"Heinrich von Ofterdingen" (Novalis): Unterschied zwischen den Versionen

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====Gesamtfunktion im Roman====
===Gesamtfunktion im Roman===
Eine einfache Funktion, die sich aus der Anordnung der Träume ergibt, ist diejenige einer poetischen Strukturierung: I und III dienen als Zäsur im Roman, sie grenzen innerhalb des arabesken Textes zwei Sinneinheiten ab, nämlich Heinrichs äußere und seine innere Reise. I steht vor der Reise zum Großvater, III träumt Heinrich, nachdem dieser erreicht ist. Damit ist die äußere Handlung des ersten Romanteils abgeschlossen. Zugleich bildet I aber den Ausgangspunkt, die Inspiration für Heinrichs Reifen zum Dichter. Dies ergibt sich aus der unmittelbar an I anschließenden Diskussion mit den Eltern: „Gewiß ist der Traum, den ich heute Nacht träumte, kein unwirksamer Zufall in meinem Leben gewesen, denn ich fühle es, daß er in meine Seele wie ein weites Rad hineingreift, und sie in mächtigem Schwunge forttreibt“ (I, 199). Das Ende dieser Reise wird in III thematisiert: Zu Heinrichs Entwicklung gehört die Sehnsucht nach der blauen Blume, die durch Mathilde personifiziert wird. Das Zusammenkommen von Heinrich und Mathilde ist jedoch nicht das Ende der Handlung, sondern nur Teil der im Roman dargestellten unendlichen Annäherung. Daher wird in III, unmittelbar nachdem Heinrich Mathilde erreicht, deren Tod thematisiert. Mathilde ertrinkt im Traum im Fluss. Heinrich kommt bei dem Versuch, sie zu retten, ebenfalls ums Leben. Es heißt im Text lapidar: „das Herz schlug nicht mehr“ (I, 278). Der Traum endet dann allerdings nicht mit dem Tod der beiden, sondern mit ihrem Wiedererwachen an einem anderen Ort. Damit verdeutlicht III, dass nun ein Handlungsfaden abgeschlossen ist.  
Eine einfache Funktion, die sich aus der Anordnung der Träume ergibt, ist diejenige einer poetischen Strukturierung: I und III dienen als Zäsur im Roman, sie grenzen innerhalb des arabesken Textes zwei Sinneinheiten ab, nämlich Heinrichs äußere und seine innere Reise. I steht vor der Reise zum Großvater, III träumt Heinrich, nachdem dieser erreicht ist. Damit ist die äußere Handlung des ersten Romanteils abgeschlossen. Zugleich bildet I aber den Ausgangspunkt, die Inspiration für Heinrichs Reifen zum Dichter. Dies ergibt sich aus der unmittelbar an I anschließenden Diskussion mit den Eltern: „Gewiß ist der Traum, den ich heute Nacht träumte, kein unwirksamer Zufall in meinem Leben gewesen, denn ich fühle es, daß er in meine Seele wie ein weites Rad hineingreift, und sie in mächtigem Schwunge forttreibt“ (I, 199). Das Ende dieser Reise wird in III thematisiert: Zu Heinrichs Entwicklung gehört die Sehnsucht nach der blauen Blume, die durch Mathilde personifiziert wird. Das Zusammenkommen von Heinrich und Mathilde ist jedoch nicht das Ende der Handlung, sondern nur Teil der im Roman dargestellten unendlichen Annäherung. Daher wird in III, unmittelbar nachdem Heinrich Mathilde erreicht, deren Tod thematisiert. Mathilde ertrinkt im Traum im Fluss. Heinrich kommt bei dem Versuch, sie zu retten, ebenfalls ums Leben. Es heißt im Text lapidar: „das Herz schlug nicht mehr“ (I, 278). Der Traum endet dann allerdings nicht mit dem Tod der beiden, sondern mit ihrem Wiedererwachen an einem anderen Ort. Damit verdeutlicht III, dass nun ein Handlungsfaden abgeschlossen ist.  
I und III begrenzen aber nicht nur, sie verbinden auch. I verweist auf den vor der Erzählzeit liegenden Besuch des Fremden, der die Handlung durch seine Erzählungen von der blauen Blume in Gang setzt; III verbindet den ersten mit dem zweiten Romanteil. Der Tod Mathildes wird im ersten Romanteil nämlich nicht geschildert, er ergibt sich aber aus III und den Ereignissen zu Beginn des zweiten Romanteils. Dabei handelt es sich aber nicht um eine Funktion, die nur die Träume übernehmen können. Klingsohrs Märchen steht am Ende des ersten Romanteils und erfüllt damit eine ähnliche Funktion, denn es deutet die Rückkehr der Poesie voraus.  
I und III begrenzen aber nicht nur, sie verbinden auch. I verweist auf den vor der Erzählzeit liegenden Besuch des Fremden, der die Handlung durch seine Erzählungen von der blauen Blume in Gang setzt; III verbindet den ersten mit dem zweiten Romanteil. Der Tod Mathildes wird im ersten Romanteil nämlich nicht geschildert, er ergibt sich aber aus III und den Ereignissen zu Beginn des zweiten Romanteils. Dabei handelt es sich aber nicht um eine Funktion, die nur die Träume übernehmen können. Klingsohrs Märchen steht am Ende des ersten Romanteils und erfüllt damit eine ähnliche Funktion, denn es deutet die Rückkehr der Poesie voraus.  
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