"Allegoria dei Sogni" (Giovanni Battista Naldini): Unterschied zwischen den Versionen
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â | + | [[Datei:Allegoria_dei_Sogni.jpg|thumb|right|355x648px|Giovanni Battista Naldini: Allegoria dei Sogni, Ăl auf Leinwand, 117 x 68 cm, um 1572, Palazzo Vecchio, Studiolo (Florenz).]] | |
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â | Das Bild ist mit 33 weiteren GemĂ€lden, verschiedenen Preziosen und ausgewĂ€hlten NaturgegenstĂ€nden Teil der Ausstattung des groĂherzoglichen Studiolo<ref>Zur Entstehungsgeschichte des Studiolo als herrschaftlicher ReprĂ€sentationsraum | + | ''Allegorie der TrĂ€ume'' (italienischer Originaltitel: ''Allegoria dei Sogni'') ist ein um 1572 entstandenes ĂlgemĂ€lde des florentinischen Malers Giovanni Battista Naldini (ca. 1535-1591), das von Francesco I. de' Medici, GroĂherzog der Toskana, in Auftrag gegeben wurde. |
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 | + | Das Bild ist mit 33 weiteren GemĂ€lden, verschiedenen Preziosen und ausgewĂ€hlten NaturgegenstĂ€nden Teil der Ausstattung des groĂherzoglichen Studiolo im Palazzo Vecchio in Florenz.<ref>Zur Entstehungsgeschichte des Studiolo als herrschaftlicher ReprĂ€sentationsraum vgl. Liebenwein 1977.</ref> Die gesamte Ausgestaltung des Raumes unterliegt einem Konzept, das von Don Vincenzo Borghini, dem humanistischen Berater des GroĂherzogs, ausgearbeitet wurde und das VerhĂ€ltnis von Natur und Kunst thematisiert.<ref>Zum ausfĂŒhrlichen Konzept Don Vincenzo Borghinis fĂŒr das Studiolo Francescos I. de' Medici siehe Frey 1930, 886-891.</ref> Jede Wand ist einem der vier Naturelemente zugeordnet, auf das sich die jeweiligen Naturobjekte, Preziosen und GemĂ€lde direkt oder indirekt beziehen (Liebenwein 1977, 155-157). | |
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 | ==KĂŒnstler== |  | ==KĂŒnstler== |
â | Giovanni Battista Naldini (*um 1535; â 1591 in Florenz) war ein italienischer KĂŒnstler des Manierismus. Nach einer Lehre von 1547 bis 1557 bei dem florentinischen Maler Jacopo da Pontormo absolvierte er zwischen 1560 und 1562 einen Studienaufenthalt in Rom. Seit Beginn der 1560er-Jahre war Naldini als SchĂŒler Don Vincenzo Borghinis und Giorgio Vasaris<ref>Zum SchĂŒler-Lehrer-VerhĂ€ltnis zwischen Giovanni Battista Naldini, Don Vincenzo Borghini und Giorgio Vasari | + | Giovanni Battista Naldini (*um 1535; â 1591 in Florenz) war ein italienischer KĂŒnstler des Manierismus. Nach einer Lehre von 1547 bis 1557 bei dem florentinischen Maler Jacopo da Pontormo absolvierte er zwischen 1560 und 1562 einen Studienaufenthalt in Rom. Seit Beginn der 1560er-Jahre war Naldini als SchĂŒler Don Vincenzo Borghinis und Giorgio Vasaris (der ihn in seinen Viten erwĂ€hnt) an Auftragsarbeiten im mediceischen Palazzo Vecchio beteiligt (Dizionario biografico degli italiani, Bd. 77, 2012, 671 f., 674. u. Vasari 1973, 610 f.).<ref>Zum SchĂŒler-Lehrer-VerhĂ€ltnis zwischen Giovanni Battista Naldini, Don Vincenzo Borghini und Giorgio Vasari vgl. WaĆșbiĆski 1985, 285-299.</ref> |
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 | ==Das Werk== |  | ==Das Werk== |
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 | Das hochovale GemÀlde stellt eine Traum-Allegorie dar. Es ist in zwei Farbebenen eingeteilt: eine helle Ebene im Vordergrund und ein mit dunklen Farbtönen gestalteter Bildbereich im Hintergrund. Es zeigt menschliche, animalische und phantastische Gestalten sowie Teile einer antikisierenden Architektur. Im Vordergrund dominieren Gestalten, die personifizierte Tageszeiten darstellen. |  | Das hochovale GemÀlde stellt eine Traum-Allegorie dar. Es ist in zwei Farbebenen eingeteilt: eine helle Ebene im Vordergrund und ein mit dunklen Farbtönen gestalteter Bildbereich im Hintergrund. Es zeigt menschliche, animalische und phantastische Gestalten sowie Teile einer antikisierenden Architektur. Im Vordergrund dominieren Gestalten, die personifizierte Tageszeiten darstellen. |
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â | Der Blick des Betrachters wird ĂŒber zwei Putti am unteren Bildrand direkt zu einer weiblichen Figur im Zentrum des Bildes gelenkt. Der blonde, teils aufwendig hochgesteckte Haarschopf und vor allem das leuchtend gelbe Gewand, das von der Taille abwĂ€rts ihren Körper bedeckt, fallen besonders ins Auge. Der vom Betrachter halb abgewandte Körper ist leicht gebeugt, wobei die Gestalt den Kopf ĂŒber die rechte Schulter wendet und ihren Blick auf die beiden Putti richtet. In den HĂ€nden hĂ€lt sie ein glĂ€sernes Objekt, das mit seiner ovalen Form die des GemĂ€ldes aufgreift. Eine Lichtreflexion am Rand des Glases lĂ€sst vermuten, dass es sich bei dem Gegenstand um eine Linse handeln könnte. Daneben befindet sich ein mit einer rosafarbenen Gewandung nur spĂ€rlich bedeckter weiblicher Akt. Seine Aufmerksamkeit ist auf die Linse gerichtet. Das blonde Haar dieser Figur ziert eine u-förmige Mondsichel, in deren Mitte ein sechszackiger Stern steckt. Den rechten Arm ihres halb liegenden Körpers hat sie auf einem Dachs abgestĂŒtzt | + | Der Blick des Betrachters wird ĂŒber zwei Putti am unteren Bildrand direkt zu einer weiblichen Figur im Zentrum des Bildes gelenkt. Der blonde, teils aufwendig hochgesteckte Haarschopf und vor allem das leuchtend gelbe Gewand, das von der Taille abwĂ€rts ihren Körper bedeckt, fallen besonders ins Auge. Der vom Betrachter halb abgewandte Körper ist leicht gebeugt, wobei die Gestalt den Kopf ĂŒber die rechte Schulter wendet und ihren Blick auf die beiden Putti richtet. In den HĂ€nden hĂ€lt sie ein glĂ€sernes Objekt, das mit seiner ovalen Form die des GemĂ€ldes aufgreift. Eine Lichtreflexion am Rand des Glases lĂ€sst vermuten, dass es sich bei dem Gegenstand um eine Linse handeln könnte. Daneben befindet sich ein mit einer rosafarbenen Gewandung nur spĂ€rlich bedeckter weiblicher Akt. Seine Aufmerksamkeit ist auf die Linse gerichtet. Das blonde Haar dieser Figur ziert eine u-förmige Mondsichel, in deren Mitte ein sechszackiger Stern steckt. Den rechten Arm ihres halb liegenden Körpers hat sie auf einem Dachs abgestĂŒtzt; zu ihrer Rechten sitzt eine Eule mit braunem Federkleid. Auf Höhe ihrer FĂŒĂe ist eine gegen eine niedrige Stufe gelehnte Maske mit einer Nase in Hakenform zu erkennen. Ein sitzender, leicht nach hinten gebeugter JĂŒnglingsakt zur Linken der zentralen Figur hat den mit einem Tuch bedeckten Kopf vom Betrachter abgewandt. Ăber seiner rechten Schulter ist das Haupt eines bĂ€rtigen Mannes auszumachen. Auf der rechten Bildseite zwischen Vorder- und Mittelgrund ist eine barbusige, blonde Figur mit nach vorne gebeugten Oberkörper zu erkennen, die ĂŒber ihren linken Oberarm auf den oberen Teil einer Gestalt mit scharfen GesichtszĂŒgen blickt. Es ist nicht klar zu erkennen, ob sich auf deren Kopf Hörner befinden. Auch sie blickt auf den ovalen Gegenstand in den HĂ€nden der Zentralfigur. |
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 | Im Mittelgrund sieht man zwei weibliche Gestalten, die mit weit ausladenden Gesten jeweils einen Stab in der Hand halten. Im geradezu bĂŒhnenhaft anmutenden Hintergrund befindet sich am rechten oberen Bildrand ein Portal, von dem lediglich die flankierende SĂ€ule, das abschlieĂende, korinthische Kapitell und das Tympanon zu erkennen sind. Eine sich perspektivisch nach hinten flĂŒchtende GebĂ€ude-Architektur aus Pfeilern toskanischer Ordnung und korinthischen SĂ€ulen schlieĂen an das Portal an. Auch im linken dunkleren Bildhintergrund erscheint schemenhaft ein Ă€hnliches Portal, aus dessen Ăffnung kleine geflĂŒgelte, teils puttohafte, teils schwĂ€rzlich-rote Kreaturen schwirren, die ebenfalls auf der rechten Seite des GebĂ€udes erscheinen. Am Grund des Bildes befindet sich zwischen den erwĂ€hnten Architekturen ein Bett mit einem Baldachin, in dem und vor dem sich zwei oder drei weitere menschliche Figuren erahnen lassen. |  | Im Mittelgrund sieht man zwei weibliche Gestalten, die mit weit ausladenden Gesten jeweils einen Stab in der Hand halten. Im geradezu bĂŒhnenhaft anmutenden Hintergrund befindet sich am rechten oberen Bildrand ein Portal, von dem lediglich die flankierende SĂ€ule, das abschlieĂende, korinthische Kapitell und das Tympanon zu erkennen sind. Eine sich perspektivisch nach hinten flĂŒchtende GebĂ€ude-Architektur aus Pfeilern toskanischer Ordnung und korinthischen SĂ€ulen schlieĂen an das Portal an. Auch im linken dunkleren Bildhintergrund erscheint schemenhaft ein Ă€hnliches Portal, aus dessen Ăffnung kleine geflĂŒgelte, teils puttohafte, teils schwĂ€rzlich-rote Kreaturen schwirren, die ebenfalls auf der rechten Seite des GebĂ€udes erscheinen. Am Grund des Bildes befindet sich zwischen den erwĂ€hnten Architekturen ein Bett mit einem Baldachin, in dem und vor dem sich zwei oder drei weitere menschliche Figuren erahnen lassen. |
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 | ===Ikonographische Analyse und Interpretation=== |  | ===Ikonographische Analyse und Interpretation=== |
 | Da weder ein festgeschriebenes Bildkonzept, noch die ursprĂŒngliche Positionierung des komplexen GemĂ€ldes ''Allegorie der TrĂ€ume'' ĂŒberliefert ist, existiert zu diesem Bild eine Vielzahl an Interpretationen. |  | Da weder ein festgeschriebenes Bildkonzept, noch die ursprĂŒngliche Positionierung des komplexen GemĂ€ldes ''Allegorie der TrĂ€ume'' ĂŒberliefert ist, existiert zu diesem Bild eine Vielzahl an Interpretationen. |
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â | Es ist möglich, dass die ursprĂŒngliche Idee, das Traum-Sujet in das Gesamtkonzept des Studiolo | + | Es ist möglich, dass die ursprĂŒngliche Idee, das Traum-Sujet in das Gesamtkonzept des Studiolo einzubinden, nicht von Vincenzo Borghini stammte, sondern der Wunsch des toskanischen GroĂherzogs selbst war. Neben seiner seit der Jugend bestehenden, groĂen Leidenschaft fĂŒr Naturwissenschaften und Alchemie (Schaefer 1976, 189; Dizionario Biografico degli Italiani 1997, 797) schien Francesco I. besonders eine Faszination fĂŒr den Traum zu hegen. Dieses Interesse manifestierte sich bereits bei der Darstellung des dem Traumthema gewidmeten, hochzeitlichen Triumphzuges von 1566, dem ''Trionfo dei sogni'' (''Triumph der TrĂ€ume''), von Francesco I. und Johanna von Ăsterreich. Als Teil der mehrtĂ€gigen Feierlichkeiten in den StraĂen Florenz' wurden in der Parade unter anderem der Gott des Schlafes und Sinnbilder des Morgens und der Nacht dargestellt (Gandolfo 1978, 263-270). |
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â | Auf Naldinis ''Allegorie der TrĂ€ume'' handelt es sich bei der eine Mondsichel tragenden Figur um eine Allegorie der Nacht. Diese Interpretation wird durch die Analogie dieser Gestalt mit der Skulptur ''Notte'' (''Nacht'') begrĂŒndet, die zwischen 1521-34 als eine der vier Tageszeiten in der Medici-Kapelle in S. Lorenzo von Michelangelo Buonarotti geschaffen | + | Auf Naldinis ''Allegorie der TrĂ€ume'' handelt es sich bei der eine Mondsichel tragenden Figur um eine Allegorie der Nacht. Diese Interpretation wird durch die Analogie dieser Gestalt mit der Skulptur ''Notte'' (''Nacht'') begrĂŒndet, die zwischen 1521-34 als eine der vier Tageszeiten in der Medici-Kapelle in S. Lorenzo von Michelangelo Buonarotti geschaffen worden war. Beiden Figuren haben die gleichen Attribute: Eule, Maske und als Kopfschmuck gestaltete u-förmige Mondsichel mit einem mittigen Stern. Der Dachs als nachtaktives Tier unter dem rechten Arm von Naldinis Figur wurde bei dem 1566 stattfindenden Hochzeits-Triumphzug der Nachtpersonifikation, die sich am unteren Ende der nachgeahmten Grotte des Somnus befand, als StĂŒtze fĂŒr den Kopf beigegeben. |
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â | + | Da Vincenzo Borghini fĂŒr die Konzeption des ''Trionfo dei Sogni'' zustĂ€ndig war, ist anzunehmen, dass weitere Bestandteile von Naldinis GemĂ€lde mit dem ''Triumphzug der TrĂ€ume'' verknĂŒpft sind (Gandolfo 1978, 275 f.). Als Beispiel hierfĂŒr seien die Putti mit den Mohnkapseln auf dem Bild genannt, die (neben anderen Figuren wie Satyrn und Hexen) in der Parade als Verbindungsglieder eingesetzt wurden. Satyr und Hexe könnten die beiden Gestalten im Mittelgrund des GemĂ€ldes sein, die hinter der figurierten Nacht erscheinen; auch andere lasterhafte Zuschreibungen wie Sinnbilder fĂŒr die Fleischeslust und den Neid sind möglich (Conticelli 2005, 124-126). Basierend auf der Identifikation der Nacht-Allegorie werden weitere menschliche Gestalten im Vordergrund des GemĂ€ldes mit sinnbildlichen Funktionen besetzt. Dem mĂ€nnlichen Akt mit dem Tuch auf dem Kopf wird - rekurrierend auf eine nahezu gleich gestaltete Personifizierung des Tages in der ''Sala degli Elementi'' (''Saal der Elemente'') des Palazzo Vecchio - eben diese sinnbildliche Funktion im Bild zugewiesen. Die bĂ€rtige, mĂ€nnliche Figur hingegen ist symbolisch dem Alter zugeschrieben (Gandolfo 1978, 276 f.; Conticelli 2005, 110). | |
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 | Die zentrale Positionierung der in hellen Farbtönen gehaltenen Frauenfigur im Vordergrund lĂ€sst deren konzeptuelle Signifikanz erkennen. Es liegt nahe, sie, die zwischen den Sinnbildern des Tages und der Nacht platziert wurde, als Personifikation des Morgens, Aurora, zu deuten. Die ĂŒbergroĂe Linse hĂ€lt sie wie einen Schild vor sich und gleichzeitig der Nacht-Figuration und den beiden weiteren Gestalten dahinter entgegen. |  | Die zentrale Positionierung der in hellen Farbtönen gehaltenen Frauenfigur im Vordergrund lĂ€sst deren konzeptuelle Signifikanz erkennen. Es liegt nahe, sie, die zwischen den Sinnbildern des Tages und der Nacht platziert wurde, als Personifikation des Morgens, Aurora, zu deuten. Die ĂŒbergroĂe Linse hĂ€lt sie wie einen Schild vor sich und gleichzeitig der Nacht-Figuration und den beiden weiteren Gestalten dahinter entgegen. |
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â | Als Instrument des verschĂ€rften Sehens steht die Linse hier in direktem Kontext zum Morgen, da die morgendlichen TrĂ€ume, bedingt durch die geringe Beeinflussung der KörpersĂ€fte auf den Menschen zu dieser Tageszeit, als besonders klar galten. Aufgrund dieser Klarheit wurden die MorgentrĂ€ume im Allgemeinen als Botschaften mit hohem Wahrheitsgehalt aufgefasst, wie dies auch der florentinische Humanist Marsilio Ficino in seiner neuplatonischen Schrift ''Theologia Platonica'' thematisierte ( | + | Als Instrument des verschĂ€rften Sehens steht die Linse hier in direktem Kontext zum Morgen, da die morgendlichen TrĂ€ume, bedingt durch die geringe Beeinflussung der KörpersĂ€fte auf den Menschen zu dieser Tageszeit, als besonders klar galten. Aufgrund dieser Klarheit wurden die MorgentrĂ€ume im Allgemeinen als Botschaften mit hohem Wahrheitsgehalt aufgefasst, wie dies auch der florentinische Humanist Marsilio Ficino (1433-1499) in seiner neuplatonischen Schrift ''Theologia Platonica'' thematisierte (Ficino 2004, 158, 160 f.). |
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 | + | Die nicht eindeutige Interpretation der Bildbestandteile von Mittel- und Hintergrund ist sowohl der gestalterischen als auch ikonographischen Unklarheit geschuldet. Der AufschlĂŒsselung dient hier ein weiterer, von Vincenzo Borghini stammender Text, eine Bilderfindung, die wohl fĂŒr ein Fresko in einem anderen Raum des Palazzo Vecchio vorgesehen war. In der Niederschrift werden vier Bildszenen geschildert, die mit der Thematik des Traumes und des Schlafes in Relation stehen. Unter anderem wird dort die RuhestĂ€tte des Schlafgottes Somnus beschrieben, ĂŒber der sich verschiedenartige, geflĂŒgelte Gestalten befinden (Conticelli 2005, 112f.). Abgeleitet wird diese Beschreibung der Grotte des Schlafgottes aus dem elften Buch der ''Metamorphosen'' Ovids (XI, 593, 602-605). Die dunkle Umgebung im Hintergrund des naldinischen GemĂ€ldes mutet wie eine höhlenartige Behausung an, inmitten derer Somnus auf seiner RuhestĂ€tte verweilt. Die fliegenden Wesen, die in Borghinis Text auftauchen, können in den teils engelhaften FlĂŒgelwesen wiedergefunden werden, die aus den antikischen SĂ€ulen des linken und rechten Bildhintergrundes heraus schwĂ€rmen. HĂ€ufig wird hier die Passage aus dem neunzehnten Gesang von Homers ''Odyssee'' (XIX, 560-567) als Grundlage angenommen, in der Penelope Odysseus von den Traumpforten berichtet (Gandolfo 1979, 277). Dieser ErzĂ€hlung nach kommen die wahren TrĂ€ume aus einem elfenbeinernen Tor und die trĂŒgerischen aus einem aus Horn. Eine klare formale Unterscheidung der âgutenâ und âschlechtenâ TrĂ€ume, bzw. des Tores aus Elfenbein oder aus Horn scheint in Naldinis Bild nicht gegeben. Auch können die Wesen weder mit der bereits erwĂ€hnten, nicht eindeutig zuordenbaren Bilderfindung von Borghini in Bezug gesetzt werden, in der neben dem Schlaf auch der Traum in sinnbildlicher Form beschrieben wird. Als anthropomorphe, schlafende und mit zwei FlĂŒgeln ausgestattete Figur wird sie der Beschreibung nach von teils engelsgleichen Figuren mit SchmetterlingsflĂŒgeln und verschiedenartigen Mischwesen umgeben Es wird vermutet, dass die geflĂŒgelten Wesen symbolisch fĂŒr die sogenannten 'phantasmae' stehen könnten, die nach Macrobius (um 390-430) die Trugbilder zwischen Schlaf und Wachen verkörpern. | |
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â | + | Die weiblichen Figuren im Bildmittelgrund werden zum einen als Bacchantinnen gedeutet, die, Ă€hnlich wie die Putti, als eine Art Verbindungsglieder zwischen Mittel- und Hintergrund fungieren sollen. Zum anderen besteht die Auffassung, dass es sich bei den beiden Gestalten um die Horen handelt, die im fĂŒnften Gesang von Homers ''Ilias'' (V, 749 f.) die Himmelstore beschirmen â bei Naldini jedoch ĂŒber die vermeintlichen Traumtore wachen (Conticelli 2005, 115f., 118). | |
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â | + | Das GemĂ€lde Naldinis, von dem Kunstkritiker Raffaelo Borghini als âil sonno co'sogni attornoâ (âder von TrĂ€umen umgebene Schlafâ) (Borghini [1584] 1969, 614) bezeichnet, nimmt zwischen den anderen Bildern mit eindeutig mythologischem oder historisierendem Inhalt und den Darstellungen mit naturwissenschaftlichem Charakter im Studiolo eine Sonderstellung ein. Seit der zweiten HĂ€lfte des 15. Jahrhunderts erfuhr der Traum in Literatur, Malerei und Philosophie neu erwachtes Interesse, was vor allem durch die ''Theologia Platonica'' Ficinos befördert wurde. Dort werden Schlaf und Traum eine positive Bedeutung beigemessen: Der Schlafzustand als eine Form der 'vacatio animae' (âFreisein der Seeleâ) biete der Seele die Gelegenheit, sich dem Körper eine Zeitlang zu entziehen und bei tugendhafter Lebensweise im Traum sogar eine Einflussnahme durch das Göttliche zu erfahren (Ficino 2004, 151; Kristeller 1972, 296). | |
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 | ===Fazit=== |  | ===Fazit=== |
â | Die Inhalte des Bildes ''Allegorie der TrĂ€ume'' setzen sich synkretistisch aus verschiedenen theoretischen Diskurselementen | + | Die Inhalte des Bildes ''Allegorie der TrĂ€ume'' setzen sich synkretistisch aus verschiedenen theoretischen Diskurselementen der Antike und Renaissance zu Schlaf und Traum zusammen, welche fĂŒr die Malerei in eine visuelle Form ĂŒbersetzt werden mussten. Dem personifizierten Morgen mit der Linse wird insofern eine herausragende Signifikanz zugestanden, als zum einen dem morgendlichen Traum groĂe WertschĂ€tzung beigemessen wurde und zum anderen die Linse auf das zu der Zeit unter den Medici florierende Glasgewerbe hindeuten könnte.<ref>Zum Glasgewerbe unter den Medici vgl. Heikamp 1986, 11-423.</ref> DarĂŒber hinaus wird hier ein besonderer Bezug zu Francesco I. selbst hergestellt. Das ovale Glas weist womöglich auf die Experimentierfreudigkeit des GroĂherzogs mit der Glasproduktion hin. Gleichfalls sah sich wohl der Medici-FĂŒrst selbst als tugendhafter Herrscher durchaus privilegiert zum Empfangen göttlicher und klarer TrĂ€ume an. |
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â | + | Die Linse in den HĂ€nden des figurierten Morgens taucht hier wohl erstmals in der Malerei als signifikanter und positiver BedeutungstrĂ€ger im Zusammenhang mit der Traumthematik auf. Mittels der ĂŒbergroĂen Darstellung einer Linse ist es Giovanni Battista Naldini gelungen, den allegorischen Charakter dieses ovalen Glases zum Ausdruck zu bringen (Hamburgh 1996, 692-695). | |
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 | + | <div style="text-align: right;">[[Autoren|Hannah Chegwin]]</div> | |
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 | ==Literatur== |  | ==Literatur== |
 | ===Quellen=== |  | ===Quellen=== |
 | * Borghini, Raffaelo: Il Riposo. Reprogr. Nachdr. der Ausg. Florenz 1584. Hildesheim: Olms 1969. |  | * Borghini, Raffaelo: Il Riposo. Reprogr. Nachdr. der Ausg. Florenz 1584. Hildesheim: Olms 1969. |
â | * Cartari, Vicenzo: Imagini delli dei de gl'antichi. Nachdr. der Ausg. Venedig 1647. Vermehrt durch ein Inhaltsverzeichnis und neue Register | + | * Cartari, Vicenzo: Imagini delli dei de gl'antichi. Nachdr. der Ausg. Venedig 1647. Vermehrt durch ein Inhaltsverzeichnis und neue Register. Einl. von Walter Koschatzky. Graz: Akademische Druck- u. Verlagsanstalt 1963. |
â | * Ficino, Marsilio: Platonic | + | * Ficino, Marsilio: Platonic Theology. Hg. von James Hankins, ĂŒbers. von Michael Allen. BĂŒcher XII â XIV. Cambridge/Mass. u.a.: Harvard UP 2004. |
â | * Homerus: Ilias und Odyssee. In der Ăbertragung von Johann Heinrich VoĂ. Köln: Parkland Verlag | + | * Homerus: Ilias und Odyssee. In der Ăbertragung von Johann Heinrich VoĂ. Köln: Parkland Verlag 2. Aufl. 2003. |
â | + | * Ovidius Naso, Publius: Metamorphosen. Epos in 15 BĂŒchern. Hg. und ĂŒbers. von Hermann Breitenbach mit einer Einleitung von L.P. Wilkinson [zuerst: ZĂŒrich 1958]. Stuttgart: Reclam 2008. | |
â | * Ovidius Naso, Publius: Metamorphosen. Epos in 15 BĂŒchern. Hg. und ĂŒbers. von Hermann Breitenbach mit einer Einleitung von L.P. Wilkinson [ZĂŒrich 1958]. Stuttgart: Reclam 2008. | + | * Ripa, Cesare: Iconologia overo descrittione di diverse imagini cavate dallâantichitĂ , e di propria inventione. Einl. von Erna Mandowsky [zuerst: Rom 1603]. Hildesheim u.a.: Olms 1970. |
â | * Ripa, Cesare: Iconologia overo descrittione di diverse imagini cavate dallâantichitĂ , e di propria inventione. | + | * Vasari, Giorgio: Le Opere. Con nuove annotazioni e commenti di Gaetano Milanesi. Florenz: Sansoni 1906, Repr. 1973. |
â | * Vasari, Giorgio: Le vite de' piĂč eccelenti pittori, scultori e architettori nelle redazioni del 1550 e 1568. Hg. von Rosanna Bettarini. Florenz: | + | * Vasari, Giorgio: Le vite de' piĂč eccelenti pittori, scultori e architettori nelle redazioni del 1550 e 1568. Hg. von Rosanna Bettarini. Florenz: Sansoni 1997. |
â | * Vergilius Maro, Publius: Aeneis. Hg. und ĂŒbers. von Johannes Götte. DĂŒsseldorf | + | * Vergilius Maro, Publius: Aeneis. Hg. und ĂŒbers. von Johannes Götte. DĂŒsseldorf u.a.: Artemis & Winkler 9. Aufl. 1997. |
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 | ===Forschungsliteratur=== |  | ===Forschungsliteratur=== |
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 | + | Zitiervorschlag fĂŒr diesen Artikel: | |
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 | + | Chegwin, Hannah: "Allegoria dei Sogni" (Giovanni Battista Naldini). In: Lexikon Traumkultur. Ein Wiki des Graduiertenkollegs "EuropÀische Traumkulturen", 2016; http://traumkulturen.uni-saarland.de/Lexikon-Traumkultur/index.php?title=%22Allegoria_dei_Sogni%22_(Giovanni_Battista_Naldini) . | |
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Aktuelle Version vom 11. Dezember 2018, 19:57 Uhr
Allegorie der TrĂ€ume (italienischer Originaltitel: Allegoria dei Sogni) ist ein um 1572 entstandenes ĂlgemĂ€lde des florentinischen Malers Giovanni Battista Naldini (ca. 1535-1591), das von Francesco I. de' Medici, GroĂherzog der Toskana, in Auftrag gegeben wurde.
Das Bild ist mit 33 weiteren GemĂ€lden, verschiedenen Preziosen und ausgewĂ€hlten NaturgegenstĂ€nden Teil der Ausstattung des groĂherzoglichen Studiolo im Palazzo Vecchio in Florenz.[1] Die gesamte Ausgestaltung des Raumes unterliegt einem Konzept, das von Don Vincenzo Borghini, dem humanistischen Berater des GroĂherzogs, ausgearbeitet wurde und das VerhĂ€ltnis von Natur und Kunst thematisiert.[2] Jede Wand ist einem der vier Naturelemente zugeordnet, auf das sich die jeweiligen Naturobjekte, Preziosen und GemĂ€lde direkt oder indirekt beziehen (Liebenwein 1977, 155-157).
KĂŒnstler
Giovanni Battista Naldini (*um 1535; â 1591 in Florenz) war ein italienischer KĂŒnstler des Manierismus. Nach einer Lehre von 1547 bis 1557 bei dem florentinischen Maler Jacopo da Pontormo absolvierte er zwischen 1560 und 1562 einen Studienaufenthalt in Rom. Seit Beginn der 1560er-Jahre war Naldini als SchĂŒler Don Vincenzo Borghinis und Giorgio Vasaris (der ihn in seinen Viten erwĂ€hnt) an Auftragsarbeiten im mediceischen Palazzo Vecchio beteiligt (Dizionario biografico degli italiani, Bd. 77, 2012, 671 f., 674. u. Vasari 1973, 610 f.).[3]
Das Werk
Bildbeschreibung
Das hochovale GemÀlde stellt eine Traum-Allegorie dar. Es ist in zwei Farbebenen eingeteilt: eine helle Ebene im Vordergrund und ein mit dunklen Farbtönen gestalteter Bildbereich im Hintergrund. Es zeigt menschliche, animalische und phantastische Gestalten sowie Teile einer antikisierenden Architektur. Im Vordergrund dominieren Gestalten, die personifizierte Tageszeiten darstellen.
Der Blick des Betrachters wird ĂŒber zwei Putti am unteren Bildrand direkt zu einer weiblichen Figur im Zentrum des Bildes gelenkt. Der blonde, teils aufwendig hochgesteckte Haarschopf und vor allem das leuchtend gelbe Gewand, das von der Taille abwĂ€rts ihren Körper bedeckt, fallen besonders ins Auge. Der vom Betrachter halb abgewandte Körper ist leicht gebeugt, wobei die Gestalt den Kopf ĂŒber die rechte Schulter wendet und ihren Blick auf die beiden Putti richtet. In den HĂ€nden hĂ€lt sie ein glĂ€sernes Objekt, das mit seiner ovalen Form die des GemĂ€ldes aufgreift. Eine Lichtreflexion am Rand des Glases lĂ€sst vermuten, dass es sich bei dem Gegenstand um eine Linse handeln könnte. Daneben befindet sich ein mit einer rosafarbenen Gewandung nur spĂ€rlich bedeckter weiblicher Akt. Seine Aufmerksamkeit ist auf die Linse gerichtet. Das blonde Haar dieser Figur ziert eine u-förmige Mondsichel, in deren Mitte ein sechszackiger Stern steckt. Den rechten Arm ihres halb liegenden Körpers hat sie auf einem Dachs abgestĂŒtzt; zu ihrer Rechten sitzt eine Eule mit braunem Federkleid. Auf Höhe ihrer FĂŒĂe ist eine gegen eine niedrige Stufe gelehnte Maske mit einer Nase in Hakenform zu erkennen. Ein sitzender, leicht nach hinten gebeugter JĂŒnglingsakt zur Linken der zentralen Figur hat den mit einem Tuch bedeckten Kopf vom Betrachter abgewandt. Ăber seiner rechten Schulter ist das Haupt eines bĂ€rtigen Mannes auszumachen. Auf der rechten Bildseite zwischen Vorder- und Mittelgrund ist eine barbusige, blonde Figur mit nach vorne gebeugten Oberkörper zu erkennen, die ĂŒber ihren linken Oberarm auf den oberen Teil einer Gestalt mit scharfen GesichtszĂŒgen blickt. Es ist nicht klar zu erkennen, ob sich auf deren Kopf Hörner befinden. Auch sie blickt auf den ovalen Gegenstand in den HĂ€nden der Zentralfigur.
Im Mittelgrund sieht man zwei weibliche Gestalten, die mit weit ausladenden Gesten jeweils einen Stab in der Hand halten. Im geradezu bĂŒhnenhaft anmutenden Hintergrund befindet sich am rechten oberen Bildrand ein Portal, von dem lediglich die flankierende SĂ€ule, das abschlieĂende, korinthische Kapitell und das Tympanon zu erkennen sind. Eine sich perspektivisch nach hinten flĂŒchtende GebĂ€ude-Architektur aus Pfeilern toskanischer Ordnung und korinthischen SĂ€ulen schlieĂen an das Portal an. Auch im linken dunkleren Bildhintergrund erscheint schemenhaft ein Ă€hnliches Portal, aus dessen Ăffnung kleine geflĂŒgelte, teils puttohafte, teils schwĂ€rzlich-rote Kreaturen schwirren, die ebenfalls auf der rechten Seite des GebĂ€udes erscheinen. Am Grund des Bildes befindet sich zwischen den erwĂ€hnten Architekturen ein Bett mit einem Baldachin, in dem und vor dem sich zwei oder drei weitere menschliche Figuren erahnen lassen.
Ikonographische Analyse und Interpretation
Da weder ein festgeschriebenes Bildkonzept, noch die ursprĂŒngliche Positionierung des komplexen GemĂ€ldes Allegorie der TrĂ€ume ĂŒberliefert ist, existiert zu diesem Bild eine Vielzahl an Interpretationen.
Es ist möglich, dass die ursprĂŒngliche Idee, das Traum-Sujet in das Gesamtkonzept des Studiolo einzubinden, nicht von Vincenzo Borghini stammte, sondern der Wunsch des toskanischen GroĂherzogs selbst war. Neben seiner seit der Jugend bestehenden, groĂen Leidenschaft fĂŒr Naturwissenschaften und Alchemie (Schaefer 1976, 189; Dizionario Biografico degli Italiani 1997, 797) schien Francesco I. besonders eine Faszination fĂŒr den Traum zu hegen. Dieses Interesse manifestierte sich bereits bei der Darstellung des dem Traumthema gewidmeten, hochzeitlichen Triumphzuges von 1566, dem Trionfo dei sogni (Triumph der TrĂ€ume), von Francesco I. und Johanna von Ăsterreich. Als Teil der mehrtĂ€gigen Feierlichkeiten in den StraĂen Florenz' wurden in der Parade unter anderem der Gott des Schlafes und Sinnbilder des Morgens und der Nacht dargestellt (Gandolfo 1978, 263-270).
Auf Naldinis Allegorie der TrĂ€ume handelt es sich bei der eine Mondsichel tragenden Figur um eine Allegorie der Nacht. Diese Interpretation wird durch die Analogie dieser Gestalt mit der Skulptur Notte (Nacht) begrĂŒndet, die zwischen 1521-34 als eine der vier Tageszeiten in der Medici-Kapelle in S. Lorenzo von Michelangelo Buonarotti geschaffen worden war. Beiden Figuren haben die gleichen Attribute: Eule, Maske und als Kopfschmuck gestaltete u-förmige Mondsichel mit einem mittigen Stern. Der Dachs als nachtaktives Tier unter dem rechten Arm von Naldinis Figur wurde bei dem 1566 stattfindenden Hochzeits-Triumphzug der Nachtpersonifikation, die sich am unteren Ende der nachgeahmten Grotte des Somnus befand, als StĂŒtze fĂŒr den Kopf beigegeben.
Da Vincenzo Borghini fĂŒr die Konzeption des Trionfo dei Sogni zustĂ€ndig war, ist anzunehmen, dass weitere Bestandteile von Naldinis GemĂ€lde mit dem Triumphzug der TrĂ€ume verknĂŒpft sind (Gandolfo 1978, 275 f.). Als Beispiel hierfĂŒr seien die Putti mit den Mohnkapseln auf dem Bild genannt, die (neben anderen Figuren wie Satyrn und Hexen) in der Parade als Verbindungsglieder eingesetzt wurden. Satyr und Hexe könnten die beiden Gestalten im Mittelgrund des GemĂ€ldes sein, die hinter der figurierten Nacht erscheinen; auch andere lasterhafte Zuschreibungen wie Sinnbilder fĂŒr die Fleischeslust und den Neid sind möglich (Conticelli 2005, 124-126). Basierend auf der Identifikation der Nacht-Allegorie werden weitere menschliche Gestalten im Vordergrund des GemĂ€ldes mit sinnbildlichen Funktionen besetzt. Dem mĂ€nnlichen Akt mit dem Tuch auf dem Kopf wird - rekurrierend auf eine nahezu gleich gestaltete Personifizierung des Tages in der Sala degli Elementi (Saal der Elemente) des Palazzo Vecchio - eben diese sinnbildliche Funktion im Bild zugewiesen. Die bĂ€rtige, mĂ€nnliche Figur hingegen ist symbolisch dem Alter zugeschrieben (Gandolfo 1978, 276 f.; Conticelli 2005, 110).
Die zentrale Positionierung der in hellen Farbtönen gehaltenen Frauenfigur im Vordergrund lĂ€sst deren konzeptuelle Signifikanz erkennen. Es liegt nahe, sie, die zwischen den Sinnbildern des Tages und der Nacht platziert wurde, als Personifikation des Morgens, Aurora, zu deuten. Die ĂŒbergroĂe Linse hĂ€lt sie wie einen Schild vor sich und gleichzeitig der Nacht-Figuration und den beiden weiteren Gestalten dahinter entgegen.
Als Instrument des verschÀrften Sehens steht die Linse hier in direktem Kontext zum Morgen, da die morgendlichen TrÀume, bedingt durch die geringe Beeinflussung der KörpersÀfte auf den Menschen zu dieser Tageszeit, als besonders klar galten. Aufgrund dieser Klarheit wurden die MorgentrÀume im Allgemeinen als Botschaften mit hohem Wahrheitsgehalt aufgefasst, wie dies auch der florentinische Humanist Marsilio Ficino (1433-1499) in seiner neuplatonischen Schrift Theologia Platonica thematisierte (Ficino 2004, 158, 160 f.).
Die nicht eindeutige Interpretation der Bildbestandteile von Mittel- und Hintergrund ist sowohl der gestalterischen als auch ikonographischen Unklarheit geschuldet. Der AufschlĂŒsselung dient hier ein weiterer, von Vincenzo Borghini stammender Text, eine Bilderfindung, die wohl fĂŒr ein Fresko in einem anderen Raum des Palazzo Vecchio vorgesehen war. In der Niederschrift werden vier Bildszenen geschildert, die mit der Thematik des Traumes und des Schlafes in Relation stehen. Unter anderem wird dort die RuhestĂ€tte des Schlafgottes Somnus beschrieben, ĂŒber der sich verschiedenartige, geflĂŒgelte Gestalten befinden (Conticelli 2005, 112f.). Abgeleitet wird diese Beschreibung der Grotte des Schlafgottes aus dem elften Buch der Metamorphosen Ovids (XI, 593, 602-605). Die dunkle Umgebung im Hintergrund des naldinischen GemĂ€ldes mutet wie eine höhlenartige Behausung an, inmitten derer Somnus auf seiner RuhestĂ€tte verweilt. Die fliegenden Wesen, die in Borghinis Text auftauchen, können in den teils engelhaften FlĂŒgelwesen wiedergefunden werden, die aus den antikischen SĂ€ulen des linken und rechten Bildhintergrundes heraus schwĂ€rmen. HĂ€ufig wird hier die Passage aus dem neunzehnten Gesang von Homers Odyssee (XIX, 560-567) als Grundlage angenommen, in der Penelope Odysseus von den Traumpforten berichtet (Gandolfo 1979, 277). Dieser ErzĂ€hlung nach kommen die wahren TrĂ€ume aus einem elfenbeinernen Tor und die trĂŒgerischen aus einem aus Horn. Eine klare formale Unterscheidung der âgutenâ und âschlechtenâ TrĂ€ume, bzw. des Tores aus Elfenbein oder aus Horn scheint in Naldinis Bild nicht gegeben. Auch können die Wesen weder mit der bereits erwĂ€hnten, nicht eindeutig zuordenbaren Bilderfindung von Borghini in Bezug gesetzt werden, in der neben dem Schlaf auch der Traum in sinnbildlicher Form beschrieben wird. Als anthropomorphe, schlafende und mit zwei FlĂŒgeln ausgestattete Figur wird sie der Beschreibung nach von teils engelsgleichen Figuren mit SchmetterlingsflĂŒgeln und verschiedenartigen Mischwesen umgeben Es wird vermutet, dass die geflĂŒgelten Wesen symbolisch fĂŒr die sogenannten 'phantasmae' stehen könnten, die nach Macrobius (um 390-430) die Trugbilder zwischen Schlaf und Wachen verkörpern.
Die weiblichen Figuren im Bildmittelgrund werden zum einen als Bacchantinnen gedeutet, die, Ă€hnlich wie die Putti, als eine Art Verbindungsglieder zwischen Mittel- und Hintergrund fungieren sollen. Zum anderen besteht die Auffassung, dass es sich bei den beiden Gestalten um die Horen handelt, die im fĂŒnften Gesang von Homers Ilias (V, 749 f.) die Himmelstore beschirmen â bei Naldini jedoch ĂŒber die vermeintlichen Traumtore wachen (Conticelli 2005, 115f., 118).
Das GemĂ€lde Naldinis, von dem Kunstkritiker Raffaelo Borghini als âil sonno co'sogni attornoâ (âder von TrĂ€umen umgebene Schlafâ) (Borghini [1584] 1969, 614) bezeichnet, nimmt zwischen den anderen Bildern mit eindeutig mythologischem oder historisierendem Inhalt und den Darstellungen mit naturwissenschaftlichem Charakter im Studiolo eine Sonderstellung ein. Seit der zweiten HĂ€lfte des 15. Jahrhunderts erfuhr der Traum in Literatur, Malerei und Philosophie neu erwachtes Interesse, was vor allem durch die Theologia Platonica Ficinos befördert wurde. Dort werden Schlaf und Traum eine positive Bedeutung beigemessen: Der Schlafzustand als eine Form der 'vacatio animae' (âFreisein der Seeleâ) biete der Seele die Gelegenheit, sich dem Körper eine Zeitlang zu entziehen und bei tugendhafter Lebensweise im Traum sogar eine Einflussnahme durch das Göttliche zu erfahren (Ficino 2004, 151; Kristeller 1972, 296).
Fazit
Die Inhalte des Bildes Allegorie der TrĂ€ume setzen sich synkretistisch aus verschiedenen theoretischen Diskurselementen der Antike und Renaissance zu Schlaf und Traum zusammen, welche fĂŒr die Malerei in eine visuelle Form ĂŒbersetzt werden mussten. Dem personifizierten Morgen mit der Linse wird insofern eine herausragende Signifikanz zugestanden, als zum einen dem morgendlichen Traum groĂe WertschĂ€tzung beigemessen wurde und zum anderen die Linse auf das zu der Zeit unter den Medici florierende Glasgewerbe hindeuten könnte.[4] DarĂŒber hinaus wird hier ein besonderer Bezug zu Francesco I. selbst hergestellt. Das ovale Glas weist womöglich auf die Experimentierfreudigkeit des GroĂherzogs mit der Glasproduktion hin. Gleichfalls sah sich wohl der Medici-FĂŒrst selbst als tugendhafter Herrscher durchaus privilegiert zum Empfangen göttlicher und klarer TrĂ€ume an.
Die Linse in den HĂ€nden des figurierten Morgens taucht hier wohl erstmals in der Malerei als signifikanter und positiver BedeutungstrĂ€ger im Zusammenhang mit der Traumthematik auf. Mittels der ĂŒbergroĂen Darstellung einer Linse ist es Giovanni Battista Naldini gelungen, den allegorischen Charakter dieses ovalen Glases zum Ausdruck zu bringen (Hamburgh 1996, 692-695).
Literatur
Quellen
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- Ripa, Cesare: Iconologia overo descrittione di diverse imagini cavate dallâantichitĂ , e di propria inventione. Einl. von Erna Mandowsky [zuerst: Rom 1603]. Hildesheim u.a.: Olms 1970.
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Forschungsliteratur
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- Frey, Karl: Der literarische Nachlass Giorgio Vasaris. Bd. 2. MĂŒnchen: MĂŒller 1930.
- Gandolfo, Francesco: Il "Dolce Tempo". Mistica, ermetismo e sogno nel Cinquecento. Rom: Bulzoni 1978.
- Gantet, Claire: Der Traum in der FrĂŒhen Neuzeit. AnsĂ€tze zu einer kulturellen Wissenschaftsgeschichte. Berlin u.a.: De Gruyter 2010.
- Hamburgh, Harvey: Naldiniâs Allegory of Dreams in the Studiolo of Francesco de' Medici. In: Sixteenth Century Journal 27 (1996), 679-704.
- Heikamp, Detlef: Studien zur mediceischen Glaskunst. Archivalien, Entwurfszeichnungen, GlÀser und Scherben. In: Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz 30 (1986), 11-423.
- Kristeller, Paul Oskar: Die Philosophie des Marsilio Ficino. Frankfurt/M.: Klostermann 1972.
- Liebenwein, Wolfgang: Studiolo. Die Entstehung eines Raumtyps und seine Entwicklung bis um 1600. Berlin: Mann 1977.
- Poggi, Giovanni: Lo Studiolo di Francesco I. nel Palazzo Vecchio di Firenze. In: Il Marzocco, 11.12.1910, unpag; wieder in: Il Vasari 13 (1942), 86-91.
- Rabbi Bernard, Chiara: âFrancesco de' Medici, la vita e il sognoâ. In: Ders./Alessandro Cecchi/Yves Hersant (Hg.): Il Sogno nel Rinascimento [Ausst.-Kat. Florenz, Palazzo Pitti]. Livorno: Sillabe 2013
- Reifenscheid, Beate: Giovanni Battista Naldini. In: Ernst Gerhard GĂŒse/Alexander Perrig (Hg.): Zeichnungen aus der Toskana. Das Zeitalter Michelangelos. MĂŒnchen u.a.: Prestel 1997, 178-185.
- Rinehart, Michael: A Document for the Studiolo of Francesco I. In: Moshe Barasch (Hg.): Art, the Ape of Nature. New York: Abrams u.a. 1981, 275-289.
- Schaefer, Scott: The Studiolo of Francesco I. de' Medici in the Palazzo Vecchio in Florence. Diss. Pennsylvania: UMI 1976.
- WaĆșbiĆski, Zygmunt: Giorgio Vasari e Vincenzo Borghini come maestri accademici. Il caso di G. B. Naldiniâ In: Gian Carlo Garfagnini (Hg.): Giorgo Vasari. Tra decorazione ambientale e storiografia artistica. Florenz: Olschki 1985, 285-299.
Weblinks
Biographie Giovanni Battista Naldini
Anmerkungen
- â Zur Entstehungsgeschichte des Studiolo als herrschaftlicher ReprĂ€sentationsraum vgl. Liebenwein 1977.
- â Zum ausfĂŒhrlichen Konzept Don Vincenzo Borghinis fĂŒr das Studiolo Francescos I. de' Medici siehe Frey 1930, 886-891.
- â Zum SchĂŒler-Lehrer-VerhĂ€ltnis zwischen Giovanni Battista Naldini, Don Vincenzo Borghini und Giorgio Vasari vgl. WaĆșbiĆski 1985, 285-299.
- â Zum Glasgewerbe unter den Medici vgl. Heikamp 1986, 11-423.
Zitiervorschlag fĂŒr diesen Artikel: Chegwin, Hannah: "Allegoria dei Sogni" (Giovanni Battista Naldini). In: Lexikon Traumkultur. Ein Wiki des Graduiertenkollegs "EuropĂ€ische Traumkulturen", 2016; http://traumkulturen.uni-saarland.de/Lexikon-Traumkultur/index.php?title=%22Allegoria_dei_Sogni%22_(Giovanni_Battista_Naldini) . |