten wie den Leser*innen das Ende der Geschichte erzählt.




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Lippels Traum, die eigentliche Geschichte in der Geschichte also, beginnt erst, nachdem Frau Jakob ihm sein Buch vor dem Schlafengehen als Strafe weggenommen hat. Wütend auf die neue Haushälterin und neugierig auf die Fortsetzung der Geschichte nimmt sich Lippel vor dem Schlafen fest vor, diese in seinem Traum weiterzuführen. Bevor er tatsächlich in der Traumwelt erwacht, schiebt Paul Maar ein Theoriekapitel ein, dem er den Titel »Etwas über Träumer und das Träumen« gibt.
Lippels Traum, die eigentliche Geschichte in der Geschichte also, beginnt erst, nachdem Frau Jakob ihm sein Buch vor dem Schlafengehen als Strafe weggenommen hat. Wütend auf die neue Haushälterin und neugierig auf die Fortsetzung der Geschichte nimmt sich Lippel vor dem Schlafen fest vor, diese in seinem Traum weiterzuführen. Bevor er tatsächlich in der Traumwelt erwacht, schiebt Paul Maar ein Theoriekapitel ein, dem er den Titel »Etwas über Träumer und das Träumen« gibt.


Maar beginnt seine Traumkunde mit der Unterscheidung zwischen Menschen, die ihre Träume sofort nach dem Aufwachen vergessen, und denen, die sich, wie Lippel, »an jede Einzelheit ihres Traumes erinnern« (LT 58). Darüber hinaus gehört Lippel zu den Träumern, die »ihre Träume lenken können (LT 59). Laut Maar liegt das an der Intensität, mit der sie träumen und das Geträumte beinahe so ernst wie die Wirklichkeit nehmen. So kann Lippel bisweilen das Ende eines Traums steuern, denn es gelingt ihm, mit der Aussage »das geht mir jetzt wirklich zu weit, das mache ich nicht mehr mit« (ebd.), aus Angsträumen zu erwachen, oder im Gegenteil schöne Träume in die Länge ziehen. Noch seltener kann »er sich sogar vornehmen, wovon er träumen will, und das klappt dann wirklich« (LT 60). Diese Fähigkeit bildet auch den Einstieg in Lippels Traumabenteuer. Dabei wird Lippel zwar zum Protagonisten, jedoch kann er das Geschehen nur bedingt steuern. Statt einen luziden Traum zu träumen, in dem sein Bewusstsein allwissend in die Handlung eingreifen kann, wird der Junge vielmehr zur Hauptfigur einer Fiktion seines eigenen Unbewussten. Mit dieser Nähe zur Fiktion endet auch Maars Traumkunde: »Mal schaute [Lippel] sich dabei die Geschehnisse von außen an (wie in einem Film), mal steckte er mittendrin in der Geschichte. Wie das beim Träumen nun mal so ist!« (ebd.) – Lippel ist also Zuschauer und Hauptfigur zugleich.
Maar beginnt seine Traumkunde mit der Unterscheidung zwischen Menschen, die ihre Träume sofort nach dem Aufwachen vergessen, und denen, die sich, wie Lippel, »an jede Einzelheit ihres Traumes erinnern« (LT 58). Darüber hinaus gehört Lippel zu den Träumern, die »ihre Träume lenken können« (LT 59). Laut Maar liegt das an der Intensität, mit der sie träumen und das Geträumte beinahe so ernst wie die Wirklichkeit nehmen. So kann Lippel bisweilen das Ende eines Traums steuern, denn es gelingt ihm, mit der Aussage »das geht mir jetzt wirklich zu weit, das mache ich nicht mehr mit« (ebd.), aus Angsträumen zu erwachen, oder im Gegenteil schöne Träume in die Länge ziehen. Noch seltener kann »er sich sogar vornehmen, wovon er träumen will, und das klappt dann wirklich« (LT 60). Diese Fähigkeit bildet auch den Einstieg in Lippels Traumabenteuer. Dabei wird Lippel zwar zum Protagonisten, jedoch kann er das Geschehen nur bedingt steuern. Statt einen luziden Traum zu träumen, in dem sein Bewusstsein allwissend in die Handlung eingreifen kann, wird der Junge vielmehr zur Hauptfigur einer Fiktion seines eigenen Unbewussten. Mit dieser Nähe zur Fiktion endet auch Maars Traumkunde: »Mal schaute [Lippel] sich dabei die Geschehnisse von außen an (wie in einem Film), mal steckte er mittendrin in der Geschichte. Wie das beim Träumen nun mal so ist!« (ebd.) – Lippel ist also Zuschauer und Hauptfigur zugleich.


==Der »Fortsetzungstraum«==
==Der »Fortsetzungstraum«==
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: "Ein besonders heftiger Windstoß riss ihm das Tuch aus der Hand. Lippel schlug mit den Armen um sich, bekam plötzlich wieder Luft, atmete tief ein – und wachte auf. Frau Jakob stand im grünen Morgenmantel neben seinem Bett und hatte sein Kopfkissen in der Hand. ›Guten Morgen, Philipp‹, sagte sie. ›Du musst aufstehen. Schläfst du immer mit dem Kopfkissen auf dem Gesicht? Bekommt man dabei überhaupt Luft?‹ (LT 72 f.)
: Ein besonders heftiger Windstoß riss ihm das Tuch aus der Hand. Lippel schlug mit den Armen um sich, bekam plötzlich wieder Luft, atmete tief ein – und wachte auf. Frau Jakob stand im grünen Morgenmantel neben seinem Bett und hatte sein Kopfkissen in der Hand. ›Guten Morgen, Philipp‹, sagte sie. ›Du musst aufstehen. Schläfst du immer mit dem Kopfkissen auf dem Gesicht? Bekommt man dabei überhaupt Luft?‹ (LT 72 f.)
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* Firges, Jean: Pascal und Teilhard de Chardin. Zwei Weltbilder im Widerstreit. Annweiler am Trifels: Sonnenberg 2011.
* Firges, Jean: Pascal und Teilhard de Chardin. Zwei Weltbilder im Widerstreit. Annweiler am Trifels: Sonnenberg 2011.


* Kellner, Kathrin: Träume in der Kinder- und Jugendliteratur. Erscheinungsformen und Funktionen von erzählten Träumen. Marburg: Büchner 2019   
* Kellner, Kathrin: Träume in der Kinder- und Jugendliteratur. Erscheinungsformen und Funktionen von erzählten Träumen. Marburg: Büchner 2019.    


* Mikota, Jana/Claudia Maria Pecher: »Wie die meisten Schriftsteller bin ich ein leidenschaftlicher Leser«. Intertextualität in Werken Paul Maars. In: Andreas Wicke/Nikola Roßbach (Hg.): Paul Maar. Studien zum kinder- und jugendliterarischen Werk. Würzburg: Königshausen & Neumann 2017, 49–69.         
* Mikota, Jana/Claudia Maria Pecher: »Wie die meisten Schriftsteller bin ich ein leidenschaftlicher Leser«. Intertextualität in Werken Paul Maars. In: Andreas Wicke/Nikola Roßbach (Hg.): Paul Maar. Studien zum kinder- und jugendliterarischen Werk. Würzburg: Königshausen & Neumann 2017, 49–69.         
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