"Kinder – Träume – Zukunft" (Erhard Großmann): Unterschied zwischen den Versionen

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==Ikonographie: Analyse und Bezug auf Traumkontexte==
==Ikonographie: Analyse und Bezug auf Traumkontexte==
===Paar im Paradies===
===Paar im Paradies===
Großmann nimmt in seinem Wandbild Bezug auf die tradierte Adam und Eva-Motivik in der Bildenden Kunst – und zwar auf Darstellungen des Garten Edens – und wandelt sie ab. Der aktive Part der beiden Figuren mit idealtypischen Körperbildern ist der Mann, der nach der Taube und somit dem Symbol des Friedens greift.  Auf der offiziellen Webseite von Neubrandenburg findet sich eine positive Auslegung, die im weiteren Deutungsrahmen der Zusammenstellungen der Einzelmotive begründet liegt. Demnach verkörpere das Paar im Paradies „das ursprüngliche Sein [sowie] das Streben nach Glück und Selbstverwirklichung“ (Prehn 2018).
Großmann nimmt in seinem Wandbild Bezug auf die tradierte Adam und Eva-Motivik in der bildenden Kunst – und zwar auf Darstellungen des Garten Edens – und wandelt sie ab. Der aktive Part der beiden Figuren mit idealtypischen Körperbildern ist der Mann, der nach der Taube und somit dem Symbol des Friedens greift.  Auf der offiziellen Webseite von Neubrandenburg findet sich eine positive Auslegung, die im weiteren Deutungsrahmen der Zusammenstellungen der Einzelmotive begründet liegt. Demnach verkörpere das Paar im Paradies „das ursprüngliche Sein [sowie] das Streben nach Glück und Selbstverwirklichung“ (Prehn 2018).


In der DDR entstanden aber laut der Kunsthistorikerin Ulrike Bestgen ab 1975 zahlreiche Aktdarstellungen von Mann und Frau, die durch Bezug zu Adam und Eva sowohl geschlechtliche Rollenbilder, Idealvorstellungen als auch die Gleichberechtigung in der DDR<ref>Die Gleichberechtigung wurde politisch propagiert und stützte sich argumentativ auf die berufliche Tätigkeit von Frauen in den sozialistischen Staaten. Dabei war es ökonomisch unabdingbar gewesen zusätzliche Arbeitskräfte einzubinden. Im Privatbereich hingegen wurden oftmals alte Rollenbilder aufrecht gehalten, sodass Frauen neben ihrer Berufstätigkeit zusätzlich allein die Haushaltsführung und Familienbetreuung bewältigten. Die Propaganda stand hierbei also oftmals im Widerspruch zur Lebensrealität (Bestgen 2012, 319 f.; Littke).</ref> kritisch beleuchten konnten (Bestgen 2012, 322–327). Mit Adam und Eva konnte ferner das Verhältnis des Einzelnen zur Gesellschaft hinterfragt werden, dennoch war auch eine positive Wertung möglich (o.A., 09 Alter Adam, neue Eva). Somit ist ein mehrdeutiges Gesellschaftsbild mit Hilfe der Motivik gegeben. Es ist daher danach zu fragen, in welcher Form Großmanns Werk, das früher als Bestgens Zeitrahmen datiert ist, an die verschiedenen Lesarten anknüpft. Auffällig ist, dass sich im Paar ein Spiel zwischen Aktivität und Passivität wiederfindet. Friedlich sitzen beide nebeneinander und sind in ihrer idealisierten Nacktheit durchaus gleichgestellt (Bestgen 2012, 323). Aber derjenige, der sich aktiv für den Frieden einsetzt also nach Glück strebt und die Ziele, Sehnsüchte und Wünsche zu realisieren sucht, ist der Mann, während die Frau angesichts seiner Handlungen unbeteiligter wirkt. Allerdings ist sie diejenige, die den Betrachtenden entgegenblickt und dadurch die Kommunikation mit der Gesellschaft sucht. Der Mann scheint hingegen bedeutungsperspektivisch größer gehalten zu sein als der weibliche Gegenpart. Außerdem suchen die Figuren zwar gegenseitige körperliche Nähe, interagieren aber nicht wirklich miteinander. Auch herrscht zwischen ihnen keine sexuelle Spannung, was einerseits eine Referenz zur Situation des Paares im Garten Eden darstellt, andererseits die Paarbeziehungen in der DDR idealisiert und ihnen einen unschuldigen Charakter zuweist (Bestgen 2012, 322). In der Darstellung des sozialistischen und idyllischen Paradieses ist daher eher eine positive Lesart intendiert. Eine negative Lesart hingegen ist höchstens in äußerst subtiler Weise in der Aktivität und Passivität der Figuren und dem Bruch mit der Lebensrealität vertreten. Ungeachtet der Lesart ist das Paar kompositorischer Bestandteil der Tagträume der dargestellten Kinder.
In der DDR entstanden aber laut der Kunsthistorikerin Ulrike Bestgen ab 1975 zahlreiche Aktdarstellungen von Mann und Frau, die durch Bezug zu Adam und Eva sowohl geschlechtliche Rollenbilder und Idealvorstellungen als auch die Gleichberechtigung in der DDR<ref>Die Gleichberechtigung wurde politisch propagiert und stützte sich argumentativ auf die berufliche Tätigkeit von Frauen in den sozialistischen Staaten. Dabei war es ökonomisch unabdingbar gewesen zusätzliche Arbeitskräfte einzubinden. Im Privatbereich hingegen wurden oftmals alte Rollenbilder aufrecht gehalten, sodass Frauen neben ihrer Berufstätigkeit zusätzlich allein die Haushaltsführung und Familienbetreuung bewältigten. Die Propaganda stand also oftmals im Widerspruch zur Lebensrealität (Bestgen 2012, 319 f.; Littke).</ref> kritisch beleuchten konnten (Bestgen 2012, 322–327). Mit Adam und Eva konnte außerdem das Verhältnis des Einzelnen zur Gesellschaft hinterfragt werden, es war aber auch eine positive Wertung möglich (Anon. 2012). Die Motivik verweist also auf ein mehrdeutiges Gesellschaftsbild. Daher ist zu fragen, in welcher Form Großmanns Werk, das früher als Bestgens Zeitrahmen datiert ist, an die verschiedenen Lesarten anknüpft. Auffällig ist, dass sich im Paar ein Spiel zwischen Aktivität und Passivität wiederfindet. Friedlich sitzen beide nebeneinander und sind in ihrer idealisierten Nacktheit durchaus gleichgestellt (Bestgen 2012, 323). Aber derjenige, der sich aktiv für den Frieden einsetzt also nach Glück strebt und die Ziele, Sehnsüchte und Wünsche zu realisieren sucht, ist der Mann, während die Frau unbeteiligter wirkt. Allerdings ist sie diejenige, die den Betrachtenden entgegenblickt und dadurch die Kommunikation mit der Gesellschaft sucht. Der Mann scheint bedeutungsperspektivisch größer gehalten zu sein als der weibliche Gegenpart. Außerdem suchen die Figuren zwar körperliche Nähe, interagieren aber nicht wirklich miteinander. Auch herrscht zwischen ihnen keine sexuelle Spannung was einerseits eine Referenz zur Situation des Paares im Garten Eden darstellt, andererseits die Paarbeziehungen in der DDR idealisiert und ihnen einen unschuldigen Charakter zuweist (Bestgen 2012, 322). In der Darstellung des sozialistischen und idyllischen Paradieses ist daher eher eine positive Lesart intendiert. Eine negative Lesart wäre höchstens in äußerst subtiler Weise durch Aktivität/Passivität der Figuren und den Bruch mit der Lebensrealität angedeutet. Ungeachtet der Lesart ist das Paar jedenfalls kompositorischer Bestandteil der Tagträume der dargestellten Kinder.


===Kosmonaut===
===Kosmonaut===
Das Motiv des Kosmonauten hat sich in der DDR in den 1960er Jahren etabliert (Hofer 2012, 205f.) und bis 1989 Darstellungsentwicklungen und Abwandlungen erfahren (ebd., 206–215; Schaber 2021). Zudem hängt das Motiv mit der Geschichte der Weltraumeroberung zusammen (Hofer 2012, 205f.). Am 12. April 1961 glückte Juri Gagarin der erste bemannte Raumflug. Angesichts fehlender Bildmaterialien konzentrierten sich aber die Propaganda und die Medien auf den Kosmonauten, infolgedessen sich ein Personenkult entwickelte: „In Gagarin symbolisierte sich der russische Fortschritt, sein Triumph besiegelte die russische Überlegenheit über die amerikanische Weltraumbehörde, ja mehr noch: die Erfolge im Weltall galten in der sozialistischen Propaganda als Vorzeichen des Sieges über den ideologischen Feind“ (Hofer 2012, 206).
Das Motiv des Kosmonauten hat sich in der DDR in den 1960er Jahren etabliert (Hofer 2012, 205 f.) und bis 1989 diverse Darstellungsentwicklungen und Abwandlungen erfahren (ebd., 206–215; Schaber 2021). Zudem hängt das Motiv mit der Geschichte der Weltraumeroberung zusammen (Hofer 2012, 205 f.): Am 12. April 1961 glückte Juri Gagarin der erste bemannte Raumflug. Angesichts fehlender Bildmaterialien konzentrierten sich Propaganda und Medien auf den Kosmonauten, wodurch sich ein Personenkult entwickelte: „In Gagarin symbolisierte sich der russische Fortschritt, sein Triumph besiegelte die russische Überlegenheit über die amerikanische Weltraumbehörde, ja mehr noch: die Erfolge im Weltall galten in der sozialistischen Propaganda als Vorzeichen des Sieges über den ideologischen Feind“ (Hofer 2012, 206).


Der Kosmonaut in ''Kinder – Träume – Zukunft'' weist aber kein eindeutiges Konterfei Juri Gagarins auf, weshalb in den Publikationen lediglich von einem Kosmonauten gesprochen wird (Maleschka 2019, 195; Oswald 1973, 594; Prehn 2018). Dennoch kann der Kosmonaut angesichts der Motivgeschichte und abhängig vom Entstehungszeitpunkt sowie von der künstlerischen Umsetzung in der Bildenden Kunst in der DDR Technikbegeisterung (Hofer 2012, 206), Kontrollierbarkeit von Natur und Technik (Schaber 2021, 251), die Erfüllung von ehemals unmöglich erscheinenden, gesetzten Zielen (Oswald 1973, 594; Prehn 2018), aktuellen Zukunftsmöglichkeiten (Prehn 2018) sowie den sozialistischen ,Traum‘ vom neuen Menschen symbolisieren (Hofer 2012, 206, Schaber 2021, 251 f.).<ref> Für weiterführende Informationen zur Ideengeschichte des Neuen Menschen (Küenzlen, 4–9).</ref> Im Kerngedanken kann der neue Mensch dabei durch seine Handlungen Fortschritte und eine stetig bessere Gesellschaft erreichen, wobei letzteres durch den Kommunismus bereits realisiert wurde (Hofer 2012, 206). Oder wie der Evangelische Theologe und Sozialethiker Gottfried Küenzlen (*1945) zu Beginn seiner Übersichtsschau über die Ideengeschichte vom Christentum bis in die Kritik der Moderne pointiert: „Der ,Alte Adam‘ soll vom Neuen Menschen überwunden werden“ (Küenzlen, 4). In diesem Sinne ist die Setzung vom Paar im Paradies und vom Kosmonauten an den beiden gegenüberliegenden Bildrändern kohärent, zeigt sie doch, dass stetige Weiterentwicklungen zum Ausbau des sozialistischen Paradieses angestrebt werden und positiv zu bewerten sind. Da das historische Ereignis 1961 stattfand, zeigt das Wandbild ferner die Realisierung bzw. den Erfüllungsmoment einer ehemaligen ,Vision‘ auf – und dass auch andere sich bewahrheiten werden. Kosmonaut und Ikarus sind ferner in der Darstellung nicht zufällig dicht zueinander gesetzt, da sie in einem inneren Sinnzusammenhang zueinanderstehen.
Der Kosmonaut in ''Kinder – Träume – Zukunft'' weist kein eindeutiges Konterfei Juri Gagarins auf, weshalb in den Publikationen lediglich von einem Kosmonauten gesprochen wird (Maleschka 2019, 195; Oswald 1973, 594; Prehn 2018). Angesichts der Motivgeschichte und abhängig vom Entstehungszeitpunkt sowie von der künstlerischen Umsetzung in der Bildenden Kunst in der DDR kann dieser Technikbegeisterung (Hofer 2012, 206), Kontrollierbarkeit von Natur und Technik (Schaber 2021, 251), die Erfüllung von ehemals unmöglich erscheinenden Zielen (Oswald 1973, 594; Prehn 2018), aktuellen Zukunftsmöglichkeiten (Prehn 2018) sowie den sozialistischen ,Traum‘ vom Neuen Menschen symbolisieren (Hofer 2012, 206, Schaber 2021, 251 f.).<ref> Für weiterführende Informationen zur Ideengeschichte des Neuen Menschen vgl. Küenzlen 2016.</ref> Im Kerngedanken kann der Neue Mensch durch seine Handlungen Fortschritte und eine stetig bessere Gesellschaft erreichen, wobei letzteres durch den Kommunismus bereits realisiert wurde (Hofer 2012, 206). Oder wie der evangelische Theologe und Sozialethiker Gottfried Küenzlen (*1945) zu Beginn seiner Übersichtsschau über die Ideengeschichte vom Christentum bis in die Kritik der Moderne pointiert: „Der ,Alte Adam‘ soll vom Neuen Menschen überwunden werden“ (Küenzlen 2016, 4). In diesem Sinne ist die Setzung vom Paar im Paradies und vom Kosmonauten an den beiden gegenüberliegenden Bildrändern kohärent, zeigt sie doch, dass stetige Weiterentwicklungen zum Ausbau des sozialistischen Paradieses angestrebt werden und positiv zu bewerten sind. Da das historische Ereignis des ersten bemannten Raumflugs bereits 1961 stattfand, zeigt das Wandbild ferner die Realisierung bzw. den Erfüllungsmoment einer ehemaligen ,Vision‘ auf – und impliziert damt, dass auch andere sich bewahrheiten werden. Kosmonaut und Ikarus sind ferner in der Darstellung nicht zufällig dicht zueinander gesetzt, da sie in einem inneren Sinnzusammenhang zueinanderstehen.


===Ikarus===
===Ikarus===
Darstellungen von Ikarus waren ebenso wie der Kosmonaut in der Bildenden Kunst in der DDR eng verknüpft mit der Raumfahrtgeschichte (Schaber 2021). Es handelt sich zudem um ein weit verbreitetes Motiv, das abhängig von der Inszenierung ambige und paradoxe Deutungsperspektiven aufweisen kann (Arlt 2012, 77–84; Schaber 2021, 253–285). Ausführungen des Publizisten, Schriftstellers sowie Kunstwissenschaftlers und -kritikers Peter Arlt (*1943) zu Folge trat Ikarus ab etwa 1955 in der Kunst in der DDR auf, gewann über die Jahre hin an Bedeutung, erreichte zunehmend einen höheren Verbreitungsgrad und fand seinen Höhepunkt 1980 (Arlt 2012, 76). Arlt stellt hierbei zwischen Mitte der 1960er Jahren und 1977 ein Auftauchen kritischer Versionen in der Bildenden Kunst fest (ebd., 78). Bei positiver Konnotation drückt Ikarus beispielsweise einen ungehinderten Glauben an technischen Fortschritt und Zukunftsoptimismus aus (Schaber 2021, 253–285). In der negativen Variante (z.B. durch eine stürzende Figur) kann es Bedenken bzw. Kritik daran äußern, ob eine Verbesserung gesellschaftlicher und materieller Faktoren durch den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt möglich ist. Oder es wird genutzt, um mit Ikarus lediglich die (bestehenden) Widersprüche in der Gesellschaft aufzuzeigen. Mit dem Aufgreifen der Ikarus-Motivik und seiner Verbindung mit der Raumfahrt in der Bildenden Kunst wurde zudem das historische Ereignis von 1961 in einen mythologischen Kontext verlagert (Schaber 2021, 287). Mit Ikarus und dem Kosmonauten liegt also eine Doppelung eines ähnlichen Sinninhaltes vor.
Darstellungen von Ikarus waren ebenso wie der Kosmonaut in der bildenden Kunst der DDR eng verknüpft mit der Raumfahrtgeschichte (Schaber 2021). Es handelt sich zudem um ein weit verbreitetes Motiv, das abhängig von der Inszenierung ambige und paradoxe Deutungsperspektiven aufweisen kann (Arlt 2012, 77–84; Schaber 2021, 253–285). Der Publizist, Schriftsteller, Kunstwissenschaftler und -kritiker Peter Arlt (*1943) eist nach, dass Ikarus ab etwa 1955 in der Kunst in der DDR auftritt, über die Jahre hin an Bedeutung gewinnt und eine zunehmende Verbreitung gewinnt, die ihren Höhepunkt um 1980 hat (Arlt 2012, 76); zwischen Mitte der 1960er Jahren und 1977 tauchen aber in der bildenden Kunst auch kritische Versionen auf (ebd., 78). Positiv konnotiert drückt Ikarus beispielsweise einen ungehinderten Glauben an technischen Fortschritt und Zukunftsoptimismus aus (Schaber 2021, 253–285); in der negativen Variante (z.B. durch eine stürzende Figur) kann das Motiv Zweifel daran ausdrücken, dass durch technischen und wissenschaftlichen Fortschritt eine Verbesserung gesellschaftlicher und materieller Faktoren möglich ist. Oder es wird genutzt, um mit Ikarus lediglich die (bestehenden) Widersprüche in der Gesellschaft aufzuzeigen. Mit dem Aufgreifen der Ikarus-Motivik und seiner Verbindung mit der Raumfahrt in der bildenden Kunst wurde zudem das historische Ereignis von 1961 in einen mythologischen Kontext verlagert (Schaber 2021, 287). Mit Ikarus und dem Kosmonauten liegt also die Doppelung eines ähnlichen Sinninhaltes vor.


Anhand der fünf Kompositionsentwürfe in der ''Bildende Kunst'' ist zu erkennen, dass Ikarus erst ab dem dritten Blatt auftaucht – und als eindeutig abstürzende Figur gezeigt wird (Oswald 1973, 594). Die Ikarus-Motivik bei ''Kinder – Träume – Zukunft'' ist folglich ambig angelegt worden. Im vollendeten Wandbild weist er trotz seiner aufgerichteten Position nur einen Flügel auf, wodurch sein bevorstehender Absturz künstlerisch impliziert ist und der Fortschrittglaube, der Technikglaube sowie der optimistische Blick in die Zukunft gerade im Zusammenspiel mit dem Kosmonauten eine kritische Hinterfragung erfahren. Oswald betont bei der Motiventwicklung von Ikarus aber dessen Kampfeswillen, der in der Skizze zum Ausdruck käme:
Anhand der fünf Kompositionsentwürfe in der ''Bildende Kunst'' ist zu erkennen, dass Ikarus erst ab dem dritten Blatt auftaucht – und als eindeutig abstürzende Figur gezeigt wird (Oswald 1973, 594). Die Ikarus-Motivik bei ''Kinder – Träume – Zukunft'' ist folglich ambig angelegt worden. Im vollendeten Wandbild weist er trotz seiner aufgerichteten Position nur einen Flügel auf, wodurch sein bevorstehender Absturz künstlerisch impliziert ist und der Fortschritts- und Technikglaube sowie der optimistische Blick in die Zukunft gerade im Zusammenspiel mit dem Kosmonauten eine kritische Hinterfragung erfahren. Oswald betont bei der Motiventwicklung von Ikarus aber dessen Kampfeswillen, der in der Skizze zum Ausdruck käme:


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: <span style="color: #7b879e;">Diese Figur veränderte sich immer mehr vom Stürzenden, Sterbenden zum zwar fallen Müssenden, aber bis zum Ende mit Siegeszuversicht und der festen Hoffnung auf die Nachwelt Kämpfenden. Die Haltung des Kopfes und die geballte Faust deuten darauf hin. (Oswald 1973, 594).</span>
: <span style="color: #7b879e;">Diese Figur veränderte sich immer mehr vom Stürzenden, Sterbenden zum zwar fallen Müssenden, aber bis zum Ende mit Siegeszuversicht und der festen Hoffnung auf die Nachwelt Kämpfenden. Die Haltung des Kopfes und die geballte Faust deuten darauf hin (Oswald 1973, 594).</span>
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Weitere mögliche Deutungsperspektiven benennt sie allerdings nicht. Im Moment des Umgreifens der Flügel-Halterung durch Ikarus mit seiner linken Hand ist die Faust-Symbolik im Wandbild erhalten geblieben. Darin kann eine politische Bedeutungsebene gesehen werden, da die Faust ein Symbol der kommunistischen Arbeiterbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts war (Korff/Drost, 117). Aus dieser Perspektive ist es durchaus ein kämpferischer, starker Ikarus, der den Betrachtenden begegnet. Möglicherweise kommt entgegen der kritischen Note und der aufgezeigten Ambivalenzen, die sich in Großmanns Darstellung von Ikarus verbergen, auch folgende Lesart in Frage: Trotz eines drohenden Misserfolgs müssen für den weiteren Fortschritt und Erfüllung weiterer ,Träume/Visionen‘ auch Risiken eingegangen werden (Schaber 2021, 284).<ref>Schaber stellt nach ihrer Analyse der kritischen Ikarus-Variationen der Künstler Bernhard Heisig (*1925–2011) und Wolfgang Mattheuer (*1927–2004) diese gemeinsame Deutungsperspektive fest (Schaber 2021, 268–284). Es lässt sich beim Werk von Großmann als weitere mögliche Deutungsperspektive nicht ausschließen.</ref> Obwohl mit dem Kosmonauten und Ikarus keine neuen Zukunftsvisionen im Bild tatsächlich generiert werden, wird mit den geschichtlichen und mythologischen Rückgriffen die Möglichkeit des Erreichens von zukunftsbezogenen Zielen aufgezeigt. Bei Zukunftsträumen ist es dabei typisch, dass sich das Neue der Zukunft erst durch Tradiertes offenbart bzw. es benötigt jene Rückgriffe, um zu definieren, was überhaupt Zukunft ist. Dieser Aspekt findet sich auch im Wandbild wieder.
Weitere mögliche Deutungsperspektiven benennt sie allerdings nicht. Im Moment des Umgreifens der Flügel-Halterung durch Ikarus mit seiner linken Hand ist die Faust-Symbolik im Wandbild erhalten geblieben. Darin kann eine politische Bedeutungsebene gesehen werden, da die Faust ein Symbol der kommunistischen Arbeiterbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts war (Korff/Drost 1993, 117). Aus dieser Perspektive ist es durchaus ein kämpferischer, starker Ikarus, der den Betrachtenden begegnet. Möglicherweise kommt entgegen der kritischen Note und der aufgezeigten Ambivalenzen, die sich in Großmanns Darstellung von Ikarus verbergen, auch folgende Lesart in Frage: Trotz eines drohenden Misserfolgs müssen für den weiteren Fortschritt und Erfüllung weiterer ,Träume/Visionen‘ auch Risiken eingegangen werden (Schaber 2021, 284).<ref>Schaber stellt nach ihrer Analyse der kritischen Ikarus-Variationen der Künstler Bernhard Heisig (1925–2011) und Wolfgang Mattheuer (1927–2004) diese gemeinsame Deutungsperspektive fest (Schaber 2021, 268–284), die sich beim Werk Großmanns jedenfalls nicht ausschließen lässt.</ref> Obwohl mit dem Kosmonauten und Ikarus im Bild keine neuen Zukunftsvisionen generiert werden, wird mit den geschichtlichen und mythologischen Rückgriffen die Möglichkeit des Erreichens von zukunftsbezogenen Zielen aufgezeigt. Bei Zukunftsträumen ist es typisch, dass sich das Neue der Zukunft erst durch Tradiertes offenbart bzw. es benötigt jene Rückgriffe, um zu definieren, was überhaupt Zukunft ist. Dieser Aspekt findet sich auch im Wandbild wieder.


===Kinderporträts===
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