"A Day in the Life" (The Beatles): Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 12. August 2020, 19:06 Uhr
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Musikalisch besonders interessant sind die beiden Varianten von Überleitungen: Im Anschluss an den ersten, von Lennon geschriebenen Teil (nach Strophe 2) – schon zuvor in der Mitte der Strophe kurz angedeutet – wie nach der letzten von Lennon geschriebenen Strophe 4 folgt jeweils auf die Zeile „I’d love to turn you on“ ein Instrumentalteil a, der sehr aufwändig produziert wurde. Ein vierzigköpfiges klassisches Orchester spielt in einer dynamisch wie quantitativen Steigerung nach McCartneys Anweisung, „to start on whatever the lowest note on their instrument is, and to arrive on the highest note on their instrument“ (Anthology, 247), was den Eindruck einer Kakophonie erzeugt, die stetig anschwillt, um dann beim ersten Mal mit einer Wendung in den B-Teil überzugehen bzw. im zweiten Fall in einer Art Explosion, auf die ein Moment der Stille folgt, in einen monumentalen E-Dur-Schlussakkord zu münden, der auf mehreren Klavieren mit getretenem Pedal aufgenommen wurde und so sehr lange schwebend nachklingt. Besonders aufschlussreich für den vorliegenden Beitrag ist der Instrumentalteil b im Anschluss an den von McCartney komponierten B-Teil (Strophe 3), da dieser auf den Vers „and I went into a dream“ folgt. Er ist nicht rein instrumental, da er über die gesamte Länge von einem vokalisierten „Ahahaha“ begleitet wird. Die Singstimme ‚schwebt‘ sphärisch anmutend über dem Orchester, das eine dynamisch zunehmende Begleitung spielt, während das Schlagzeug als Rhythmusgeber weiterhin präsent bleibt. Einen Sonderfall bildet das Ende c: Nach dem Verklingen des Schlussakkords ist ein für Menschen unhörbar hoher Ton eingefügt („a bit that only dogs could hear“, Anthology, 247), dann herrscht einige Zeit Stille, bevor – je nach Ausgabe und Abspielgerät (bei Plattenspielern ohne „automatic turntable“, vgl. Garr 2017, 136) – ein aus Sprachfetzen und Geräuschen zusammengefügter Loop einsetzt, in dem möglicherweise die Aussagen „Been really high“ und „It never could be any other way“ herauszuhören sind. | Musikalisch besonders interessant sind die beiden Varianten von Überleitungen: Im Anschluss an den ersten, von Lennon geschriebenen Teil (nach Strophe 2) – schon zuvor in der Mitte der Strophe kurz angedeutet – wie nach der letzten von Lennon geschriebenen Strophe 4 folgt jeweils auf die Zeile „I’d love to turn you on“ ein Instrumentalteil a, der sehr aufwändig produziert wurde. Ein vierzigköpfiges klassisches Orchester spielt in einer dynamisch wie quantitativen Steigerung nach McCartneys Anweisung, „to start on whatever the lowest note on their instrument is, and to arrive on the highest note on their instrument“ (Anthology, 247), was den Eindruck einer Kakophonie erzeugt, die stetig anschwillt, um dann beim ersten Mal mit einer Wendung in den B-Teil überzugehen bzw. im zweiten Fall in einer Art Explosion, auf die ein Moment der Stille folgt, in einen monumentalen E-Dur-Schlussakkord zu münden, der auf mehreren Klavieren mit getretenem Pedal aufgenommen wurde und so sehr lange schwebend nachklingt. Besonders aufschlussreich für den vorliegenden Beitrag ist der Instrumentalteil b im Anschluss an den von McCartney komponierten B-Teil (Strophe 3), da dieser auf den Vers „and I went into a dream“ folgt. Er ist nicht rein instrumental, da er über die gesamte Länge von einem vokalisierten „Ahahaha“ begleitet wird. Die Singstimme ‚schwebt‘ sphärisch anmutend über dem Orchester, das eine dynamisch zunehmende Begleitung spielt, während das Schlagzeug als Rhythmusgeber weiterhin präsent bleibt. Einen Sonderfall bildet das Ende c: Nach dem Verklingen des Schlussakkords ist ein für Menschen unhörbar hoher Ton eingefügt („a bit that only dogs could hear“, Anthology, 247), dann herrscht einige Zeit Stille, bevor – je nach Ausgabe und Abspielgerät (bei Plattenspielern ohne „automatic turntable“, vgl. Garr 2017, 136) – ein aus Sprachfetzen und Geräuschen zusammengefügter Loop einsetzt, in dem möglicherweise die Aussagen „Been really high“ und „It never could be any other way“ herauszuhören sind. | ||
Die musikalische Gesamtstruktur von A Day in the Life lässt sich also wie folgt schematisieren: | Die musikalische Gesamtstruktur von ''A Day in the Life'' lässt sich also wie folgt schematisieren: | ||
A - A - a - B - b - a2 - [c] | A - A - a - B - b - a2 - [c] | ||
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Am Ende des B-Teils angesiedelt, bereitet die Traummarkierung den instrumentalen Anschluss vor und kann daher interpretatorisch als ‚Leseanweisung‘ für diesen instrumentalen Teil verstanden werden. Demnach wäre dessen musikalisch in starkem Kontrast stehende orchestrale wie stimmlich sphärische Umsetzung eine Art nonverbale Traumdarstellung des Ichs, das seiner Alltagsroutine entfliehen möchte. Das Fehlen von Worten könnte mit der oftmals Träumen zugeschriebenen Dominanz von Sinneseindrücken und der Unmöglichkeit der Verbalisierung des Trauminhalts in Verbindung gebracht werden. Nimmt man die oben beschriebene Aufwärtsbewegung („upstairs“) im B-Teil wörtlich, so wird sie in der treppenartig steigenden Musik (zum Begriff Schleich 2019, 86, mit Tagg) des b-Teils gespiegelt, was den Eindruck eines ‚Aufsteigens‘ in die ‚Höhen‘ eines Traumes oder Rauschzustandes (vgl. den Ausdruck ‚to get high‘) verstärkt. Im Übergang in den zweiten A-Teil erfolgt dann ein vorübergehendes ‚Absteigen‘; dessen im Vergleich zum ersten surrealerer Text unterminiert den Eindruck einer Rückkehr in die Alltäglichkeit (erneut „I read the news“) allerdings wieder. | Am Ende des B-Teils angesiedelt, bereitet die Traummarkierung den instrumentalen Anschluss vor und kann daher interpretatorisch als ‚Leseanweisung‘ für diesen instrumentalen Teil verstanden werden. Demnach wäre dessen musikalisch in starkem Kontrast stehende orchestrale wie stimmlich sphärische Umsetzung eine Art nonverbale Traumdarstellung des Ichs, das seiner Alltagsroutine entfliehen möchte. Das Fehlen von Worten könnte mit der oftmals Träumen zugeschriebenen Dominanz von Sinneseindrücken und der Unmöglichkeit der Verbalisierung des Trauminhalts in Verbindung gebracht werden. Nimmt man die oben beschriebene Aufwärtsbewegung („upstairs“) im B-Teil wörtlich, so wird sie in der treppenartig steigenden Musik (zum Begriff Schleich 2019, 86, mit Tagg) des b-Teils gespiegelt, was den Eindruck eines ‚Aufsteigens‘ in die ‚Höhen‘ eines Traumes oder Rauschzustandes (vgl. den Ausdruck ‚to get high‘) verstärkt. Im Übergang in den zweiten A-Teil erfolgt dann ein vorübergehendes ‚Absteigen‘; dessen im Vergleich zum ersten surrealerer Text unterminiert den Eindruck einer Rückkehr in die Alltäglichkeit (erneut „I read the news“) allerdings wieder. | ||
Da Musik aber nicht im gleichen Maße wie Text, Film oder auch Bild narrativ ist, ist sie nur annähernd zu beschreiben und stets im Kontext der Lyrics zu sehen. Aufmerksamkeit gebührt in dieser Hinsicht der Anfangszeile der Strophe 3, heißt es dort doch gleich zu Beginn in Korrespondenz zum abrupten musikalischen Umbruch „Woke up, fell out of bed“. Ist möglicherweise die vorangehende instrumentale Partie a gleichfalls eine Traumdarstellung? Wie für Instrumentalmusik typisch kann diese Frage nicht eindeutig beantwortet werden. Es ist jedoch auffällig, dass auch der instrumentale Teil a an „I’d love to turn you on“, eine weitere potenzielle Traumreferenz, anschließt. Durch die Positionierung von Traum- oder Erwachensreferenzen zu Beginn und Ende der dritten Strophe entsteht der Eindruck einer gewissen Zirkelhaftigkeit, wie sie auch bei Formen des Traums im Traum zu beobachten ist – oder, allgemeiner, beim Wechsel zwischen Traum- und Wachphasen. Durch die vorangehende mögliche Traum-/ Rauschreferenz wiederholt sich die Zirkelhaftigkeit also mehrfach innerhalb von A Day in the Life. Die Wiederkehr dieser Struktur am Ende des Songs in Strophe 4, wenn im Anschluss an das erneut gesungene „I’d love to turn you on“ eine Variation des a-Instrumentalteils vorkommt, stärkt die These von einer instrumentalen Traum- bzw. Rauschdarstellung, denn stets folgen Instrumentalteile auf mögliche Traumreferenzen. | Da Musik aber nicht im gleichen Maße wie Text, Film oder auch Bild narrativ ist, ist sie nur annähernd zu beschreiben und stets im Kontext der Lyrics zu sehen. Aufmerksamkeit gebührt in dieser Hinsicht der Anfangszeile der Strophe 3, heißt es dort doch gleich zu Beginn in Korrespondenz zum abrupten musikalischen Umbruch „Woke up, fell out of bed“. Ist möglicherweise die vorangehende instrumentale Partie a gleichfalls eine Traumdarstellung? Wie für Instrumentalmusik typisch kann diese Frage nicht eindeutig beantwortet werden. Es ist jedoch auffällig, dass auch der instrumentale Teil a an „I’d love to turn you on“, eine weitere potenzielle Traumreferenz, anschließt. Durch die Positionierung von Traum- oder Erwachensreferenzen zu Beginn und Ende der dritten Strophe entsteht der Eindruck einer gewissen Zirkelhaftigkeit, wie sie auch bei Formen des Traums im Traum zu beobachten ist – oder, allgemeiner, beim Wechsel zwischen Traum- und Wachphasen. Durch die vorangehende mögliche Traum-/ Rauschreferenz wiederholt sich die Zirkelhaftigkeit also mehrfach innerhalb von ''A Day in the Life''. Die Wiederkehr dieser Struktur am Ende des Songs in Strophe 4, wenn im Anschluss an das erneut gesungene „I’d love to turn you on“ eine Variation des a-Instrumentalteils vorkommt, stärkt die These von einer instrumentalen Traum- bzw. Rauschdarstellung, denn stets folgen Instrumentalteile auf mögliche Traumreferenzen. | ||
Sieht man nun den Hauptgegenstand der jeweiligen Teile – im A-Teil die konträren Reaktionen des lyrischen Ichs auf täglich rezipierte (Sensations-)Meldungen, im B-Teil der morgendlichen Alltag eines Ichs nach dem Aufstehen – so bieten die am jeweiligen Ende eines Teils stehenden (potenziellen) Traumverweise („I’d love to turn you on“, „and I went into a dream“) mit der jeweils anschließenden instrumentalen Umsetzung eine gängige Funktion des Traums in vielen fiktionalen Werken: den des Auswegs, des Ausbrechens und Entkommens aus dem Alltag. Die Drogenreferenzen („turn you on“, „had a smoke“) fügen sich in das Zeitgeschehen der späten 1960er Jahre und Selbstzeugnisse der Autoren ein (vgl. Garr 2017, 109), die von „lots of psychedelic references“ sprechen (Anthology, 247). In beiden Fällen sind es jedoch keine ‚gewöhnlichen‘ Nachtträume, auf die (potenziell) angespielt wird, sondern eher tagtraumartige Rauschzustände, die zumindest gewünscht werden („I’d love to“). Lediglich das „Woke up“ (3) verweist auf den Nachttraum: aus ihm heraus wird das lyrische Ich im B-Teil durch das rüde Klingeln des Weckers hinauskatapultiert, nur um seinem Alltag schnellstmöglich wieder in einen Tagtraum zu entfliehen. Andere Stücke des Albums variieren entweder die Parodie eines bürgerlichen Morgens (Lennons ''Good Morning, Good Morning'', vgl. Garr 2017, 119, 137) oder spielen an einem Morgen (McCartneys ''She’s Leaving Home''). In beiden ist aber nicht der Traum Möglichkeit zum Ausbruch: Entweder bleibt die Monotonie („everyone you see is half asleep“) oder der Morgen selbst ist schon Metapher für den Aufbruch der Protagonistin in ein neues Leben („Wednesday morning at five o’clock as the day begins […] she is free“). | Sieht man nun den Hauptgegenstand der jeweiligen Teile – im A-Teil die konträren Reaktionen des lyrischen Ichs auf täglich rezipierte (Sensations-)Meldungen, im B-Teil der morgendlichen Alltag eines Ichs nach dem Aufstehen – so bieten die am jeweiligen Ende eines Teils stehenden (potenziellen) Traumverweise („I’d love to turn you on“, „and I went into a dream“) mit der jeweils anschließenden instrumentalen Umsetzung eine gängige Funktion des Traums in vielen fiktionalen Werken: den des Auswegs, des Ausbrechens und Entkommens aus dem Alltag. Die Drogenreferenzen („turn you on“, „had a smoke“) fügen sich in das Zeitgeschehen der späten 1960er Jahre und Selbstzeugnisse der Autoren ein (vgl. Garr 2017, 109), die von „lots of psychedelic references“ sprechen (Anthology, 247). In beiden Fällen sind es jedoch keine ‚gewöhnlichen‘ Nachtträume, auf die (potenziell) angespielt wird, sondern eher tagtraumartige Rauschzustände, die zumindest gewünscht werden („I’d love to“). Lediglich das „Woke up“ (3) verweist auf den Nachttraum: aus ihm heraus wird das lyrische Ich im B-Teil durch das rüde Klingeln des Weckers hinauskatapultiert, nur um seinem Alltag schnellstmöglich wieder in einen Tagtraum zu entfliehen. Andere Stücke des Albums variieren entweder die Parodie eines bürgerlichen Morgens (Lennons ''Good Morning, Good Morning'', vgl. Garr 2017, 119, 137) oder spielen an einem Morgen (McCartneys ''She’s Leaving Home''). In beiden ist aber nicht der Traum Möglichkeit zum Ausbruch: Entweder bleibt die Monotonie („everyone you see is half asleep“) oder der Morgen selbst ist schon Metapher für den Aufbruch der Protagonistin in ein neues Leben („Wednesday morning at five o’clock as the day begins […] she is free“). | ||
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==Weblinks== | ==Weblinks== | ||
[https://www.youtube.com/watch?v=YSGHER4BWME Die Originalaufnahme von 1967 auf dem offiziellen Youtube-Kanal der Band] | * [https://www.youtube.com/watch?v=YSGHER4BWME Die Originalaufnahme von 1967 auf dem offiziellen Youtube-Kanal der Band] | ||
* [https://www.youtube.com/watch?v=usNsCeOV4GM&feature=emb_rel_pausehttp:// Das Musikvideo auf dem offiziellen Youtube-Kanal der Band] | |||
[https://www.youtube.com/watch?v=usNsCeOV4GM&feature=emb_rel_pausehttp:// Das Musikvideo auf dem offiziellen Youtube-Kanal der Band] | * [https://genius.com/The-beatles-a-day-in-the-life-lyricshttp:// Die Lyrics mit Anmerkungen in der Lyrics-Datenbank Genius] | ||
[https://genius.com/The-beatles-a-day-in-the-life-lyricshttp:// Die Lyrics mit Anmerkungen in der Lyrics-Datenbank Genius] | |||
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