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Die wohl größten Schwierigkeiten im Verständnis von ''Finnegans Wake'' liegen nun aber beileibe nicht in dieser von Vico übernommenen Grundstruktur, sondern vielmehr in der Sprachgewaltigkeit des Textes: James Joyce feilte über fast zwei Jahrzehnte – wie die vergleichenden Zusammenstellungen in Haymans ''First-draft Version'' (1963) zeigen – an jedem Wort, ja, jedem Buchstaben. Entstanden ist letztlich eine aus mehreren Schichten und Ebenen bestehende Geschichte mit dem von Reichert geprägten Ausdruck des "vielfachen Schriftsinns": ''Finnegans Wake'' ist eine "gewaltige Wortsymphonie", eine "Reise ans Ende des Möglichen" (Reichert 1989, 16) mit Mehrfachbedeutungen auf verschiedenen Ebenen. Klagte Joyce mit Blick auf den ''Ulysses'' noch über eingeschränkte Möglichkeiten beim Schreiben in ''einer'' Sprache, so fließen Dutzende verschiedene Sprachen in den Text ein: In den ''Annotations'' werden 62 Sprachen aufgeführt (McHugh 2006, xix–xx); Deane spricht in seiner Einleitung zur Penguin-Ausgabe des Textes sogar von 65 Sprachen (FW xxviii).
 
Die wohl größten Schwierigkeiten im Verständnis von ''Finnegans Wake'' liegen nun aber beileibe nicht in dieser von Vico übernommenen Grundstruktur, sondern vielmehr in der Sprachgewaltigkeit des Textes: James Joyce feilte über fast zwei Jahrzehnte – wie die vergleichenden Zusammenstellungen in Haymans ''First-draft Version'' (1963) zeigen – an jedem Wort, ja, jedem Buchstaben. Entstanden ist letztlich eine aus mehreren Schichten und Ebenen bestehende Geschichte mit dem von Reichert geprägten Ausdruck des "vielfachen Schriftsinns": ''Finnegans Wake'' ist eine "gewaltige Wortsymphonie", eine "Reise ans Ende des Möglichen" (Reichert 1989, 16) mit Mehrfachbedeutungen auf verschiedenen Ebenen. Klagte Joyce mit Blick auf den ''Ulysses'' noch über eingeschränkte Möglichkeiten beim Schreiben in ''einer'' Sprache, so fließen Dutzende verschiedene Sprachen in den Text ein: In den ''Annotations'' werden 62 Sprachen aufgeführt (McHugh 2006, xix–xx); Deane spricht in seiner Einleitung zur Penguin-Ausgabe des Textes sogar von 65 Sprachen (FW xxviii).
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Die von Joyce erschaffene Übersprache, eine "universal language based on English" (Wales 1992, 136), ist eigentliche Hauptperson im ''Wake'' (Reichert 1989, 64). Hat Joyce bereits im "Oxen of the Sun"-Kapitel des ''Ulysses'' mit verschiedenen Sprachen experimentiert – in jenem Kapitel also, in dem Leopold Bloom die schwangere Mina Purefoy im Krankenhaus besucht und die Sprache eine dem Fötus im Mutterleib gleichen Entwicklung vom Altenglischen über das moderne Englisch bis hin zu Dubliner Slang durchläuft – ist er jetzt mehrere Schritte weiter. Dabei benötigt Joyce zwangsläufig ein solches fast unentwirrbares sprachliches Netz, um zwei der Hauptbestandteile des ''Wake'' erfüllen zu können, nämlich eine (möglichst) naturalistische Aufzeichnung des Traums und die (ebenso umfassende) Wiedergabe der Menschheitsgeschichte: "The universal nature of the language undoubtedly takes its prime significance from its double function of representing a comprehensive history of man-kind and a dream-like state" (Wales 1992, 136).  
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Die von Joyce erschaffene Übersprache, eine "universal language based on English" (Wales 1992, 136), ist eigentliche Hauptperson im ''Wake'' (Reichert 1989, 64). Hat Joyce bereits im "Oxen of the Sun"-Kapitel des ''Ulysses'' mit verschiedenen Sprachen experimentiert – in jenem Kapitel also, in dem Leopold Bloom die schwangere Mina Purefoy im Krankenhaus besucht und die Sprache eine dem Fötus im Mutterleib gleichende Entwicklung vom Altenglischen über das moderne Englisch bis hin zu Dubliner Slang durchläuft – ist er jetzt mehrere Schritte weiter. Dabei benötigt Joyce zwangsläufig ein solches fast unentwirrbares sprachliches Netz, um zwei der Hauptbestandteile des ''Wake'' erfüllen zu können, nämlich eine (möglichst) naturalistische Aufzeichnung des Traums und die (ebenso umfassende) Wiedergabe der Menschheitsgeschichte: "The universal nature of the language undoubtedly takes its prime significance from its double function of representing a comprehensive history of man-kind and a dream-like state" (Wales 1992, 136).  
    
[[Datei:FW-Traumsprache-01.jpg|thumb|right|555px|In die Traumsprache einfließende Diskurse (Auswahl)]]
 
[[Datei:FW-Traumsprache-01.jpg|thumb|right|555px|In die Traumsprache einfließende Diskurse (Auswahl)]]

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