Die Beziehung zwischen Film und Traum aus phänomenologischer Perspektive: Unterschied zwischen den Versionen

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Dieser filmspezifische Doppelstatus wurde von Vivian Sobchak mit dem temporalen Charakter des Mediums in Verbindung gebracht. Anders als eine Photographie können wir einen Film nicht materiell in Besitz nehmen bzw. schwer kontrollieren (Sobchak 2004, 62-63). Auch wenn ein Traum ein Stück weit kontrolliert werden kann (luzides Träumen), können wir auch ihn aufgrund seiner Flüchtigkeit nicht materiell besitzen. Laut Sobchak baut die phänomenologische Ambivalenz des Films darauf auf, dass Erfahrung einerseits “als ''Repräsentation'' präsentiert” und gleichzeitig “durch dynamische ''Präsentation'' repräsentiert” wird (Sobchak 2004, 74). Einerseits stehen die Bilder des Films da als ein “immer bereits Wahrgenommenes” (Äquivalent zur Substantivform), andererseits manifestiert der Bilderfluss die “fortwährende Gegenwart der sinnlichen Wahrnehmung” (Äquivalent zur Verbform; ebd.). Auf den Traum bezogen würde eine Reduktion auf dessen symbolischen Gehalt bedeuten, ihn auf den Status eines “bereits Wahrgenommenen” festzulegen, statt ihn als eine sich im Werden befindende Erfahrung aufzufassen. Der Erfahrungscharakter des filmischen Traums würde ignoriert – Figuren ''durchleben'' Träume, Zuschauerinnen erleben die Sequenz ''zeitlich''. Die dynamische, Verb-basierte, präsentationale Modalität des Träumens und Filmerlebens stellt die Bedingung der Möglichkeit dar, emotionale Spannung aufzubauen. Wenn es beispielsweise einer Albtraum-Sequenz gelingt, ein Gefühl des Ausgeliefertseins zu erzeugen, dann existiert dieses Gefühl nur in Abhängigkeit davon, dass es dem Zuschauer möglich ist, eine Veränderung in dem dargestellten Szenario wahrzunehmen. Film ist also dazu in der Lage, “die Wirkung des Traums ''während des Träumens''” hervorzurufen (Flitterman-Lewis zitiert in Dickson, 19).
Dieser filmspezifische Doppelstatus wurde von Vivian Sobchak mit dem temporalen Charakter des Mediums in Verbindung gebracht. Anders als eine Photographie können wir einen Film nicht materiell in Besitz nehmen bzw. schwer kontrollieren (Sobchak 2004, 62-63). Auch wenn ein Traum ein Stück weit kontrolliert werden kann (luzides Träumen), können wir auch ihn aufgrund seiner Flüchtigkeit nicht materiell besitzen. Laut Sobchak baut die phänomenologische Ambivalenz des Films darauf auf, dass Erfahrung einerseits “als ''Repräsentation'' präsentiert” und gleichzeitig “durch dynamische ''Präsentation'' repräsentiert” wird (Sobchak 2004, 74). Einerseits stehen die Bilder des Films da als ein “immer bereits Wahrgenommenes” (Äquivalent zur Substantivform), andererseits manifestiert der Bilderfluss die “fortwährende Gegenwart der sinnlichen Wahrnehmung” (Äquivalent zur Verbform; ebd.). Auf den Traum bezogen würde eine Reduktion auf dessen symbolischen Gehalt bedeuten, ihn auf den Status eines “bereits Wahrgenommenen” festzulegen, statt ihn als eine sich im Werden befindende Erfahrung aufzufassen. Der Erfahrungscharakter des filmischen Traums würde ignoriert – Figuren ''durchleben'' Träume, Zuschauerinnen erleben die Sequenz ''zeitlich''. Die dynamische, Verb-basierte, präsentationale Modalität des Träumens und Filmerlebens stellt die Bedingung der Möglichkeit dar, emotionale Spannung aufzubauen. Wenn es beispielsweise einer Albtraum-Sequenz gelingt, ein Gefühl des Ausgeliefertseins zu erzeugen, dann existiert dieses Gefühl nur in Abhängigkeit davon, dass es dem Zuschauer möglich ist, eine Veränderung in dem dargestellten Szenario wahrzunehmen. Film ist also dazu in der Lage, “die Wirkung des Traums ''während des Träumens''” hervorzurufen (Flitterman-Lewis zitiert in Dickson, 19).


==  Die implizit phänomenologische Basis der Film/Traum-Analogie ==
==  Die implizit phänomenologische Basis der Film/Traum-Analogie ==
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Ähnlich wie die surrealistische Filmauffassung basiert der in den frühen 1950ern verfasste Film/Traum-Vergleich in Susanne Langers philosophischer Kunsttheorie ''Feeling and Form'' im Vergleich zu von Hofmannsthals Ansatz auf einem konkreteren Traumbegriff. Langer schreibt: "Das Kino ist 'wie' der Traum im Modus seiner Präsentation: Es schafft eine virtuelle Gegenwart, eine Ordnung der direkten Erscheinung. Das ist der Modus des Traums" (Langer 1953, 412). Was das Kino vom Traum “abstrahiert”, ist die “Unmittelbarkeit der Erfahrung”, die “Gegebenheit”, die sich aus dem Eindruck ergibt, “im Zentrum” der Situation zu stehen (Langer 1953, 413). Wie der Träumer in einem Traum ist die Kamera “äquidistant von allen Ereignissen” (ebd.). Beim Sehen 'mit' der Kamera “bewegt sich der Standpunkt des Betrachters mit ihr, sein Geist ist allgegenwärtig. [...] ''Er nimmt den Platz des Träumers ein'', aber in einem vollständig objektivierten Traum – das heißt, er [der Träumer] ist nicht in der Geschichte. Das Werk ist die Erscheinung eines Traums, eine einheitliche, kontinuierlich vorüberziehende, bedeutungsvolle ''Erscheinung''” (ebd.). Außerdem beruht die Ähnlichkeit von Filmerfahrung und Traumerfahrung auf einer gemeinsamen Tendenz zur Synästhesie (Langer 1953, 414),[1] wobei der Raum durch die räumliche ''Erfahrung'' überhaupt erst zu existieren beginnt (d.h. Traum und Film “orientieren sich nicht an irgendeinem Gesamtraum”; Langer 1953, 415), und auf einer “affektiven oder assoziativen Logik”, die sowohl dem Filmschnitt als auch den Traumbildern zugrunde liegt (Carroll 1988, 13). Im Bezug auf Langers Beobachtung, dass der Filmbetrachter “den Platz des Träumers” einnimmt, ohne physisch im Szenario anwesend zu sein, würden die meisten Traumforscherinnen wahrscheinlich eher von einer hypnagogischen als von einer traumartigen Erlebnisqualität im engeren Sinne sprechen. Der Körper des Traum-Ichs materialisiert sich nämlich erst im Traumzustand, nicht etwa schon in der hypnagogen Phase, d.h. in dem Bewusstseinszustand zwischen Wachen und Träumen. In den Worten Evan Thompsons: “Die Erfahrung, ein Selbst in der Welt zu sein, die den Wachzustand prägt, aber im hypnagogen Zustand abgeschwächt ist, kehrt in Träumen zurück” (Thompson 2017, 127).
Ähnlich wie die surrealistische Filmauffassung basiert der in den frühen 1950ern verfasste Film/Traum-Vergleich in Susanne Langers philosophischer Kunsttheorie ''Feeling and Form'' im Vergleich zu von Hofmannsthals Ansatz auf einem konkreteren Traumbegriff. Langer schreibt: "Das Kino ist 'wie' der Traum im Modus seiner Präsentation: Es schafft eine virtuelle Gegenwart, eine Ordnung der direkten Erscheinung. Das ist der Modus des Traums" (Langer 1953, 412). Was das Kino vom Traum “abstrahiert”, ist die “Unmittelbarkeit der Erfahrung”, die “Gegebenheit”, die sich aus dem Eindruck ergibt, “im Zentrum” der Situation zu stehen (Langer 1953, 413). Wie der Träumer in einem Traum ist die Kamera “äquidistant von allen Ereignissen” (ebd.). Beim Sehen 'mit' der Kamera “bewegt sich der Standpunkt des Betrachters mit ihr, sein Geist ist allgegenwärtig. [...] ''Er nimmt den Platz des Träumers ein'', aber in einem vollständig objektivierten Traum – das heißt, er [der Träumer] ist nicht in der Geschichte. Das Werk ist die Erscheinung eines Traums, eine einheitliche, kontinuierlich vorüberziehende, bedeutungsvolle ''Erscheinung''” (ebd.). Außerdem beruht die Ähnlichkeit von Filmerfahrung und Traumerfahrung auf einer gemeinsamen Tendenz zur Synästhesie (Langer 1953, 414),<ref>Vorläufige empirische Belege für die Tendenz des Nachttraums zur Synästhesie liefern Daniel Reznik et al.. Die Autoren sprechen von “oneirischer Synästhesie” als Ergebnis eines “hyper-assoziativen kognitiven Zustands nach dem Einschlafen” und legen nahe, dass “typischerweise unidirektionale neuronale Bahnen während des Schlafs omnidirektional verbunden sind” (Reznik et al. 2018, 379).</ref> wobei der Raum durch die räumliche ''Erfahrung'' überhaupt erst zu existieren beginnt (d.h. Traum und Film “orientieren sich nicht an irgendeinem Gesamtraum”; Langer 1953, 415), und auf einer “affektiven oder assoziativen Logik”, die sowohl dem Filmschnitt als auch den Traumbildern zugrunde liegt (Carroll 1988, 13). Im Bezug auf Langers Beobachtung, dass der Filmbetrachter “den Platz des Träumers” einnimmt, ohne physisch im Szenario anwesend zu sein, würden die meisten Traumforscherinnen wahrscheinlich eher von einer hypnagogischen als von einer traumartigen Erlebnisqualität im engeren Sinne sprechen. Der Körper des Traum-Ichs materialisiert sich nämlich erst im Traumzustand, nicht etwa schon in der hypnagogen Phase, d.h. in dem Bewusstseinszustand zwischen Wachen und Träumen. In den Worten Evan Thompsons: “Die Erfahrung, ein Selbst in der Welt zu sein, die den Wachzustand prägt, aber im hypnagogen Zustand abgeschwächt ist, kehrt in Träumen zurück” (Thompson 2017, 127).




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==  Explizit phänomenologische Untersuchungen zum oneirischen Film ==




==  Explizit phänomenologische Untersuchungen zum oneirischen Film ==


Der Mangel an explizit phänomenologischen Untersuchungen oneirischer Filme ist alleine schon deswegen auffallend, weil einerseits die Phänomenologie dazu geneigt ist, binäres Denken zu hinterfragen, und andererseits der filmische Traum bereits seiner Natur nach die Binarität von ''innen–außen'' auf die Probe stellt; die Traumsequenz präsentiert innere Erfahrung als äußere Erscheinung. Es gibt zwar keine monographische Studie zur Phänomenologie des filmischen Traums, jedoch wäre es falsch anzunehmen, dass phänomenologisches Denken bisher überhaupt nicht auf oneirische Filme angewendet wurde. Simon Dicksons Arbeit ''The Oneiric Film: Refocusing the Film-Dream Analogy from an Existential Phenomenological Perspective'' zeigt die Wichtigkeit, Vivian Sobchaks Konzept des ''fleischlichen Wissens'' zu erweitern. Sobchak schreibt: “wir sehen und begreifen und fühlen Filme mit unserem gesamten körperlichen Wesen, informiert durch die ganze Geschichte und das fleischliche Wissen unseres akkulturierten Sensoriums” (Sobchak 2004, 63). In diesem Zusammenhang betont Dickson die Notwendigkeit, das Konzept dieses Wissens zu erweitern, um Traumerfahrung mit einzuschließen. Er schreibt, dass man anerkennen könnte, “dass unser ‘akkulturiertes Sensorium’ dasjenige mit einbezieht, was wir in Träumen erleben und empfinden. Kurz gesagt könnte man damit beginnen, ein dem Filmzuschauer innewohnendes ''oneirisches'' Wissen anzuerkennen” (Dickson, 9 f). Wann immer man sagt, ein Film habe einen traumartigen Effekt auf die Zuschauerin, setzt man gewissermaßen die Existenz dessen, was Dickson “oneirisches Wissen” nennt, also Wissen darüber, wie es ist, einen Traum zu erleben, voraus – wie sonst könnten wir die Ähnlichkeit von Filmszene und Traum wahrnehmen? In diesem  – mimetischen – Sinne geht es darum, das Potential zu beurteilen, den wachen Zuschauer an die phänomenale Qualität (das ''what-it-is-like'') des Träumens zu erinnern, d.h. sein oneirisches Wissen zu adressieren. Ein Ansatz, der allein auf der Idee von oneirischem Wissen aufbaut, könnte allerdings aufgrund seines implizit mimetischen Verständnisses von filmischer Traumartigkeit als problematisch gelten. Denn etwas wäre nur dann traumartig, wenn es auf die eine oder andere Art die nächtliche Traumerfahrung ''widerspiegelt''. Einerseits mag dieser Ansatz, der in vielen psychologischen Zugängen zu künstlerischen Traumdarstellungen dominant ist, den Diskurs um oneirisches Kino erweitern, da er nun nicht mehr auf markierte Traumsequenzen beschränkt ist; ein traumartiger Effekt, im Sinne der Adressierung oneirischen Wissens, ist unabhängig vom Markierungsstatus der jeweiligen Szene. Jedoch erweist es sich in einem rein mimetischen Ansatz als schwieriger, die kreativen Aspekte derjenigen Traumsequenzen in Betracht zu ziehen, die allein aufgrund ihrer Markierung als Traum zu erkennen sind. Das heißt, diejenigen erfahrungsbezogenen Aspekte einer Traumsequenz, die den Nachttraum nicht ''imitieren'', sondern ästhetisch einen Effekt ''konstruieren'', der einfach deshalb als “traumartig” bezeichnet werden kann, weil er in einer markierten Traumsequenz auftritt (oder eine deutliche Referenz auf eine solche beinhaltet), sind gar nicht Teil der Diskussion. Anders als mimetische Ansätze neigen konstruktivistische Ansätze zu der Frage, was (vom Kunstwerk selbst) als traumartig ''ausgewiesen'' ''wird'', anstatt zu fragen, was traumartig ''ist''. Im Mittelpunkt steht also das kreative Potential eines Mediums zur Darstellung von Träumen, und weniger der Bezug zum nächtlichen Traumerleben.


Der Mangel an explizit phänomenologischen Untersuchungen oneirischer Filme ist alleine schon deswegen auffallend, weil einerseits die Phänomenologie dazu geneigt ist, binäres Denken zu hinterfragen, und andererseits der filmische Traum bereits seiner Natur nach die Binarität von innen–außen auf die Probe stellt; die Traumsequenz präsentiert innere Erfahrung als äußere Erscheinung. Es gibt zwar keine monographische Studie zur Phänomenologie des filmischen Traums, jedoch wäre es falsch anzunehmen, dass phänomenologisches Denken bisher überhaupt nicht auf oneirische Filme angewendet wurde. Simon Dicksons Arbeit “The Oneiric Film: Refocusing the Film-Dream Analogy from an Existential Phenomenological Perspective” zeigt die Wichtigkeit, Vivian Sobchaks Konzept des fleischlichen Wissens zu erweitern. Sobchak schreibt: “wir sehen und begreifen und fühlen Filme mit unserem gesamten körperlichen Wesen, informiert durch die ganze Geschichte und das fleischliche Wissen unseres akkulturierten Sensoriums” (Sobchak 2004, 63). In diesem Zusammenhang betont Dickson die Notwendigkeit, das Konzept dieses Wissens zu erweitern, um Traumerfahrung mit einzuschließen. Er schreibt, dass man anerkennen könnte, “dass unser ‘akkulturiertes Sensorium’ dasjenige miteinbezieht, was wir in Träumen erleben und empfinden. Kurz gesagt könnte man damit beginnen, ein dem Filmzuschauer innewohnendes oneirisches Wissen anzuerkennen” (Dickson, 9 f). Wann immer man sagt, ein Film habe einen traumartigen Effekt auf die Zuschauerin, setzt man gewissermaßen die Existenz dessen, was Dickson “oneirisches Wissen” nennt, also Wissen darüber, wie es ist, einen Traum zu erleben, voraus – wie sonst könnten wir die Ähnlichkeit von Filmszene und Traum wahrnehmen? In diesem  – mimetischen – Sinne geht es darum, das Potential zu beurteilen, den wachen Zuschauer an die phänomenale Qualität (das what-it-is-like) des Träumens zu erinnern, d.h. sein oneirisches Wissen zu adressieren.
Ein Ansatz, der allein auf der Idee von oneirischem Wissen aufbaut, könnte allerdings aufgrund seines implizit mimetischen Verständnisses von filmischer Traumartigkeit als problematisch gelten. Denn etwas wäre nur dann traumartig, wenn es auf die eine oder andere Art die nächtliche Traumerfahrung widerspiegelt. Einerseits mag dieser Ansatz, der in vielen psychologischen Zugängen zu künstlerischen Traumdarstellungen dominant ist, den Diskurs um oneirisches Kino erweitern, da er nun nicht mehr auf markierte Traumsequenzen beschränkt ist; ein traumartiger Effekt, im Sinne der Adressierung oneirischen Wissens, ist unabhängig vom Markierungsstatus der jeweiligen Szene. Jedoch erweist es sich in einem rein mimetischen Ansatz als schwieriger, die kreativen Aspekte derjenigen Traumsequenzen in Betracht zu ziehen, die allein aufgrund ihrer Markierung als Traum zu erkennen sind. Das heißt, diejenigen erfahrungsbezogenen Aspekte einer Traumsequenz, die den Nachttraum nicht imitieren, sondern ästhetisch einen Effekt konstruieren, der einfach deshalb als “traumartig” bezeichnet werden kann, weil er in einer markierten Traumsequenz auftritt (oder eine deutliche Referenz auf eine solche beinhaltet), sind gar nicht Teil der Diskussion. Anders als mimetische Ansätze neigen konstruktivistische Ansätze zu der Frage, was (vom Kunstwerk selbst) als traumartig ausgewiesen wird, anstatt zu fragen, was traumartig ist. Im Mittelpunkt steht also das kreative Potential eines Mediums zur Darstellung von Träumen, und weniger der Bezug zum nächtlichen Traumerleben.




Man mag einen grundlegenden Unterschied zwischen nächtlichem Traumerleben und dem Schauen einer filmischen Traumszene darin sehen, dass im Falle der Filmszene oftmals eine Markierung des Traums vorliegt, während dies beim Nachttraum nicht der Fall ist. Es wäre allerdings nicht gerechtfertigt, den markierten Traum aufgrund einer Abweichung von der Phänomenologie des nächtlichen Traums von einer näheren Betrachtung auszuschließen: das würde den “retroaktiven Modus” der Traummarkierung (vgl. Eberwein 1984, 160-191) ignorieren, indem wir uns des Traumstatus einer Filmszene erst im Nachhinein bewusst werden, beispielsweise wenn plötzlich eine Figur aus dem Schlaf hervorschnellt, ohne dass sie am Anfang der Szene einschlafend gezeigt wurde. Doch sogar eine Traumsequenz mit einleitender Markierung kann einen traumartigen Effekt ausüben, denn die Zuschauerin begegnet dem Film zunächst auf präreflektiver Ebene (auf der eine Erfahrung noch nicht in ‘wirklich’ und ‘unwirklich’ ausdifferenziert ist), eine Ebene, die auch der nächtliche Traum nutzt, um intensive Momente der sinnlichen Involvierung oder Störung zu schaffen.
Man mag einen grundlegenden Unterschied zwischen nächtlichem Traumerleben und dem Schauen einer filmischen Traumszene darin sehen, dass im Falle der Filmszene oftmals eine Markierung des Traums vorliegt, während dies beim Nachttraum nicht der Fall ist. Es wäre allerdings nicht gerechtfertigt, den markierten Traum aufgrund einer Abweichung von der Phänomenologie des nächtlichen Traums von einer näheren Betrachtung auszuschließen: das würde den “retroaktiven Modus” der Traummarkierung ignorieren (vgl. Eberwein 1984, 160-191), indem wir uns des Traumstatus einer Filmszene erst im Nachhinein bewusst werden, beispielsweise wenn plötzlich eine Figur aus dem Schlaf hervorschnellt, ohne dass sie am Anfang der Szene einschlafend gezeigt wurde. Doch sogar eine Traumsequenz mit einleitender Markierung kann einen traumartigen Effekt ausüben, denn die Zuschauerin begegnet dem Film zunächst auf präreflektiver Ebene (auf der eine Erfahrung noch nicht in ‘wirklich’ und ‘unwirklich’ ausdifferenziert ist) eine Ebene, die auch der nächtliche Traum nutzt, um intensive Momente der sinnlichen Involvierung oder Störung zu schaffen.




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Vlada Petrićs Aufsatz “Film and Dreams: A Theoretical-Historical Survey” könnte als Spezifizierung der Bedingungen gelesen werden, unter denen das oneirische Wissen eines Filmzuschauers aktiviert wird und legt den Aufmerksamkeitsfokus auf die präreflektive, physiologische Dimension der Filmerfahrung. Petrić schlägt vor, dass, wenn das Kino seine medienspezifischen Mittel angemessen nutzt, es in der Lage ist, die Zuschauerin dazu zu bringen, “den Trauminhalt auf dem Bildschirm nicht nur wahrnehmend zu verfolgen, sondern ihn sinnlich zu erleben, das heißt, in solcher Art und Weise, die sich dem Prozess und dem Effekt des Träumens annähert” (Petrić 1980, 2). Mit Blick auf den “psycho-physiologischen Effekt auf die Zuschauerin” (Petrić 1980, 14) schreibt Petrić: “Im Prozess des Träumens antworten unsere neuronalen und muskulären Systeme anders auf verschiedene Situationen, trotz dass wir sie als Realität akzeptieren. Im Wesentlichen läuft dieser einzigartige Aspekt des Träumens parallel zu dem Effekt einiger filmischer Gestaltungsmittel auf den Zuschauer. Dieser Effekt ist das Thema, was sowohl von Filmtheoretikern als auch von Psycho-Neurologinnen untersucht werden muss” (Petrić 1980, 14 f).


Vlada Petrićs Aufsatz ''Film and Dreams: A Theoretical-Historical Survey'' könnte als Spezifizierung der Bedingungen gelesen werden, unter denen das oneirische Wissen eines Filmzuschauers aktiviert wird und legt den Aufmerksamkeitsfokus auf die präreflektive, physiologische Dimension der Filmerfahrung. Petrić schlägt vor, dass, wenn das Kino seine medienspezifischen Mittel angemessen nutzt, es in der Lage ist, die Zuschauerin dazu zu bringen, “den Trauminhalt auf dem Bildschirm nicht nur wahrnehmend zu verfolgen, sondern ihn sinnlich zu erleben, das heißt, in solcher Art und Weise, die sich dem Prozess und dem Effekt des Träumens annähert” (Petrić 1980, 2). Mit Blick auf den “psycho-physiologischen Effekt auf die Zuschauerin” (Petrić 1980, 14) schreibt Petrić: “Im Prozess des Träumens antworten unsere neuronalen und muskulären Systeme anders auf verschiedene Situationen, trotz dass wir sie als Realität akzeptieren. Im Wesentlichen läuft dieser einzigartige Aspekt des Träumens parallel zu dem Effekt einiger filmischer Gestaltungsmittel auf den Zuschauer. Dieser Effekt ist das Thema, das sowohl von Filmtheoretikern als auch von Psycho-Neurologinnen untersucht werden muss” (Petrić 1980, 14 f).
Während des Träumens akzeptiert der Träumer die Traumsituation als Realität und doch reagiert er auf (neuro-)physiologischer Ebene ''anders'' als er es tun würde, wenn er wirklich in der Situation wäre. Diese Dynamik findet sich ebenso in der Filmsituation: “Die sensomotorischen ''Antworten'' (charakteristisch für das Filmschauen) korrespondieren mit den (von der Träumerin erlebten) muskulären ''Empfindungen''”, so schreibt Petrić (1980, 19). Während die beiden Antworten auf psychologischer Ebene verschieden sind, “stimulieren sie eine ähnliche physiologische Reaktion in den Eingeweiden von Träumer und Zuschauer: jede fördert auf ihre Weise die Identifikation, Entfremdung und das Begreifen des geträumten Ereignisses von Seiten der Träumerin oder Zuschauerin. Die aufregendsten Traumfilme [...] nutzen die spezifisch filmischen Mittel, um solche viszeralen Reaktionen im Zuschauer zu intensivieren” (ebd.). Eine kreative Nutzung der psycho-physiologischen Stimulation des Zuschauers kann die metaphorische Bedeutung und ihren oneirischen Effekt intensivieren und beinhaltet folgende filmische Techniken: “Kamerabewegung durch den Raum”, die zu einer an Hypnagogie erinnernde “kinästhetische Empfindung” der Zuschauerin führt, “paradoxe Kombinationen von Gegenständen”, “dynamische Montage”, die zu “vestibulärer Aktivierung” und der Förderung von albtraumartiger Angst führt, “photographische Effekte”, die eine “hypnotische Stimmung” erzeugen, und “Bild-Ton-Kontrapunkt”, der “ungewöhnliche Klang- und Farbkombinationen” nach sich zieht, die an Träume erinnern (Petrić 1980, 24). Anders als Dickson interessiert sich Petrić sowohl für das oneirische Potential des filmischen Mediums im Allgemeinen als auch für die Art und Weise, in der bestimmte (markierte) Traumsequenzen dieses Potential nutzen. Es scheint wichtig zu betonen, dass Petrić die Traumartigkeit der Filmerfahrung per se nicht voraussetzt (wie diverse Vertreter der Film/Traum-Analogie es tun). Eher scheint sein Ansatz zu implizieren, dass das Traumhaftigkeitspotential (im Sinne eines sinnlich-oneirischen Effekts auf die Zuschauerin) dem filmischen Medium zwar auf besondere Art und Weise innewohnt, jedoch nur von bestimmten Szenen und Filmen genutzt wird. Dieses Potential entsteht durch die Fähigkeit des Films, die sensomotorischen Zentren des Zuschauers zu adressieren, was in einem traumartigen Effekt auf den Zuschauer resultieren kann. So grenzen sich oneirische Bilder von bloß fantastischen ab: letztere bringen keine physiologische, hypnagoge oder hypnotische Stimulation mit sich (Petrić 1980,14). Bezüglich der filmischen Mittel, die zum Hervorrufen einer traumartigen, physiologischen Reaktion in der Zuschauerin geeignet sind, hebt Petrić besonders die Wichtigkeit von Kamerabewegungen hervor: “Beim Betrachten einer Traumsequenz, die durch eine Kamerafahrt ausgeführt wurde, erleben Zuschauer gleichzeitig räumliche Empfindung der [filmischen] Umgebung und Muskelaktivität ihres Körpers, was eine Hypothese stützt, dass die Stimulation der neuronalen Zentren der Zuschauer dem REM-Schlaf (desynchronisierter Schlaf) näher ist als dem Non-REM-Schlaf (synchronisierter Schlaf). [...] So liegt die offensichtlichste Ähnlichkeit zwischen REM-Schlaf und Filmerfahrung in dem Phänomen, das sowohl Träumerinnen als auch Zuschauerinnen bei relativ hohem Muskelpotential sensomotorische Aktivität erleben, die eine einzigartige Spannung erzeugt, welche eine ängstliche Stimmung oder halluzinatorische Bilder verstärken kann” (Petrić 1980, 22).


Während des Träumens akzeptiert der Träumer die Traumsituation als Realität und doch reagiert er auf (neuro-)physiologischer Ebene anders als er es tun würde, wenn er wirklich in der Situation wäre. Diese Dynamik findet sich ebenso in der Filmsituation: “Die sensomotorischen Antworten (charakteristisch für das Filmschauen) korrespondieren mit den (von der Träumerin erlebten) muskulären Empfindungen”, so schreibt Petrić (1980, 19). Während die beiden Antworten auf psychologischer Ebene verschieden sind, “stimulieren sie eine ähnliche physiologische Reaktion in den Eingeweiden von Träumer und Zuschauer: jede fördert auf ihre Weise die Identifikation, Entfremdung und das Begreifen des geträumten Ereignisses von Seiten der Träumerin oder Zuschauerin. Die aufregendsten Traumfilme [...] nutzen die spezifisch filmischen Mittel, um solche viszeralen Reaktionen im Zuschauer zu intensivieren” (ebd.). Eine kreative Nutzung der psycho-physiologischen Stimulation des Zuschauers kann die metaphorische Bedeutung und ihren oneirischen Effekt intensivieren und beinhaltet folgende filmische Techniken: “Kamerabewegung durch den Raum”, die zu einer an Hypnagogie erinnernde “kinästhetische Empfindung” der Zuschauerin führt, “paradoxe Kombinationen von Gegenständen”, “dynamische Montage”, die zu “vestibulärer Aktivierung” und der Förderung von albtraumartiger Angst führt, “photographische Effekte”, die eine “hypnotische Stimmung” erzeugen, und “Bild-Ton-Kontrapunkt”, der “ungewöhnliche Klang- und Farbkombinationen” nach sich zieht, die an Träume erinnern (Petrić 1980, 24).
Anders als Dickson interessiert sich Petrić sowohl für das oneirische Potential des filmischen Mediums im Allgemeinen als auch für die Art und Weise, in der bestimmte (markierte) Traumsequenzen dieses Potential nutzen. Es scheint wichtig zu betonen, dass Petrić die Traumartigkeit der Filmerfahrung per se nicht voraussetzt (wie diverse Vertreter der Film/Traum-Analogie es tun). Eher scheint sein Ansatz zu implizieren, dass das Traumhaftigkeitspotential (im Sinne eines sinnlich-oneirischen Effekts auf die Zuschauerin) dem filmischen Medium zwar auf besondere Art und Weise innewohnt, jedoch nur von bestimmten Szenen und Filmen genutzt wird. Dieses Potential entsteht durch die Fähigkeit des Films, die sensomotorischen Zentren des Zuschauers zu adressieren, was in einem traumartigen Effekt auf den Zuschauer resultieren kann. So grenzen sich oneirische Bilder von bloß fantastischen ab: letztere bringen keine physiologische, hypnagoge oder hypnotische Stimulation mit sich (Petrić 1980,14).
Bezüglich der filmischen Mittel, die zum Hervorrufen einer traumartigen, physiologischen Reaktion in der Zuschauerin geeignet sind, hebt Petrić besonders die Wichtigkeit von Kamerabewegungen hervor: “Beim Betrachten einer Traumsequenz, die durch eine Kamerafahrt ausgeführt wurde, erleben Zuschauer gleichzeitig räumliche Empfindung der [filmischen] Umgebung und Muskelaktivität ihres Körpers, was eine Hypothese stützt, dass die Stimulation der neuronalen Zentren der Zuschauer dem REM-Schlaf (desynchronisierter Schlaf) näher ist als dem Non-REM-Schlaf (synchronisierter Schlaf). [...] So liegt die offensichtlichste Ähnlichkeit zwischen REM-Schlaf und Filmbetrachtung in dem Phänomen, das sowohl Träumerinnen als auch Zuschauerinnen bei relativ hohem Muskelpotential sensomotorische Aktivität erleben, die eine einzigartige Spannung erzeugt, welche eine ängstliche Stimmung oder halluzinatorische Bilder verstärken kann” (Petrić 1980, 22).




Kamerabewegungen provozieren beim Zuschauer eine doppelte räumliche Erfahrung. Indem sie seine sensomotorischen Zentren aktivieren, bieten sie ein Erleben des virtuellen filmischen Raums; durch das physiologische Erleben von Bewegung werden Bilder als “Merkmale der realen Welt” wahrgenommen (Petrić 1980, 21). Gleichzeitig erfährt der Zuschauer seinen eigenen bewegungslosen Körper. Für Adriano D’Aloia ist die Filmerfahrung “eine intensivierte sensorische Stimulation, die nicht mit irgendeiner expliziten motorischen Aktivierung korrespondiert” (D’Aloia 2012, 219 f). An diesem Punkt ist die Position des Wahrnehmungspsychologen Rainer Schönhammer interessant. In Schönhammers Worten ist “[d]ie Bewegungslosigkeit der Zuschauer [...] gewissermaßen die Bühne, auf der sich innere Mitbewegung mit dem körperlichen Geschehen auf der Leinwand entfaltet (Schönhammer 2007, 76). Die Spannung zwischen der erlebten “inneren Mitbewegung” (Schönhammer 2013, 168) und der (äußeren) Bewegungslosigkeit des Körpers erzeugt bei der Zuschauerin eine Irritation. In der nicht-filmischen bzw. der Wachwelt würde die Ausführung solcher Bewegungen notwendigerweise propriozeptive Veränderungen mit sich bringen, besonders im vestibulären System (Schönhammer 2007, 77). In der Filmsituation ist das nicht der Fall. In dieser Hinsicht ähnelt der physiologische Zustand des Filmzuschauers demjenigen des Träumers. Die Spannung zwischen der sensomotorischen Aktivierung und der Bewegungslosigkeit der Zuschauerin korrespondiert zur Spannung zwischen der extremen neuronalen Aktivierung und dem vom Schlaf paralysierten Körper der Träumerin. Besonders in Träumen der REM-Schlafphase ist unser sensomotorisches System aktiviert, während der schlafende Körper regungslos bleibt. Das heißt, dass ein Teil des Hirnstamms die efferenten Bewegungsimpulse während des REM-Schlafs blockiert, sodass die Bewegungen nicht ausgeführt werden. Das wirkt sich wiederum auf den Traum aus. Schönhammer nimmt an, das träumende Gehirn interpretiert die Muskelhemmung des schlafenden Körpers sowohl als Unfähigkeit, sich in der Traumwelt zu bewegen als auch als Drang, einem Verfolger oder einer Gefahrenquelle zu entfliehen (Schönhammer 2013, 62). Während die Regungslosigkeit des Körpers in der ersten Interpretation in den Traum übertragen wird, wird sie bei der zweiten durch den Traum umgekehrt.
Kamerabewegungen provozieren beim Zuschauer eine doppelte räumliche Erfahrung. Indem sie seine sensomotorischen Zentren aktivieren, bieten sie ein Erleben des virtuellen filmischen Raums; durch das physiologische Erleben von Bewegung werden Bilder als “Merkmale der realen Welt” wahrgenommen (Petrić 1980, 21). Gleichzeitig erfährt der Zuschauer seinen eigenen bewegungslosen Körper. Für Adriano D’Aloia ist die Filmerfahrung “eine intensivierte ''sensorische'' Stimulation, die nicht mit irgendeiner expliziten motorischen Aktivierung korrespondiert” (D’Aloia 2012, 219 f). An diesem Punkt ist die Position des Wahrnehmungspsychologen Rainer Schönhammer interessant. In Schönhammers Worten ist “[d]ie Bewegungslosigkeit der Zuschauer [...] gewissermaßen die Bühne, auf der sich innere Mitbewegung mit dem körperlichen Geschehen auf der Leinwand entfaltet (Schönhammer 2007, 76). Die Spannung zwischen der erlebten “inneren Mitbewegung” (Schönhammer 2013, 168) und der (äußeren) Bewegungslosigkeit des Körpers erzeugt bei der Zuschauerin eine Irritation. In der nicht-filmischen bzw. der Wachwelt würde die Ausführung solcher Bewegungen notwendigerweise propriozeptive Veränderungen mit sich bringen, besonders im vestibulären System (Schönhammer 2007, 77). In der Filmsituation ist das nicht der Fall. In dieser Hinsicht ähnelt der physiologische Zustand des Filmzuschauers demjenigen des Träumers. Die Spannung zwischen der sensomotorischen Aktivierung und der Bewegungslosigkeit der Zuschauerin korrespondiert mit der Spannung zwischen der extremen neuronalen Aktivierung und dem vom Schlaf paralysierten Körper der Träumerin. Besonders in Träumen der REM-Schlafphase ist unser sensomotorisches System aktiviert, während der schlafende Körper regungslos bleibt. Das heißt, dass ein Teil des Hirnstamms die efferenten Bewegungsimpulse während des REM-Schlafs blockiert, sodass die Bewegungen nicht ausgeführt werden. Das wirkt sich wiederum auf den Traum aus. Schönhammer nimmt an, das träumende Gehirn interpretiert die Muskelhemmung des schlafenden Körpers ''sowohl'' als Unfähigkeit, sich in der Traumwelt zu bewegen ''als auch'' als Drang, einem Verfolger oder einer Gefahrenquelle zu entfliehen (Schönhammer 2013, 62). Während die Regungslosigkeit des Körpers in der ersten Interpretation in den Traum übertragen wird, wird sie bei der zweiten durch den Traum umgekehrt.




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Auf filmtheoretischer Ebene zeigen die Arbeiten von Dickson, Petrić und Schönhammer die Notwendigkeit auf, zwischen einer starken und einer schwachen Version der Film/Traum-Analogie zu unterscheiden. Laut der starken Version ist jeder Film wie ein Traum, da die Filmerfahrung einige wesentliche Charakteristika mit der Traumerfahrung teilt: Bewegungslosigkeit des Körpers bei Identifikation mit virtuellem Szenario, Immaterialität der Film-/Traumwelt, Formbarkeit der raumzeitlichen Beziehungen usw. Laut der schwachen Version der Analogie wohnt dem Medium Film auf besondere Weise das Potential inne, das Träumen in seiner sinnlichen Intensität darzustellen. Diese Version ist immer noch Teil der Film-/Traum-Analogie, da die Filmerfahrung der Traumerfahrung (bzw. deren wacher Rekonstruktion) hinreichend ähnlich ist, um erstere im Rückgriff auf zweitere zu charakterisieren. Untersucht man die Filme eines bestimmten Regisseurs oder einer bestimmten Regisseurin oder diejenigen einer bestimmten historischen Periode im Hinblick auf ihre Traumhaftigkeit, so kann man sich nach der Nützlichkeit der starken Film/Traum-Analogie fragen: wenn die Filmerfahrung an sich bereits ihrer Natur nach traumartig ist, was würde es dann bedeuten, die Erfahrung eines bestimmten Films (oder einer bestimmten Szene) als traumartig zu bezeichnen? Was würde einen Film als mehr oder weniger traumartig auszeichnen, wenn alle Filme traumartig sind? Untersuchen wir also beispielsweise das Kino Bunuels auf dessen Traumartigkeit, erscheint die starke Analogie nicht als vielversprechend, denn damit die Charakterisierung von etwas als ‘traumartig’ bedeutungsvoll ist, muss es Filme geben, auf die sie zutrifft und andere, auf die sich nicht zutrifft. Was man in der möglichen Ablehnung der starken Film/Traum-Analogie allerdings nicht ignorieren sollte – wie es beispielsweise bei Matthias Brütsch der Fall zu sein scheint (Brütsch 2013, 88 f) – ist die natürliche Neigung des Kinos zum Traum hin. Indem er die Film/Traum-Analogie auf ihre extreme Version reduziert, scheint Brütsch zu ignorieren, dass die umkehrbare Natur der Filmerfahrung (der Umstand, dass sich das im Film Repräsentierte immer zugleich in eine gelebte Erfahrung der Zuschauerin übersetzt) den Traum bzw. eher das Träumen als besonders interessantes Phänomen für Filmschaffende hervorhebt. Weil Film eine primär audiovisuelle Erfahrung ist, die auf die präreflektive, sinnliche Involvierung abzielt, besitzt er eine besondere Fähigkeit, den wachen Zuschauer an das Träumen zu erinnern (womöglich an einen bestimmten Traumtypus) – d.h. eine typischerweise audiovisuelle Erfahrung, die oftmals intensive, sinnliche Involvierung provoziert. Das heißt allerdings nicht, dass jeder Film traumartig ist. Viel eher kann man sagen, das filmische Medium stellt eine geeignete Kategorie dar, einen besonders intensiven, traumartigen Effekt auf die Zuschauerschaft zu erzeugen. Die Erforschung des filmischen Potentials, den Traum (als Sequenz) darzustellen, ist wohl nicht unabhängig von dem breiteren Diskurs um eine Film/Traum-Analogie: möglicherweise sind es bloß bestimmte Filme / Szenen / Regisseure, die diejenigen Elemente manifestieren, die (fälschlicherweise) dem Kino im Allgemeinen zugeschrieben wurden. Der entscheidende Teil besteht darin, wie ein Film das oneirische Potential des Kinos umsetzt und wie die Erfahrung der Traumhaftigkeit in Bezug zu der vom Film erzählten Geschichte steht.
 
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Auf filmtheoretischer Ebene zeigen die Arbeiten von Dickson, Petrić und Schönhammer die Notwendigkeit auf, zwischen einer starken und einer schwachen Version der Film/Traum-Analogie zu unterscheiden. Laut der starken Version ist jeder Film wie ein Traum, da die Filmerfahrung einige wesentliche Charakteristika mit der Traumerfahrung teilt: Bewegungslosigkeit des Körpers bei Identifikation mit virtuellem Szenario, Immaterialität der Film-/Traumwelt, Formbarkeit der raumzeitlichen Beziehungen usw. Laut der schwachen Version der Analogie wohnt dem Medium Film auf besondere Weise das Potential inne, das Träumen in seiner sinnlichen Intensität darzustellen. Diese Version ist immer noch Teil der Film-/Traum-Analogie, da die Filmerfahrung der Traumerfahrung (bzw. deren wacher Rekonstruktion) hinreichend ähnlich ist, um erstere im Rückgriff auf zweitere zu charakterisieren. Untersucht man die Filme eines bestimmten Regisseurs oder einer bestimmten Regisseurin, oder diejenigen einer bestimmten historischen Periode im Hinblick auf ihre Traumhaftigkeit, so kann man sich nach der Nützlichkeit der starken Film/Traum-Analogie fragen: wenn die Filmerfahrung an sich bereits ihrer Natur nach traumartig ist, was würde es dann bedeuten, die Erfahrung eines ''bestimmten'' Films (oder einer bestimmten Szene) als traumartig zu bezeichnen? Was würde einen Film als mehr oder weniger traumartig auszeichnen, wenn alle Filme traumartig sind? Untersuchen wir also beispielsweise das Kino Buñuels auf dessen Traumartigkeit, erscheint die starke Analogie nicht als vielversprechend, denn damit die Charakterisierung ‘traumartig’ bedeutungsvoll ist, muss es Filme geben, auf die sie zutrifft und andere, auf die sie nicht zutrifft. Was man in der möglichen Ablehnung der starken Film/Traum-Analogie allerdings nicht ignorieren sollte – wie es beispielsweise bei Matthias Brütsch der Fall zu sein scheint (Brütsch 2013, 88 f) – ist die natürliche Neigung des Kinos zum Traum hin. Indem er die Film/Traum-Analogie auf ihre extreme Version reduziert, scheint Brütsch zu ignorieren, dass die umkehrbare Natur der Filmerfahrung (der Umstand, dass sich das im Film Repräsentierte immer zugleich in eine gelebte Erfahrung der Zuschauerin übersetzt) den Traum bzw. eher das Träumen als besonders interessantes Phänomen für Filmschaffende hervorhebt. Weil Film eine primär audiovisuelle Erfahrung ist, die auf die präreflektive, sinnliche Involvierung abzielt, besitzt er eine besondere Fähigkeit, den wachen Zuschauer an das Träumen zu erinnern (womöglich an einen bestimmten Traumtypus) – d.h. eine typischerweise audiovisuelle Erfahrung, die oftmals intensive, sinnliche Involvierung provoziert. Das heißt allerdings nicht, dass jeder Film traumartig ist. Viel eher kann man sagen, das filmische Medium stellt eine geeignete ''Kategorie'' von Erfahrung bereit, einen besonders intensiven, traumartigen Effekt auf die Zuschauerschaft zu erzeugen. Die Erforschung des filmischen Potentials, ''den Traum'' (als Sequenz) darzustellen, ist wohl nicht unabhängig von dem breiteren Diskurs um eine Film/Traum-Analogie: möglicherweise sind es bloß bestimmte Filme / Szenen / Regisseure, die diejenigen Elemente manifestieren, die (fälschlicherweise) dem Kino im Allgemeinen zugeschrieben wurden. Der entscheidende Teil besteht darin, ''wie'' ein Film das oneirische Potential des Kinos umsetzt und wie die Erfahrung der Traumhaftigkeit in Bezug zu der vom Film erzählten Geschichte steht.
[1] Vorläufige empirische Belege für die Tendenz des Nachttraums zur Synästhesie liefern Daniel Reznik et al.. Die Autoren sprechen von “oneirischer Synästhesie” als Ergebnis eines “hyper-assoziativen kognitiven Zustands nach dem Einschlafen” und legen nahe, dass “typischerweise unidirektionale neuronale Bahnen während des Schlafs omnidirektional verbunden sind” (379).
 
 
 
==Anmerkungen==
<references />
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