"Kinder – Träume – Zukunft" (Erhard Großmann): Unterschied zwischen den Versionen
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==Zum Künstler== | ==Zum Künstler== | ||
In den 1950er Jahren absolvierte Großmann eine Lehre als Farblithograf, bevor er | In den 1950er Jahren absolvierte Großmann eine Lehre als Farblithograf, bevor er sein Kunststudium begann (Eisold 2010, 283). Dabei war er ab 1953 für drei Jahre an der Arbeiter- und Bauernfakultät der Hochschule für Bildende Kunst in Dresden. Anschließend besuchte er bis 1961 die Hochschule in Dresden und wurde dort von Erich Fraaß (1893–1974)<ref>Der Maler und Grafiker war 1947–1953 als Dozent und 1953-1958 als Professor an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden tätig (Eisold 2010, 216).</ref> und Rudolf Bergander (1909–1970)<ref> Ab 1949 dozierte Bergander an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden und wurde dort zwei Jahre später Professor. An derselben Institution hatte er im Zeitraum von 1953–1958 und 1964-1965 die Stelle als Rektor inne (Scharnhorst/Barth 2010).</ref> ausgebildet. Ab 1961 war der Maler und Grafiker Mitglied im Verband Bildender Künstler der DDR und freischaffend tätig. Er ließ sich im selben Jahr im Bezirk Neubrandenburg nieder. Dort arbeitete er in den 1960er Jahren in verschiedenen Institutionen und Positionen (z.B. ab 1965 als Zirkelleiter im Haus der Kultur und Bildung Neubrandenburg oder als Mitarbeiter im Zentrum Bildende Kunst Neubrandenburg (1969–1972). Zum Entstehungszeitpunkt des Wandbildes war er in Neubrandenburg freischaffender Künstler<ref>Für weiterführende Informationen zum Künstler vgl. Eisold 2010, 283.</ref>. | ||
==Werkbeschreibung== | ==Werkbeschreibung== | ||
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: <span style="color: #7b879e;">Großmann mußte für sein künstlerisches Vorhaben, ein Wandbild vom Vorwärtsträumen zu gestalten – das Mögliches im Wirklichen sichtbar werden läßt und das | : <span style="color: #7b879e;">Großmann mußte für sein künstlerisches Vorhaben, ein Wandbild vom Vorwärtsträumen zu gestalten – das Mögliches im Wirklichen sichtbar werden läßt und das [sic!] gerade unsere Gesellschaftsordnung beste Voraussetzungen bietet für das Erfüllen wirklichkeitsbezogener Träume –, die entsprechenden Bilder finden (Oswald 1973, 592 f.).</span> | ||
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===Hintergrundinformationen zur Gattung=== | ===Hintergrundinformationen zur Gattung=== | ||
Baubezogene Kunst<ref>Es handelt sich hierbei um eine Bezeichnung, die sich ab den 1960er Jahren etablierte und auch beispielsweise freistehende Bildwerke im öffentlichen Raum einschließt (Topfstedt 2019, 22 f.). Zuvor wurde der Terminus Kunst am Bau genutzt.</ref> in der DDR hatte keinen rein dekorativen Charakter, sondern war aus Sicht der Auftraggebenden oftmals mit bestimmten Aufgaben verbunden: Sie sollte politische Kontexte aufgreifen, Zuversicht ausstrahlen und ein idealisiertes Gesellschaftsbild zeigen (Topfstedt 2019, 22), das „vom optimistischen Lebensgefühl einer von Grund auf neu zu entwickelnden sozialistischen Menschengemeinschaft getragen“ wurde (Topfstedt 2019, 22). Zu berücksichtigen ist allerdings, in welcher Dekade die Kunstwerke entstanden, da sich bei dieser Gattung im Laufe der Zeit ein Wandel hinsichtlich der Gestaltungsmöglichkeiten abzeichnete (Topfstedt 2019, 23–26). Das heißt nicht, dass die von der SED vorgegebene Funktion baubezogener Kunst als ideologisches Erziehungsmittel grundsätzlich ad acta gelegt war. Die Auswahl der Bildthemen und die Prüfung ihrer künstlerischen Umsetzung unterlag nämlich auch Kontrollverfahren. Der Kunsthistoriker Thomas Topfstedt (*1947–2021) konstatiert zu Beginn seiner Ausführungen, dass „die Inhalte vom gesellschaftlichen Auftraggeber in der Regel vorgegeben“ waren, dass jedoch „niemand dem ausführenden Künstler die Entscheidung darüber abnehmen [konnte], wie er diese Vorgaben in seinem Werk umsetzen wollte“ (Topfstedt 2019, 22). Es bedarf folglich einer differenzierten und kritischen Betrachtung zwischen der jeweiligen künstlerischen Darstellung, ihrem Entstehungszeitraum und der generellen Aufgabe, die an baubezogene Kunst herangetragen wurde. Dieser gattungsspezifische Kontext ist also für die nachfolgende Entschlüsselung und Interpretation des Traumbezuges von ''Kinder – Träume – Zukunft'' mit zu berücksichtigen. | Baubezogene Kunst<ref>Es handelt sich hierbei um eine Bezeichnung, die sich ab den 1960er Jahren etablierte und auch beispielsweise freistehende Bildwerke im öffentlichen Raum einschließt (Topfstedt 2019, 22 f.). Zuvor wurde der Terminus ''Kunst am Bau'' genutzt.</ref> in der DDR hatte keinen rein dekorativen Charakter, sondern war aus Sicht der Auftraggebenden oftmals mit bestimmten Aufgaben verbunden: Sie sollte politische Kontexte aufgreifen, Zuversicht ausstrahlen und ein idealisiertes Gesellschaftsbild zeigen (Topfstedt 2019, 22), das „vom optimistischen Lebensgefühl einer von Grund auf neu zu entwickelnden sozialistischen Menschengemeinschaft getragen“ wurde (Topfstedt 2019, 22). Zu berücksichtigen ist allerdings, in welcher Dekade die Kunstwerke entstanden, da sich bei dieser Gattung im Laufe der Zeit ein Wandel hinsichtlich der Gestaltungsmöglichkeiten abzeichnete (Topfstedt 2019, 23–26). Das heißt nicht, dass die von der SED vorgegebene Funktion baubezogener Kunst als ideologisches Erziehungsmittel grundsätzlich ad acta gelegt war. Die Auswahl der Bildthemen und die Prüfung ihrer künstlerischen Umsetzung unterlag nämlich auch Kontrollverfahren. Der Kunsthistoriker Thomas Topfstedt (*1947–2021) konstatiert zu Beginn seiner Ausführungen, dass „die Inhalte vom gesellschaftlichen Auftraggeber in der Regel vorgegeben“ waren, dass jedoch „niemand dem ausführenden Künstler die Entscheidung darüber abnehmen [konnte], wie er diese Vorgaben in seinem Werk umsetzen wollte“ (Topfstedt 2019, 22). Es bedarf folglich einer differenzierten und kritischen Betrachtung zwischen der jeweiligen künstlerischen Darstellung, ihrem Entstehungszeitraum und der generellen Aufgabe, die an baubezogene Kunst herangetragen wurde. Dieser gattungsspezifische Kontext ist also für die nachfolgende Entschlüsselung und Interpretation des Traumbezuges von ''Kinder – Träume – Zukunft'' mit zu berücksichtigen. | ||
==Ikonographie: Analyse und Bezug auf Traumkontexte== | ==Ikonographie: Analyse und Bezug auf Traumkontexte== | ||
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===Kosmonaut=== | ===Kosmonaut=== | ||
Das Motiv des Kosmonauten hat sich in der DDR in den 1960er Jahren etabliert (Hofer 2012, 205 f.) und bis 1989 diverse Darstellungsentwicklungen und Abwandlungen erfahren (ebd., 206–215; Schaber 2021). Zudem hängt das Motiv mit der Geschichte der Weltraumeroberung zusammen | Das Motiv des Kosmonauten hat sich in der DDR in den 1960er Jahren etabliert (Hofer 2012, 205 f.) und bis 1989 diverse Darstellungsentwicklungen und Abwandlungen erfahren (ebd., 206–215; Schaber 2021). Zudem hängt das Motiv mit der Geschichte der Weltraumeroberung zusammen: Am 12. April 1961 glückte Juri Gagarin der erste bemannte Raumflug (Hofer 2012, 205 f.). Angesichts fehlender Bildmaterialien konzentrierten sich Propaganda und Medien auf den Kosmonauten, wodurch sich ein Personenkult entwickelte: „In Gagarin symbolisierte sich der russische Fortschritt, sein Triumph besiegelte die russische Überlegenheit über die amerikanische Weltraumbehörde, ja mehr noch: die Erfolge im Weltall galten in der sozialistischen Propaganda als Vorzeichen des Sieges über den ideologischen Feind“ (Hofer 2012, 206). | ||
Der Weltraumfahrer in ''Kinder – Träume – Zukunft'' weist kein eindeutiges Konterfei Juri Gagarins auf, weshalb in den Publikationen lediglich von einem Kosmonauten gesprochen wird (Maleschka 2019, 195; Oswald 1973, 594; Prehn 2018). Angesichts der Motivgeschichte und abhängig vom Entstehungszeitpunkt sowie von der künstlerischen Umsetzung in der Bildenden Kunst in der DDR kann dieser Technikbegeisterung (Hofer 2012, 206), Kontrollierbarkeit von Natur und Technik (Schaber 2021, 251), die Erfüllung von ehemals unmöglich erscheinenden Zielen (Oswald 1973, 594; Prehn 2018), aktuellen Zukunftsmöglichkeiten (Prehn 2018) sowie den sozialistischen ,Traum‘ vom Neuen Menschen symbolisieren (Hofer 2012, 206, Schaber 2021, 251 f.).<ref> Für weiterführende Informationen zur Ideengeschichte des Neuen Menschen vgl. Küenzlen 2016.</ref> Im Kerngedanken kann der Neue Mensch durch seine Handlungen Fortschritte und eine stetig bessere Gesellschaft erreichen, wobei letztere durch den Kommunismus bereits realisiert wurde (Hofer 2012, 206). Oder wie der evangelische Theologe und Sozialethiker Gottfried Küenzlen (*1945) zu Beginn seiner Übersicht zur Ideengeschichte des Neuen Menschen vom Christentum bis zur Moderne pointiert: „Der ,Alte Adam‘ soll vom Neuen Menschen überwunden werden“ (Küenzlen 2016, 4). In diesem Sinne ist die Setzung vom Paar im Paradies und vom Kosmonauten an den beiden gegenüberliegenden Bildrändern kohärent, zeigt sie doch, dass stetige Weiterentwicklungen zum Ausbau des sozialistischen Paradieses angestrebt werden und positiv zu bewerten sind. Da das historische Ereignis des ersten bemannten Raumflugs bereits 1961 stattfand, zeigt das Wandbild ferner die Realisierung bzw. den Erfüllungsmoment einer ehemaligen ,Vision‘ auf – und impliziert | Der Weltraumfahrer in ''Kinder – Träume – Zukunft'' weist kein eindeutiges Konterfei Juri Gagarins auf, weshalb in den Publikationen lediglich von einem Kosmonauten gesprochen wird (Maleschka 2019, 195; Oswald 1973, 594; Prehn 2018). Angesichts der Motivgeschichte und abhängig vom Entstehungszeitpunkt sowie von der künstlerischen Umsetzung in der Bildenden Kunst in der DDR kann dieser Technikbegeisterung (Hofer 2012, 206), Kontrollierbarkeit von Natur und Technik (Schaber 2021, 251), die Erfüllung von ehemals unmöglich erscheinenden Zielen (Oswald 1973, 594; Prehn 2018), aktuellen Zukunftsmöglichkeiten (Prehn 2018) sowie den sozialistischen ,Traum‘ vom Neuen Menschen symbolisieren (Hofer 2012, 206, Schaber 2021, 251 f.).<ref> Für weiterführende Informationen zur Ideengeschichte des Neuen Menschen vgl. Küenzlen 2016.</ref> Im Kerngedanken kann der Neue Mensch durch seine Handlungen Fortschritte und eine stetig bessere Gesellschaft erreichen, wobei letztere durch den Kommunismus bereits realisiert wurde (Hofer 2012, 206). Oder wie der evangelische Theologe und Sozialethiker Gottfried Küenzlen (*1945) zu Beginn seiner Übersicht zur Ideengeschichte des Neuen Menschen vom Christentum bis zur Moderne pointiert: „Der ,Alte Adam‘ soll vom Neuen Menschen überwunden werden“ (Küenzlen 2016, 4). In diesem Sinne ist die Setzung vom Paar im Paradies und vom Kosmonauten an den beiden gegenüberliegenden Bildrändern kohärent, zeigt sie doch, dass stetige Weiterentwicklungen zum Ausbau des sozialistischen Paradieses angestrebt werden und positiv zu bewerten sind. Da das historische Ereignis des ersten bemannten Raumflugs bereits 1961 stattfand, zeigt das Wandbild ferner die Realisierung bzw. den Erfüllungsmoment einer ehemaligen ,Vision‘ auf – und impliziert damit, dass auch andere sich bewahrheiten werden. Kosmonaut und Ikarus sind in der Darstellung nicht zufällig dicht zueinander gesetzt, da sie in einem inneren Sinnzusammenhang zueinanderstehen. | ||
===Ikarus=== | ===Ikarus=== | ||
Darstellungen von Ikarus waren ebenso wie der Kosmonaut in der bildenden Kunst der DDR eng verknüpft mit der Raumfahrtgeschichte (Schaber 2021). Es handelt sich zudem um ein weit verbreitetes Motiv, das | Darstellungen von Ikarus waren ebenso wie der Kosmonaut in der bildenden Kunst der DDR eng verknüpft mit der Raumfahrtgeschichte (Schaber 2021). Es handelt sich zudem um ein weit verbreitetes Motiv, das – abhängig von der Inszenierung – ambige und paradoxe Deutungsperspektiven aufweisen kann (Arlt 2012, 77–84; Schaber 2021, 253–285). Der Publizist, Schriftsteller, Kunstwissenschaftler und -kritiker Peter Arlt (*1943) weist nach, dass Ikarus ab etwa 1955 in der Kunst in der DDR auftritt, über die Jahre hin an Bedeutung gewinnt und eine zunehmende Verbreitung erlangt, die ihren Höhepunkt um 1980 hat (Arlt 2012, 76); zwischen Mitte der 1960er Jahren und 1977 tauchen aber in der bildenden Kunst auch kritische Versionen auf (ebd., 78). Positiv konnotiert drückt Ikarus beispielsweise einen ungehinderten Glauben an technischen Fortschritt und Zukunftsoptimismus aus (Schaber 2021, 253–285); in der negativen Variante (z.B. durch eine stürzende Figur) kann das Motiv Zweifel daran ausdrücken, dass durch technischen und wissenschaftlichen Fortschritt eine Verbesserung gesellschaftlicher und materieller Faktoren möglich ist. Oder es wird genutzt, um mit Ikarus lediglich die (bestehenden) Widersprüche in der Gesellschaft aufzuzeigen. Mit dem Aufgreifen der Ikarus-Motivik und seiner Verbindung mit der Raumfahrt in der bildenden Kunst wurde zudem das historische Ereignis von 1961 in einen mythologischen Kontext verlagert (Schaber 2021, 287). Mit Ikarus und dem Kosmonauten liegt also die Doppelung eines ähnlichen Sinninhaltes vor. | ||
Anhand der fünf Kompositionsentwürfe in ''Bildende Kunst'' ist zu erkennen, dass Ikarus erst ab dem dritten Blatt auftaucht – und als eindeutig abstürzende Figur gezeigt wird (Oswald 1973, 594). Die Ikarus-Motivik bei ''Kinder – Träume – Zukunft'' ist folglich ambig angelegt: Im vollendeten Wandbild weist er trotz seiner aufgerichteten Position nur einen Flügel auf, wodurch sein bevorstehender Absturz künstlerisch impliziert ist und der Fortschritts- und Technikglaube sowie der optimistische Blick in die Zukunft gerade im Zusammenspiel mit dem Kosmonauten kritisch hinterfragt werden. Oswald betont bei der Motiventwicklung von Ikarus aber dessen Kampfeswillen, der in der Skizze zum Ausdruck käme: | Anhand der fünf Kompositionsentwürfe in ''Bildende Kunst'' ist zu erkennen, dass Ikarus erst ab dem dritten Blatt auftaucht – und als eindeutig abstürzende Figur gezeigt wird (Oswald 1973, 594). Die Ikarus-Motivik bei ''Kinder – Träume – Zukunft'' ist folglich ambig angelegt: Im vollendeten Wandbild weist er trotz seiner aufgerichteten Position nur einen Flügel auf, wodurch sein bevorstehender Absturz künstlerisch impliziert ist und der Fortschritts- und Technikglaube sowie der optimistische Blick in die Zukunft gerade im Zusammenspiel mit dem Kosmonauten kritisch hinterfragt werden. Oswald betont bei der Motiventwicklung von Ikarus aber dessen Kampfeswillen, der in der Skizze zum Ausdruck käme: | ||
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Das Wandbild ''Kinder – Träume – Zukunft'' reagiert mit den Darstellungen der Kinderporträts auf die damalige unmittelbare räumliche Nähe zum Schulbildungszentrum. Dadurch sind die bereits im Bildtitel genannten Kinder nicht nur zentrale Protagonisten, sondern auch wesentliche Adressaten des Wandbildes. Ausgehend von der im Artikel von Oswald abgebildeten Aufnahme der Schülergaststätte und des Gehweges in der Zeitschrift ''Bildende Kunst'', ist jedoch zu beachten, dass prinzipiell Personen aller Altersgruppen die Straße und somit auch das Wandbild zugänglich waren (Oswald 1973, 594). | Das Wandbild ''Kinder – Träume – Zukunft'' reagiert mit den Darstellungen der Kinderporträts auf die damalige unmittelbare räumliche Nähe zum Schulbildungszentrum. Dadurch sind die bereits im Bildtitel genannten Kinder nicht nur zentrale Protagonisten, sondern auch wesentliche Adressaten des Wandbildes. Ausgehend von der im Artikel von Oswald abgebildeten Aufnahme der Schülergaststätte und des Gehweges in der Zeitschrift ''Bildende Kunst'', ist jedoch zu beachten, dass prinzipiell Personen aller Altersgruppen die Straße und somit auch das Wandbild zugänglich waren (Oswald 1973, 594). | ||
Auf den ersten Blick wirkt das Bild idyllisch und weist eine optimistische Haltung gegenüber der Zukunft auf, was durch die fröhliche Farbpalette unterstrichen wird. Somit werden Funktionen baubezogener Kunst (Zuversicht, ideales Gesellschaftsbild durch das Paar im Paradies) vordergründig bedient; bei näherer Auseinandersetzung weist das Bild aber durchaus alternative Deutungsvarianten auf. Zwar kann Ambiguität ein medienübergreifender Aspekt traumhaften Erzählens sein (Kreuzer 2014, 159, 366, 386 f., 461 f., 494 f., 536, 637), sie tritt aber auch unabhängig von einem Traumkontext in der Kunst aus der DDR auf. Damit ist beispielsweise die Verwendung von Metaphern sowie Allegorien und deren Mehrdeutigkeit gemeint. Ein gutes Exempel stellt das bereits besprochene Motiv des Ikarus dar, der bildthematisch auch völlig unabhängig von Traumaspekten in der bildenden Kunst in der DDR auftaucht. Dabei ist die Ikarus Figur aufgrund der mythologischen Erzählung und dem Absturz der Figur von vorneherein zu ambig aufgeladen, um damit einen unerschütterlichen Fortschrittsglauben zu veranschaulichen (Arlt 2012, 76–84). | Auf den ersten Blick wirkt das Bild idyllisch und weist eine optimistische Haltung gegenüber der Zukunft auf, was durch die fröhliche Farbpalette unterstrichen wird. Somit werden einige Funktionen baubezogener Kunst (Zuversicht, ideales Gesellschaftsbild durch das Paar im Paradies) vordergründig bedient; bei näherer Auseinandersetzung weist das Bild aber durchaus alternative Deutungsvarianten auf. Zwar kann Ambiguität ein medienübergreifender Aspekt traumhaften Erzählens sein (Kreuzer 2014, 159, 366, 386 f., 461 f., 494 f., 536, 637), sie tritt aber auch unabhängig von einem Traumkontext in der Kunst aus der DDR auf. Damit ist beispielsweise die Verwendung von Metaphern sowie Allegorien und deren Mehrdeutigkeit gemeint. Ein gutes Exempel stellt das bereits besprochene Motiv des Ikarus dar, der bildthematisch auch völlig unabhängig von Traumaspekten in der bildenden Kunst in der DDR auftaucht. Dabei ist die Ikarus Figur aufgrund der mythologischen Erzählung und dem Absturz der Figur von vorneherein zu ambig aufgeladen, um damit einen unerschütterlichen Fortschrittsglauben zu veranschaulichen (Arlt 2012, 76–84). | ||
Der Traum-Aspekt des Bildes wird nicht nur durch den Titel vorgegeben, sondern auch durch die Komposition des Komplexbildes, die Überschreitung von Raum- und Zeitgefügen sowie die Durchbrechung von Alltagswahrnehmungen (Überlappungen der Gliedmaßen und Gestaltung der Kindertrinität) unterstrichen. Die einzelnen Motive beziehen sich auf damals gängige ,Visionen‘ bzw. Vorstellungen. Ferner ist die Zukunft, die sich im Wandbild zeigt, letztlich eine Zukunft, die als solche partiell bereits eingetreten ist (Kosmonaut). Diese Rückgriffe werden jedoch genutzt, um einerseits Vergangenheit und Gegenwart zu definieren (Kinderporträts) und andererseits Optimismus für das Kommende auszudrücken. | Der Traum-Aspekt des Bildes wird nicht nur durch den Titel vorgegeben, sondern auch durch die Komposition des Komplexbildes, die Überschreitung von Raum- und Zeitgefügen sowie die Durchbrechung von Alltagswahrnehmungen (Überlappungen der Gliedmaßen und Gestaltung der Kindertrinität) unterstrichen. Die einzelnen Motive beziehen sich auf damals gängige ,Visionen‘ bzw. Vorstellungen. Ferner ist die Zukunft, die sich im Wandbild zeigt, letztlich eine Zukunft, die als solche partiell bereits eingetreten ist (Kosmonaut). Diese Rückgriffe werden jedoch genutzt, um einerseits Vergangenheit und Gegenwart zu definieren (Kinderporträts) und andererseits Optimismus für das Kommende auszudrücken. | ||
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* Lang, Lothar: Malerei und Graphik in Ostdeutschland. Leipzig: Faber & Faber 2002. | * Lang, Lothar: Malerei und Graphik in Ostdeutschland. Leipzig: Faber & Faber 2002. | ||
* Littke, Anna: Rolle der Frau – gleichberechtigt versus doppelbelastet. In: Kunst in der DDR. Themenanregungen | * Littke, Anna: Rolle der Frau – gleichberechtigt versus doppelbelastet. In: Kunst in der DDR. Themenanregungen. o. D.; [https://bildatlas-ddr-kunst.de/teaching/88 online] (12.2.2024). | ||
* Maleschka, Martin (Hg.): Baubezogene Kunst DDR. Kunst im öffentlichen Raum 1950 bis 1990. Berlin: DOM publishers 2019. | * Maleschka, Martin (Hg.): Baubezogene Kunst DDR. Kunst im öffentlichen Raum 1950 bis 1990. Berlin: DOM publishers 2019. | ||
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[[Kategorie:20._Jahrhundert]] | [[Kategorie:20._Jahrhundert]] | ||
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