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In Tollers ''Wandlung ''haben die Traumbilder eine Doppelfunktion: Sie zeigen Unbewusstes und Verdrängtes; zugleich motivieren und reflektieren sie so Friedrichs Wandlungsprozess. Friedrich ist dabei nicht explizit als Träumender in einem engeren Sinne dargestellt. Dennoch sind alle Traumbilder eng mit Friedrich verbunden, dessen Gesichtszüge sich in allen Traumbildern in einzelnen Traumfiguren widerspiegeln. Als Träume markiert sind die Traumbilder zum einen sprachlich durch den Hinweis auf ihren Traumcharakter im Figurenverzeichnis; zum anderen bühnenräumlich durch ihre Verortung auf der Hinterbühne. Damit sind die Traumbilder nicht nur eindeutig von den Realbildern abgegrenzt. Vielmehr erscheinen sie durch diese Anordnung buchstäblich als Hintergrund der Realbilder und entlarven die dort gezeigte ‚Realität‘ als Illusion. Sie machen das sichtbar, was verdeckt ist bzw. was nicht wahrgenommen werden will oder kann. Hierin ähnelt das Wechselspiel von Real- und Traumbildern in ''Die Wandlung ''dem von Elisabeth Lenk beschriebenen Verhältnis von realistischer Literatur und der in der Moderne aufkommenden traumartigen Literatur: „Die traumartige Literatur deckt etwas auf, was die ‚realistische‘ Literatur verschleiert, die immer nur das erlaubte Bild: die Sozialfassade reproduziert.“ (Lenk 1983, 260)
 
In Tollers ''Wandlung ''haben die Traumbilder eine Doppelfunktion: Sie zeigen Unbewusstes und Verdrängtes; zugleich motivieren und reflektieren sie so Friedrichs Wandlungsprozess. Friedrich ist dabei nicht explizit als Träumender in einem engeren Sinne dargestellt. Dennoch sind alle Traumbilder eng mit Friedrich verbunden, dessen Gesichtszüge sich in allen Traumbildern in einzelnen Traumfiguren widerspiegeln. Als Träume markiert sind die Traumbilder zum einen sprachlich durch den Hinweis auf ihren Traumcharakter im Figurenverzeichnis; zum anderen bühnenräumlich durch ihre Verortung auf der Hinterbühne. Damit sind die Traumbilder nicht nur eindeutig von den Realbildern abgegrenzt. Vielmehr erscheinen sie durch diese Anordnung buchstäblich als Hintergrund der Realbilder und entlarven die dort gezeigte ‚Realität‘ als Illusion. Sie machen das sichtbar, was verdeckt ist bzw. was nicht wahrgenommen werden will oder kann. Hierin ähnelt das Wechselspiel von Real- und Traumbildern in ''Die Wandlung ''dem von Elisabeth Lenk beschriebenen Verhältnis von realistischer Literatur und der in der Moderne aufkommenden traumartigen Literatur: „Die traumartige Literatur deckt etwas auf, was die ‚realistische‘ Literatur verschleiert, die immer nur das erlaubte Bild: die Sozialfassade reproduziert.“ (Lenk 1983, 260)
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Wie eine Vielzahl expressionistischer Dramen ist auch Tollers ''Wandlung'' in mehrerlei Hinsicht unmittelbar beeinflusst von August Strindberg (Evelein 1996), der gleich im ersten Bild von Friedrich auch namentlich erwähnt wird (DW 8). In seiner Logik folgt das Stück der von Strindberg u.a. in ''Ett drömspel ''(1901, dt. ''Ein Traumspiel'') entwickelten Stationen- und Traumspielform. Auch die Dissoziation Friedrichs in verschiedene, andere Figuren in den Traumbildern ist auf den Einfluss Strindbergs zurückzuführen (Oehm 1993, 158).  
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Wie eine Vielzahl expressionistischer Dramen ist auch Tollers ''Wandlung'' in mehrerlei Hinsicht unmittelbar beeinflusst von August Strindberg (Evelein 1996), der gleich im ersten Bild von Friedrich auch namentlich erwähnt wird (DW 8). In seiner Logik folgt das Stück der von Strindberg u.a. in ''[["Ett drömspel" (August Strindberg)|Ett drömspel]]'' (1901, dt. ''Ein Traumspiel'') entwickelten Stationen- und Traumspielform. Auch die Dissoziation Friedrichs in verschiedene, andere Figuren in den Traumbildern ist auf den Einfluss Strindbergs zurückzuführen (Oehm 1993, 158).  
    
<div style="text-align: right;">[[Autoren|Kristina Höfer]]</div>
 
<div style="text-align: right;">[[Autoren|Kristina Höfer]]</div>
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Toller, Ernst: Die Wandlung. In: Ernst Toller: Sämtliche Werke. Kritische Ausgabe. Band 1. Stücke 1919–1923. Göttingen: Wallstein 2015, S. 1–44. (= zitierte Ausgabe als DW)
 
Toller, Ernst: Die Wandlung. In: Ernst Toller: Sämtliche Werke. Kritische Ausgabe. Band 1. Stücke 1919–1923. Göttingen: Wallstein 2015, S. 1–44. (= zitierte Ausgabe als DW)
      
===Forschungsliteratur===
 
===Forschungsliteratur===
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Evelein, Johannes F.: August Strindberg und das expressionistische Stationendrama. Eine Formstudie. New York u.a.: Lang 1996.
 
Evelein, Johannes F.: August Strindberg und das expressionistische Stationendrama. Eine Formstudie. New York u.a.: Lang 1996.
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Klein, Dorothea: Der Wandel der dramatischen Darstellungsform im Werk Ernst Tollers (1919–1930). Diss. Bochum 1968.
      
Lenk, Elisabeth: Die unbewußte Gesellschaft. Über die mimetische Grundstruktur in der Literatur und im Traum. München: Matthes & Seitz 1983.
 
Lenk, Elisabeth: Die unbewußte Gesellschaft. Über die mimetische Grundstruktur in der Literatur und im Traum. München: Matthes & Seitz 1983.
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Schreiber, Birgit: Politische Retheologisierung. Ernst Tollers frühe Dramatik als Suche nach einer „Politik der reinen Mittel“. Würzburg: Königshausen & Neumann 1997
 
Schreiber, Birgit: Politische Retheologisierung. Ernst Tollers frühe Dramatik als Suche nach einer „Politik der reinen Mittel“. Würzburg: Königshausen & Neumann 1997
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Zitiervorschlag für diesen Artikel:
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Höfer, Kristina: "Die Wandlung" (Ernst Toller). In: Lexikon Traumkultur. Ein Wiki des Graduiertenkollegs "Europäische Traumkulturen", 2019; http://traumkulturen.uni-saarland.de/Lexikon-Traumkultur/index.php/%E2%80%9EDie_Wandlung%E2%80%9C_(Ernst_Toller).
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