"Traumsymbole des Individuationsprozesses" (Carl Gustav Jung): Unterschied zwischen den Versionen

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: <span style="color: #7b879e;">„Es steht für mich außer Frage, daß im Osten diese Symbole ursprünglich aus Träumen und Visionen entstanden und nicht von irgendeinem Mahayana-Kirchenvater erfunden wurden. Sie gehören im Gegenteil zu den ältesten religiösen Symbolen der Menschheit […] und sind vielleicht schon im Paläolithikum anzutreffen." (ebd., 121-122)</span>
: <span style="color: #7b879e;">„Es steht für mich außer Frage, daß im Osten diese Symbole ursprünglich aus Träumen und Visionen entstanden und nicht von irgendeinem Mahayana-Kirchenvater erfunden wurden. Sie gehören im Gegenteil zu den ältesten religiösen Symbolen der Menschheit […] und sind vielleicht schon im Paläolithikum anzutreffen" (ebd., 121-122).</span>
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Jungs alchemistisches Kernanliegen an der Rekonstruktion der mandalaartigen Symbole des ''Selbst'' lässt sich somit dahingehend konkretisieren, dass er seine Patienten "auf den richtigen Punkt" (ebd., 123) hinzuführen versuchte, den er bei den meisten Menschen als sträflich unachtsam vernachlässigt ansah. Der historisch dominanten Traditionslinie der Religionen, welche die menschliche Seele meist als "Gefäß aller Bosheit" (ebd.) ansähen, setzte Jung dabei ein Verständnis entgegen, gemäß welchem der Mensch eine wertvolle Seele habe, um die er sich kümmern sollte, weil gerade aus dieser Beschäftigung etwas Gutes erwachsen könne.  
Jungs alchemistisches Kernanliegen an der Rekonstruktion der mandalaartigen Symbole des ''Selbst'' lässt sich somit dahingehend konkretisieren, dass er seine Patienten "auf den richtigen Punkt" (ebd., 123) hinzuführen versuchte, den er bei den meisten Menschen als sträflich unachtsam vernachlässigt ansah. Der historisch dominanten Traditionslinie der Religionen, welche die menschliche Seele meist als "Gefäß aller Bosheit" (ebd.) ansähen, setzte Jung dabei ein Verständnis entgegen, gemäß welchem der Mensch eine wertvolle Seele habe, um die er sich kümmern sollte, weil gerade aus dieser Beschäftigung etwas Gutes erwachsen könne.  
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Jung ordnet die Traumhandlung aufgrund des Traumortes als kultische Handlung ein, die zugleich aber mit grotesk-komischen Elementen gespickt sei, welche er vor allem im Schlussteil des Traums verortet, als sich das Dionysos-Mysterium "im gemütlichen Teil der Handlung" (ebd., 170) ereignet. Die Hagia Sophia als synkretistisches Gebäude versinnbildliche das Ziel des Traums, christliche und dionysische religiöse Ideen zusammenzuführen, wobei die Richtung der Traumhandlung umgekehrt zum historischen Prozess in Richtung des dionysischen Heiligtums, dem Askese fremd ist, verlaufe  (vgl. ebd., 170-171). Amerika verkörpere als Traumsymbol ein utopisch überhöhtes Land "der vernünftigen Ideen des praktischen Intellekts" und entspräche damit implizit auch der modernen Definition von "Geist". Durch den Einzug des Dionysischen in die Kirche verliere letztere ihren sakralen Charakter, wodurch ein "systematischer Abstieg 'ad infernos'" (ebd.) möglich gemacht werde. In diesem dionysischen Moment macht Jung ebenjene Emotionalität beziehungsweise Affektivität des Menschen aus, die der katholischen Kirche im Verlaufe des Mittelalters abhandengekommen sei. Der Kirche sei deshalb nunmehr lediglich "Trauer, Ernst, Strenge, und wohlabgemessene geistliche Freude" (ebd.) verblieben. Jung betont an dieser Stelle aber auch, dass das Unbewusste keineswegs aktiv blasphemische Absichten hege, sondern vielmehr in Anlehnung an Nietzsche das verloren gegangene Dionysos-Element in die religiöse Welt des modernen Menschen zu reintegrieren versucht (vgl. ebd.).
Jung ordnet die Traumhandlung aufgrund des Traumortes als kultische Handlung ein, die zugleich aber mit grotesk-komischen Elementen gespickt sei, welche er vor allem im Schlussteil des Traums verortet, als sich das Dionysos-Mysterium "im gemütlichen Teil der Handlung" (ebd., 170) ereignet. Die Hagia Sophia als synkretistisches Gebäude versinnbildliche das Ziel des Traums, christliche und dionysische religiöse Ideen zusammenzuführen, wobei die Richtung der Traumhandlung umgekehrt zum historischen Prozess in Richtung des dionysischen Heiligtums, dem Askese fremd ist, verlaufe  (vgl. ebd., 170-171). Amerika verkörpere als Traumsymbol ein utopisch überhöhtes Land "der vernünftigen Ideen des praktischen Intellekts" und entspräche damit implizit auch der modernen Definition von "Geist". Durch den Einzug des Dionysischen in die Kirche verliere letztere ihren sakralen Charakter, wodurch ein "systematischer Abstieg 'ad infernos'" (ebd.) möglich gemacht werde. In diesem dionysischen Moment macht Jung ebenjene Emotionalität beziehungsweise Affektivität des Menschen aus, die der katholischen Kirche im Verlaufe des Mittelalters abhandengekommen sei. Der Kirche sei deshalb nunmehr lediglich "Trauer, Ernst, Strenge, und wohlabgemessene geistliche Freude" (ebd.) verblieben. Jung betont an dieser Stelle aber auch, dass das Unbewusste keineswegs aktiv blasphemische Absichten hege, sondern vielmehr in Anlehnung an Nietzsche das verloren gegangene Dionysos-Element in die religiöse Welt des modernen Menschen zu reintegrieren versucht (vgl. ebd.).
   
   
Der weitere Verlauf des Mandalakapitels weist eine Vielzahl von weiteren Traumsymbolen auf, die Jung als Beispiele für den voranschreitenden Individuationsprozesses wertet. Diese progressive Entwicklung wird in den Träumen einerseits durch das zunehmend vermehrte Auftauchen von geometrischen Objekten wie Kreisen, Quadraten, Oktaedern und Kugeln begleitet (vgl. u. a. ebd., 219-227, [Traum 38, 41, 44, 46, 52]). Andererseits charakterisiert Jung auch den disruptiven Charakter des Individuationsprozesses in Traumsettings, die mit geometrisch geformten Örtlichkeiten aufwarten. Im siebenundzwanzigsten Mandalatraum träumt Pauli zum Beispiel von einem Kreis, in dessen Mittelpunkt ein Baum steht, der von den zwei Gruppen, welche den Traum bevölkern und die beiden Kreishälften gegeneinander kämpfend besetzt halten, nicht bemerkt werden. Diese dichotome Anordnung des Traumszenarios analysiert Jung als Manifestation eines unabgeschlossenen Individuationsprozesses, in dem die psychischen Anteilen des Ursprünglichen, Kindlichen oder "Wilden" zum Ausdruck gebracht würden (vgl. ebd., 205). Auch das Ringen von Licht und Dunkelheit weise – etwa durch das Traumsymbol des "Nebels" versinnbildlicht – noch diese Eigenschaften des Ursprünglichen auf, welches nunmehr aber im Sinne einer "Vektorialität" (Nünning 2008, 19-26) transgrediert werde, indem das Traumsubjekt den "Durchstoßpunkt" von Lichtstrahlen im Nebel sichtet und diesen Durchstoßpunkt als Mittelpunkt einer acht Strahlen aussendende Sonne erkennt (vgl. ebd., 222 [Traum 43]). Der Gedanke der alchemistischen Richtungsweisung wird in den letzten Mandalaträumen zunehmend intensiviert, etwa durch einen aus einem Ei geschlüpften Adler. Letzterer fliegt mit einem zu Gold gewordenen Ring in seinen Klauen dem Traum-Ich voraus, das ihm auf einem Schiff folgt, welches sich über dem Meer in liminaler Position zwischen Ahnung und Intuition einerseits sowie den "Tiefen des Unbewussten" andererseits befindet. (vgl. ebd., 234-237 [Traum 58]).  
Der weitere Verlauf des Mandalakapitels weist eine Vielzahl von weiteren Traumsymbolen auf, die Jung als Beispiele für den voranschreitenden Individuationsprozesses wertet. Diese progressive Entwicklung wird in den Träumen einerseits durch das zunehmend vermehrte Auftauchen von geometrischen Objekten wie Kreisen, Quadraten, Oktaedern und Kugeln begleitet (vgl. u. a. ebd., 219-227, [Traum 38, 41, 44, 46, 52]). Andererseits charakterisiert Jung auch den disruptiven Charakter des Individuationsprozesses in Traumsettings, die mit geometrisch geformten Örtlichkeiten aufwarten. Im siebenundzwanzigsten Mandalatraum träumt Pauli zum Beispiel von einem Kreis, in dessen Mittelpunkt ein Baum steht, der von den zwei Gruppen, welche den Traum bevölkern und die beiden Kreishälften gegeneinander kämpfend besetzt halten, nicht bemerkt werden. Diese dichotome Anordnung des Traumszenarios analysiert Jung als Manifestation eines unabgeschlossenen Individuationsprozesses, in dem die psychischen Anteilen des Ursprünglichen, Kindlichen oder "Wilden" zum Ausdruck gebracht würden (vgl. ebd., 205). Auch das Ringen von Licht und Dunkelheit weise – etwa durch das Traumsymbol des "Nebels" versinnbildlicht – noch diese Eigenschaften des Ursprünglichen auf, welches nunmehr aber im Sinne einer "Vektorialität" (Nünning 2008, 19-26) transgrediert werde, indem das Traumsubjekt den "Durchstoßpunkt" von Lichtstrahlen im Nebel sichtet und diesen Durchstoßpunkt als Mittelpunkt einer acht Strahlen aussendende Sonne erkennt (vgl. ebd., 222 [Traum 43]). Der Gedanke der alchemistischen Richtungsweisung wird in den letzten Mandalaträumen zunehmend intensiviert, etwa durch einen aus einem Ei geschlüpften Adler. Letzterer fliegt mit einem zu Gold gewordenen Ring in seinen Klauen dem Traum-Ich voraus, das ihm auf einem Schiff folgt, welches sich über dem Meer in liminaler Position zwischen Ahnung und Intuition einerseits sowie den "Tiefen des Unbewussten" andererseits befindet (vgl. ebd., 234-237 [Traum 58]).  
Abschließend zeigt ein Blick auf den letzten Traum des Mandalakapitels, der den Titel  "Die Vision von der Weltuhr. Große Vision" (vgl. ebd., 237-251 [Traum 59]) trägt, wie sich das Selbst am Ende des von Jung begleiteten Individuationsprozesses von den Schleiern des Unbewussten befreit hat: Der Träumende schildert in seinem Traumnotat den Anblick der durch einen schwarzen Vogel getragenen Weltuhr, die sich aus zwei Kreisen zusammensetzt, die senkrecht zueinander angeordnet sind und über einen gemeinsamen Mittelpunkt verfügen. In diesem Traum tritt mit der Farbsymbolik eine weitere Symbolebene zu den sonst eher dominierenden figuralen und geometrischen Traumsymbolebenen hinzu:  
Abschließend zeigt ein Blick auf den letzten Traum des Mandalakapitels, der den Titel  "Die Vision von der Weltuhr. Große Vision" (vgl. ebd., 237-251 [Traum 59]) trägt, wie sich das Selbst am Ende des von Jung begleiteten Individuationsprozesses von den Schleiern des Unbewussten befreit hat: Der Träumende schildert in seinem Traumnotat den Anblick der durch einen schwarzen Vogel getragenen Weltuhr, die sich aus zwei Kreisen zusammensetzt, die senkrecht zueinander angeordnet sind und über einen gemeinsamen Mittelpunkt verfügen. In diesem Traum tritt mit der Farbsymbolik eine weitere Symbolebene zu den sonst eher dominierenden figuralen und geometrischen Traumsymbolebenen hinzu:  
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:<span style="color: #7b879e;">„Es ist ein vertikaler und ein horizontaler Kreis mit gemeinsamem Mittelpunkt. Das ist die Weltuhr. Sie ist von schwarzen Vögeln getragen. Der vertikale Kreis ist eine blaue Scheibe mit weißem Rand, in 4x8 = 32 Teile geteilt. Darauf rotiert ein Zeiger. Der horizontale Kreis besteht aus vier Farben. Darauf stehen vier kleine Männchen mit Pendeln, und darum liegt der ehemals dunkle und jetzt goldene Ring (vormals von den vier Kindern getragen). Die "Uhr" hat drei Rhythmen oder Pulse: Der kleine Puls: Der Zeiger des blauen Vertikalkreises springt 1/32 weiter. Der mittlere Puls: Eine ganze Umdrehung des Zeigers. Zugleich rückt der horizontale Kreis um 1/32 weiter. Der große Puls: 32 mittlere Pulse machen einen Umlauf des goldenen Ringes aus." (ebd., 237-238)
:<span style="color: #7b879e;">„Es ist ein vertikaler und ein horizontaler Kreis mit gemeinsamem Mittelpunkt. Das ist die Weltuhr. Sie ist von schwarzen Vögeln getragen. Der vertikale Kreis ist eine blaue Scheibe mit weißem Rand, in 4x8 = 32 Teile geteilt. Darauf rotiert ein Zeiger. Der horizontale Kreis besteht aus vier Farben. Darauf stehen vier kleine Männchen mit Pendeln, und darum liegt der ehemals dunkle und jetzt goldene Ring (vormals von den vier Kindern getragen). Die "Uhr" hat drei Rhythmen oder Pulse: Der kleine Puls: Der Zeiger des blauen Vertikalkreises springt 1/32 weiter. Der mittlere Puls: Eine ganze Umdrehung des Zeigers. Zugleich rückt der horizontale Kreis um 1/32 weiter. Der große Puls: 32 mittlere Pulse machen einen Umlauf des goldenen Ringes aus" (ebd., 237-238).
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Durch die nunmehr erblickte Dreidimensionalität des Mandalas sieht Jung die Körperhaftigkeit des Mandalas erstmals als gegeben an, die er mit dem erlangten Status der ''Selbst''-Verwirklichung gleichsetzt. Die Erlangung der "höchsten Harmonie" durch das ''Selbst'' des Träumenden macht Jung dabei an ästhetischen Qualitäten des Traums fest, die sowohl die Form als auch die Farbgebung des Mandalas betreffen. Dies beginnt bei dem Umstand, dass sich im gemeinsamen Mittelpunkt des vertikalen und horizontalen Kreises "zwei heterogene Systeme schneiden" würden, die wechselseitig durch die gesetzmäßige und funktionale Beziehung der "drei Rhythmen" und der "vier Farben" aufeinander verweisen würden (vgl. ebd., 238, 246-249). Mit der Zahl "drei" assoziiert Jung die christliche Trinität, wohingegen er in der Zahl "vier" als Traumsymbol die vier Evangelisten des Neuen Testaments repräsentiert sieht.  
Durch die nunmehr erblickte Dreidimensionalität des Mandalas sieht Jung die Körperhaftigkeit des Mandalas erstmals als gegeben an, die er mit dem erlangten Status der ''Selbst''-Verwirklichung gleichsetzt. Die Erlangung der "höchsten Harmonie" durch das ''Selbst'' des Träumenden macht Jung dabei an ästhetischen Qualitäten des Traums fest, die sowohl die Form als auch die Farbgebung des Mandalas betreffen. Dies beginnt bei dem Umstand, dass sich im gemeinsamen Mittelpunkt des vertikalen und horizontalen Kreises "zwei heterogene Systeme schneiden" würden, die wechselseitig durch die gesetzmäßige und funktionale Beziehung der "drei Rhythmen" und der "vier Farben" aufeinander verweisen würden (vgl. ebd., 238, 246-249). Mit der Zahl "drei" assoziiert Jung die christliche Trinität, wohingegen er in der Zahl "vier" als Traumsymbol die vier Evangelisten des Neuen Testaments repräsentiert sieht.