"Helmbrecht" (Wernher der GĂ€rtner): Unterschied zwischen den Versionen

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===Die Funktionen der TrÀume===
 
===Die Funktionen der TrÀume===
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Die TrĂ€ume haben eine essenzielle Bedeutung fĂŒr den Handlungsverlauf und fungieren als Kernmotive der ErzĂ€hlung. Angelehnt an die antike Auffassung, TrĂ€ume könnten Vorausdeutungen auf zukĂŒnftige Ereignisse geben, spielt auch Wernhers Helmbrecht mit den TrĂ€umen als Stilmittel (Wittmer-Butsch 1990; Weber 2008; Haubrichs 1979; Haag 2003). Indem im Helmbrecht alle Vorausdeutungen wahr werden, verwendet Wernher sie in Übereinstimmung mit Macrobius’ dreiteiliger Klassifikation der „prognostischen, divinatorisch relevanten Gesichte“ (Haubrichs 1979, 246) in ''oracula'', ''visiones'' und ''somnia'' (Haubrichs 1979, 245 f.). Der Text steht einer vom frĂŒhen bis spĂ€ten Mittelalter parallel verbreiteten Skepsis gegenĂŒber prognostischen TrĂ€umen entgegen. „[I]m Licht der antiken und christlichen Auffassungen“ (Seelbach 1987, 99) fungieren die Traumnarrative als prognostische Warnungen innerhalb der ErzĂ€hlung und tragen aufgrund ihrer voraussagenden Charakteristik eine proleptische Funktion auf der narrativen Ebene. ErzĂ€hlerische Spannung wird aufgebaut, indem die Folgen des Raubrittertums fĂŒr Helmbrecht zwar durch die TrĂ€ume angekĂŒndigt werden, aber unklar bleibt, ob, wann und durch welche Instanzen sich die TrĂ€ume erfĂŒllen. Durch die detaillierte anfĂ€ngliche Beschreibung der ritterlichen Statussymbole, die im Kontrast zu den wertenden, negativen ErzĂ€hlerkommentaren stehen, werden sie zu sichtbaren Zeichen von Helmbrechts ''superbia''; mit den anschließenden prognostischen WarntrĂ€umen wird so „Spannung zwischen der Ausgangssituation und den Folgen“ (Sowinski 1968, 226) geschaffen (Menke 1993, 24, 61 f.). UnterstĂŒtzend bringt der ErzĂ€hler mehrmals proleptische Kommentare im Einklang mit den WarntrĂ€umen ein (H V. 680–683), wodurch sie „zu einem Motor der erzĂ€hlerischen Spannung“ werden (Haubrichs 1979, 256).  
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Die TrĂ€ume haben eine essenzielle Bedeutung fĂŒr den Handlungsverlauf und fungieren als Kernmotive der ErzĂ€hlung. Angelehnt an die antike Auffassung, TrĂ€ume könnten Vorausdeutungen auf zukĂŒnftige Ereignisse geben, spielt auch Wernhers Helmbrecht mit den TrĂ€umen als Stilmittel (Wittmer-Butsch 1990; Weber 2008; Haubrichs 1979; Haag 2003). Indem im Helmbrecht alle Vorausdeutungen wahr werden, verwendet Wernher sie in Übereinstimmung mit Macrobius’ dreiteiliger Klassifikation der „prognostischen, divinatorisch relevanten Gesichte“ (Haubrichs 1979, 246) in ''oracula'', ''visiones'' und ''somnia'' (Haubrichs 1979, 245 f.).<ref>Macrobius (4./5. Jahrhundert) unterteilt TrĂ€ume in prognostische und agnostische, wodurch ein fĂŒnfteiliges Modell entsteht. Die Klasse der agnostischen, unbedeutsamen Gesichte umfasst ''insomnia'' (TrĂ€ume mit psychosomatischer Ursache, hervorgerufen durch körperliche Reize oder WĂŒnsche / Sorgen) und ''visus'' bzw. ''phantasmata'' („nebelhaft undeutliche Erscheinungen, Trugbilder zwischen Tag und Traum“). Die Klasse der prognostischen, bedeutsamen Gesichte beinhaltet die bereits genannten ''oracula'' (AnkĂŒndigungen bzw. Anweisungen durch heilige oder autoritative Instanz), ''visiones'' („exakte Vorwegnahmen des zukĂŒnftigen Geschehens“) und ''somnia'' (SymboltrĂ€ume, die einer Interpretation bedĂŒrfen) (Haubrichs 1979, 245; Macrobius, 2019, III, 2 f.).</ref> Der Text steht einer vom frĂŒhen bis spĂ€ten Mittelalter parallel verbreiteten Skepsis gegenĂŒber prognostischen TrĂ€umen entgegen.<ref>Im Mittelalter warnte z.B. Papst Gregor der Große vor der Einflussnahme des Bösen durch TrĂ€ume, da nur Heilige EmpfĂ€nger göttlicher Botschaften sein könnten und nur diese fĂ€hig wĂ€ren, zwischen einer göttlichen oder teuflisch-dĂ€monischen Herkunft zu unterscheiden (Wittmer-Butsch 1990, 106 f.). Stark rezipiert wurden im Mittelalter auch die Schriften des Aristoteles ĂŒber Schlaf und Traum, in denen ausschließlich Körper und Seele als Entstehungsorte der TrĂ€ume deklariert werden (Weber 2008, 30–32).</ref> „[I]m Licht der antiken und christlichen Auffassungen“ (Seelbach 1987, 99) fungieren die Traumnarrative als prognostische Warnungen innerhalb der ErzĂ€hlung und tragen aufgrund ihrer voraussagenden Charakteristik eine proleptische Funktion auf der narrativen Ebene. ErzĂ€hlerische Spannung wird aufgebaut, indem die Folgen des Raubrittertums fĂŒr Helmbrecht zwar durch die TrĂ€ume angekĂŒndigt werden, aber unklar bleibt, ob, wann und durch welche Instanzen sich die TrĂ€ume erfĂŒllen. Durch die detaillierte anfĂ€ngliche Beschreibung der ritterlichen Statussymbole, die im Kontrast zu den wertenden, negativen ErzĂ€hlerkommentaren stehen, werden sie zu sichtbaren Zeichen von Helmbrechts ''superbia''; mit den anschließenden prognostischen WarntrĂ€umen wird so „Spannung zwischen der Ausgangssituation und den Folgen“ (Sowinski 1968, 226) geschaffen (Menke 1993, 24, 61 f.). UnterstĂŒtzend bringt der ErzĂ€hler mehrmals proleptische Kommentare im Einklang mit den WarntrĂ€umen ein (H V. 680–683), wodurch sie „zu einem Motor der erzĂ€hlerischen Spannung“ werden (Haubrichs 1979, 256).  
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Des Weiteren erhöhen die TrĂ€ume die didaktische Relevanz , da der Text durch die vierfache Warnung aufzeigt, dass Helmbrecht seine Strafen hĂ€tte abwenden können, wenn er seinem Vater und dessen TrĂ€umen vertraut hĂ€tte. So erhalten die TrĂ€ume einen Belehrungscharakter. Dies wird verstĂ€rkt, wenn die Traumbilder als gottgesandte Warnungen aufgefasst werden, was u.a. die Bestrafung durch den Schergen andeutet, der als „Vollstrecker des göttlichen Willens“ (Menke 1993, 222) auftritt. Denn bevor der Scherge die Strafen vollzieht, kĂŒndigt der ErzĂ€hler an:
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Des Weiteren erhöhen die TrĂ€ume die didaktische Relevanz<ref>Der Begriff der didaktischen Relevanz findet sich bei Bernhard Sowinski zu anderen Szenenanalysen des Helmbrecht (Sowinski 1968, 230 f.).</ref>, da der Text durch die vierfache Warnung aufzeigt, dass Helmbrecht seine Strafen hĂ€tte abwenden können, wenn er seinem Vater und dessen TrĂ€umen vertraut hĂ€tte. So erhalten die TrĂ€ume einen Belehrungscharakter. Dies wird verstĂ€rkt, wenn die Traumbilder als gottgesandte Warnungen aufgefasst werden, was u.a. die Bestrafung durch den Schergen andeutet, der als „Vollstrecker des göttlichen Willens“ (Menke 1993, 222) auftritt. Denn bevor der Scherge die Strafen vollzieht, kĂŒndigt der ErzĂ€hler an:
 
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‱ Wernher der GĂ€rtner: Helmbrecht. Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch, hrsg. von Karl-Heinz Göttert. Stuttgart: Reclam 2015 (= Reclams Universal-Bibliothek, 18978).
 
‱ Wernher der GĂ€rtner: Helmbrecht. Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch, hrsg. von Karl-Heinz Göttert. Stuttgart: Reclam 2015 (= Reclams Universal-Bibliothek, 18978).
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‱ Wernher der Gartenaere: Helmbrecht. Mittelhochdeutscher Text und Übertragung, hrsg., ĂŒbersetzt und mit einem Anhang versehen von Helmut Brackert, Winfried Frey und Dieter Seitz. Frankfurt/M.: Fischer 1972.
 
‱ Wernher der Gartenaere: Helmbrecht. Mittelhochdeutscher Text und Übertragung, hrsg., ĂŒbersetzt und mit einem Anhang versehen von Helmut Brackert, Winfried Frey und Dieter Seitz. Frankfurt/M.: Fischer 1972.
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‱ Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. nova 2663, URL: https://onb.digital/result/100277D3  
 
‱ Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. nova 2663, URL: https://onb.digital/result/100277D3  
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‱ Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. fol. 470, URL: https://digital.staatsbibliothek-berlin.de/werkansicht/?PPN=PPN736096361  
 
‱ Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. fol. 470, URL: https://digital.staatsbibliothek-berlin.de/werkansicht/?PPN=PPN736096361  
  
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‱ Barthel, Mareen: Die Traum- und Visiondarstellungen in der christlichen lateinischen Literatur der Antike und die pagane Tradition. Eine philologische Untersuchung zu den Traumtheorien und Traum- bzw. Visionsberichten bei Tertullian, Laktanz, Ambrosius und Augustinus. Hamburg: Dr. Kovac 2019 (= Altsprachliche Forschungsergebnisse, 13).
 
‱ Barthel, Mareen: Die Traum- und Visiondarstellungen in der christlichen lateinischen Literatur der Antike und die pagane Tradition. Eine philologische Untersuchung zu den Traumtheorien und Traum- bzw. Visionsberichten bei Tertullian, Laktanz, Ambrosius und Augustinus. Hamburg: Dr. Kovac 2019 (= Altsprachliche Forschungsergebnisse, 13).
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‱ Die bewegte Stadt. Migration, soziale MobilitĂ€t und Innovation in vormodernen GroßstĂ€dten, hrsg. von Jörg Oberste und Susanne Ehrich, Schnell & Steiner 2015 (= Forum Mittelalter Studien, 10).
 
‱ Die bewegte Stadt. Migration, soziale MobilitĂ€t und Innovation in vormodernen GroßstĂ€dten, hrsg. von Jörg Oberste und Susanne Ehrich, Schnell & Steiner 2015 (= Forum Mittelalter Studien, 10).
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‱ FrĂ€nkel, Ludwig: Wernher der gartnaere. In: Allgemeine Deutsche Biographie 42 (1897), S. 77–80, URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118631551.html#adbcontent (letzter Aufruf: 10.08.2022).
 
‱ FrĂ€nkel, Ludwig: Wernher der gartnaere. In: Allgemeine Deutsche Biographie 42 (1897), S. 77–80, URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118631551.html#adbcontent (letzter Aufruf: 10.08.2022).
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‱ Göttert, Karl Heinz: Nachwort. In: Wernher der GĂ€rtner: Helmbrecht. Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch, hrsg. von Karl-Heinz Göttert. Stuttgart: Reclam 2015 (= Reclams Universal-Bibliothek, 18978), S. 171–183.
 
‱ Göttert, Karl Heinz: Nachwort. In: Wernher der GĂ€rtner: Helmbrecht. Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch, hrsg. von Karl-Heinz Göttert. Stuttgart: Reclam 2015 (= Reclams Universal-Bibliothek, 18978), S. 171–183.
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‱ Haag, Guntram: Traum und Traumdeutung in mittelhochdeutscher Literatur. Theoretische Grundlagen und Fallstudien. Stuttgart: Hirzel 2003.
 
‱ Haag, Guntram: Traum und Traumdeutung in mittelhochdeutscher Literatur. Theoretische Grundlagen und Fallstudien. Stuttgart: Hirzel 2003.
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‱ Haubrichs, Wolfgang: Ordo als Form. Strukturstudien zur Zahlenkomposition bei Otfrid von Weißenburg und in karolingischer Literatur. TĂŒbingen: Niemeyer 1969 (= Hermaea, Germanistische Forschungen, Neue Folge, 27).
 
‱ Haubrichs, Wolfgang: Ordo als Form. Strukturstudien zur Zahlenkomposition bei Otfrid von Weißenburg und in karolingischer Literatur. TĂŒbingen: Niemeyer 1969 (= Hermaea, Germanistische Forschungen, Neue Folge, 27).
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‱ Haubrichs, Wolfgang: Offenbarung und Allegorese. Formen und Funktionen von Vision und Traum in frĂŒhen Legenden. In: Formen und Funktionen der Allegorie. Symposium WolfenbĂŒttel 1978, hrsg. von Walter Haug, Stuttgart: J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung 1979 (= Germanistische Symposien BerichtsbĂ€nde, III), S. 243–264.
 
‱ Haubrichs, Wolfgang: Offenbarung und Allegorese. Formen und Funktionen von Vision und Traum in frĂŒhen Legenden. In: Formen und Funktionen der Allegorie. Symposium WolfenbĂŒttel 1978, hrsg. von Walter Haug, Stuttgart: J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung 1979 (= Germanistische Symposien BerichtsbĂ€nde, III), S. 243–264.
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‱ Honemann, Volker: Gesellschaftliche MobilitĂ€t in Dichtungen des deutschen Mittelalters. In: Zwischen Nicht-Adel und Adel, hrsg. von Kurt Andermann und Peter Johanek, Thorbecke Verlag 2001 (= VortrĂ€ge und Forschungen, LIII), S. 27–48.
 
‱ Honemann, Volker: Gesellschaftliche MobilitĂ€t in Dichtungen des deutschen Mittelalters. In: Zwischen Nicht-Adel und Adel, hrsg. von Kurt Andermann und Peter Johanek, Thorbecke Verlag 2001 (= VortrĂ€ge und Forschungen, LIII), S. 27–48.
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‱ Knapp, Fritz Peter: StandesverrĂ€ter und HeimatverĂ€chter in der bayerisch-österreichischen Literatur des SpĂ€tmittelalters, in: Wernher der GĂ€rtner „Helmbrecht“. Die BeitrĂ€ge des Helmbrecht-Symposions in Burghausen 2001, hrsg. von Theodor Nolte und Tobias Schneider, Stuttgart: S. Hirzel Verlag 2001, S. 9–24.
 
‱ Knapp, Fritz Peter: StandesverrĂ€ter und HeimatverĂ€chter in der bayerisch-österreichischen Literatur des SpĂ€tmittelalters, in: Wernher der GĂ€rtner „Helmbrecht“. Die BeitrĂ€ge des Helmbrecht-Symposions in Burghausen 2001, hrsg. von Theodor Nolte und Tobias Schneider, Stuttgart: S. Hirzel Verlag 2001, S. 9–24.
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‱ Menke, Petra: Recht und Ordo-Gedanke im Helmbrecht. Frankfurt am Main: Peter Lang 1993 (= Germanistische Arbeiten zu Sprache und Kulturgeschichte, 24).
 
‱ Menke, Petra: Recht und Ordo-Gedanke im Helmbrecht. Frankfurt am Main: Peter Lang 1993 (= Germanistische Arbeiten zu Sprache und Kulturgeschichte, 24).
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‱ Nolte, Theodor: Wernher der GĂ€rtner: Helmbrecht, publiziert am 11.07.2012. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Wernher der GĂ€rtner: Helmbrecht> (26.07.2022).
 
‱ Nolte, Theodor: Wernher der GĂ€rtner: Helmbrecht, publiziert am 11.07.2012. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Wernher der GĂ€rtner: Helmbrecht> (26.07.2022).
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‱ Oberste, Jörg, Ehrich, Susanne: EinfĂŒhrung. In: Die bewegte Stadt. Migration, soziale MobilitĂ€t und Innovation in vormodernen GroßstĂ€dten, hrsg. von Jörg Oberste und Susanne Ehrich, Schnell & Steiner 2015 (= Forum Mittelalter Studien, 10), S. 7–16.
 
‱ Oberste, Jörg, Ehrich, Susanne: EinfĂŒhrung. In: Die bewegte Stadt. Migration, soziale MobilitĂ€t und Innovation in vormodernen GroßstĂ€dten, hrsg. von Jörg Oberste und Susanne Ehrich, Schnell & Steiner 2015 (= Forum Mittelalter Studien, 10), S. 7–16.
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‱ Schmidt-Hannisa, Hans-Walter: Traum. In: In: Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte, hrsg. von Georg Braungart, Harald Fricke, Klaus GrubmĂŒller u.a., Bd. 1, 3. Aufl. Berlin 2007, S. 676–679.
 
‱ Schmidt-Hannisa, Hans-Walter: Traum. In: In: Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte, hrsg. von Georg Braungart, Harald Fricke, Klaus GrubmĂŒller u.a., Bd. 1, 3. Aufl. Berlin 2007, S. 676–679.
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‱ Seelbach, Ulrich: Kommentar zum „Helmbrecht“ von Wernher dem Gartenaere. Göppingen: KĂŒmmerle 1987 (= Göppinger Arbeiten zur Germanistik, 469).
 
‱ Seelbach, Ulrich: Kommentar zum „Helmbrecht“ von Wernher dem Gartenaere. Göppingen: KĂŒmmerle 1987 (= Göppinger Arbeiten zur Germanistik, 469).
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‱ Sowinski, Bernhard: Helmbrecht der Narr. In: BeitrĂ€ge zur Geschichte der deutschen Sprache, Bd. 90, TĂŒbingen: Niemeyer (1968), S. 223–242.
 
‱ Sowinski, Bernhard: Helmbrecht der Narr. In: BeitrĂ€ge zur Geschichte der deutschen Sprache, Bd. 90, TĂŒbingen: Niemeyer (1968), S. 223–242.
 
‱ Spieß, Karl-Heinz: Aufstieg in den Adel und Kriterien der Adelszugehörigkeit im SpĂ€tmittelalter. In: Zwischen Nicht-Adel und Adel, hrsg. von Kurt Andermann und Peter Johanek, Thorbecke 2001 (= VortrĂ€ge und Forschungen, LIII), S. 1–26.
 
‱ Spieß, Karl-Heinz: Aufstieg in den Adel und Kriterien der Adelszugehörigkeit im SpĂ€tmittelalter. In: Zwischen Nicht-Adel und Adel, hrsg. von Kurt Andermann und Peter Johanek, Thorbecke 2001 (= VortrĂ€ge und Forschungen, LIII), S. 1–26.
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‱ Weber, Gregor: TrĂ€ume und ihre Deutung. KontinuitĂ€ten und Rezeptionen von der Antike zur Renaissance. In: Traum und res publica. Traumkulturen und Deutungen sozialer Wirklichkeiten im Europa von Renaissance und Barock, hrsg. von Peer Schmidt / Gregor Weber. Berlin 2008 (= Colloquia Augustana, 26), S. 27–56.  
 
‱ Weber, Gregor: TrĂ€ume und ihre Deutung. KontinuitĂ€ten und Rezeptionen von der Antike zur Renaissance. In: Traum und res publica. Traumkulturen und Deutungen sozialer Wirklichkeiten im Europa von Renaissance und Barock, hrsg. von Peer Schmidt / Gregor Weber. Berlin 2008 (= Colloquia Augustana, 26), S. 27–56.  
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‱ Wittmer-Butsch, Maria Elisabeth: Zur Bedeutung von Schlaf und Traum im Mittelalter. Diss. Krems 1990 (= Medium Aevum Quotidianum, 1).
 
‱ Wittmer-Butsch, Maria Elisabeth: Zur Bedeutung von Schlaf und Traum im Mittelalter. Diss. Krems 1990 (= Medium Aevum Quotidianum, 1).
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‱ Zwischen Nicht-Adel und Adel, hrsg. von Kurt Andermann und Peter Johanek, Thorbecke 2001 (= VortrĂ€ge und Forschungen, LIII).
 
‱ Zwischen Nicht-Adel und Adel, hrsg. von Kurt Andermann und Peter Johanek, Thorbecke 2001 (= VortrĂ€ge und Forschungen, LIII).
  
 
==Anmerkungen==
 
==Anmerkungen==
 
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Version vom 28. September 2023, 15:02 Uhr

IN BEARBEITUNG Das Werk Helmbrecht wurde von Wernher dem GĂ€rtner (oder Wernher dem gartenĂŠre) zwischen 1250 und 1285 im bayerisch-österreichischen Grenzgebiet an Salzach und Inn verfasst (Nolte 2012). Der bedeutende Text, der der Kleinepik zugeordnet werden kann, erzĂ€hlt die Geschichte eines Bauernsohns und seiner Familie. Der Sohn namens Helmbrecht will in den Stand des Ritters aufsteigen. Um ihren Sohn mit prĂ€chtigen Kleidern und einem Pferd ausstatten zu können, verkaufen Mutter und Vater zahlreiche GĂŒter und Tiere. Dem gleichnamigen Vater, Meier Helmbrecht, widerfahren vier TrĂ€ume, die vier unterschiedliche, zukĂŒnftige Bestrafungen (Blendung, zweifache VerstĂŒmmelung und Tod) fĂŒr seinen Sohn voraussagen. Jedoch haben die warnenden Traumbilder keine Wirkung auf Helmbrecht; er wird nach seiner Abreise von einem Burgherrn als Schildknecht aufgenommen und streift von nun an raubend durch das Land. FĂŒr seine Verbrechen wird er entsprechend der TrĂ€ume mehrfach und letztendlich mit dem Tode bestraft. Die Hauptelemente des Werks sind Hochmut und superbia des Bauernsohns, die soziale MobilitĂ€t bzw. der gesellschaftliche Auf- und Abstieg [1] sowie Verfallsklage und Zeitkritik durch die GegenĂŒberstellung des alten und neuen Rittertums (Seelbach 1987, 129–137; Nolte 2012; Honemann 2001).

Überlieferung des Helmbrecht

Überliefert ist der Text in zwei Handschriften des 15. und 16. Jahrhunderts. Die Ă€ltere Papierhandschrift B befindet sich in der Berliner Staatsbibliothek (Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. fol. 470); sie entstand Anfang des 15. Jahrhunderts. Bei Handschrift A handelt es sich um das Ambraser Heldenbuch (Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. n. 2663), das von Kaiser Maximilian I. in Auftrag gegeben und zwischen 1504 und 1515/1517 von Hans Ried auf Pergament geschrieben wurde. Das Werk wurde sowohl unter dem Titel Meier Helmbrecht als auch unter Helmbrecht verbreitet. Denn im Ambraser Heldenbuch ist die Vorbemerkung Das puech ist von dem Mayer Helmprechte (Wien, ÖNB, Cod. Ser. n. 2663, fol. 225rb) zu finden, wĂ€hrend es in der Ă€lteren Handschrift heißt: hie hebt sich ein mĂŠr von dem helmprecht (Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. fol. 470, fol. 228va; Göttert 2015, 171). Ansonsten weichen die Texte der beiden Handschriften nur in wenigen Punkten voneinander ab (Göttert 2015, 171 f.).

Der Autor

Wie bei vielen mittelalterlichen Autoren ist ĂŒber Wernher dem GĂ€rtner nur sehr wenig bekannt. Der einzige Nachweis ist die Namensnennung im Helmbrecht:

swer iu ditze mĂŠre lese,
bitet, daz im got genĂŠdec wese
und dem tihtĂŠre,
der heizet Wernher der Gartenére. (H V. 1931–1934)
(Wer auch immer euch diese Geschichte vorliest, betet darum, dass Gott ihm gnĂ€dig sei und auch dem Dichter, der heißt Wernher der GĂ€rtner. )[2]

Zu seiner Person gibt es mehrere Interpretationen: So wird der Beiname „der GĂ€rtner“ als Herkunftsname gedeutet (Garten/Garda), wobei er dort fĂŒr lĂ€ngere Zeit ansĂ€ssig gewesen oder sogar geboren sein könnte (Nolte 2012, FrĂ€nkel 1897). Weiterhin könnte der Beiname als KĂŒnstlername verstanden werden, wie ihn viele fahrende Dichter zu dieser Zeit trugen (Nolte 2012). Dass Wernher als fahrender Dichter bzw. Berufsdichter aufgefasst wird, der seine Dichtungen an Adelshöfen vortrug, liegt u.a. an „Form und Ausdruck seines dichterischen Schaffens“ (FrĂ€nkel 1897) sowie an einer Bemerkung des ErzĂ€hlers:

swie vil ich var enwadele,
sĂŽ bin ich an deheiner stete, '
dñ man mir tuo, als man im tete.(H V. 848–850)
(Wieweit ich auch herumkomme, ich komme nirgendwo hin, wo man mich behandelt, wie man ihn behandelt.)

Auch eine Zuordnung zu den Wandermönchen ist nicht ausgeschlossen (Nolte 2012; FrÀnkel 1897).

Traum und Traumdeutung im Helmbrecht

Die vier TrĂ€ume im Helmbrecht werden von einer einzigen Figur, dem Vater, getrĂ€umt. Jedoch wird nur deren Inhalt nachtrĂ€glich durch den TrĂ€umenden im Dialog mit seinem Sohn wiedergegeben; das TrĂ€umen ist kein Teil der ErzĂ€hlung. Thematisch sind sie eng miteinander verbunden, da sie die Konsequenzen fĂŒr Helmbrechts Taten als Raubritter prophezeien; in einer sich steigernden Form berichtet der Vater seinem Sohn von diesen TrĂ€umen und versucht, ihn zu warnen. Da Helmbrecht jedoch diesen Vorausdeutungen abweisend gegenĂŒbersteht, kehrt er seiner Familie den RĂŒcken zu. Am Ende erfĂŒllen sich die TrĂ€ume in der Reihenfolge, in der der Vater sie getrĂ€umt hat.

Prognostische TrÀume: Vier Vorausdeutungen auf Helmbrechts Strafen

Die vier TrÀume können hinsichtlich Art und Schwere der Strafen unterschieden werden, die Helmbrecht ereilen werden. Der erste Traum handelt von Helmbrechts Blendung:

„dĂ» hetest zwei lieht in der hant,
diu brunnen, daz si durch diu lant
lûhten mit ir schßne.
lieber sun der mĂźne,
sust troumt mir vert von einem man,
den sach ich hiure blinden gñn.“ (H V. 581–586)
(Du hattest zwei Lichter in der Hand, die brannten, so dass sie weithin leuchteten mit ihrem Schein. Mein lieber Sohn, so trÀumte mir vergangenes Jahr von einem Mann, den ich dieses Jahr blind umhergehen sah.)

Die Blendung kann hier in doppelter Bedeutung verstanden werden: So bezieht sich dies primĂ€r auf das spĂ€tere Erblinden Helmbrechts, aber ebenso auf das „Nicht-Sehen-Können des ihm prophezeiten Schicksals“ (Seelbach 1987, 99), das sich auch in seiner abweisenden Reaktion auf die TrĂ€ume spiegelt. Der Traum erhĂ€lt von dem Vater eine explizite Deutung durch die ErwĂ€hnung eines bereits in ErfĂŒllung gegangenen Traums, der gleichzeitig seine GlaubwĂŒrdigkeit beteuert. Der zweite Traum offenbart, dass Helmbrecht ein Fuß abgetrennt werden wird, da der Vater im Traum sieht, wie ein Beinstumpf aus der Kleidung des Sohnes ragt und auf einem Stock aufliegt, wĂ€hrend sein anderer Fuß auf der Erde geht:

„mir troumte mĂȘre:
ein fuoz dir ûf der erde gie,
dĂą stĂŒende dĂ» mit dem andern knie
hÎhe ûf einem stocke;
dÎ ragete dir ûz dem rocke
einez als ein ahsendrum.“ (H V. 592–597)
(„Mir trĂ€umte noch mehr; mit einem Fuß gingst du auf der Erde, aber mit dem anderen Knie standest du hoch auf einer Stelze. Da ragte dir aus dem Rock eines wie ein Stumpf.)

Der dritte Traum behandelt das Abschlagen einer Hand, was ĂŒber die Metapher des gestutzten FlĂŒgels dargeboten wird. Gleichzeitig steht der Ausdruck des hohen Fliegens fĂŒr Helmbrechts Hochfahrt, die aufgrund des gestutzten FlĂŒgels zu einem tiefen Fall und abrupten Ende kommen wird (Seelbach 1987, 100):

„dĂ» soldest fliegen hĂŽhe
ĂŒber walt und ĂŒber lĂŽhe:
ein vettich wart dir versniten,
dî wart dün vliegen vermiten.“ (H V. 605–608)
(„Du warst dabei, hoch ĂŒber Wald und GebĂŒsch zu fliegen. Doch ein FlĂŒgel wurde dir zerschnitten, und damit war es mit deinem Flug vorbei.“)

Diese drei TrĂ€ume werden als rechtliche Bestrafungen des Richters und des Schergen fĂŒr Helmbrechts Verbrechen als Raubritter in ErfĂŒllung gehen (H V. 1690–1702). Bevor der Vater den vierten Traum erzĂ€hlt, betont er, dass alle anderen TrĂ€ume nicht mit diesem zu vergleichen seien (H V. 617–619), denn:

„dĂ» stĂŒende Ă»f einem boume;
von dĂźnen fĂŒezen unz an daz gras
wol anderhalp klĂąfter was;
ob dßnem houpte ûf einem zwß
saz ein rabe und ein krĂą dĂą bĂź.
dĂźn hĂąr was dir bestroubet:
dĂŽ strĂŠlte dir dĂźn houbet
zeswenhalp ein rabe dĂą,
winsterhalp schiet dirz diu krĂą.
owĂȘ, sun, des troumes!
owĂȘ, sun, des boumes!
owĂȘ des raben, owĂȘ der krĂąn!“ (H V. 620–631)
(Du standest auf einem Baum; von deinen FĂŒĂŸen bis zum Gras waren es wohl anderthalb Klafter; auf einem Zweig ĂŒber deinem Kopf saß ein Rabe und neben ihm eine KrĂ€he. Dein Haar war ganz struppig. Da kĂ€mmte dir dein Haupt auf der rechten Seite jener Rabe, und auf der Linken scheitelte es dir die KrĂ€he. Weh, Sohn, ĂŒber den Traum. Weh, Sohn, ĂŒber den Baum. Weh ĂŒber die Raben, weh ĂŒber die KrĂ€he.“)

Dieser letzte Traum ist eine Vorausdeutung auf die Rache der Bauern, die Helmbrecht fĂŒr seine Verbrechen an ihnen und ihren Familien an einem Baum erhĂ€ngen werden. Das Todesmotiv wird verstĂ€rkt durch die wiederholte ErwĂ€hnung von Rabe und KrĂ€he, die Helmbrechts Haar, ein markantes Symbol seines Hochmuts, zerstören. Rabe und KrĂ€he können als Toten- und UnglĂŒcksvögel interpretiert werden (Seelbach 1987, 17–21, 100 f.). Die anaphorische Reihung des Ausdrucks owĂȘ ist ein typischer Marker fĂŒr eine Klage und rĂŒckt diesen Traum in das Licht einer Totenklage (Seelbach 1987, 100). Am Ende der ErzĂ€hlung werden die Bauern Helmbrechts Haube und Haar zerrissen haben und ihn ironisch ermahnen, „nu hĂŒete der hĂ»ben, Helmbreht!“ (H V. 1879, „Nun gibt acht auf deine Haube, Helmbrecht!“). Die zu Beginn ausfĂŒhrlich beschriebene geschichtstragende Haube (H V. 26–106)[3] und das betont lange, lockige Haar des Protagonisten (H V. 9–15), die mehrfach vom ErzĂ€hler als nicht standesgemĂ€ĂŸ deklariert werden, fungieren als objektbezogene Rahmung der Handlung; sie sind sichtbare Symbole seiner Hochfahrt und seines tiefen Falls. Von Beginn an hebt der ErzĂ€hler so Helmbrechts materiellen Aufstiegsdrang hervor; schnell zeichnet sich ab, dass er mit dem höfischen Leben „nichts anderes verbindet als dasjenige des Raubritters und Strauchdiebes“ (Honemann 2001, 35, 39), denn mehrfach Ă€ußert er, dass er rauben, plĂŒndern und Menschen Gewalt antun will (H V. 361–388, 370–374, 379, 384, 408–423; Honemann 2001, 38). Das Bild der auf die Haube gestickten Vögel, die am Schluss auf dem Boden verteilt liegen, hebt den Eindruck hervor, dass dies die Ursache seines Scheiterns ist, da siteche und galander, sparwĂŠre und turteltĂ»ben (H V. 1888 f., Sittiche und Lerchen, Sperber und Turteltauben) antithetisch zu den Raben und KrĂ€hen des vierten Traumes gelesen werden können (Seelbach 1987, 21). Die TrĂ€ume unterstĂŒtzen diese rahmende Funktion maßgeblich.

Die ErfĂŒllung der ersten drei TrĂ€ume wird im letzten Dialog zwischen Vater und Sohn erwĂ€hnt, in dem der Meier ihm die rhetorische Frage stellt, „ob die troume drĂź an iu sint bewĂŠret?“ (H V. 1786 f., „ob sich die drei TrĂ€ume nicht an Euch erfĂŒllt haben“). Da Helmbrecht, sowohl blind als auch ohne Hand und Fuß vor ihm stehend, offensichtlich die angekĂŒndigten Strafen erhalten hat, erwartet der Vater keine Antwort, sondern prophezeit ihm erneut auf der Basis seines Traumwissens ein schlimmes Ende. Er schickt ihn fort, „ĂȘ der vierde troum ergĂȘ“ (H V. 1790, „bevor der vierte Traum in ErfĂŒllung geht“). Mit dieser Erinnerung besteht kein Zweifel, dass auch der letzte Traum, der die AnkĂŒndigung des Todes enthĂ€lt, eintreten wird. Nach Helmbrechts Tod hebt ein abschließender ErzĂ€hlerkommentar aufgrund seiner finalen Position die prognostische Funktion der TrĂ€ume explizit hervor:

ich wĂŠne, des vater troum
daz er sich hie bewĂŠre.
hie endet sich das mére. (H V. 1910–1912)
(Ich glaube, dass sich der Traum des Vaters damit erfĂŒllte. Hier ist die Geschichte zuende.)

Die Funktionen der TrÀume

Die TrĂ€ume haben eine essenzielle Bedeutung fĂŒr den Handlungsverlauf und fungieren als Kernmotive der ErzĂ€hlung. Angelehnt an die antike Auffassung, TrĂ€ume könnten Vorausdeutungen auf zukĂŒnftige Ereignisse geben, spielt auch Wernhers Helmbrecht mit den TrĂ€umen als Stilmittel (Wittmer-Butsch 1990; Weber 2008; Haubrichs 1979; Haag 2003). Indem im Helmbrecht alle Vorausdeutungen wahr werden, verwendet Wernher sie in Übereinstimmung mit Macrobius’ dreiteiliger Klassifikation der „prognostischen, divinatorisch relevanten Gesichte“ (Haubrichs 1979, 246) in oracula, visiones und somnia (Haubrichs 1979, 245 f.).[4] Der Text steht einer vom frĂŒhen bis spĂ€ten Mittelalter parallel verbreiteten Skepsis gegenĂŒber prognostischen TrĂ€umen entgegen.[5] „[I]m Licht der antiken und christlichen Auffassungen“ (Seelbach 1987, 99) fungieren die Traumnarrative als prognostische Warnungen innerhalb der ErzĂ€hlung und tragen aufgrund ihrer voraussagenden Charakteristik eine proleptische Funktion auf der narrativen Ebene. ErzĂ€hlerische Spannung wird aufgebaut, indem die Folgen des Raubrittertums fĂŒr Helmbrecht zwar durch die TrĂ€ume angekĂŒndigt werden, aber unklar bleibt, ob, wann und durch welche Instanzen sich die TrĂ€ume erfĂŒllen. Durch die detaillierte anfĂ€ngliche Beschreibung der ritterlichen Statussymbole, die im Kontrast zu den wertenden, negativen ErzĂ€hlerkommentaren stehen, werden sie zu sichtbaren Zeichen von Helmbrechts superbia; mit den anschließenden prognostischen WarntrĂ€umen wird so „Spannung zwischen der Ausgangssituation und den Folgen“ (Sowinski 1968, 226) geschaffen (Menke 1993, 24, 61 f.). UnterstĂŒtzend bringt der ErzĂ€hler mehrmals proleptische Kommentare im Einklang mit den WarntrĂ€umen ein (H V. 680–683), wodurch sie „zu einem Motor der erzĂ€hlerischen Spannung“ werden (Haubrichs 1979, 256). Des Weiteren erhöhen die TrĂ€ume die didaktische Relevanz[6], da der Text durch die vierfache Warnung aufzeigt, dass Helmbrecht seine Strafen hĂ€tte abwenden können, wenn er seinem Vater und dessen TrĂ€umen vertraut hĂ€tte. So erhalten die TrĂ€ume einen Belehrungscharakter. Dies wird verstĂ€rkt, wenn die Traumbilder als gottgesandte Warnungen aufgefasst werden, was u.a. die Bestrafung durch den Schergen andeutet, der als „Vollstrecker des göttlichen Willens“ (Menke 1993, 222) auftritt. Denn bevor der Scherge die Strafen vollzieht, kĂŒndigt der ErzĂ€hler an:

swaz geschehen sol, daz geschiht.
got dem vil selten ĂŒbersiht,
der tuot, des er niht tuon sol. (H V. 1683–1685)
(Was geschehen muss, das geschieht auch. Niemals verzeiht Gott dem, der Unrecht tut.)

Fritz-Peter Knapp bezeichnet die Konsequenzen sogar als ein „Strafgericht Gottes“, das Helmbrecht im Diesseits ereilt (Knapp 2001, 11). Der Text zeichnet subsidiĂ€r das Bild der gottgewollten, gerechten Strafe: So leitet der ErzĂ€hler die Bestrafung der Raubritter mit den Worten got ist ein wunderĂŠre, / daz hƓret an dem mĂŠre (H V. 1639 f., Gott tut Wunder – das kann man in dieser Geschichte sehen.) und sĂŽ got der rĂąche wil selbe phlegen (H V. 1650, wenn Gott selbst Rache ĂŒben will) ein. Weiterhin fĂŒgt er hinzu, dass niemand fĂŒr Helmbrecht fĂŒrsprechen solle, denn wer sich fĂŒr solche Menschen einsetze, dem solle von Gott das eigene Leben verkĂŒrzt werden (H V. 1669–1672). Untermauert wird dies zusĂ€tzlich durch die sorgfĂ€ltige AufzĂ€hlung der Taten, die fĂŒr die jeweiligen Strafen ursĂ€chlich sind und explizit zeigen, dass er sich unrechtmĂ€ĂŸig gegen seinen ehemaligen Stand gerichtet hat (erste Bestrafung: H V. 1686–1700, zweite Bestrafung: H V. 1825–1873). Hierdurch legitimiert der ErzĂ€hler den Ausgang der Handlung, der ab dem Zeitpunkt, an dem Helmbrecht die TrĂ€ume abweist, unausweichlich ist. Er verdeutlicht, dass die Strafen auf Helmbrechts „Fehlhaltungen und falsches Handeln [
] unabhĂ€ngig von stĂ€ndischen Konflikten“ (Sowinski 1968, 227) zurĂŒckzufĂŒhren sind und dementsprechend verurteilt werden. Der Vater versucht zuvor Helmbrecht vergeblich vor Augen zu fĂŒhren, dass ein sozialer Aufstieg und dafĂŒr unabdingbare gesellschaftliche Anerkennung auf einem entsprechend adeligen Benehmen basieren wĂŒrden:

„sun, und wilt dĂ» edel sĂźn,
daz rùt ich ûf die triuwe mßn,
sĂŽ tuo vil edellĂźche:
guot zuht ist sicherlĂźche
ein krîne ob aller edelkeit [
].“ (H V. 503–507)
(„Sohn, wenn du adlig sein willst, dann rate ich dir bei meiner Treu, edel zu handeln. Wirklich feine Gesittung ist das Höchste an Adligkeit.“)

Doch im Gegensatz zu seinem Vater, der das alte, tugendhafte Rittertum und den Tugendadel als wahren Adel vorstellt sowie den Verfall dieser Lebensweise beklagt (H. V. 974–983), verficht Helmbrecht eine „völlige[] Umkehrung aller Werte“ (Honemann 2001, 36; H V. 264–278, 303–328, 375–379, 471–479, 571–576) und die AusĂŒbung von Gewalt (H V. 1007 f., 1023–1036; Honemann 2001, 31 f., 36 f.). Nach seinem rasanten Aufstieg in das als falsch markierte Raubrittertum muss Helmbrecht einen drastischen gesellschaftlichen Abstieg erfahren. Indem die Bauern, die durch Helmbrecht als Raubritter Leid erfahren haben, die endgĂŒltige Strafe – Tod durch ErhĂ€ngen – vollziehen, wird dieser Aspekt besonders hervorgehoben.

Aufgrund des Dialogs ĂŒber die TrĂ€ume werden „die Überredungsversuche des Vaters und die Unbelehrbarkeit des Sohnes sichtbar“ (Sowinski 1968, 231). Sie sind zudem Teil einer Wertethik, „die ihre Verbindlichkeit am negativen Beispiel des jungen Helmbrecht und an seinem Ende erweist.“ (Sowinski 1968, 231) Sie agieren innerhalb der literarischen Darstellung als Strukturelemente (Schmidt-Hannisa 2007, 676 f.), die aufgrund ihrer vorausdeutenden Eigenschaft zur Rezeptionslenkung beitragen. Die TrĂ€ume bilden so eine Art Metaebene der Handlung, wĂ€hrend sie zugleich einen wichtigen Teil der Handlung selbst darstellen (Barthel 2019, 46).

Narrative Verbindung von Traum und Figurendarstellung

Die vier TrĂ€ume zeigen sowohl den Figuren als auch den Rezipierenden, welches Ende die ErzĂ€hlung nehmen könnte. Die prognostische Kraft von TrĂ€umen wird in dieser ErzĂ€hlung nicht angezweifelt. Schon in der antiken Traumtheorie hat man jedoch hervorgehoben, dass es notwendig war, ein geeignetes Leben zu fĂŒhren, um solche TrĂ€ume erfahren zu dĂŒrfen; v.a. „besondere, auserwĂ€hlte Menschen haben solche TrĂ€ume“ (Haubrichs 1979, 248). So dienen diese im Helmbrecht ebenfalls zur Charakterisierung der Figuren: Der Vater, dem diese TrĂ€ume widerfahren, wird positiv dargestellt als derjenige, der sich angemessen verhĂ€lt, ehrenhaft und gehorsam ist (H V. 233, 242–258; Seelbach 1987, 63). Dadurch wird den Rezipierenden vermittelt, dass der TrĂ€umende glaubwĂŒrdig sei und demzufolge auch auserwĂ€hlt sein könne, um wahrhaftige TrĂ€ume zu erhalten (Haubrichs 1979, 248). Die „Beziehung zwischen der moralischen Qualifikation des TrĂ€umers und Trauminhalt“ (Haubrichs 1979, 249) ist dabei entscheidend. Um dies nicht nur auf der Ebene der Figurengestaltung zu suggerieren, wird dem Vater bereits bei der Wiedergabe des ersten Traums, wie erwĂ€hnt, ein weiterer Traum zugeschrieben, von dem er selbst berichtet, dass sich dessen Vorausdeutung erfĂŒllt habe (H V. 584–586). So hat der Vater nicht nur zuvor bereits einen prognostischen Traum erfahren, sondern auch inhaltlich das Motiv der Blendung getrĂ€umt, dessen reale Entsprechung das Erblinden des betroffenen Mannes war. Hierdurch wird eine unmittelbare Deutung, die sich bereits bewahrheitet hat, eingebracht und somit der Status des Vaters als eine fĂŒr sogenannte somnia vera auserwĂ€hlte Person hervorgehoben (Haubrichs 1979, 249). Im Gegensatz dazu wird Helmbrecht wiederholt negativ dargestellt als der narre und der gouch (H V. 83, der törichte Narr), der gotes tumbe (H V. 85, der unverstĂ€ndige Tor) oder der tumbe[] rĂŠze[] knehte (H V. 106, der dumme, aufgeblasene Bursche). Ebenso betont der ErzĂ€hler anfangs mehrfach, dass er eine solch prĂ€chtige Ausstattung nicht besitzen sollte (H V. 38–40, 54–56), womit er einen negativen Helden vorfĂŒhrt, „der sich etwas anmaßt, was ihm nicht zusteht“ (Seelbach 1987, 33). Diese stark negative Skizzierung der Figur Helmbrecht kulminiert in seinem schlechten Verhalten gegenĂŒber seiner Familie, seiner abweisenden Reaktion auf die WarntrĂ€ume des Vaters und in den Verbrechen gegenĂŒber den sonstigen Bauern. Der ErzĂ€hler steuert die Leser*innen bzw. Hörer*innen dadurch, dass Helmbrecht als unwĂŒrdig wahrgenommen wird: So betont der Vater, dass Helmbrecht die Trauminhalte von weisen Leuten deuten lassen mĂŒsse, wenn er einen Nutzen daraus ziehen wolle. Aufgrund der relativen Eindeutigkeit der Traumbilder kann dieser Verweis zum einen eine weitere BekrĂ€ftigung ihrer Bedeutung sein (Sowinski 1968, 236); zum anderen zeigt dies, dass symbolhaltige TrĂ€ume aus zeitgenössischer Sicht einen erfahrenen Deuter verlangen, um den womöglich „verborgenen Willen Gottes“ (Haubrichs 1979, 249) erkennen zu können. Dass Helmbrecht eigenstĂ€ndig diese TrĂ€ume als eine Vorausdeutung auf GlĂŒck, Heil und große Freude interpretiert („daz ist sĂŠlde unde heil / und aller freuden teil.“ (H V. 601 f., „Er [der Traum] bedeutet Heil und Segen vom Himmel und irdisches GlĂŒck in FĂŒlle.“)), zeigt, dass er die Tragweite der Warnungen nicht begreift. Er sieht ausschließlich diese Fehldeutung, da sie zu seinem persönlichen Traum des (Raub-)Ritterseins passt. Dies bestĂ€tigt die Aussage, alle anderen TrĂ€ume wĂŒrden ebenfalls im Zeichen des GlĂŒcks stehen:

„vater, al di tröume dĂźn
sint vil gar diu sélde mün“ (H V. 611 f.)
(„Vater, alle deine TrĂ€ume bedeuten GlĂŒck fĂŒr mich“)

Weiterhin wertet er sie als TrĂ€umereien (H V. 589) ab und betont, dass diese ihn nicht von seinem Vorsatz abhalten könnten. So hat Helmbrechts Reaktion auf die TrĂ€ume die VerstĂ€rkung seiner negativen Figurencharakterisierung zur Folge, da er zunehmend als Narr gekennzeichnet wird. Die spĂ€tere ErfĂŒllung der TrĂ€ume bestĂ€tigt dies erneut.

Fazit

Abschließend lĂ€sst sich sagen, dass die TrĂ€ume, die im Helmbrecht erzĂ€hlt werden, alle auf die Zukunft des Protagonisten fokussiert sind. In einer klimaktisch angelegten Steigerung der Strafen erfĂ€hrt Helmbrecht, welches Schicksal ihn ereilen wird, sollte er den angestrebten Weg zum Raubritter gehen. Die TrĂ€ume, die eindeutige Warnungen vor folgenschweren Handlungen beinhalten, und deren ErfĂŒllung bilden parallel zu Haube und Haar, die Ă€ußerliche Zeichen seiner superbia sind, eine rezeptionssteuernde Rahmung der gesamten Handlung. Die TrĂ€ume werden von Wernher wohl gezielt als narrative Stilmittel und literarische Motive eingesetzt, um einerseits in ihrer proleptischen Funktion erzĂ€hlerische Spannung zu erzeugen sowie andererseits die Figurencharakterisierung zu verstĂ€rken. Denn durch die eindeutigen Vorausdeutungen der TrĂ€ume und den damit ĂŒbereinstimmenden Fortgang der Handlung können Rezipierende zunehmend erahnen, dass die TrĂ€ume wahrhaftig sind, bis zu dem Punkt ihres ‚In-ErfĂŒllung-Gehens‘. Gleichzeitig wird aufgrund der unterschiedlichen Reaktionen auf die TrĂ€ume in Verbindung mit der Figurenskizzierung eine Rezeptionslenkung vorgenommen, mit Hilfe derer die GlaubwĂŒrdigkeit und das Vertrauen in die Worte des Vaters gesteigert werden, wĂ€hrend fĂŒr Helmbrecht eine entgegengesetzte, negative Wirkung erzielt wird; es entsteht eine sich zunehmend vergrĂ¶ĂŸernde Differenz der GlaubwĂŒrdigkeit zwischen den Figuren. Weiterhin steigern die TrĂ€ume die didaktische Relevanz und die moralisierende Lehre des Textes, da diese aufgrund ihrer warnenden Botschaften einen möglichen Wendepunkt innerhalb der ErzĂ€hlung anbieten, den Helmbrecht jedoch nicht wahrnimmt. Ab diesem Zeitpunkt ist das Scheitern Helmbrechts unabdingbar und notwendig; es wird textintern sogar als gottgewollt dargestellt. In den drei Dialogen von Vater und Sohn werden zudem kulturelle, zeitgenössische Thematiken besprochen, wie Verfallsklage und Kritik an VerĂ€nderungsprozessen des Rittertums. Da Literatur „durch historische und kulturelle UmstĂ€nde“ beeinflusst wird, „sind auch Traum- und Visionsberichte stets VerĂ€nderungen unterworfen.“ (Barthel 2019, 13) Die Traumnarrative im Helmbrecht spiegeln die hohe PopularitĂ€t von TrĂ€umen zu dieser Zeit des Mittelalters. Die ErzĂ€hlung nutzt die TrĂ€ume nicht nur als zentrale Motive, sondern zeigt auch, dass Helmbrechts Ignoranz gegenĂŒber den womöglich gottgesandten WarntrĂ€umen falsch ist. HĂ€tte er die Traumbotschaften richtig gedeutet, hĂ€tte er seinen Tod abwenden können. Hierdurch wird das Misstrauen gegenĂŒber TrĂ€umen negiert und ihre Bedeutung in den Vordergrund gerĂŒckt.

Literatur

PrimÀrliteratur

‱ Wernher der GĂ€rtner: Helmbrecht. Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch, hrsg. von Karl-Heinz Göttert. Stuttgart: Reclam 2015 (= Reclams Universal-Bibliothek, 18978).

‱ Wernher der Gartenaere: Helmbrecht. Mittelhochdeutscher Text und Übertragung, hrsg., ĂŒbersetzt und mit einem Anhang versehen von Helmut Brackert, Winfried Frey und Dieter Seitz. Frankfurt/M.: Fischer 1972.

‱ Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. nova 2663, URL: https://onb.digital/result/100277D3

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Forschungsliteratur

‱ Barthel, Mareen: Die Traum- und Visiondarstellungen in der christlichen lateinischen Literatur der Antike und die pagane Tradition. Eine philologische Untersuchung zu den Traumtheorien und Traum- bzw. Visionsberichten bei Tertullian, Laktanz, Ambrosius und Augustinus. Hamburg: Dr. Kovac 2019 (= Altsprachliche Forschungsergebnisse, 13).

‱ Die bewegte Stadt. Migration, soziale MobilitĂ€t und Innovation in vormodernen GroßstĂ€dten, hrsg. von Jörg Oberste und Susanne Ehrich, Schnell & Steiner 2015 (= Forum Mittelalter Studien, 10).

‱ FrĂ€nkel, Ludwig: Wernher der gartnaere. In: Allgemeine Deutsche Biographie 42 (1897), S. 77–80, URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118631551.html#adbcontent (letzter Aufruf: 10.08.2022).

‱ Göttert, Karl Heinz: Nachwort. In: Wernher der GĂ€rtner: Helmbrecht. Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch, hrsg. von Karl-Heinz Göttert. Stuttgart: Reclam 2015 (= Reclams Universal-Bibliothek, 18978), S. 171–183.

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‱ Knapp, Fritz Peter: StandesverrĂ€ter und HeimatverĂ€chter in der bayerisch-österreichischen Literatur des SpĂ€tmittelalters, in: Wernher der GĂ€rtner „Helmbrecht“. Die BeitrĂ€ge des Helmbrecht-Symposions in Burghausen 2001, hrsg. von Theodor Nolte und Tobias Schneider, Stuttgart: S. Hirzel Verlag 2001, S. 9–24.

‱ Menke, Petra: Recht und Ordo-Gedanke im Helmbrecht. Frankfurt am Main: Peter Lang 1993 (= Germanistische Arbeiten zu Sprache und Kulturgeschichte, 24).

‱ Nolte, Theodor: Wernher der GĂ€rtner: Helmbrecht, publiziert am 11.07.2012. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Wernher der GĂ€rtner: Helmbrecht> (26.07.2022).

‱ Oberste, Jörg, Ehrich, Susanne: EinfĂŒhrung. In: Die bewegte Stadt. Migration, soziale MobilitĂ€t und Innovation in vormodernen GroßstĂ€dten, hrsg. von Jörg Oberste und Susanne Ehrich, Schnell & Steiner 2015 (= Forum Mittelalter Studien, 10), S. 7–16.

‱ Schmidt-Hannisa, Hans-Walter: Traum. In: In: Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte, hrsg. von Georg Braungart, Harald Fricke, Klaus GrubmĂŒller u.a., Bd. 1, 3. Aufl. Berlin 2007, S. 676–679.

‱ Seelbach, Ulrich: Kommentar zum „Helmbrecht“ von Wernher dem Gartenaere. Göppingen: KĂŒmmerle 1987 (= Göppinger Arbeiten zur Germanistik, 469).

‱ Sowinski, Bernhard: Helmbrecht der Narr. In: BeitrĂ€ge zur Geschichte der deutschen Sprache, Bd. 90, TĂŒbingen: Niemeyer (1968), S. 223–242. ‱ Spieß, Karl-Heinz: Aufstieg in den Adel und Kriterien der Adelszugehörigkeit im SpĂ€tmittelalter. In: Zwischen Nicht-Adel und Adel, hrsg. von Kurt Andermann und Peter Johanek, Thorbecke 2001 (= VortrĂ€ge und Forschungen, LIII), S. 1–26.

‱ Weber, Gregor: TrĂ€ume und ihre Deutung. KontinuitĂ€ten und Rezeptionen von der Antike zur Renaissance. In: Traum und res publica. Traumkulturen und Deutungen sozialer Wirklichkeiten im Europa von Renaissance und Barock, hrsg. von Peer Schmidt / Gregor Weber. Berlin 2008 (= Colloquia Augustana, 26), S. 27–56.

‱ Wittmer-Butsch, Maria Elisabeth: Zur Bedeutung von Schlaf und Traum im Mittelalter. Diss. Krems 1990 (= Medium Aevum Quotidianum, 1).

‱ Zwischen Nicht-Adel und Adel, hrsg. von Kurt Andermann und Peter Johanek, Thorbecke 2001 (= VortrĂ€ge und Forschungen, LIII).

Anmerkungen

  1. ↑ Nach der idealtypischen, mittelalterlichen Vorstellung ist die hierarchische Gliederung der Gesellschaft von Gott geschaffen, wobei kein Mensch seinen ordo beeinflussen könne. VerĂ€nderungen in dieser Struktur konnten als VerstĂ¶ĂŸe gegen die göttliche Weltordnung gesehen werden. (Menke 1993, 59 f., 101) Im hohen Mittelalter kam es aber zunehmend zu gesellschaftlichen VerĂ€nderungen, die zu Bewegungsprozessen der Bevölkerungsschichten in beide Richtungen (sozialer Auf- und Abstieg) fĂŒhrten. Soziale MobilitĂ€t war im Mittelalter also möglich, sie wurde nur von rechtlichen und sozialen Regeln, dem gesellschaftlichen Umfeld und regionalen Unterschieden bestimmt (Oberste/Ehrich 2015, 8; Spieß 2001, 25). FĂŒr das soziale System der Vormoderne war diese MobilitĂ€t jedoch unverzichtbar (Oberste/Ehrich 2015, 8; mehr zur sozialen MobilitĂ€t in den SammelbĂ€nden „Die bewegte Stadt“ (2015) und „Zwischen Nicht-Adel und Adel“ (2001)). Da es auch Gegenstimmen zur sozialen MobilitĂ€t gab, tauchten seit dem 13. Jahrhundert hĂ€ufig Dichterklagen ĂŒber den Verfall der ordines auf (Menke 1993, 67, 86–88; Haubrichs 1969).
  2. ↑ Der Text wird nach der neuesten Fassung von Karl-Heinz Göttert (2015) zitiert (im Fließtext mit der Sigle H und der entsprechenden Versangabe). Alle Übersetzungen sind jedoch aus der Ă€lteren Fassung von Helmut Brackert, Windfried Frey und Dieter Seitz ĂŒbernommen (1972), da sich die Ă€ltere Übersetzung nĂ€her am Text orientiert.
  3. ↑ Die Geschichten, die auf dem Hut abgebildet sind, stellen ErzĂ€hlungen in der ErzĂ€hlung dar und können als wertende Elemente sowie als weitere Prolepsen verstanden werden. Denn sie zeigen historische Handlungen, die aufgrund des jeweiligen Verhaltens einer Person ein negatives oder positives Exempel bilden, so z.B. das Exempel des vermessenen Paris als Warnung oder das des treuen Eneas als Ermahnung (Seelbach 1987, 27 f.).
  4. ↑ Macrobius (4./5. Jahrhundert) unterteilt TrĂ€ume in prognostische und agnostische, wodurch ein fĂŒnfteiliges Modell entsteht. Die Klasse der agnostischen, unbedeutsamen Gesichte umfasst insomnia (TrĂ€ume mit psychosomatischer Ursache, hervorgerufen durch körperliche Reize oder WĂŒnsche / Sorgen) und visus bzw. phantasmata („nebelhaft undeutliche Erscheinungen, Trugbilder zwischen Tag und Traum“). Die Klasse der prognostischen, bedeutsamen Gesichte beinhaltet die bereits genannten oracula (AnkĂŒndigungen bzw. Anweisungen durch heilige oder autoritative Instanz), visiones („exakte Vorwegnahmen des zukĂŒnftigen Geschehens“) und somnia (SymboltrĂ€ume, die einer Interpretation bedĂŒrfen) (Haubrichs 1979, 245; Macrobius, 2019, III, 2 f.).
  5. ↑ Im Mittelalter warnte z.B. Papst Gregor der Große vor der Einflussnahme des Bösen durch TrĂ€ume, da nur Heilige EmpfĂ€nger göttlicher Botschaften sein könnten und nur diese fĂ€hig wĂ€ren, zwischen einer göttlichen oder teuflisch-dĂ€monischen Herkunft zu unterscheiden (Wittmer-Butsch 1990, 106 f.). Stark rezipiert wurden im Mittelalter auch die Schriften des Aristoteles ĂŒber Schlaf und Traum, in denen ausschließlich Körper und Seele als Entstehungsorte der TrĂ€ume deklariert werden (Weber 2008, 30–32).
  6. ↑ Der Begriff der didaktischen Relevanz findet sich bei Bernhard Sowinski zu anderen Szenenanalysen des Helmbrecht (Sowinski 1968, 230 f.).