"Kinder – Träume – Zukunft" (Erhard Großmann): Unterschied zwischen den Versionen

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==Ikonographie: Analyse und Bezug auf Traumkontexte==
==Ikonographie: Analyse und Bezug auf Traumkontexte==
===- Paar im Paradies===
===- Paar im Paradies===
Großmann nimmt in seinem Wandbild Bezug auf die tradierten Adam und Eva-Motivik in der Bildenden Kunst – und zwar auf Darstellungen des Garten Edens – und wandelt sie ab. Der aktive Part der beiden Figuren mit idealtypischen Körperbildern ist der Mann, der nach der Taube und somit dem Symbol des Friedens greift.  Auf der offiziellen Webseite von Neubrandenburg findet sich eine positive Auslegung, die im weiteren Deutungsrahmen der Zusammenstellungen der Einzelmotive begründet liegt. Demnach verkörpere das Paar im Paradies „das ursprüngliche Sein [sowie] das Streben nach Glück und Selbstverwirklichung“ (Prehn).
Großmann nimmt in seinem Wandbild Bezug auf die tradierte Adam und Eva-Motivik in der Bildenden Kunst – und zwar auf Darstellungen des Garten Edens – und wandelt sie ab. Der aktive Part der beiden Figuren mit idealtypischen Körperbildern ist der Mann, der nach der Taube und somit dem Symbol des Friedens greift.  Auf der offiziellen Webseite von Neubrandenburg findet sich eine positive Auslegung, die im weiteren Deutungsrahmen der Zusammenstellungen der Einzelmotive begründet liegt. Demnach verkörpere das Paar im Paradies „das ursprüngliche Sein [sowie] das Streben nach Glück und Selbstverwirklichung“ (Prehn).


In der DDR entstanden aber laut der Kunsthistorikerin Ulrike Bestgen ab 1975 zahlreiche Aktdarstellungen von Mann und Frau, die durch Bezug zu Adam und Eva sowohl geschlechtliche Rollenbilder, Idealvorstellungen als auch die Gleichberechtigung in der DDR<ref>Die Gleichberechtigung wurde politisch propagiert und stützte sich argumentativ auf die berufliche Tätigkeit von Frauen in den sozialistischen Staaten. Dabei war es ökonomisch unabdingbar gewesen zusätzliche Arbeitskräfte einzubinden. Im Privatbereich hingegen wurden oftmals alte Rollenbilder aufrecht gehalten, sodass Frauen neben ihrer Berufstätigkeit zusätzlich allein die Haushaltsführung und Familienbetreuung bewältigten. Die Propaganda stand hierbei also oftmals im Widerspruch zur Lebensrealität (Bestgen, 319f.; Littke).</ref> kritisch beleuchten konnten (Bestgen, 322–327). Mit Adam und Eva konnte ferner das Verhältnis des Einzelnen zur Gesellschaft hinterfragt werden, dennoch war auch eine positive Wertung möglich (o.A., 09 Alter Adam, neue Eva). Somit ist ein mehrdeutiges Gesellschaftsbild mit Hilfe der Motivik gegeben. Es ist daher danach zu fragen, in welcher Form Großmanns Werk, das früher als Bestgens Zeitrahmen datiert ist, an die verschiedenen Lesarten anknüpft. Auffällig ist, dass sich im Paar ein Spiel zwischen Aktivität und Passivität wiederfindet. Friedlich sitzen beide nebeneinander und sind in ihrer idealisierten Nacktheit durchaus gleichgestellt (Bestgen, 323). Aber derjenige, der sich aktiv für den Frieden einsetzt also nach Glück strebt und die Ziele, Sehnsüchte und Wünsche zu realisieren sucht, ist der Mann, während die Frau angesichts seiner Handlungen unbeteiligter wirkt. Allerdings ist sie diejenige, die den Betrachtenden entgegenblickt und dadurch die Kommunikation mit der Gesellschaft sucht. Der Mann scheint hingegen bedeutungsperspektivisch größer gehalten zu sein als der weibliche Gegenpart. Außerdem suchen die Figuren zwar gegenseitige körperliche Nähe, interagieren aber nicht wirklich miteinander. Auch herrscht zwischen ihnen keine sexuelle Spannung, was einerseits eine Referenz zur Situation des Paares im Garten Eden darstellt, andererseits die Paarbeziehungen in der DDR idealisiert und ihnen einen unschuldigen Charakter zuweist (Bestgen, 322). In der Darstellung des sozialistischen und idyllischen Paradieses ist daher eher eine positive Lesart intendiert. Eine negative Lesart hingegen ist höchstens in äußerst subtiler Weise in der Aktivität und Passivität der Figuren und dem Bruch mit der Lebensrealität vertreten. Ungeachtet der Lesart ist das Paar kompositorischer Bestandteil der Tagträume der dargestellten Kinder.
In der DDR entstanden aber laut der Kunsthistorikerin Ulrike Bestgen ab 1975 zahlreiche Aktdarstellungen von Mann und Frau, die durch Bezug zu Adam und Eva sowohl geschlechtliche Rollenbilder, Idealvorstellungen als auch die Gleichberechtigung in der DDR<ref>Die Gleichberechtigung wurde politisch propagiert und stützte sich argumentativ auf die berufliche Tätigkeit von Frauen in den sozialistischen Staaten. Dabei war es ökonomisch unabdingbar gewesen zusätzliche Arbeitskräfte einzubinden. Im Privatbereich hingegen wurden oftmals alte Rollenbilder aufrecht gehalten, sodass Frauen neben ihrer Berufstätigkeit zusätzlich allein die Haushaltsführung und Familienbetreuung bewältigten. Die Propaganda stand hierbei also oftmals im Widerspruch zur Lebensrealität (Bestgen, 319f.; Littke).</ref> kritisch beleuchten konnten (Bestgen, 322–327). Mit Adam und Eva konnte ferner das Verhältnis des Einzelnen zur Gesellschaft hinterfragt werden, dennoch war auch eine positive Wertung möglich (o.A., 09 Alter Adam, neue Eva). Somit ist ein mehrdeutiges Gesellschaftsbild mit Hilfe der Motivik gegeben. Es ist daher danach zu fragen, in welcher Form Großmanns Werk, das früher als Bestgens Zeitrahmen datiert ist, an die verschiedenen Lesarten anknüpft. Auffällig ist, dass sich im Paar ein Spiel zwischen Aktivität und Passivität wiederfindet. Friedlich sitzen beide nebeneinander und sind in ihrer idealisierten Nacktheit durchaus gleichgestellt (Bestgen, 323). Aber derjenige, der sich aktiv für den Frieden einsetzt also nach Glück strebt und die Ziele, Sehnsüchte und Wünsche zu realisieren sucht, ist der Mann, während die Frau angesichts seiner Handlungen unbeteiligter wirkt. Allerdings ist sie diejenige, die den Betrachtenden entgegenblickt und dadurch die Kommunikation mit der Gesellschaft sucht. Der Mann scheint hingegen bedeutungsperspektivisch größer gehalten zu sein als der weibliche Gegenpart. Außerdem suchen die Figuren zwar gegenseitige körperliche Nähe, interagieren aber nicht wirklich miteinander. Auch herrscht zwischen ihnen keine sexuelle Spannung, was einerseits eine Referenz zur Situation des Paares im Garten Eden darstellt, andererseits die Paarbeziehungen in der DDR idealisiert und ihnen einen unschuldigen Charakter zuweist (Bestgen, 322). In der Darstellung des sozialistischen und idyllischen Paradieses ist daher eher eine positive Lesart intendiert. Eine negative Lesart hingegen ist höchstens in äußerst subtiler Weise in der Aktivität und Passivität der Figuren und dem Bruch mit der Lebensrealität vertreten. Ungeachtet der Lesart ist das Paar kompositorischer Bestandteil der Tagträume der dargestellten Kinder.


===Kosmonaut===
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