"La vida es sueño" (Pedro Calderón de la Barca): Unterschied zwischen den Versionen

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==Fazit==
==Fazit==
Das spanische Barocktheater hatte eine wichtige didaktische, wenn man so will, propagandistische Funktion. Mit der ''in nuce'' vorgeführten Wandlung des Prinzen zum Guten soll auch das Publikum zu einem besseren Handeln und der Kontrolle seiner Affekte geführt werden. Zugleich ergeht die Mahnung an die Herrschenden, sich nicht durch falsche Zukunftsdeutung zu falschem Handeln bewegen zu lassen (vgl. Schmidt/Weber 2008, 23). Calderón de la Barca setzt zur Übermittlung seiner religiös motivierten Lehre verschiedene Formen der theatralen Traumrepräsentation ein: den Traumbericht, den gespielten Traum und ein nachträglich als Traum deklariertes Geschehen, welches so zu einem Traumspiel im Spiel wird. Die Träume bereichern die Inszenierung, haben analeptische und proleptische Funktion und werden mehrfach zur Legitimation von Handlungen herangezogen. Alle drei Träume zeigen aber auch, dass Träume keine gesicherte Zukunftsaussage geben. Das bedeutet nicht, dass Sterne oder Träume keine Zukunftszeichen enthielten. Im Gegenteil: In den Sternen steht Gottes Wille geschrieben, nur können wir ihn nicht lesen. Und es gibt wahre, sich erfüllende Zukunftsträume (der Todestraum der Königin), sowie Träume, die sich als falsch erweisen (Segismundos Rachetraum).  
Das spanische Barocktheater hatte eine wichtige didaktische, wenn man so will, propagandistische Funktion. Mit der ''in nuce'' vorgeführten Wandlung des Prinzen zum Guten soll auch das Publikum zu einem besseren Handeln und der Kontrolle seiner Affekte geführt werden. Zugleich ergeht die Mahnung an die Herrschenden, sich nicht durch falsche Zukunftsdeutung zu falschem Handeln bewegen zu lassen (Schmidt/Weber 2008, 23). Calderón de la Barca setzt zur Übermittlung seiner religiös motivierten Lehre verschiedene Formen der theatralen Traumrepräsentation ein: den Traumbericht, den gespielten Traum und ein nachträglich als Traum deklariertes Geschehen, welches so zu einem Traumspiel im Spiel wird. Die Träume bereichern die Inszenierung, haben analeptische und proleptische Funktion und werden mehrfach zur Legitimation von Handlungen herangezogen. Alle drei Träume zeigen aber auch, dass Träume keine gesicherte Zukunftsaussage geben. Das bedeutet nicht, dass Sterne oder Träume keine Zukunftszeichen enthielten. Im Gegenteil: In den Sternen steht Gottes Wille geschrieben, nur können wir ihn nicht lesen. Und es gibt wahre, sich erfüllende Zukunftsträume (der Todestraum der Königin), sowie Träume, die sich als falsch erweisen (Segismundos Rachetraum).  
Die wichtigste philosophische Botschaft des Dramas ist ebenfalls auf den Traum bezogen: das Sinnbild vom irdischen Leben als trügerische Traum-Täuschung, aus dem man erst in der Wahrheit des Todes erwacht. Mit dieser Leben-als-Traum-Metapher verknüpft Calderón die Kontroverse um die Divinationspraktiken mit der seinerzeit insbesondere von Jesuiten debattierte Frage, wie sich göttliche Determination und freier Willen zueinander verhalten. Angesichts der Ununterscheidbarkeit zwischen Traum und Wachwelt gelte, im Wachen wie im Träumen Gutes zu tun, denn letztlich seien beide Sphären vor Gott gleich.  
 
Die wichtigste philosophische Botschaft des Dramas ist ebenfalls auf den Traum bezogen: das Sinnbild vom irdischen Leben als trügerische Traum-Täuschung, aus dem man erst in der Wahrheit des Todes erwacht. Mit dieser Leben-als-Traum-Metapher verknüpft Calderón die Kontroverse um die Divinationspraktiken mit der seinerzeit insbesondere von Jesuiten debattierte Frage, wie sich göttliche Determination und freier Willen zueinander verhalten. Angesichts der Ununterscheidbarkeit zwischen Traum und Wachwelt gelte es, im Wachen wie im Träumen Gutes zu tun, denn letztlich seien beide Sphären vor Gott gleich.  


Der Möglichkeit, über Sternenkonstellationen oder Träume die Zukunft erkennen und diese durch präventive Handlungen beeinflussen zu können, wird in Calderóns Drama eine sehr klare Absage erteilt, wodurch ein direkter Bezug des Dramas zu einer päpstlichen Bulle gegen weltliche Formen der Zukunftsdeutung aus dem Jahr 1631 erkennbar ist. Gleichwohl kommt in Calderóns Drama dem Traum, anders als der Astrologie, eine besondere Bedeutung zu. Als Metapher der conditio humana darf und muss der Traum den Menschen beeinflussen, ihn von der Tragweite seines Handelns und der Notwendigkeit, das Tun auf ›gute‹ Prinzipien zu stellen, überzeugen. Das Drama über das Leben als/im Traum-Modell vereint damit die konträrsten Strömungen seiner Zeit: Es vollführt die „Diskursrenovatio“ (Küpper 1990) der mittelalterlichen Handlungsmoral des Christentums und öffnet über die Option der Willensfreiheit zugleich einen Aktionsspielraum für das neuzeitliche Subjekt. Und nicht zuletzt zeigt sich hier bereits das ästhetische Potential des Traums, das erst ab der Aufklärung volle Entfaltung findet: Es ist der Traum, mit dem Pedro Calderón de la Barca in seinem meisterhaften Drama ''La vida es sueño'' ein „Erprobungsfeld poetischer Selbstreferenz“ (Alt 2011, 108) öffnet, es ist die (Theater)kunst, die allein „die Traumlogik des Lebens wahrhaft zutage [fördert]“ (Alt 2011, 110).
Der Möglichkeit, über Sternenkonstellationen oder Träume die Zukunft erkennen und diese durch präventive Handlungen beeinflussen zu können, wird in Calderóns Drama eine sehr klare Absage erteilt, wodurch ein direkter Bezug des Dramas zu einer päpstlichen Bulle gegen weltliche Formen der Zukunftsdeutung aus dem Jahr 1631 erkennbar ist. Gleichwohl kommt in Calderóns Drama dem Traum, anders als der Astrologie, eine besondere Bedeutung zu. Als Metapher der conditio humana darf und muss der Traum den Menschen beeinflussen, ihn von der Tragweite seines Handelns und der Notwendigkeit, das Tun auf ›gute‹ Prinzipien zu stellen, überzeugen. Das Drama über das Leben als/im Traum-Modell vereint damit die konträrsten Strömungen seiner Zeit: Es vollführt die „Diskursrenovatio“ (Küpper 1990) der mittelalterlichen Handlungsmoral des Christentums und öffnet über die Option der Willensfreiheit zugleich einen Aktionsspielraum für das neuzeitliche Subjekt. Und nicht zuletzt zeigt sich hier bereits das ästhetische Potential des Traums, das erst ab der Aufklärung volle Entfaltung findet: Es ist der Traum, mit dem Pedro Calderón de la Barca in seinem meisterhaften Drama ''La vida es sueño'' ein „Erprobungsfeld poetischer Selbstreferenz“ (Alt 2011, 108) öffnet, es ist die (Theater)kunst, die allein „die Traumlogik des Lebens wahrhaft zutage [fördert]“ (Alt 2011, 110).