"Malina" (Ingeborg Bachmann): Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 22. Februar 2022, 12:45 Uhr
, 22. Februar 2022→Entstehung und Rezeption
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Bachmann beginnt ihre Arbeit an einem umfangreichen Romanprojekt unter dem Titel "Todesarten" im Jahre 1963 – nach der Trennung von Max Frisch (1911–1991) in einer Zeit jahrelanger Leiden, zahlreicher Klinikaufenthalte und einer starken Tabletten- und Alkoholabhängigkeit. Wohl so hochpersönlich wie in keinem ihrer anderen Werke verarbeitet sie in diesem ursprünglich auf drei Bände angelegten Zyklus – neben ''Malina'' als | Bachmann beginnt ihre Arbeit an einem umfangreichen Romanprojekt unter dem Titel "Todesarten" im Jahre 1963 – nach der Trennung von Max Frisch (1911–1991) in einer Zeit jahrelanger Leiden, zahlreicher Klinikaufenthalte und einer starken Tabletten- und Alkoholabhängigkeit. Wohl so hochpersönlich wie in keinem ihrer anderen Werke verarbeitet sie in diesem ursprünglich auf drei Bände angelegten Zyklus – neben ''Malina'' als einzigem zu Lebzeiten beendetem und veröffentlichtem Roman noch ''Das Buch Franza'' (ab 1965) sowie ''Requiem für Fanny Goldmann'' (ab 1966) – autobiographische Erlebnisse und Erfahrungen. Bachmann fertigt unzählige Prosaskizzen und Entwürfe an, die in das "Todesarten"-Projekt einfließen, interessiert sich in gründlicher Recherche aber beispielsweise auch für die Medizin im "Dritten Reich". Wie aus der Korrespondenz mit Klaus Piper (1911–2000) hervorgeht, hat sie sich beispielsweise von ihrem damaligen Verleger umfangreiche Sekundärliteratur über medizinische Experimente in nationalsozialistischen Konzentrationslagern und Euthanasie zukommen lassen, und erhält neben einer Literaturliste und Kopien auch zahlreiche Fachbücher wie Alexander Mitscherlichs (1908–1982) ''Medizin ohne Menschlichkeit'', 1960 bei Fischer erschienen (Schlinsog 2005, 208 f.). | ||
Doch gleichzeitig stellt ''Malina'' auch einen publizistischen Einschnitt für die Schriftstellerin dar: Nach einem Streit verlässt sie im Frühjahr 1967 ihren bisherigen Verlag, Piper in München, und möchte ihren Roman nun im Frankfurter Suhrkamp-Verlag veröffentlicht wissen (Hoell 2001, 128 f.). Bachmann hatte dessen Verleger Siegfried Unseld (1924–2002) bereits auf ihrer ersten USA-Reise im Sommer 1955 kennengelernt, als beide von Henry Kissinger (geb. 1923) zur "Summer School of Arts and Sciences and of Education" an die Harvard University nach Cambridge, MA eingeladen wurden (Hartwig 2017, 84 ff.). | Doch gleichzeitig stellt ''Malina'' auch einen publizistischen Einschnitt für die Schriftstellerin dar: Nach einem Streit verlässt sie im Frühjahr 1967 ihren bisherigen Verlag, Piper in München, und möchte ihren Roman nun im Frankfurter Suhrkamp-Verlag veröffentlicht wissen (Hoell 2001, 128 f.). Bachmann hatte dessen Verleger Siegfried Unseld (1924–2002) bereits auf ihrer ersten USA-Reise im Sommer 1955 kennengelernt, als beide von Henry Kissinger (geb. 1923) zur "Summer School of Arts and Sciences and of Education" an die Harvard University nach Cambridge, MA eingeladen wurden (Hartwig 2017, 84 ff.). | ||
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Denn die Erwartungen an ''Malina'' – nach dem Erzählband ''Das dreißigste Jahr'' (1961) erfolgte keine größere Veröffentlichung mehr – und die mit dem Preis der Gruppe 47 (1953) und dem Georg-Büchner-Preis (1964) ausgezeichneten Autorin sind groß. ''Malina'' wird dementsprechend vom Verlag breit beworben; Suhrkamp kündigt den Roman auf der Innenseite des Buches programmatisch an: "Das Buch handelt von nichts anderem als von Liebe" (Bachmann 1995a, 740 f.). | Denn die Erwartungen an ''Malina'' – nach dem Erzählband ''Das dreißigste Jahr'' (1961) erfolgte keine größere Veröffentlichung mehr – und die mit dem Preis der Gruppe 47 (1953) und dem Georg-Büchner-Preis (1964) ausgezeichneten Autorin sind groß. ''Malina'' wird dementsprechend vom Verlag breit beworben; Suhrkamp kündigt den Roman auf der Innenseite des Buches programmatisch an: "Das Buch handelt von nichts anderem als von Liebe" (Bachmann 1995a, 740 f.). | ||
Die Schriftstellerin Gabriele Wohmann (1932–2015) schreibt in ihrer Kritik: "Ich habe keineswegs alles verstanden, ich habe immer dort nicht verstanden, wo es konkret sein sollte. Ich verstehe wohl die wahre Inschrift: Leiden | Die Schriftstellerin Gabriele Wohmann (1932–2015) schreibt in ihrer Kritik: "Ich habe keineswegs alles verstanden, ich habe immer dort nicht verstanden, wo es konkret sein sollte. Ich verstehe wohl die wahre Inschrift: Leiden" (Wohmann 1971, 164). Andere einflussreiche Kritiker, wie etwa Marcel Reich-Ranicki (1920–2013) kurz nach seiner Übernahme der FAZ-Literaturredaktion, lehnten ''Malina'' als "peinlichen und gänzlich mißratenen Roman" pauschal ab, auch wenn er Bachmann im Nachruf weiterhin als "eine der bedeutendsten Dichterinnen nach 1945" (Reich-Ranicki 1974, 22) hervorhebt. | ||
Zwanzig Jahre nach der Erstauflage kommt im Januar 1991 eine Verfilmung unter der Regie von Werner Schroeter (1945–2010) und nach dem Drehbuch von Elfriede Jelinek (geb. 1946) in die deutschen Kinos; die deutsch-österreichische Produktion mit Isabelle Huppert (geb. 1953) in der weiblichen Hauptrolle läuft beim 44. Festival de Cannes im Mai des gleichen Jahres und wird mit mehreren Filmpreisen ausgezeichnet. | Zwanzig Jahre nach der Erstauflage kommt im Januar 1991 eine Verfilmung unter der Regie von Werner Schroeter (1945–2010) und nach dem Drehbuch von Elfriede Jelinek (geb. 1946) in die deutschen Kinos; die deutsch-österreichische Produktion mit Isabelle Huppert (geb. 1953) in der weiblichen Hauptrolle läuft beim 44. Festival de Cannes im Mai des gleichen Jahres und wird mit mehreren Filmpreisen ausgezeichnet. | ||
Dass der Roman auch noch heute zu den einflussreichen und lesenswerten Texten der deutschsprachigen Literatur zählt, zeigt dessen Neuerscheinung innerhalb der populären 'Bibliothek' der Süddeutschen Zeitung (als Band Nr. 97) im Jahre 2008 sowie zuletzt die Aufnahme in "Schecks Kanon", eine vom Literaturkritiker Denis Scheck (geb. 1964) in der Zeitung ''Die Welt'' zusammengestellte Reihe bedeutender Werke der Weltliteratur (vgl. Scheck 2018, 31). | Dass der Roman auch noch heute zu den einflussreichen und lesenswerten Texten der deutschsprachigen Literatur zählt, zeigt dessen Neuerscheinung innerhalb der populären 'Bibliothek' der Süddeutschen Zeitung (als Band Nr. 97) im Jahre 2008 sowie zuletzt die Aufnahme in "Schecks Kanon", eine vom Literaturkritiker Denis Scheck (geb. 1964) in der Zeitung ''Die Welt'' zusammengestellte Reihe bedeutender Werke der Weltliteratur (vgl. Scheck 2018, 31). | ||
==Träume in ''Malina''== | ==Träume in ''Malina''== |