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==Entstehungs- und Editionsgeschichte==
 
==Entstehungs- und Editionsgeschichte==
Nach einer Schilderung in Schuberts Autobiographie wurde er vom Verleger Carl Friedrich Kunz gebeten, „ihm eine Schrift in Verlag [zu] geben“ (Schubert 1855, 480). Er verfasst das Werk im Winter 1813/1814, die Auslieferung des Buches erfolgt im Juni 1814. Nach der ersten Edition lassen sich bis 1862 noch insgesamt sechs Auflagen nachweisen, die jedoch nicht durchgängig nummeriert sind, weshalb die letzte Auflage die vierte ist. Sauder empfiehlt die Erstausgabe (Sauder 1968, 25.), da diese von Hoffmann und anderen Romantiker rezipiert wurde. Die Änderungen der 2. Auflage sind laut Tielliette vor allem stilistischer Natur (Tielliette 1980, 59 f.).
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Nach einer Schilderung in Schuberts Autobiographie wurde er vom Verleger Carl Friedrich Kunz gebeten, „ihm eine Schrift in Verlag [zu] geben“ (Schubert 1855, 480). Er verfasst das Werk im Winter 1813/1814, die Auslieferung des Buches erfolgt im Juni 1814. Nach der ersten Edition lassen sich bis 1862 noch insgesamt sechs Auflagen nachweisen, die jedoch nicht durchgängig nummeriert sind, weshalb die letzte Auflage die vierte ist. Sauder empfiehlt die Erstausgabe (Sauder 1968, 25.), da diese von Hoffmann und anderen Romantikern rezipiert wurde. Die Änderungen der 2. Auflage sind laut Tielliette vor allem stilistischer Natur (Tielliette 1980, 59 f.).
    
In späteren Auflagen kommen das einleitende Kapitel „Eine Fahrt auf dem Meere“, sowie das Fragment „Über die Sprache des Wachens“ hinzu. Die Ausgaben von 1837 und 1840 enthalten zuzüglich einen „Anhang aus dem Nachlasse eines Visionärs: des J. Fr. Oberlin, gewesenen Pfarrers im Steinthale.“ Diese wurden in der letzten, von Schuberts Schwiegersohn Friedrich Heinrich Ranke postum edierten 4. Auflage von 1862 wieder gestrichen. Bei den aktuell im Buchhandel erhältlichen Ausgaben handelt es sich meistens um Reprints der ersten oder der vierten Auflage.
 
In späteren Auflagen kommen das einleitende Kapitel „Eine Fahrt auf dem Meere“, sowie das Fragment „Über die Sprache des Wachens“ hinzu. Die Ausgaben von 1837 und 1840 enthalten zuzüglich einen „Anhang aus dem Nachlasse eines Visionärs: des J. Fr. Oberlin, gewesenen Pfarrers im Steinthale.“ Diese wurden in der letzten, von Schuberts Schwiegersohn Friedrich Heinrich Ranke postum edierten 4. Auflage von 1862 wieder gestrichen. Bei den aktuell im Buchhandel erhältlichen Ausgaben handelt es sich meistens um Reprints der ersten oder der vierten Auflage.
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Demgegenüber stehen die magnetische Clairvoyance, die höchste Form des Traumes, die möglich ist und einer weiteren Untersuchung würdig, sowie ein tieferer Grad des Traumes, der sich dadurch auszeichnet, dass in der erwachten Person Stimmungen oder Vorahnungen, etwa eines nahenden Todes, zurückbleiben (vgl. SdT 12). Für Schubert und seine Zeitgenossen sind Begriffe wie Magnetismus, Clairvoyance und magnetischer Schlaf noch selbstverständlich, heute bedürfen sie einer Erläuterung. Franz Anton Mesmer entwickelte eine nach ihm benannte Behandlungstechnik, den Mesmerismus. Alles, auch der Organismus, sei von einem unsichtbaren Fluidum durchdrungen. Es zirkuliert im menschlichen Körper; wird die Zirkulation unterbrochen, äußert sich dies im Organismus als Krankheit. Diese können geheilt werden, „Nervenkrankheiten unmittelbar und die übrigen mittelbar“ (Kluge 48), indem man den Fluss durch eine magnetische Behandlung wieder in Gang bringt. Mesmers Ansichten wurden in Frankreich unter anderem vom Marquis de Puységur weiterentwickelt (vgl. Kluge 64). Diesem gelang es, Patienten in künstlichen Somnambulismus zu versetzen. Der reformierte Mesermismus wurde nach seiner Rückkehr nach Deutschland als tierischer oder animalischer Magnetismus bezeichnet (vgl. Barkhoff 18-26). Dieser künstlich herbeigeführte Somnambulismus, während dessen die Patienten die Augen geschlossen haben, aber ihre Außenwelt trotzdem wahrnehmen können, also diese quasi träumen, befähigte mitunter zu außergewöhnlichen Leistungen, wie etwa der Clairvoyance, also dem Hellsehen.
 
Demgegenüber stehen die magnetische Clairvoyance, die höchste Form des Traumes, die möglich ist und einer weiteren Untersuchung würdig, sowie ein tieferer Grad des Traumes, der sich dadurch auszeichnet, dass in der erwachten Person Stimmungen oder Vorahnungen, etwa eines nahenden Todes, zurückbleiben (vgl. SdT 12). Für Schubert und seine Zeitgenossen sind Begriffe wie Magnetismus, Clairvoyance und magnetischer Schlaf noch selbstverständlich, heute bedürfen sie einer Erläuterung. Franz Anton Mesmer entwickelte eine nach ihm benannte Behandlungstechnik, den Mesmerismus. Alles, auch der Organismus, sei von einem unsichtbaren Fluidum durchdrungen. Es zirkuliert im menschlichen Körper; wird die Zirkulation unterbrochen, äußert sich dies im Organismus als Krankheit. Diese können geheilt werden, „Nervenkrankheiten unmittelbar und die übrigen mittelbar“ (Kluge 48), indem man den Fluss durch eine magnetische Behandlung wieder in Gang bringt. Mesmers Ansichten wurden in Frankreich unter anderem vom Marquis de Puységur weiterentwickelt (vgl. Kluge 64). Diesem gelang es, Patienten in künstlichen Somnambulismus zu versetzen. Der reformierte Mesermismus wurde nach seiner Rückkehr nach Deutschland als tierischer oder animalischer Magnetismus bezeichnet (vgl. Barkhoff 18-26). Dieser künstlich herbeigeführte Somnambulismus, während dessen die Patienten die Augen geschlossen haben, aber ihre Außenwelt trotzdem wahrnehmen können, also diese quasi träumen, befähigte mitunter zu außergewöhnlichen Leistungen, wie etwa der Clairvoyance, also dem Hellsehen.
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Schubert weist darauf hin, dass der Zustand des magnetischen Schlafes am leichtesten mit Hilfe des Magnetiseurs erreicht werden könne (SdT 131), jedoch „erfolgen jene Zustände, auch ohne Zuthun des Magnetiseurs, nach Gemüthsbewegungen und allen Einflüssen, wodurch die Tätigkeit des Gangliensystems sehr aufgeregt wird“ (SdT 131). Der bedeutende Unterschied zum normalen Schlaf ist die Kontrolle, die der Somnambule über sein Gehirn, sein Cerebralsystem hat: „der eigentliche, vollkommene Somnambulismus hat zugleich einen hellen Ueberblick über das Gebiet des wachen Zustandes“ (SdT 107). Schubert nennt zahlreiche Fähigkeiten, über die der Somnambule verfügen kann (SdT 104-108, 131-137); als Beispiel seien neben der bereits erläuterten Clairvoyance die Fähigkeit genannt „an allen körperlichen und geistigen Gefühlen“ (SdT 134) des Magnetiseurs zu partizipieren. Tatsächlich sind alle Fähigkeiten, die genannt werden, für Schubert nicht um ihrer selbst willen interessant, sondern weil sie ihm als Beleg für seine Theorie der Naturgeschichte dienen: „Der Traum, der Somnambulismus, die Begeisterung und alle erhöhten Zustände unserer bildenden Natur, führen uns in schöne, noch nie gesehene Gegenden, in eine neue und selbsterschaffene, reiche und erhabene Natur […]. Aber jene Gebilde sind nur ein armer Nachhall des anfänglichen Vermögens“ (SdT 155). Der höhere, der clairvoyante Traum, ist ein Beleg für die Fähigkeiten, welche der Mensch im goldenen Zeitalter besessen hat und wieder besitzen wird, wenn das Ende der Triade erreicht wird.
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Schubert weist darauf hin, dass der Zustand des magnetischen Schlafes am leichtesten mit Hilfe des Magnetiseurs erreicht werden könne (SdT 131), jedoch „erfolgen jene Zustände, auch ohne Zuthun des Magnetiseurs, nach Gemüthsbewegungen und allen Einflüssen, wodurch die Tätigkeit des Gangliensystems sehr aufgeregt wird“ (SdT 131). Der bedeutende Unterschied zum normalen Schlaf ist die Kontrolle, die der Somnambule über sein Gehirn, sein Cerebralsystem hat: „der eigentliche, vollkommene Somnambulismus hat zugleich einen hellen Ueberblick über das Gebiet des wachen Zustandes“ (SdT 107). Schubert nennt zahlreiche Fähigkeiten, über die der Somnambule verfügen kann (SdT 104-108, 131-137); als Beispiel seien neben der bereits erläuterten Clairvoyance die Fähigkeit genannt „an allen körperlichen und geistigen Gefühlen“ (SdT 134) des Magnetiseurs zu partizipieren. Tatsächlich sind alle Fähigkeiten, die genannt werden, für Schubert nicht um ihrer selbst willen interessant, sondern weil sie ihm als Beleg für seine Theorie der Naturgeschichte dienen: „Der Traum, der Somnambulismus, die Begeisterung und alle erhöhten Zustände unserer bildenden Natur, führen uns in schöne, noch nie gesehene Gegenden, in eine neue und selbsterschaffene, reiche und erhabene Natur […]. Aber jene Gebilde sind nur ein armer Nachhall des anfänglichen Vermögens“ (SdT 155). Der höhere, der clairvoyante Traum, ist ein Beleg für die Fähigkeiten, welche der Mensch im goldenen Zeitalter besessen hat und wieder besitzen wird, wenn das Ende der Triade erreicht ist.
    
====Die Symbolik des Traumes====
 
====Die Symbolik des Traumes====
 
„Was uns Sprache des Wachens seyn sollte, ist uns jetzt dunkle Sprache des Traumes“ (SdT 89). Diese Erkenntnis Schuberts leitet sich aus der vorher beschriebenen Degeneration des Gangliensystems ab und verdeutlicht Schuberts Sichtweise des Traums. Dieser referiert auf die Natur und die ursprüngliche Einheit, wie im Kapitel ''Der versteckte Poet'' ausgeführt wird. Einst verstand der Mensch die Sprache der Natur, noch heute können wir sie indirekt erfahren: „Die ursprüngliche Sprache des Menschen, wie sie uns der Traum, Die Poesie, die Offenbarung kennen lehren, ist die Sprache des Gefühls […] die Sprache der Liebe (SdT 85). Diese Sprache bestand zwischen Gott und dem Menschen, ihre Worte „waren die Wesen der uns noch jetzt (als Schatten der ursprünglichen) umgebenden Natur“ (ebd.). Zwar hat der Mensch diese Sprache, bzw. das Verstehen der Symbolik der Natur verlernt, aber im Traum oder in der Poesie kann diese noch immer erfahren werden. Dies liegt nach Schubert daran, dass wir „[v]on jenen Bildern und Gestalten, deren sich die Sprache des Traumes, so wie die der Poesie […] bedienen, […] die Originale in der uns umgebenden Natur“ (SdT 24) finden. Die Sprache des Traumes und der Poesie sind also Abkömmlinge der ursprünglichen hieroglyphischen Natursprache. Im Gegensatz zur Wortsprache, die erst erlernt werden muss, ist das Verständnis für die Traumsprache angeboren (SdT 2). Aufgrund der Entfremdung der Wortsprache von der ursprünglichen Natursprache kommt es vor, dass „der Bilderausdruck des Traumes so weit von dem Wortausdruck des Wachens entfernt [ist], daß er erst einer Übersetzung in diesen bedarf“ (SdT 6). Schubert betont die enge Verwandtschaft von Traum und Poesie, indem er das Bild des „versteckten Poeten“ (SdT 9, 56) verwendet: „Wie die letztere [die Sprache des Traums] der Seele natürlich und gleichsam angeboren ist, nicht erst erlernt zu werden braucht, so ist nach der alten bekannten Sage auch Poesie die ursprüngliche Sprache der Völker gewesen […]. Jene, wie diese redet ausdrucksvoller, gewaltiger, magischer zum Gemüth als die Prosa des Wachens“ (SdT 15). Insbesondere diese Betonung der Verwandtschaft von ‚Ursprache‘, Traum und Dichtung erklärt die Wirkungsmächtigkeit der ''Symbolik des Traumes'' unter den Vertretern der Romantik.
 
„Was uns Sprache des Wachens seyn sollte, ist uns jetzt dunkle Sprache des Traumes“ (SdT 89). Diese Erkenntnis Schuberts leitet sich aus der vorher beschriebenen Degeneration des Gangliensystems ab und verdeutlicht Schuberts Sichtweise des Traums. Dieser referiert auf die Natur und die ursprüngliche Einheit, wie im Kapitel ''Der versteckte Poet'' ausgeführt wird. Einst verstand der Mensch die Sprache der Natur, noch heute können wir sie indirekt erfahren: „Die ursprüngliche Sprache des Menschen, wie sie uns der Traum, Die Poesie, die Offenbarung kennen lehren, ist die Sprache des Gefühls […] die Sprache der Liebe (SdT 85). Diese Sprache bestand zwischen Gott und dem Menschen, ihre Worte „waren die Wesen der uns noch jetzt (als Schatten der ursprünglichen) umgebenden Natur“ (ebd.). Zwar hat der Mensch diese Sprache, bzw. das Verstehen der Symbolik der Natur verlernt, aber im Traum oder in der Poesie kann diese noch immer erfahren werden. Dies liegt nach Schubert daran, dass wir „[v]on jenen Bildern und Gestalten, deren sich die Sprache des Traumes, so wie die der Poesie […] bedienen, […] die Originale in der uns umgebenden Natur“ (SdT 24) finden. Die Sprache des Traumes und der Poesie sind also Abkömmlinge der ursprünglichen hieroglyphischen Natursprache. Im Gegensatz zur Wortsprache, die erst erlernt werden muss, ist das Verständnis für die Traumsprache angeboren (SdT 2). Aufgrund der Entfremdung der Wortsprache von der ursprünglichen Natursprache kommt es vor, dass „der Bilderausdruck des Traumes so weit von dem Wortausdruck des Wachens entfernt [ist], daß er erst einer Übersetzung in diesen bedarf“ (SdT 6). Schubert betont die enge Verwandtschaft von Traum und Poesie, indem er das Bild des „versteckten Poeten“ (SdT 9, 56) verwendet: „Wie die letztere [die Sprache des Traums] der Seele natürlich und gleichsam angeboren ist, nicht erst erlernt zu werden braucht, so ist nach der alten bekannten Sage auch Poesie die ursprüngliche Sprache der Völker gewesen […]. Jene, wie diese redet ausdrucksvoller, gewaltiger, magischer zum Gemüth als die Prosa des Wachens“ (SdT 15). Insbesondere diese Betonung der Verwandtschaft von ‚Ursprache‘, Traum und Dichtung erklärt die Wirkungsmächtigkeit der ''Symbolik des Traumes'' unter den Vertretern der Romantik.
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<div style="text-align: right;">[[Autoren|CQ]]</div>
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<div style="text-align: right;">[[Autoren|Christian Quintes]]</div>
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==Ausgaben und weitere Werke Schuberts==
 
==Ausgaben und weitere Werke Schuberts==
 
* Die Symbolik des Traumes [SdT]. Bamberg: Carl Friedrich Kunz 1814.
 
* Die Symbolik des Traumes [SdT]. Bamberg: Carl Friedrich Kunz 1814.
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[[Kategorie: Autor]]
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Zitiervorschlag für diesen Artikel:
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Quintes, Christian: "Die Symbolik des Traumes" (Gotthilf Heinrich Schubert). In: Lexikon Traumkultur. Ein Wiki des Graduiertenkollegs "Europäische Traumkulturen", 2015; http://traumkulturen.uni-saarland.de/Lexikon-Traumkultur/index.php?title=%22Die_Symbolik_des_Traumes%22_(Gotthilf_Heinrich_Schubert) .
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[[Kategorie: Schubert, Gotthilf Heinrich]]
 
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[[Kategorie: Traumtheorie]]
 
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[[Kategorie: Jahrhundert]]
   
[[Kategorie: 19. Jahrhundert]]
 
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[[Kategorie: deutschsprachig]]
 
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[[Kategorie: Epoche]]
   
[[Kategorie: Romantik]]
 
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[[Kategorie:Abhandlung (Aufsätze und Monographien)]]
 
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