"Kassandra" (Christa Wolf): Unterschied zwischen den Versionen

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Am Vorabend der Übergabe der Priesterbinde träumt Kassandra von Apollon, dem Gott der Seher, der in einer verschobenen Form dem Priester Panthoos ähnelt, zu dem sie ein konfliktreiches Verhältnis hat:
Am Vorabend der Übergabe der Priesterbinde träumt Kassandra von Apollon, dem Gott der Seher, der in einer verschobenen Form dem Priester Panthoos ähnelt, zu dem sie ein konfliktreiches Verhältnis hat:


Der Traum die Nacht zuvor kam ungerufen, und er hat mich sehr verstört. Daß es Apollon war, der zu mir kam, das sah ich gleich, trotz der entfernten Ähnlichkeit mit Panthoos, von der ich kaum hätte sagen können, worin sie bestand. Am ehesten im Ausdruck seiner Augen, die ich damals noch »grausam«, später, bei Panthoos Apoll! - nur »nüchtern« nannte. Apollon im Strahlen- nie wieder sah ich glanz, wie Panthoos ihn mich sehen lehrte. Der Sonnengott mit der Leier, blau, wenn auch grausam, die Augen, bronzefarben die Haut. Apollon, der Gott der Seher. Der wußte, was ich heiß begehrte: die Sehergabe, die er mir durch eine eigentlich beiläufige, ich wagte nicht zu fühlen: enttäuschende Geste verlieh, nur um sich mir dann als Mann zu nähern, wobei er sich - ich glaubte, allein durch meinen grauenvollen Schrecken - in einen Wolf verwandelte, der von Mäusen umgeben war und der mir wütend in den Mund spuckte, als er mich nicht überwältigen konnte. So daß ich beim entsetzten Erwachen einen unsagbar widerwärtigen Geschmack auf der Zunge spürte und mitten in der Nacht aus dem Tempel- bezirk, in dem zu schlafen ich zu jener Zeit verpflichtet war, in die Zitadelle, in den Palast, ins Zimmer, ins Bett der Mutter floh. (K22-23)
> Der Traum die Nacht zuvor kam ungerufen, und er hat mich sehr verstört. Daß es Apollon war, der zu mir kam, das sah ich gleich, trotz der entfernten Ähnlichkeit mit Panthoos, von der ich kaum hätte sagen können, worin sie bestand. Am ehesten im Ausdruck seiner Augen, die ich damals noch »grausam«, später, bei Panthoos Apoll! - nur »nüchtern« nannte. Apollon im Strahlen- nie wieder sah ich glanz, wie Panthoos ihn mich sehen lehrte. Der Sonnengott mit der Leier, blau, wenn auch grausam, die Augen, bronzefarben die Haut. Apollon, der Gott der Seher. Der wußte, was ich heiß begehrte: die Sehergabe, die er mir durch eine eigentlich beiläufige, ich wagte nicht zu fühlen: enttäuschende Geste verlieh, nur um sich mir dann als Mann zu nähern, wobei er sich - ich glaubte, allein durch meinen grauenvollen Schrecken - in einen Wolf verwandelte, der von Mäusen umgeben war und der mir wütend in den Mund spuckte, als er mich nicht überwältigen konnte. So daß ich beim entsetzten Erwachen einen unsagbar widerwärtigen Geschmack auf der Zunge spürte und mitten in der Nacht aus dem Tempel- bezirk, in dem zu schlafen ich zu jener Zeit verpflichtet war, in die Zitadelle, in den Palast, ins Zimmer, ins Bett der Mutter floh. (K22-23)


Man erfährt, dass Kassandra nach ihrem entsetzten Erwachen einen ekelerregenden Geschmack auf der Zunge hat und dass sie mitten in der Nacht aus dem Tempelbezirk, der Zitadelle, dem Palast und ihrem Zimmer geflohen ist, um schließlich im Bett ihrer Mutter Zuflucht zu finden (K 23). Die Angst vor der Vereinigung mit dem Sonnengott Apollon erweist sich als Auslöser des Alptraums. Merkwürdigerweise versucht die Mutter Hekabe nicht, den Traum ihrer Tochter zu deuten, obwohl sie sich über die wolfsähnliche Gestalt Apollons Sorgen macht. Denn für sie gibt es nichts Ehrenhafteres als den Willen eines Gottes, sich mit einer »Sterblichen« zu vereinen (ebd.). Angesichts der Zweifeln und Gleichgültigkeit von Panthoos der Grieche an der Berufung von Kassandra zum Priestertum, lässt Kassandra ihren Traum schließlich von Marpessa deuten. »Wenn Apollon dir in den Mund spuckt (…) bedeutet das: Du hast die Gabe, die Zukunft vorauszusagen. Doch niemand wird dir glauben« (K 33).
Man erfährt, dass Kassandra nach ihrem entsetzten Erwachen einen ekelerregenden Geschmack auf der Zunge hat und dass sie mitten in der Nacht aus dem Tempelbezirk, der Zitadelle, dem Palast und ihrem Zimmer geflohen ist, um schließlich im Bett ihrer Mutter Zuflucht zu finden (K 23). Die Angst vor der Vereinigung mit dem Sonnengott Apollon erweist sich als Auslöser des Alptraums. Merkwürdigerweise versucht die Mutter Hekabe nicht, den Traum ihrer Tochter zu deuten, obwohl sie sich über die wolfsähnliche Gestalt Apollons Sorgen macht. Denn für sie gibt es nichts Ehrenhafteres als den Willen eines Gottes, sich mit einer »Sterblichen« zu vereinen (ebd.). Angesichts der Zweifeln und Gleichgültigkeit von Panthoos der Grieche an der Berufung von Kassandra zum Priestertum, lässt Kassandra ihren Traum schließlich von Marpessa deuten. »Wenn Apollon dir in den Mund spuckt (…) bedeutet das: Du hast die Gabe, die Zukunft vorauszusagen. Doch niemand wird dir glauben« (K 33).
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Gegen Abend schlief ich ein, ich weiß noch, ich träumte von einem Schiff, das den Aineias über glattes blaues Wasser von unserer Küste wegführte, und von einem ungeheuren Feuer, das sich, als das Schiff sich gegen den Horizont hin entfernte, zwischen die Wegfahrenden und uns, die Daheimgebliebenen, legte. Das Meer brannte. Dies Traumbild seh ich heute noch, so viele andre, schlimmere Wirklichkeitsbilder sich auch darübergelegt haben. Gern wüßte ich (was denk ich da! gern? wüßte? ich? Doch. Die Worte stimmen), gern wüßte ich, welche Art Unruhe, unbemerkt von mir, mitten im Frieden, mitten im Glück: so redeten wir doch! solche Träume schon heraufrief. Schreiend erwachte ich […]. (K26)
> Gegen Abend schlief ich ein, ich weiß noch, ich träumte von einem Schiff, das den Aineias über glattes blaues Wasser von unserer Küste wegführte, und von einem ungeheuren Feuer, das sich, als das Schiff sich gegen den Horizont hin entfernte, zwischen die Wegfahrenden und uns, die Daheimgebliebenen, legte. Das Meer brannte. Dies Traumbild seh ich heute noch, so viele andre, schlimmere Wirklichkeitsbilder sich auch darübergelegt haben. Gern wüßte ich (was denk ich da! gern? wüßte? ich? Doch. Die Worte stimmen), gern wüßte ich, welche Art Unruhe, unbemerkt von mir, mitten im Frieden, mitten im Glück: so redeten wir doch! solche Träume schon heraufrief. Schreiend erwachte ich […]. (K26)


Nach dem Alptraum wacht sie schreiend auf und wird von Aneias getröstet, der sie zu ihrer Mutter trägt. Das brennende Meer bleibt ein prägendes Traumbild, das Kassandra nicht loslässt. Ihre Fragen und Träume lösen sich auf, nachdem ihre Mutter ihr ein Getränk verabreicht hat. In diesem Zusammenhang lässt sich der Alptraum von Kassandra einigermaßen als eine spannungssteigernde Prolepse im Hinblick auf die späteren Kriegserlebnisse in Troja lesen. Sich an ihre Jugendzeit erinnernd wird der Ursprung ihrer Angstträume ans Licht gebracht (K 50). In diesen Träumen empfindet sie Lust für Aneias, der sie aber bedroht. Doch diese Träume, die bei ihr Schuldgefühl, Verzweiflung und Selbstentfremdung hervorrufen, erinnern an dem ersten Anfall Kassandras, als sie die Wahrheit über das zweite Schiff von Aineas erfährt. Das zweite Schiff wurde ausgesandt, angeführt von Aineas Vater Anchises und dem Seher Kalchas. Die Mission bestand darin, Hesione, die Schwester von Priamos, zurückzubringen, die angeblich von Telamon, dem König von Sparta, entführt wurde. Die Mission scheitert jedoch auf zweierlei Weise. Das zweite Schiff kehrt nicht nur ohne Hesione zurück, die mittlerweile Telamons Frau und Königin von Sparta geworden ist, sondern auch ohne den Seher Kalchas. Dieser bleibt freiwillig in Griechenland, doch aus Staatsräson wird die Propagandalüge verbreitet, Kalchas werde von den Griechen als Geisel festgehalten (K 44-47). Kassandra muss feststellen, dass sich ein Kreis des Schweigens (K 46) um sie schließt, dass man ihr die Wahrheit vorenthält. Von Aineas erfährt sie die Wahrheit und zum ersten Mal entladen sich ihr Schmerz, ihre Wut, ihre Angst und ihre Verzweiflung in einem Anfall.
Nach dem Alptraum wacht sie schreiend auf und wird von Aneias getröstet, der sie zu ihrer Mutter trägt. Das brennende Meer bleibt ein prägendes Traumbild, das Kassandra nicht loslässt. Ihre Fragen und Träume lösen sich auf, nachdem ihre Mutter ihr ein Getränk verabreicht hat. In diesem Zusammenhang lässt sich der Alptraum von Kassandra einigermaßen als eine spannungssteigernde Prolepse im Hinblick auf die späteren Kriegserlebnisse in Troja lesen. Sich an ihre Jugendzeit erinnernd wird der Ursprung ihrer Angstträume ans Licht gebracht (K 50). In diesen Träumen empfindet sie Lust für Aneias, der sie aber bedroht. Doch diese Träume, die bei ihr Schuldgefühl, Verzweiflung und Selbstentfremdung hervorrufen, erinnern an dem ersten Anfall Kassandras, als sie die Wahrheit über das zweite Schiff von Aineas erfährt. Das zweite Schiff wurde ausgesandt, angeführt von Aineas Vater Anchises und dem Seher Kalchas. Die Mission bestand darin, Hesione, die Schwester von Priamos, zurückzubringen, die angeblich von Telamon, dem König von Sparta, entführt wurde. Die Mission scheitert jedoch auf zweierlei Weise. Das zweite Schiff kehrt nicht nur ohne Hesione zurück, die mittlerweile Telamons Frau und Königin von Sparta geworden ist, sondern auch ohne den Seher Kalchas. Dieser bleibt freiwillig in Griechenland, doch aus Staatsräson wird die Propagandalüge verbreitet, Kalchas werde von den Griechen als Geisel festgehalten (K 44-47). Kassandra muss feststellen, dass sich ein Kreis des Schweigens (K 46) um sie schließt, dass man ihr die Wahrheit vorenthält. Von Aineas erfährt sie die Wahrheit und zum ersten Mal entladen sich ihr Schmerz, ihre Wut, ihre Angst und ihre Verzweiflung in einem Anfall.
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Kassandra träumt von dem Kind der Asterope und des Aisakos, das mit ihrer Mutter zusammen bei der Geburt gestorben ist:
Kassandra träumt von dem Kind der Asterope und des Aisakos, das mit ihrer Mutter zusammen bei der Geburt gestorben ist:


[…] immer der schwere Schlaf und die Träume. Jenes Kind der Asterope und des Aisakos, das mit seiner Mutter zusammen bei der Geburt gestorben war, wuchs in mir. Als es reif war, wollte ich es nicht zur Welt bringen, da spie ich es aus, und es war eine Kröte. Vor der ekelte ich mich. Merops, der uralte Traumdeuter, hörte mich aufmerksam an. (K59)
> […] immer der schwere Schlaf und die Träume. Jenes Kind der Asterope und des Aisakos, das mit seiner Mutter zusammen bei der Geburt gestorben war, wuchs in mir. Als es reif war, wollte ich es nicht zur Welt bringen, da spie ich es aus, und es war eine Kröte. Vor der ekelte ich mich. Merops, der uralte Traumdeuter, hörte mich aufmerksam an. (K59)


Kassandra lässt ihren Traum von Merops, dem uralten Traumdeuter, deuten. Dieser Letzere erklärt ihr den Traum nicht, sondern warnt er Kassandras Mutter Hekabe vor den Männern, die Aisakos ähnlich sähen und empfehlt ihr, diese aus der Nähe der Tochter zu entfernen. An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass diesem Albtraum ein erschütterndes Ereignis vorausgeht, der Kassandra zum ersten Mal in einen anfallähnlichen Zustand versetzt: Der Tod ihres meistgeliebten Bruders Aisakos in der Vorkriegszeit. Er wird als einen kräftigen, warmhäutigen Mann mit dem braunen Kraushaar beschrieben, der anders als alle ihre Bruder zu ihr war (Vgl. K 58). Aisakos versucht mehrfach, sich das Leben zu nehmen, nachdem ihre junge und schöne Frau Asterope im Kinderbett stirbt. Er wird von seinen Bewachern gerettet, bis er nicht mehr gefunden wird und später verzweifelt ins Meer eintaucht. Der schwarze Vogel mit roten Hals, der nach dem Eintauchen Aisakos auftaucht, wird allerdings von dem Orakeldeuter Kalchas als eine verwandelte Gestalt Aisakos ausgelegt. Als dieser Alptraum eintritt, trauert Kassandra um den Tod ihres Bruders Aisakos. Darüber hinweg erscheint die Interpretation des toten Kindes als Kassandras mangelnder Wille, Mutter zu werden, plausibel.  
Kassandra lässt ihren Traum von Merops, dem uralten Traumdeuter, deuten. Dieser Letzere erklärt ihr den Traum nicht, sondern warnt er Kassandras Mutter Hekabe vor den Männern, die Aisakos ähnlich sähen und empfehlt ihr, diese aus der Nähe der Tochter zu entfernen. An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass diesem Albtraum ein erschütterndes Ereignis vorausgeht, der Kassandra zum ersten Mal in einen anfallähnlichen Zustand versetzt: Der Tod ihres meistgeliebten Bruders Aisakos in der Vorkriegszeit. Er wird als einen kräftigen, warmhäutigen Mann mit dem braunen Kraushaar beschrieben, der anders als alle ihre Bruder zu ihr war (Vgl. K 58). Aisakos versucht mehrfach, sich das Leben zu nehmen, nachdem ihre junge und schöne Frau Asterope im Kinderbett stirbt. Er wird von seinen Bewachern gerettet, bis er nicht mehr gefunden wird und später verzweifelt ins Meer eintaucht. Der schwarze Vogel mit roten Hals, der nach dem Eintauchen Aisakos auftaucht, wird allerdings von dem Orakeldeuter Kalchas als eine verwandelte Gestalt Aisakos ausgelegt. Als dieser Alptraum eintritt, trauert Kassandra um den Tod ihres Bruders Aisakos. Darüber hinweg erscheint die Interpretation des toten Kindes als Kassandras mangelnder Wille, Mutter zu werden, plausibel.  
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Die Spekulationen um die Geburt von Paris, der Verursacher des Untergangs Trojas, stehen im Mittelpunkt der Erzählung. Der Geburt des Knaben geht eine Prophezeiung Aisakos voraus. Er verkündet damit, dass ein Fluch auf dem Kind liegt. Aber ausschlaggebend ist der Traum der Hekabe:
Die Spekulationen um die Geburt von Paris, der Verursacher des Untergangs Trojas, stehen im Mittelpunkt der Erzählung. Der Geburt des Knaben geht eine Prophezeiung Aisakos voraus. Er verkündet damit, dass ein Fluch auf dem Kind liegt. Aber ausschlaggebend ist der Traum der Hekabe:


Die nämlich hatte, wenn ich Arisbe glauben konnte, kurz vor der Geburt des Paris geträumt, sie gebäre ein Holzscheit, aus dem unzählige brennende Schlangen hervorkrochen. (K 66)
> Die nämlich hatte, wenn ich Arisbe glauben konnte, kurz vor der Geburt des Paris geträumt, sie gebäre ein Holzscheit, aus dem unzählige brennende Schlangen hervorkrochen. (K 66)




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Kurz vor dem trojanischen Krieg und nach einer langen Zeit, dass Kassandra keine Träume mehr hat (K 72), erzählt König Priamos von seinem Traum:
Kurz vor dem trojanischen Krieg und nach einer langen Zeit, dass Kassandra keine Träume mehr hat (K 72), erzählt König Priamos von seinem Traum:


Ungebeten deutete ich dem König einen Traum, den er bei der Tafel erzählt hatte: Zwei Drachen, die miteinander kämpften; der eine trug einen goldgehämmerten Brustpanzer, der andre führte eine scharf geschliffene Lanze. Der eine also unverletzlich und unbewaffnet, der andre bewaffnet und ha?erfüllt, jedoch verletzlich. Sie kampften ewig. (K 87-88)
> Ungebeten deutete ich dem König einen Traum, den er bei der Tafel erzählt hatte: Zwei Drachen, die miteinander kämpften; der eine trug einen goldgehämmerten Brustpanzer, der andre führte eine scharf geschliffene Lanze. Der eine also unverletzlich und unbewaffnet, der andre bewaffnet und ha?erfüllt, jedoch verletzlich. Sie kampften ewig. (K 87-88)


Kassandra deutet den Traum als einen Widerstreit, in dem ihr Vater mit ihm selbst liege. Dennoch glaubt ihr König Priamos nicht (K 88). Zutreffend ist ihm nach, die Deutung von Panthoos: » Der goldgepanzerte Drache bin natürlich ich, der König. Bewaffne muß ich mich, um meinen tückischen und schwerbewaffneten Feind zu überwältigen. Den Waffenschieden hab [sic] ich schon befohlen, ihre Produktion zu steigern« (K 88). Kassandra zweifelt an der Empfehlung von Panthoos, ein Mann, den sie hasst. Zum Beginn des Krieges ist Kassandra skeptisch, dass man wisse, wann der Krieg genau begonnen hat bzw. wann der Vorkrieg begonnen hat (ebd.).
Kassandra deutet den Traum als einen Widerstreit, in dem ihr Vater mit ihm selbst liege. Dennoch glaubt ihr König Priamos nicht (K 88). Zutreffend ist ihm nach, die Deutung von Panthoos: » Der goldgepanzerte Drache bin natürlich ich, der König. Bewaffne muß ich mich, um meinen tückischen und schwerbewaffneten Feind zu überwältigen. Den Waffenschieden hab [sic] ich schon befohlen, ihre Produktion zu steigern« (K 88). Kassandra zweifelt an der Empfehlung von Panthoos, ein Mann, den sie hasst. Zum Beginn des Krieges ist Kassandra skeptisch, dass man wisse, wann der Krieg genau begonnen hat bzw. wann der Vorkrieg begonnen hat (ebd.).
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Im Herbst, nachdem der Krieg begonnen hat und nachdem Paris tatsächlich nach Troja zurückgekehrt ist, um Helena zu entführen, und sie dort nicht gefunden hat, und während Kassandra von Oinone auf die Weiden gebracht wird, träumt Kassandra von Aneais. Sie wird dadurch desorientiert, dass niemand sie auf ihren Geliebten anspricht (K 101). Vor Wut schreiend legt sie sich auf die Weiden, was ihr dennoch nicht hilft. Ihre Sehnsucht nach Liebe ist so stark, dass sie bei der Initiation eines jungen Priesters weiterhin von Aneias träumt:
Im Herbst, nachdem der Krieg begonnen hat und nachdem Paris tatsächlich nach Troja zurückgekehrt ist, um Helena zu entführen, und sie dort nicht gefunden hat, und während Kassandra von Oinone auf die Weiden gebracht wird, träumt Kassandra von Aneais. Sie wird dadurch desorientiert, dass niemand sie auf ihren Geliebten anspricht (K 101). Vor Wut schreiend legt sie sich auf die Weiden, was ihr dennoch nicht hilft. Ihre Sehnsucht nach Liebe ist so stark, dass sie bei der Initiation eines jungen Priesters weiterhin von Aneias träumt:


Unerträglich sehnte ich mich nach Liebe, eine Sehnsucht, die nur einer stillen konnte, darüber ließen meine Träume keinen Zweifel. Einmal nahm ich einen blutjungen Priester, den ich anlernte und der mich verehrte, zu mir auf mein Lager, wie man es fast von mir erwartete. Ich löschte seine Glut, blieb selber kalt und träumte von Aineias. Ich begann auf meinen Körper achtzugeben, der, wer hätte das gedacht, sich von Träumen leiten ließ. (K102)
> Unerträglich sehnte ich mich nach Liebe, eine Sehnsucht, die nur einer stillen konnte, darüber ließen meine Träume keinen Zweifel. Einmal nahm ich einen blutjungen Priester, den ich anlernte und der mich verehrte, zu mir auf mein Lager, wie man es fast von mir erwartete. Ich löschte seine Glut, blieb selber kalt und träumte von Aineias. Ich begann auf meinen Körper achtzugeben, der, wer hätte das gedacht, sich von Träumen leiten ließ. (K102)
==='''3.7. Traum VII: Kassandras (Alp)Traum vom Himmelsgestirnenwettkampf (K 114- 115)'''===
==='''3.7. Traum VII: Kassandras (Alp)Traum vom Himmelsgestirnenwettkampf (K 114- 115)'''===
Nach einer langen öden Zeit ohne Träume hat Kassandra endlich wieder einen Traum:
Nach einer langen öden Zeit ohne Träume hat Kassandra endlich wieder einen Traum:


Ich ging, allein, durch eine Stadt, die ich nicht kannte, Troia war es nicht, doch Troia war die einzige Stadt, die ich vorher je gesehn. Meine Traumstadt war größer, weitläufiger. Ich wußte, es war Nacht, doch Mond und Sonne standen gleichzeitig am Himmel und stritten um die Vorherrschaft. Ich war, von wem, das wurde nicht gesagt, zur Schiedsrichterin bestellt: Welches von den beiden Himmelsgestirnen heller strahlen könne. Etwas an diesem Wettkampf war verkehrt, doch was, das fand ich nicht heraus, wie ich mich auch anstrengen mochte. Bis ich mutlos und beklommen sagte, es wisse und sehe doch ein jeder, die Sonne sei es, die am hellsten strahle. Phobus Apollon! rief triumphierend eine Stimme, und zugleich fuhr zu meinem Schrecken Selene, die liebe Mondfrau, klagend zum Horizont hinab. Dies war ein Urteil über mich, doch wie konnte ich schuldig sein, da ich nur ausgesprochen hatte, was der Fall war. Mit dieser Frage bin ich aufgewacht. (K114-115)
> Ich ging, allein, durch eine Stadt, die ich nicht kannte, Troia war es nicht, doch Troia war die einzige Stadt, die ich vorher je gesehn. Meine Traumstadt war größer, weitläufiger. Ich wußte, es war Nacht, doch Mond und Sonne standen gleichzeitig am Himmel und stritten um die Vorherrschaft. Ich war, von wem, das wurde nicht gesagt, zur Schiedsrichterin bestellt: Welches von den beiden Himmelsgestirnen heller strahlen könne. Etwas an diesem Wettkampf war verkehrt, doch was, das fand ich nicht heraus, wie ich mich auch anstrengen mochte. Bis ich mutlos und beklommen sagte, es wisse und sehe doch ein jeder, die Sonne sei es, die am hellsten strahle. Phobus Apollon! rief triumphierend eine Stimme, und zugleich fuhr zu meinem Schrecken Selene, die liebe Mondfrau, klagend zum Horizont hinab. Dies war ein Urteil über mich, doch wie konnte ich schuldig sein, da ich nur ausgesprochen hatte, was der Fall war. Mit dieser Frage bin ich aufgewacht. (K114-115)


Bemerkenswert ist die große Bedeutung, die diesem Traum beigemessen wird, obwohl er nicht gedeutet wird. Eingeleitet wird der Traum folgenders: »Er gehörte zu jenen Träumen, die ich gleich für bedeutsam hielt, nicht ohne weiteres verstand, doch nicht vergaß«. (K 114). Dieser Traum ist so schwer zu deuten, dass Marpessa Arisbe den Traum von Kassandra erzählt, obwohl Arisbe nicht für die Deutung Kassandras Träume zuständig ist.  Marpessa kommt zum Schluss, dass das Wichtigste an ihrem Traum, ihr Bemühn ist, auf eine ganz verkehrte Frage doch eine Antwort zu versuchen. (K 115). Kassandra ist sich davon bewusst, dass die Antwort in diesen Fragen liegt und findet den Ursprung ihres Traums in den ersten Monaten des Krieges. In diesem Moment ist es schon wieder Vorfrühling und lange haben die Griechen die Trojaner nicht mehr angegriffen. Nachdem sie die Festung verlassen hat, setzt sich Kassandra auf einem Hügel über dem Fluß Skamander.
Bemerkenswert ist die große Bedeutung, die diesem Traum beigemessen wird, obwohl er nicht gedeutet wird. Eingeleitet wird der Traum folgenders: »Er gehörte zu jenen Träumen, die ich gleich für bedeutsam hielt, nicht ohne weiteres verstand, doch nicht vergaß«. (K 114). Dieser Traum ist so schwer zu deuten, dass Marpessa Arisbe den Traum von Kassandra erzählt, obwohl Arisbe nicht für die Deutung Kassandras Träume zuständig ist.  Marpessa kommt zum Schluss, dass das Wichtigste an ihrem Traum, ihr Bemühn ist, auf eine ganz verkehrte Frage doch eine Antwort zu versuchen. (K 115). Kassandra ist sich davon bewusst, dass die Antwort in diesen Fragen liegt und findet den Ursprung ihres Traums in den ersten Monaten des Krieges. In diesem Moment ist es schon wieder Vorfrühling und lange haben die Griechen die Trojaner nicht mehr angegriffen. Nachdem sie die Festung verlassen hat, setzt sich Kassandra auf einem Hügel über dem Fluß Skamander.
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Kassandras Rivalin um das Priesteramt ist niemand anderes als ihre Schwester Polyxena. Im letzten Teil des Erinnerungsmonologs gesteht Kassandra ihre Schuld gegenüber Polyxena ein. Kassandra wird bei der Entscheidung über die Zulassung zum Priesteramt Polyxena vorgezogen, was zur Folge hat, dass die Schwestern ein Jahr lang nicht mehr miteinander reden. Außerdem leidet Polyxena darunter, dass sie nicht die Lieblingstochter des Königs Priamos ist. Sie erschreckt, als diese zu ihr kommt, um ihr ihre Träume anzuvertrauen. Doch diese werden von Kassandra als »unlösbare Verstrickungen« bezeichnet:
Kassandras Rivalin um das Priesteramt ist niemand anderes als ihre Schwester Polyxena. Im letzten Teil des Erinnerungsmonologs gesteht Kassandra ihre Schuld gegenüber Polyxena ein. Kassandra wird bei der Entscheidung über die Zulassung zum Priesteramt Polyxena vorgezogen, was zur Folge hat, dass die Schwestern ein Jahr lang nicht mehr miteinander reden. Außerdem leidet Polyxena darunter, dass sie nicht die Lieblingstochter des Königs Priamos ist. Sie erschreckt, als diese zu ihr kommt, um ihr ihre Träume anzuvertrauen. Doch diese werden von Kassandra als »unlösbare Verstrickungen« bezeichnet:


Mit einem zügellosen, forschenden und fordernden Blick lieferte sie sich mir aus. Sie träumte, aus einer Unratgrube, in der sie hauste, streckte sie ihre Arme aus nach einer Lichtgestalt, nach der sie sich verzehrte. Wer war der Glückliche, versuchte ich zu scherzen. Trug er einen Namen? Trocken sagte Polyxena: Ja. Es ist Andron. Andron. Der Offizier des Eumelos. Mir verschlugs die Sprache. Verfluchtes Amt. Ja, sagte ich. Was man halt so träumt. Den man am Tag zuletzt gesehn hat, sieht man auch im Traum. Das ist ohne Bedeutung, Polyxena. (K126)
> Mit einem zügellosen, forschenden und fordernden Blick lieferte sie sich mir aus. Sie träumte, aus einer Unratgrube, in der sie hauste, streckte sie ihre Arme aus nach einer Lichtgestalt, nach der sie sich verzehrte. Wer war der Glückliche, versuchte ich zu scherzen. Trug er einen Namen? Trocken sagte Polyxena: Ja. Es ist Andron. Andron. Der Offizier des Eumelos. Mir verschlugs die Sprache. Verfluchtes Amt. Ja, sagte ich. Was man halt so träumt. Den man am Tag zuletzt gesehn hat, sieht man auch im Traum. Das ist ohne Bedeutung, Polyxena. (K126)


Es stellt sich heraus, dass sich Polyxena im Traum nach Andron, Dem Offizier des Eumelos (Leiter der Palastwache) sehnt. An dieser Stelle ist der Verweis auf Freuds Konzept von Tagesresten und die ihm zugeschriebene Bedeutungslosigkeit besonders aufschlussreich. Kassandras Traumdeutung wird aber erst vollständig, nachdem Polyxena ihr den Rest ihres Traums anvertraut. Sie erzählt Kassandra, dass sie sich mit dem Offizier des Eumelos im Traum auf die erniedrigendste Art vereint hat, obwohl sie ihn in der Wirklichkeit hasst. Merkwürdigerweise empfiehlt ihr Kassandra, einen Mann zu suchen (ebd.).
Es stellt sich heraus, dass sich Polyxena im Traum nach Andron, Dem Offizier des Eumelos (Leiter der Palastwache) sehnt. An dieser Stelle ist der Verweis auf Freuds Konzept von Tagesresten und die ihm zugeschriebene Bedeutungslosigkeit besonders aufschlussreich. Kassandras Traumdeutung wird aber erst vollständig, nachdem Polyxena ihr den Rest ihres Traums anvertraut. Sie erzählt Kassandra, dass sie sich mit dem Offizier des Eumelos im Traum auf die erniedrigendste Art vereint hat, obwohl sie ihn in der Wirklichkeit hasst. Merkwürdigerweise empfiehlt ihr Kassandra, einen Mann zu suchen (ebd.).
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Kassandra träumt von den Farben Rot und Schwarz, die respektive Leben und Tod versinnbildlichen, wie folgt:
Kassandra träumt von den Farben Rot und Schwarz, die respektive Leben und Tod versinnbildlichen, wie folgt:


Nachts träumte ich, nach so vielen traumlos wüsten Nächten. Farben sah ich, Rot und Schwarz, Leben und Tod. Sie durchdrangen einander, kämpften nicht miteinander, wie ich es, sogar im Traum, erwartet hätte. Andauernd ihre Gestalt verändernd, ergaben sie andauernd neue Muster, die unglaublich schön sein konnten. Sie warn wie Wasser, wie ein Meer. In seiner Mitte sah ich eine helle Insel, der ich, im Traum - ich flog ja; ja, ich flog! - schnell näher kam. Was war dort. Was für ein Wesen. Ein Mensch? Ein Tier? Es leuchtete, wie nur Aineias in den Nächten leuchtet. Welche Freude. Dann Absturz, Windzug, Dunkelheit, Erwachen. (K161)
> Nachts träumte ich, nach so vielen traumlos wüsten Nächten. Farben sah ich, Rot und Schwarz, Leben und Tod. Sie durchdrangen einander, kämpften nicht miteinander, wie ich es, sogar im Traum, erwartet hätte. Andauernd ihre Gestalt verändernd, ergaben sie andauernd neue Muster, die unglaublich schön sein konnten. Sie warn wie Wasser, wie ein Meer. In seiner Mitte sah ich eine helle Insel, der ich, im Traum - ich flog ja; ja, ich flog! - schnell näher kam. Was war dort. Was für ein Wesen. Ein Mensch? Ein Tier? Es leuchtete, wie nur Aineias in den Nächten leuchtet. Welche Freude. Dann Absturz, Windzug, Dunkelheit, Erwachen. (K161)


Hervorzuheben ist, dass dieser Traum schon wieder nach einer langen Zeit ohne Träume eintritt, und zwar nach der Landung der Griechischen Flotte und den damit verbundenen Folgen. Die Gräueltaten des Krieges führten dazu, dass die Götter die Trojaner verließen. (K 147). In diesem letzten Teil des Textes werden die Ereignisse des Krieges weiterhin dargestellt: Hektors Kampf mit Achilles, Penthesileas Tod, die Zerstörung der Stadt nach Odysseus' erfolgreicher List, die Trennung von Aineias und seine Flucht. All dies wird in die Erzählung der Trennung von Kassandra und Priamos eingebettet. Die Erzählung über das Leben in den Ida-Bergen, die subversive Gegenwelt zu Troja, und Kassandras Beziehung zu dem weisen Anchises und Arisbe.
Hervorzuheben ist, dass dieser Traum schon wieder nach einer langen Zeit ohne Träume eintritt, und zwar nach der Landung der Griechischen Flotte und den damit verbundenen Folgen. Die Gräueltaten des Krieges führten dazu, dass die Götter die Trojaner verließen. (K 147). In diesem letzten Teil des Textes werden die Ereignisse des Krieges weiterhin dargestellt: Hektors Kampf mit Achilles, Penthesileas Tod, die Zerstörung der Stadt nach Odysseus' erfolgreicher List, die Trennung von Aineias und seine Flucht. All dies wird in die Erzählung der Trennung von Kassandra und Priamos eingebettet. Die Erzählung über das Leben in den Ida-Bergen, die subversive Gegenwelt zu Troja, und Kassandras Beziehung zu dem weisen Anchises und Arisbe.
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Die weibliche Utopie manifestiert sich zunächst auf sprachlicher Ebene. Die Erzählform, die Christa Wolf auswählt, weist auf eine Ästhetik des Widerstands hin. In ''Kassandra'' werden Themen des feministischen Strukturalismus von Julia Kristeva und Helene Cixous wieder aufgegriffen (Vgl. Schmidjell 2003, 106). Christa Wolf kritisiert die bestehenden patriarchalen Verhältnisse und verklärt die Wirklichkeit, indem sie in eine bessere Zukunft voller Optimismus blickt. Die formale Vielfalt, von der ihre Erzählung zeugt, ist ein legitimiertes Schreibexperiment, das eine Subjektivierung des Erzählaktes bedeuten soll.<ref>In den Voraussetzungen einer Erzählung formulierte Kassandra-Projekt wichtige Impulse zur Umsetzung des »weiblichen Schreibens« enthält. In diesem Buch reflektiert sie deren befreiende Kraft und denkt das individuelle und gesellschaftliche Emanzipation zusammen, die aus ihrer Sicht nicht losgelöst voneinander bedacht werden können. (Vgl. Wolf 2008, 9-11).</ref> Auf der Ebene der Zeitgeschichte sind die Philosophen wie Ernst Bloch und Walter Benjamin intertextuell erwähnenswert. Am Leben in der Gemeinschaft der Skamander zeigt sich das Utopisch-Sozialistische in der Identitätssuche der Protagonistin bzw. in der Idee ihrer Selbstverwirklichung. Das Leben am Skamander erscheint als Gegenpol zur apokalyptischen Troja-Welt geleitet von einer Machtpolitik, die Nachrüstung und Menschenvernichtung befördert. Die untereinander ausgelebte Solidarität und Zärtlichkeit kontrastieren mit den in Troja vorherrschenden Angst und Furcht. Auch wenn Christa Wolf eher Ernst Bloch nahesteht, sind strukturelle Ähnlichkeiten mit Walter Benjamins Geschichtsphilosophie nicht zu übersehen. In ihrer Prosa zeigt Christa Wolf gesellschaftliche Widersprüche auf und verbindet dies mit dem Anspruch, ihre Zeitgenossen aufzuklären (Vgl. Schmiedjell 2003, 133). Dies geschieht durch die Rekonstruktion eines offenen Gedächtnisses, in dem das bislang Verdrängte und Unterdrückte zu Wort kommt. Die Kritik nimmt hier also die Form eines fiktiven Monologs an. Auf diese Weise setzt sich Christa Wolf kritisch mit der Gesellschaft auseinander, an der sie auf produktive und kritische Weise teilnimmt.
Die weibliche Utopie manifestiert sich zunächst auf sprachlicher Ebene. Die Erzählform, die Christa Wolf auswählt, weist auf eine Ästhetik des Widerstands hin. In ''Kassandra'' werden Themen des feministischen Strukturalismus von Julia Kristeva und Helene Cixous wieder aufgegriffen (Vgl. Schmidjell 2003, 106). Christa Wolf kritisiert die bestehenden patriarchalen Verhältnisse und verklärt die Wirklichkeit, indem sie in eine bessere Zukunft voller Optimismus blickt. Die formale Vielfalt, von der ihre Erzählung zeugt, ist ein legitimiertes Schreibexperiment, das eine Subjektivierung des Erzählaktes bedeuten soll.<ref>In den Voraussetzungen einer Erzählung formulierte Kassandra-Projekt wichtige Impulse zur Umsetzung des »weiblichen Schreibens« enthält. In diesem Buch reflektiert sie deren befreiende Kraft und denkt das individuelle und gesellschaftliche Emanzipation zusammen, die aus ihrer Sicht nicht losgelöst voneinander bedacht werden können. (Vgl. Wolf 2008, 9-11).</ref> Auf der Ebene der Zeitgeschichte sind die Philosophen wie Ernst Bloch und Walter Benjamin intertextuell erwähnenswert. Am Leben in der Gemeinschaft der Skamander zeigt sich das Utopisch-Sozialistische in der Identitätssuche der Protagonistin bzw. in der Idee ihrer Selbstverwirklichung. Das Leben am Skamander erscheint als Gegenpol zur apokalyptischen Troja-Welt geleitet von einer Machtpolitik, die Nachrüstung und Menschenvernichtung befördert. Die untereinander ausgelebte Solidarität und Zärtlichkeit kontrastieren mit den in Troja vorherrschenden Angst und Furcht. Auch wenn Christa Wolf eher Ernst Bloch nahesteht, sind strukturelle Ähnlichkeiten mit Walter Benjamins Geschichtsphilosophie nicht zu übersehen. In ihrer Prosa zeigt Christa Wolf gesellschaftliche Widersprüche auf und verbindet dies mit dem Anspruch, ihre Zeitgenossen aufzuklären (Vgl. Schmiedjell 2003, 133). Dies geschieht durch die Rekonstruktion eines offenen Gedächtnisses, in dem das bislang Verdrängte und Unterdrückte zu Wort kommt. Die Kritik nimmt hier also die Form eines fiktiven Monologs an. Auf diese Weise setzt sich Christa Wolf kritisch mit der Gesellschaft auseinander, an der sie auf produktive und kritische Weise teilnimmt.


                                                                                                                                          Dissirama Waguena
                                                                                                                                        Dissirama Waguena




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==Anmerkungen==
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