"Atys" (Jean-Baptiste Lully): Unterschied zwischen den Versionen

keine Bearbeitungszusammenfassung
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 47: Zeile 47:
Im sich anschließenden Terzett der Schlafgottsöhne (T. 16-25) warnt Lully, dass die Liebe Cybèles ewige Treue erfordere. Ein erstmaliger Tonartwechsel nach B-Dur (T. 16-20), der späteren Tonart der songes funestes, deutet auf deren Auftritt im dritten Teil der Szene voraus (vgl. Leopold 2006, 214) und verleiht der Warnung zusammen mit der Zunahme der Besetzung und der homophonen, von Tonrepetitionen geprägten Deklamation eine bedrohliche Eindrücklichkeit. Auffällig ist, dass die Unsterblichkeit der Schönheit Cybèles und damit ihrer Person (T. 16-20) in B-Dur gesetzt ist, während der zweite Phrasenteil (T. 21-25) in g-Moll ewige Treue und Liebe beinhaltet. Mit der Tonika wird hier der positive Ausgang der Liebe, vorausgesetzt Atys nimmt sie an, harmonisch verdeutlicht. Im zweiten Teil der Warnung (T. 26-41) singt Phantase solistisch zur Continuobegleitung in g-Moll und bestärkt die Vorteilhaftigkeit der Liebe zu einer Göttin mit einem neuen, schrittweise aufsteigenden Motiv, das um zwei, satztechnisch korrekt in Gegenrichtung aufgefangene Quartsprünge abfällt (T. 26ff.). Die abfallende Bewegung sowie das Erreichen der Tonika auf „attraits“, den Reizen der Liebe zu Cybèle, verdeutlichen musikalisch den Zwang, dem Atys ausgesetzt ist. Lully hebt diesen weiter hervor, indem er über wellenartige melodische Bewegung den Spitzenton f auf „puissance“, der Macht Cybèles über die Liebe und über Atys, erreicht (dies wird im Folgenden als Liebesmachtmotivik bezeichnet). Nach einer Wiederholung der ersten und der nach oben sequenzierten zweiten Phrase (T. 34-38), wird mit Besingen der nie endenden Liebe über die Schlusskadenz mit Quartvorhalt die Grundtonart erreicht (T. 39ff.). So ist die Akzeptanz des Antrags von Cybèle musikalisch als einzig mögliche Lösung ausgewiesen.
Im sich anschließenden Terzett der Schlafgottsöhne (T. 16-25) warnt Lully, dass die Liebe Cybèles ewige Treue erfordere. Ein erstmaliger Tonartwechsel nach B-Dur (T. 16-20), der späteren Tonart der songes funestes, deutet auf deren Auftritt im dritten Teil der Szene voraus (vgl. Leopold 2006, 214) und verleiht der Warnung zusammen mit der Zunahme der Besetzung und der homophonen, von Tonrepetitionen geprägten Deklamation eine bedrohliche Eindrücklichkeit. Auffällig ist, dass die Unsterblichkeit der Schönheit Cybèles und damit ihrer Person (T. 16-20) in B-Dur gesetzt ist, während der zweite Phrasenteil (T. 21-25) in g-Moll ewige Treue und Liebe beinhaltet. Mit der Tonika wird hier der positive Ausgang der Liebe, vorausgesetzt Atys nimmt sie an, harmonisch verdeutlicht. Im zweiten Teil der Warnung (T. 26-41) singt Phantase solistisch zur Continuobegleitung in g-Moll und bestärkt die Vorteilhaftigkeit der Liebe zu einer Göttin mit einem neuen, schrittweise aufsteigenden Motiv, das um zwei, satztechnisch korrekt in Gegenrichtung aufgefangene Quartsprünge abfällt (T. 26ff.). Die abfallende Bewegung sowie das Erreichen der Tonika auf „attraits“, den Reizen der Liebe zu Cybèle, verdeutlichen musikalisch den Zwang, dem Atys ausgesetzt ist. Lully hebt diesen weiter hervor, indem er über wellenartige melodische Bewegung den Spitzenton f auf „puissance“, der Macht Cybèles über die Liebe und über Atys, erreicht (dies wird im Folgenden als Liebesmachtmotivik bezeichnet). Nach einer Wiederholung der ersten und der nach oben sequenzierten zweiten Phrase (T. 34-38), wird mit Besingen der nie endenden Liebe über die Schlusskadenz mit Quartvorhalt die Grundtonart erreicht (T. 39ff.). So ist die Akzeptanz des Antrags von Cybèle musikalisch als einzig mögliche Lösung ausgewiesen.


Hieran schließt sich der instrumental untermalte Tanz der ''songes agréables'' an (''Entrée des songes agréables''). Besetzt ist er mit dem fünfstimmigen Lullyschen Streichersatz, sowie höchstwahrscheinlich colla parte</ref>Bitte erläutern.</ref> mit den in der Didaskalie (S. 110) genannten, auf der Bühne spielenden Violen und Theorben. Der homophon gesetzte Tanz kombiniert, wie für Instrumentalformen der frühen französischen Oper üblich (vgl. Anthony 1990, 68), Phantases Motive der Reize der Liebe (T. 1-3) und ihrer Macht (T. 4-6) mit den aus dem Präludium bekannten Tonrepetitionen in kleinschrittiger Reihung (T. 6-10). Harmonisch verbleibt dieser wiederholte Teil A des Tanzes (T. 1-10) in g-Moll. Teil B ist zweiteilig. Im Abschnitt a (T. 11-18) verlangsamt sich die Bewegung der Begleitstimmen, während in der Oberstimme ein bewegter Gestus aus punktierten Tonrepetitionen (T. 11, T. 15f.), Motivabspaltungen des Liebesmachtmotivs (T. 12) sowie schrittweise Achtelbewegungen (T. 13) erscheinen. Harmonisch bewegt sich dieser Abschnitt zur Tonikaparallele (T. 18). Die sechstaktige, identisch wiederholte Phrase des Abschnittes b (T. 18-30) kombiniert die Punktierungen aus Abschnitt a mit der Schlafmotivik aus Tonrepetitionen. Die erste Phrase öffnet sich zur Dominante, während die zweite in die Tonika mit pikardischer Terz schließt. Auch hier ist die Harmonik, die den Schlaf als Zustand des körperlichen Ruhens darstellt, äußerst stabil. Die auf der Bühne agierenden Sänger und Instrumentalisten stellen die Traumbilder dar. Da diese Figuren nicht explizit göttlichen Ursprungs sind, könnten sie auch die songes animaux verkörpern.
Hieran schließt sich der instrumental untermalte Tanz der ''songes agréables'' an (''Entrée des songes agréables''). Besetzt ist er mit dem fünfstimmigen Lullyschen Streichersatz, sowie höchstwahrscheinlich colla parte</ref>Bitte erläutern.<ref> mit den in der Didaskalie (S. 110) genannten, auf der Bühne spielenden Violen und Theorben. Der homophon gesetzte Tanz kombiniert, wie für Instrumentalformen der frühen französischen Oper üblich (vgl. Anthony 1990, 68), Phantases Motive der Reize der Liebe (T. 1-3) und ihrer Macht (T. 4-6) mit den aus dem Präludium bekannten Tonrepetitionen in kleinschrittiger Reihung (T. 6-10). Harmonisch verbleibt dieser wiederholte Teil A des Tanzes (T. 1-10) in g-Moll. Teil B ist zweiteilig. Im Abschnitt a (T. 11-18) verlangsamt sich die Bewegung der Begleitstimmen, während in der Oberstimme ein bewegter Gestus aus punktierten Tonrepetitionen (T. 11, T. 15f.), Motivabspaltungen des Liebesmachtmotivs (T. 12) sowie schrittweise Achtelbewegungen (T. 13) erscheinen. Harmonisch bewegt sich dieser Abschnitt zur Tonikaparallele (T. 18). Die sechstaktige, identisch wiederholte Phrase des Abschnittes b (T. 18-30) kombiniert die Punktierungen aus Abschnitt a mit der Schlafmotivik aus Tonrepetitionen. Die erste Phrase öffnet sich zur Dominante, während die zweite in die Tonika mit pikardischer Terz schließt. Auch hier ist die Harmonik, die den Schlaf als Zustand des körperlichen Ruhens darstellt, äußerst stabil. Die auf der Bühne agierenden Sänger und Instrumentalisten stellen die Traumbilder dar. Da diese Figuren nicht explizit göttlichen Ursprungs sind, könnten sie auch die songes animaux verkörpern.


In der folgenden Arie „Gouste en paix“ singt Phobétor in der bereits bekannten Motivik aus punktierten Tonrepetitionen zu der für Schlafszenen seit Lully typischen Flöten- und Continuobegleitung in einem ersten Abschnitt A (T. 1-15) vom Frieden und dem Glück einer göttlichen Liebe, die es wert ist, sich der Kette ewiger Treue zu ergeben. Auch hier wird g-Moll nicht verlassen. Die Göttlichkeit Cybèles wird mit einer aufsteigenden Melodielinie und dem Spitzenton d auf „divinité“ in ihrer Bedeutung hervorgehoben (T. 6-8). Nicht nur ist die Tatsache, dass Cybèle Göttin ist, Anlass für das Auftreten der Götter zur Überbringung der Liebesbotschaft, es ist zugleich Grund für die Zwänge, denen Atys sich unterworfen sieht. Die melodische Kulmination fällt somit auch mit der Peripetie der Oper zusammen. Im Anschluss hieran fällt die Melodie sukzessive um den Ambitus einer Undezime. Die Phrase endet offen in der Dominante, sodass die Aussage des Glücks einer göttlichen Liebe nicht konfirmiert wird. Die klangliche Lieblichkeit, erzeugt durch die ab T. 9 fast durchgängig in Terzen gesetzten Flöten, erscheint in ihrer Verbildlichung der Worte Phobétors als ironischer Kommentar auf die von ihm in tiefster Lage und mit absteigender Melodik besungene Schönheit der Ketten der Liebe. An Phobétors mehrdeutiges Lob einer Liebe, die Unfreiheit bedeutet, schließt sich die schon bekannte Warnung der Schlafgötter (T. 16-25) sowie deren Bekräftigung durch Phantase (T. 26-41) an. Die Wiederholung des ''Entrée der songes agréables'' beschließt den zweiten großformalen Teil der Szene. Mit der Darstellung der guten Träume bewegt Lully sich im Bereich der ''songes divins'' und der ''songes animaux''. Seine Traumszene folgt somit den in Medizin, Philosophie und Theologie geläufigen Vorstellungen gottgesandter Träume und der darin auftretenden Gestalten.
In der folgenden Arie „Gouste en paix“ singt Phobétor in der bereits bekannten Motivik aus punktierten Tonrepetitionen zu der für Schlafszenen seit Lully typischen Flöten- und Continuobegleitung in einem ersten Abschnitt A (T. 1-15) vom Frieden und dem Glück einer göttlichen Liebe, die es wert ist, sich der Kette ewiger Treue zu ergeben. Auch hier wird g-Moll nicht verlassen. Die Göttlichkeit Cybèles wird mit einer aufsteigenden Melodielinie und dem Spitzenton d auf „divinité“ in ihrer Bedeutung hervorgehoben (T. 6-8). Nicht nur ist die Tatsache, dass Cybèle Göttin ist, Anlass für das Auftreten der Götter zur Überbringung der Liebesbotschaft, es ist zugleich Grund für die Zwänge, denen Atys sich unterworfen sieht. Die melodische Kulmination fällt somit auch mit der Peripetie der Oper zusammen. Im Anschluss hieran fällt die Melodie sukzessive um den Ambitus einer Undezime. Die Phrase endet offen in der Dominante, sodass die Aussage des Glücks einer göttlichen Liebe nicht konfirmiert wird. Die klangliche Lieblichkeit, erzeugt durch die ab T. 9 fast durchgängig in Terzen gesetzten Flöten, erscheint in ihrer Verbildlichung der Worte Phobétors als ironischer Kommentar auf die von ihm in tiefster Lage und mit absteigender Melodik besungene Schönheit der Ketten der Liebe. An Phobétors mehrdeutiges Lob einer Liebe, die Unfreiheit bedeutet, schließt sich die schon bekannte Warnung der Schlafgötter (T. 16-25) sowie deren Bekräftigung durch Phantase (T. 26-41) an. Die Wiederholung des ''Entrée der songes agréables'' beschließt den zweiten großformalen Teil der Szene. Mit der Darstellung der guten Träume bewegt Lully sich im Bereich der ''songes divins'' und der ''songes animaux''. Seine Traumszene folgt somit den in Medizin, Philosophie und Theologie geläufigen Vorstellungen gottgesandter Träume und der darin auftretenden Gestalten.