"Mao" (Friedrich Huch): Unterschied zwischen den Versionen

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== Autor ==
== Autor ==
Friedrich Huch wurde am 19. Juni 1873 in Braunschweig geboren. Sein Vater war Jurist und beging im Jahr 1888 Selbstmord, was das Leben und Wirken des späteren Autors nachhaltig beeinflusste.  
Friedrich Huch wurde am 19. Juni 1873 in Braunschweig geboren. Sein Vater war Jurist und beging im Jahr 1888 Selbstmord, was das Leben und Wirken des späteren Autors nachhaltig beeinflusste. Nach dem Abitur in Dresden studierte Friedrich Huch Philologie an den Universitäten München, Erlangen und Paris. Im Jahr 1901 promovierte er mit einer Arbeit „Über das Drama ''The Valiant Scot'' by J. W. Gent“ und war zunächst als Hauslehrer in Hamburg sowie in Lubochin tätig. Ab 1904 lebte er als freier Schriftsteller und verkehrte u. a. mit Rainer Maria Rilke, Thomas Mann, Stefan George und Wilhelm Furtwängler.
Nach dem Abitur in Dresden studierte Friedrich Huch Philologie an den Universitäten München, Erlangen und Paris. Im Jahr 1901 promovierte er mit einer Arbeit „Über das Drama ''The Valiant Scot'' by J. W. Gent“ und war zunächst als Hauslehrer in Hamburg sowie in Lubochin tätig. Ab 1904 lebte er als freier Schriftsteller und verkehrte u. a. mit Rainer Maria Rilke, Thomas Mann, Stefan George und Wilhelm Furtwängler.


Zwischen 1901 und 1913 verfasste er neun Romane und Erzählungen. Bekannt sind insbesondere der musikalische Roman ''Enzio'' (1911), der Roman ''Pitt und Fox. Die Lebenswege der Brüder Sintrup'' (1909) sowie der autobiografisch geprägte, psychologische Jugendroman ''Mao'' (1907), der häufig zu Unrecht der Kategorie des Schul- bzw. Kadettenromans zugeordnet wird.<ref>So etwa im Paratext der Fischer-Ausgabe, wo es heißt: „Friedrich Huch steht in einer Reihe mit so bedeutenden Autoren wie Thomas Mann, Emil Strauß Hermann Hesse, die zu Beginn dieses Jahrhunderts das Problem der Existenz des begabten und sensiblen Kindes in einer verständnislosen, bloßem Zweckmäßigkeits- und Effektivitätsdenken verpflichteten Erwachsenenwelt gestaltet haben. Sein Thomas ist ein Geistesverwandter von Hanno Buddenbrook, Heinrich Lindner [''Freund Hein''] und Hans Giebenrath [''Unterm Rad''].“ Mit den zahlreichen Schul- und Kadettenromanen der Zeit um 1900 hat dieser Roman jedoch nur einige wenige thematische Aspekte gemein. In seiner mystischen Ästhetik wie auch in seiner Motivik, etwa das Doppelgängermotiv betreffend, weist er viel eher eine Nähe zur Literatur der Romantik auf.</ref>  
Zwischen 1901 und 1913 verfasste er neun Romane und Erzählungen. Bekannt sind insbesondere der musikalische Roman ''Enzio'' (1911), der Roman ''Pitt und Fox. Die Lebenswege der Brüder Sintrup'' (1909) sowie der autobiografisch geprägte, psychologische Jugendroman ''Mao'' (1907), der häufig zu Unrecht der Kategorie des Schul- bzw. Kadettenromans zugeordnet wird.<ref>So etwa im Paratext der Fischer-Ausgabe, wo es heißt: „Friedrich Huch steht in einer Reihe mit so bedeutenden Autoren wie Thomas Mann, Emil Strauß Hermann Hesse, die zu Beginn dieses Jahrhunderts das Problem der Existenz des begabten und sensiblen Kindes in einer verständnislosen, bloßem Zweckmäßigkeits- und Effektivitätsdenken verpflichteten Erwachsenenwelt gestaltet haben. Sein Thomas ist ein Geistesverwandter von Hanno Buddenbrook, Heinrich Lindner [''Freund Hein''] und Hans Giebenrath [''Unterm Rad''].“ Mit den zahlreichen Schul- und Kadettenromanen der Zeit um 1900 hat dieser Roman jedoch nur einige wenige thematische Aspekte gemein. In seiner mystischen Ästhetik wie auch in seiner Motivik, etwa das Doppelgängermotiv betreffend, weist er viel eher eine Nähe zur Literatur der Romantik auf.</ref>  
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== Aufbau und Thematik der Novelle ==
== Aufbau und Thematik ==
Der Roman umfasst 12 Kapitel, in denen Kindheit und Jugend des träumerischen Protagonisten Thomas geschildert werden. Verwoben ist die Entwicklung des Jungen mit dem hochherrschaftlichen, aber schon im Verfall begriffenen Elternhaus, das schließlich verkauft und abgerissen wird. Diese symbiotische Beziehung kommt in folgender Passage besonders deutlich zum Ausdruck: „Mehr und mehr versank er in Träumerei, es zerlöste sich sein Denken, das Bewußtsein seiner selbst ging auf in dem Raume um ihn, in den Mauern, die er fühlte und nicht sah, in dem ganzen ungeheuren Bauwerk, das träumend die Jahrhunderte vorüberziehen ließ“ (M 61 f.). Den schmerzlichen Verlust des alten Hauses, das in Thomas' Wahrnehmung beseelt ist und von der Doppelgängerimago Mao bewohnt wird, verkraftet der im letzten Kapitel etwa 15jährige Protagonist nicht, weshalb er sich in die Ruinen des Hauses stürzt.<ref>Zwar lässt in der Druckfassung eine bewusste Leerstelle die Leserschaft im Ungewissen darüber, ob es sich um einen Suizid oder um einen tragischen Unfall handelt; im Manuskript ist hingegen noch ein Satz enthalten, der keine Zweifel offenlässt: „und im selben Augenblick warf er sich mit ausgebreiteten Armen in den Abgrund“ (zit. nach Wucherpfennig 1980, 26).</ref>  
Der Roman umfasst 12 Kapitel, in denen Kindheit und Jugend des träumerischen Protagonisten Thomas geschildert werden. Verwoben ist die Entwicklung des Jungen mit dem hochherrschaftlichen, aber schon im Verfall begriffenen Elternhaus, das schließlich verkauft und abgerissen wird. Diese symbiotische Beziehung kommt in folgender Passage besonders deutlich zum Ausdruck: „Mehr und mehr versank er in Träumerei, es zerlöste sich sein Denken, das Bewußtsein seiner selbst ging auf in dem Raume um ihn, in den Mauern, die er fühlte und nicht sah, in dem ganzen ungeheuren Bauwerk, das träumend die Jahrhunderte vorüberziehen ließ“ (M 61 f.). Den schmerzlichen Verlust des alten Hauses, das in Thomas' Wahrnehmung beseelt ist und von der Doppelgängerimago Mao bewohnt wird, verkraftet der im letzten Kapitel etwa 15jährige Protagonist nicht, weshalb er sich in die Ruinen des Hauses stürzt.<ref>Zwar lässt in der Druckfassung eine bewusste Leerstelle die Leserschaft im Ungewissen darüber, ob es sich um einen Suizid oder um einen tragischen Unfall handelt; im Manuskript ist hingegen noch ein Satz enthalten, der keine Zweifel offenlässt: „und im selben Augenblick warf er sich mit ausgebreiteten Armen in den Abgrund“ (zit. nach Wucherpfennig 1980, 26).</ref>