"La tregua" (Primo Levi): Unterschied zwischen den Versionen

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Sognati con anima e corpo:
Sognati con anima e corpo:


tornare; mangiare; raccontare.
Tornare; mangiare; raccontare.


Finché suonava breve sommesso
Finché suonava breve sommesso
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«Wstawać».
«Wstawać».


11 gennaio 1946 (Levi 2014, 1)
11 gennaio 1946 (Levi 2014, 1)
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====Situierung====
====Situierung====


Das die autobiographische Erzählung eröffnende Gedicht wurde von Primo Levi während der Rückkehr nach Turin im Juli 1945 im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Eingangsgedicht zu ''Se questo è un uomo'' verfasst. Durch den zweifachen Imperativ „Wstawać“, den Befehl zum Aufstehen im Konzentrationslager Auschwitz, konstruiert Levi zum einen den thematischen und formalen Rahmen seines Berichtes (vgl. Kapser 2016, 105). Der polnische Befehl schließt auch den am Ende des Werkes erzählten Alptraum, und damit das Buch als Ganzes ab. Zum anderen wird durch dieses Wort die entscheidende Verbindung zu ''Se questo è un uomo'', Levis Erzählung aus dem Inneren des Lagers, hergestellt. Es findet sich nämlich ebenso im Zentrum des fünften Kapitels über den Bericht vom Grauen des Lageralltags: Der Abschnitt ''Le nostre notti'' ([Unsere Nächte], Levi 2005, 50-57) erzählt von den Bedingungen des Schlafes in den Lagerbaracken, den Alpträumen der KZ-Häftlinge und dem Befehl im Morgengrauen, mit dem die Lagerrealität unausweichlich ins Bewusstsein der Träumenden eindringt.
Das die autobiographische Erzählung eröffnende Gedicht wurde von Primo Levi während der Rückkehr nach Turin im Juli 1945 im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Eingangsgedicht zu ''Se questo è un uomo'' verfasst. Durch den zweifachen Imperativ „Wstawać“, den Befehl zum Aufstehen im Konzentrationslager Auschwitz, konstruiert Levi zum einen den thematischen und formalen Rahmen seines Berichtes (vgl. Kapser 2016, 105). Der polnische Befehl schließt auch den am Ende des Werkes erzählten Alptraum, und damit das Buch als Ganzes ab. Zum anderen wird durch dieses Wort die entscheidende Verbindung zu ''Se questo è un uomo'', Levis Erzählung aus dem Inneren des Lagers, hergestellt. Es findet sich nämlich ebenso im Zentrum des fünften Kapitels über den Bericht vom Grauen des Lageralltags: Der Abschnitt ''Le nostre notti'' ([Unsere Nächte] Levi 2005, 50-57) erzählt von den Bedingungen des Schlafes in den Lagerbaracken, den Alpträumen der KZ-Häftlinge und dem Befehl im Morgengrauen, mit dem die Lagerrealität unausweichlich ins Bewusstsein der Träumenden eindringt.




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==Einordnung==
==Einordnung==


Mittels der in ''La Tregua'' thematisierten Träume zeigt Primo Levi paradigmatisch auf, wie sich für das traumatisierte Individuum die Wahrnehmung von Traum und Wirklichkeit verkehren. Die Erfahrung der Shoah hat sich derart in das Bewusstsein des Überlebenden eingegraben, dass sich vergangene Erfahrung, erlebte Gegenwart und bevorstehende Zukunft nicht voneinander trennen lassen. Im Traum werden sowohl die zeitlichen als auch die räumlichen Grenzen aufgehoben; sie weichen einem leiblich erfahrenen, überzeitlichen und omnipräsenten Wissen („io so [...] ed anche so di averlo siempre saputo“ /[weiß ich [...], und weiß auch, dass ich es immer gewusst habe] (Kursivierung im Original). Damit bringt der „Traum ein Wissen über die Konzentrationslager zum Ausdruck [...], das über die bewusste Gedächtnisarbeit hinausgeht“ (Nickenig 2011, 288). Das Grauen des Lagers erweist sich als die einzige unhintergehbare Realität des Träumers. Auf dem Grund dieser Erfahrung wird die Nachkriegswirklichkeit als irreal und traumhaft erlebt. Der prekäre Status dieser Normalität innerhalb der Wachwelt bildet eine ständige Bedrohung und damit für den Überlebenden den eigentlichen Alptraum, weil er „die Evidenz von Wirklichkeit grundsätzlich in Frage stellt“ (Nickenig 2011, S. 287).
Mittels der in ''La Tregua'' thematisierten Träume zeigt Primo Levi paradigmatisch auf, wie sich für das traumatisierte Individuum die Wahrnehmung von Traum und Wirklichkeit verkehren. Die Erfahrung der Shoah hat sich derart in das Bewusstsein des Überlebenden eingegraben, dass sich vergangene Erfahrung, erlebte Gegenwart und bevorstehende Zukunft nicht voneinander trennen lassen. Im Traum werden sowohl die zeitlichen als auch die räumlichen Grenzen aufgehoben; sie weichen einem leiblich erfahrenen, überzeitlichen und omnipräsenten Wissen („io so [...] ed anche so di averlo siempre saputo“ /[weiß ich [...], und weiß auch, dass ich es immer gewusst habe] (Kursivierung im Original). Damit bringt der „Traum ein Wissen über die Konzentrationslager zum Ausdruck [...], das über die bewusste Gedächtnisarbeit hinausgeht“ (Nickenig 2011, S. 288). Das Grauen des Lagers erweist sich als die einzige unhintergehbare Realität des Träumers. Auf dem Grund dieser Erfahrung wird die Nachkriegswirklichkeit als irreal und traumhaft erlebt. Der prekäre Status dieser Normalität innerhalb der Wachwelt bildet eine ständige Bedrohung und damit für den Überlebenden den eigentlichen Alptraum, weil er „die Evidenz von Wirklichkeit grundsätzlich in Frage stellt“ (Nickenig 2011, S. 287).