"Heinrich von Ofterdingen" (Novalis): Unterschied zwischen den Versionen

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Novalis’ ''Heinrich von Ofterdingen'' ist alles andere als ein realistischer Roman; weder die Handlung noch der Entwurf psychologisch differenzierter Charaktere scheinen für Novalis von großem Interesse gewesen zu sein. Herbert Uerlings fasst das Ziel des Romans, die Darstellung einer Apotheose der Poesie und der Rückkehr eines goldenen Zeitalters, folgendermaßen zusammen: „Der Roman dient der Darstellung einer unendlichen Idee, in diesem Sinne geht es um ‚Übergangs Jahre vom Unendlichen zum Endlichen‘“ (HKA IV, 281). Diese Idee ist das absolute Ziel des Romans, „ das in Gestalt von Einlagen (Symbolen, Träumen, Liedern, Märchen u.a.m.) in sinnbildlicher Form immer wieder vorweggenommen wird, aber nur, um so den Prozeß unendlicher Annäherung in Bewegung zu halten und zu steigern“ (Uerlings 1998, 183).  
Novalis’ ''Heinrich von Ofterdingen'' ist alles andere als ein realistischer Roman; weder die Handlung noch der Entwurf psychologisch differenzierter Charaktere scheinen für Novalis von großem Interesse gewesen zu sein. Herbert Uerlings fasst das Ziel des Romans, die Darstellung einer Apotheose der Poesie und der Rückkehr eines goldenen Zeitalters, folgendermaßen zusammen: „Der Roman dient der Darstellung einer unendlichen Idee, in diesem Sinne geht es um ‚Übergangs Jahre vom Unendlichen zum Endlichen‘“ (HKA IV, 281). Diese Idee ist das absolute Ziel des Romans, „ das in Gestalt von Einlagen (Symbolen, Träumen, Liedern, Märchen u.a.m.) in sinnbildlicher Form immer wieder vorweggenommen wird, aber nur, um so den Prozeß unendlicher Annäherung in Bewegung zu halten und zu steigern“ (Uerlings 1998, 183).  


Diese symbolische Grundanlage des Textes steht in direktem Zusammenhang mit dem romantischen Projekt einer Neuen Mythologie (vgl. Mahoney 2015, 203). Novalis kannte sowohl die Schriften Friedrich Wilhelm Joseph Schellings (1775-1854) als auch die seines Freundes Friedrich Schlegel sehr gut. Beide veröffentlichten im Jahr 1800 Werke, die sich mit grundlegenden Problemen der neuen romantischen Literatur auseinandersetzen. Schelling wirft in seinem ''System des transzendentalen Idealismus'' das Problem auf, dass eine neue Mythologie, welche „ das Mittelglied der Rückkehr der Wissenschaft zur Poesie sein werde“, (Schelling: System des transzendentalen idealismus 298) benötigt wird. Schlegel beantwortet die Frage, wie diese aussehen könnte, in seinem ''Gespräch über Poesie'' auf Basis der alten Mythologie:
Diese symbolische Grundanlage des Textes steht in direktem Zusammenhang mit dem romantischen Projekt einer Neuen Mythologie (vgl. Mahoney 2015, 203). Novalis kannte sowohl die Schriften Friedrich Wilhelm Joseph Schellings (1775-1854) als auch die seines Freundes Friedrich Schlegel sehr gut. Beide veröffentlichten im Jahr 1800 Werke, die sich mit grundlegenden Problemen der neuen romantischen Literatur auseinandersetzen. Schelling wirft in seinem ''System des transzendentalen Idealismus'' das Problem auf, dass eine neue Mythologie, welche „ das Mittelglied der Rückkehr der Wissenschaft zur Poesie sein werde“, (Schelling: System des transzendentalen Idealismus 298) benötigt wird. Schlegel beantwortet die Frage, wie diese aussehen könnte, in seinem ''Gespräch über Poesie'' auf Basis der alten Mythologie:


: Denn Mythologie und Poesie, beide sind eins und unzertrennlich. Alle Gedichte des Altertums schließen sich eines an das andre, bis sich aus immer größern Massen und Gliedern das Ganze bildet; alles greift in einander, und überall ist ein und derselbe Geist nur anders ausgedrückt. Und so ist es wahrlich kein leeres Bild, zu sagen: die alte Poesie sei ein einziges, unteilbares, vollendetes Gedicht. Warum sollte nicht wieder von neuem werden, was schon gewesen ist? Auf eine andre Weise versteht sich. Und warum nicht auf eine schönere, größere? (Schlegel: Gespräch über Poesie, KFSA 1, Bd. 2, 313).
: Denn Mythologie und Poesie, beide sind eins und unzertrennlich. Alle Gedichte des Altertums schließen sich eines an das andre, bis sich aus immer größern Massen und Gliedern das Ganze bildet; alles greift in einander, und überall ist ein und derselbe Geist nur anders ausgedrückt. Und so ist es wahrlich kein leeres Bild, zu sagen: die alte Poesie sei ein einziges, unteilbares, vollendetes Gedicht. Warum sollte nicht wieder von neuem werden, was schon gewesen ist? Auf eine andre Weise versteht sich. Und warum nicht auf eine schönere, größere? (Schlegel: Gespräch über Poesie, KFSA 1, Bd. 2, 313).
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