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==Zum Werk==
 
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===Einordnung und Titel===
 
===Einordnung und Titel===
Die im Titel des Violinduos mit Anführungszeichen versehene Formulierung ''„Hay que caminar“'' führt das Motiv des Gehens oder Wanderns ein. Sie entstammt einem Zitat, mit dem sich Nono gegen Ende seines Lebens intensiv auseinandergesetzt hat: Er erzählt, dass er im Kreuzgang eines Klosters in Toledo die Worte „Caminantes no hay caminos hay que caminar“ (dt. „Wanderer, es gibt keine Wege, man muss wandern“) gelesen habe (Nono 2003, 136, vgl. Nono 1995, 26f. sowie Haas 1991, 325; Stenzl 1991, 97; ders. 1996, 133; ders. 1998, 118; Esterbauer 2011, 28–31; Dollinger 2012, 92; Impett 2019, 449f.). Allerdings hat diese Formulierung große Ähnlichkeit mit zwei Zeilen aus einem Gedicht von Antonio Machado (1875–1939) – einem Dichter also, dessen Texte Nono bereits zuvor vertont hatte (vgl. Stenzl 1991, 97f.; ders. 1998, 118). In einem Gedicht Machados aus ''Proverbios y cantares'' heißt es: „caminante, no hay camino, | se hace camino al andar.“ (dt. „Wanderer, kein Weg ist da, | Wege wachsen unterwegs“, Original und Übersetzung zitiert nach Lange / Strien 2022, 106f., Übersetzung von Susanne Lange; vgl. auch Haas 1991, 325; Stenzl 1996, 133; Esterbauer 2011, 30; Dollinger 2012, 92; Impett 2019, 449).<ref>Impett 2019, 449, weist darauf hin, dass Nono das entsprechende Gedicht Machados einige Jahre zuvor selbst hatte vertonen wollen, gibt dafür jedoch keine Quelle an.</ref> Die Frage, ob die von Nono erwähnte Inschrift auf der Klostermauer die Zeilen aus Machados Gedicht variiert, ob umgekehrt Machado die Inschrift für sein Gedicht aufgegriffen hat, oder ob die Ähnlichkeit beider Texte zufällig ist, ist wohl nicht abschließend zu beantworten (vgl. zu den „Unklarheiten“ in Bezug auf Nonos Bericht Esterbauer 2011, 30f.). Naheliegend dürfte aber die Vermutung sein, dass es sich bei der von Nono gelesenen Inschrift „um ein freies Zitat aus dem Machado-Gedicht handelte“ (Esterbauer 2011, 31).
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Die im Titel des Violinduos mit Anführungszeichen versehene Formulierung ''„Hay que caminar“'' führt das Motiv des Gehens oder Wanderns ein. Sie entstammt einem Zitat, mit dem sich Nono gegen Ende seines Lebens intensiv auseinandergesetzt hat: Er erzählt, dass er im Kreuzgang eines Klosters in Toledo die Worte „Caminantes no hay caminos hay que caminar“ (dt. „Wanderer, es gibt keine Wege, man muss wandern“) gelesen habe (Nono 2003, 136; Nono 1995, 26 f.; Haas 1991, 325; Stenzl 1991, 97; Stenzl 1996, 133; Stenzl 1998, 118; Esterbauer 2011, 28–31; Dollinger 2012, 92; Impett 2019, 449 f.). Allerdings hat diese Formulierung große Ähnlichkeit mit zwei Zeilen aus einem Gedicht von Antonio Machado (1875–1939) – einem Dichter also, dessen Texte Nono bereits zuvor vertont hatte (Stenzl 1991, 97 f.; Stenzl 1998, 118). In einem Gedicht Machados aus ''Proverbios y cantares'' heißt es: „caminante, no hay camino, | se hace camino al andar.“ (dt. „Wanderer, kein Weg ist da,/ Wege wachsen unterwegs“)<ref>Original und Übersetzung zit. nach Lange / Strien 2022, 106 f., Übersetzung von Susanne Lange; vgl. auch Haas 1991, 325; Stenzl 1996, 133; Esterbauer 2011, 30; Dollinger 2012, 92; Impett 2019, 449). Impett 2019, 449, weist darauf hin, dass Nono das entsprechende Gedicht Machados einige Jahre zuvor selbst hatte vertonen wollen, gibt dafür jedoch keine Quelle an.</ref> Die Frage, ob die von Nono erwähnte Inschrift auf der Klostermauer die Zeilen aus Machados Gedicht variiert, ob umgekehrt Machado die Inschrift für sein Gedicht aufgegriffen hat, oder ob die Ähnlichkeit beider Texte zufällig ist, ist wohl nicht abschließend zu beantworten (vgl. zu den „Unklarheiten“ in Bezug auf Nonos Bericht Esterbauer 2011, 30f.). Naheliegend dürfte aber die Vermutung sein, dass es sich bei der von Nono gelesenen Inschrift „um ein freies Zitat aus dem Machado-Gedicht handelte“ (Esterbauer 2011, 31).
    
Offenbar hat das Motiv des Wanderns ohne vorgegebene Wege, die vielmehr beim Gehen erst entstehen, Nono künstlerisch besonders interessiert. Jürg Stenzl bezeichnet die Figur des Wanderers daher als „eine Metapher für Luigi Nonos Selbstverständnis: Der Komponist als Wanderer ist unterwegs ins Ungehörte“ (Stenzl 1996, 133, vgl. ders. 1991, 98; ders. 1998, 119). Entsprechend plante Nono eine Trilogie von Werken, die je einen der drei Teile der Mauerinschrift aus Toledo im Titel tragen sollten (vgl. Nono 2003, 136f. sowie Stenzl 1998, 122; Drees 1998, 93f.; Esterbauer 2011, 28; Dollinger 2012, 86f.; Impett 2019, 452). Ausgeführt wurden die Kompositionen ''1° Caminantes ... Ayacucho'' für Mezzosopran, Flöte, Orgel, zwei Chöre, drei Orchestergruppen und Live-Elektronik (1986/87, uraufgeführt im April 1987 in München) und ''2° No hay caminos, hay que caminar ... Andrej Tarkowskij'' für sieben Orchestergruppen (1987, uraufgeführt im November 1987 in Tokio). Den dritten Teil sollte, so zeigt Stefan Drees anhand von Nonos Skizzen (vgl. Drees 1998, 93f.), zunächst wohl das Stück ''La lontananza nostalgica utopica futura'' für Violine solo und acht Tonbänder (mehrere Fassungen, 1988/89) bilden, bei dem der Bezug zur Wanderer-Figur durch den Titelzusatz ''madrigale per più „caminantes“ con Gidon Kremer'' („Madrigal für mehrere ‚Wanderer‘ mit Gidon Kremer“) hergestellt wird. Das Violinduo ''„Hay que caminar“ sognando'' trägt zwar den dritten Teil der Mauerinschrift im Titel, es ist jedoch keine Ziffer vorangestellt. Drees argumentiert daher, dass das Stück nicht zu Nonos geplanter ''Caminantes''-Trilogie zu rechnen sei, die demgemäß als unvollendet zu gelten habe (vgl. Drees 1998, 93f.).
 
Offenbar hat das Motiv des Wanderns ohne vorgegebene Wege, die vielmehr beim Gehen erst entstehen, Nono künstlerisch besonders interessiert. Jürg Stenzl bezeichnet die Figur des Wanderers daher als „eine Metapher für Luigi Nonos Selbstverständnis: Der Komponist als Wanderer ist unterwegs ins Ungehörte“ (Stenzl 1996, 133, vgl. ders. 1991, 98; ders. 1998, 119). Entsprechend plante Nono eine Trilogie von Werken, die je einen der drei Teile der Mauerinschrift aus Toledo im Titel tragen sollten (vgl. Nono 2003, 136f. sowie Stenzl 1998, 122; Drees 1998, 93f.; Esterbauer 2011, 28; Dollinger 2012, 86f.; Impett 2019, 452). Ausgeführt wurden die Kompositionen ''1° Caminantes ... Ayacucho'' für Mezzosopran, Flöte, Orgel, zwei Chöre, drei Orchestergruppen und Live-Elektronik (1986/87, uraufgeführt im April 1987 in München) und ''2° No hay caminos, hay que caminar ... Andrej Tarkowskij'' für sieben Orchestergruppen (1987, uraufgeführt im November 1987 in Tokio). Den dritten Teil sollte, so zeigt Stefan Drees anhand von Nonos Skizzen (vgl. Drees 1998, 93f.), zunächst wohl das Stück ''La lontananza nostalgica utopica futura'' für Violine solo und acht Tonbänder (mehrere Fassungen, 1988/89) bilden, bei dem der Bezug zur Wanderer-Figur durch den Titelzusatz ''madrigale per più „caminantes“ con Gidon Kremer'' („Madrigal für mehrere ‚Wanderer‘ mit Gidon Kremer“) hergestellt wird. Das Violinduo ''„Hay que caminar“ sognando'' trägt zwar den dritten Teil der Mauerinschrift im Titel, es ist jedoch keine Ziffer vorangestellt. Drees argumentiert daher, dass das Stück nicht zu Nonos geplanter ''Caminantes''-Trilogie zu rechnen sei, die demgemäß als unvollendet zu gelten habe (vgl. Drees 1998, 93f.).

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