"Immer noch Sturm" (Peter Handke): Unterschied zwischen den Versionen
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''Immer noch Sturm ''stellt als Ganzes die Präsentation eines Traumgeschehens dar. Das Stück beginnt mit einer erzählerischen Erkundung der entstehenden Traumlandschaft: „Eine Heide, eine Steppe, eine Heidesteppe, oder wo. Jetzt, im Mittelalter, oder wann. Was ist da zu sehen? Eine Sitzbank, eine eher zeitlose, im Mittelgrund, und daneben oder dahinter oder sonst wo ein Apfelbaum, behängt mit etwa 99 Äpfeln, Frühäpfeln, fast weißen, oder Spätäpfeln, dunkelroten. Sanft abschüssig erscheint mir diese Heide, heimelig. Wem zeigt sie sich? Wem erscheint sie so? Mir hier, im Augenblick“ (InS 7). Während sich die im Traum herrschende Zeit nicht eindeutig bestimmen lässt, wird die Heidesteppe im Verlauf des Traumgeschehens noch genauer verortet und als Kärntner Jaunfeld bezeichnet. Dort erscheinen dem träumenden Erzähler-‚Ich‘ seine bereits verstorbenen Vorfahren: die Mutter, die Großeltern, die vier Geschwister der Mutter. Die Traumlandschaft und das Auftauchen seiner toten Ahnen im Traum hat das ‚Ich‘ in einem hohen Maße selbst evoziert, wie einer der herbeigeträumten Vorfahren ausspricht: „Zimmert aus seinem Daher- und Dahingeträumten Weltenräume. Träumt, und bestimmt, daß wir Toten nicht tot sind“ (InS 155). | ''Immer noch Sturm ''stellt als Ganzes die Präsentation eines Traumgeschehens dar. Das Stück beginnt mit einer erzählerischen Erkundung der entstehenden Traumlandschaft: „Eine Heide, eine Steppe, eine Heidesteppe, oder wo. Jetzt, im Mittelalter, oder wann. Was ist da zu sehen? Eine Sitzbank, eine eher zeitlose, im Mittelgrund, und daneben oder dahinter oder sonst wo ein Apfelbaum, behängt mit etwa 99 Äpfeln, Frühäpfeln, fast weißen, oder Spätäpfeln, dunkelroten. Sanft abschüssig erscheint mir diese Heide, heimelig. Wem zeigt sie sich? Wem erscheint sie so? Mir hier, im Augenblick“ (InS 7). Während sich die im Traum herrschende Zeit nicht eindeutig bestimmen lässt, wird die Heidesteppe im Verlauf des Traumgeschehens noch genauer verortet und als Kärntner Jaunfeld bezeichnet. Dort erscheinen dem träumenden Erzähler-‚Ich‘ seine bereits verstorbenen Vorfahren: die Mutter, die Großeltern, die vier Geschwister der Mutter. Die Traumlandschaft und das Auftauchen seiner toten Ahnen im Traum hat das ‚Ich‘ in einem hohen Maße selbst evoziert, wie einer der herbeigeträumten Vorfahren ausspricht: „Zimmert aus seinem Daher- und Dahingeträumten Weltenräume. Träumt, und bestimmt, daß wir Toten nicht tot sind“ (InS 155). | ||
Als ein ‚Ich im Traum‘ kommt das ‚Ich‘ mit seinen Vorfahren auf der Heidesteppe zusammen und erfährt von diesen allerhand über die Zeit und ihr Schicksal während des Zweiten Weltkriegs. Berichtet wird von der Unterdrückung der Kärntner Slowenen durch das NS-Regime, der ständigen Bedrohung durch eine mögliche Aussiedlung, dem Verbot, Slowenisch zu sprechen sowie dem Versuch, aktiv, aber dennoch vergeblich, Widerstand gegen die Nationalsozialisten zu leisten. Das ‚Ich‘ erfährt außerdem, wie zwei der Geschwister seiner Mutter, Benjamin und Valentin, an der Front ums Leben kommen; wie zwei weitere Geschwister, Ursula und Gregor, sich dem bewaffneten Partisanenkampf anschließen; wie Gregor zum Kommandanten der Widerstandskämpfer aufsteigt; wie Ursula | Als ein ‚Ich im Traum‘ kommt das ‚Ich‘ mit seinen Vorfahren auf der Heidesteppe zusammen und erfährt von diesen allerhand über die Zeit und ihr Schicksal während des Zweiten Weltkriegs. Berichtet wird von der Unterdrückung der Kärntner Slowenen durch das NS-Regime, der ständigen Bedrohung durch eine mögliche Aussiedlung, dem Verbot, Slowenisch zu sprechen sowie dem Versuch, aktiv, aber dennoch vergeblich, Widerstand gegen die Nationalsozialisten zu leisten. Das ‚Ich‘ erfährt außerdem, wie zwei der Geschwister seiner Mutter, Benjamin und Valentin, an der Front ums Leben kommen; wie zwei weitere Geschwister, Ursula und Gregor, sich dem bewaffneten Partisanenkampf anschließen; wie Gregor zum Kommandanten der Widerstandskämpfer aufsteigt; wie Ursula gefangen genommen und zu Tode gefoltert wird; und wie seine Mutter auf der Suche nach seinem Vater ihre Heimat verlässt. | ||
Der Traum endet mit dem erneuten Erscheinen aller Vorfahren zum gemeinsamen Singen einer Weltverdrußpolka und dem Auftritt „jener vielen, […] die vorher zeitweise im Hintergrund vorbeigezogen waren. Jetzt drängen sie nach vorn und würfeln uns mir nichts, dir nichts, als gäbe es uns gar nicht, auseinander, so daß unsererseits wir bei unserem Abgesang sachte in den Hintergrund geraten, und beim Ausklang des Lieds zwischen und hinter den andern mehr oder weniger verschwunden sein werden, erkenntlich höchstens an den Handzeichen, mit denen wir einander noch zuwinken“ (InS 167). | Der Traum endet mit dem erneuten Erscheinen aller Vorfahren zum gemeinsamen Singen einer Weltverdrußpolka und dem Auftritt „jener vielen, […] die vorher zeitweise im Hintergrund vorbeigezogen waren. Jetzt drängen sie nach vorn und würfeln uns mir nichts, dir nichts, als gäbe es uns gar nicht, auseinander, so daß unsererseits wir bei unserem Abgesang sachte in den Hintergrund geraten, und beim Ausklang des Lieds zwischen und hinter den andern mehr oder weniger verschwunden sein werden, erkenntlich höchstens an den Handzeichen, mit denen wir einander noch zuwinken“ (InS 167). |