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==Traumdarstellung in Bastaris ''Il Sogno di San Giuseppe''==
 
==Traumdarstellung in Bastaris ''Il Sogno di San Giuseppe''==
 
===Werkbeschreibung===
 
===Werkbeschreibung===
''Il Sogno di San Giuseppe'' von Francesco Bastari zeigt den im Matthäus Evangelium beschriebenen Moment, in dem der Engel Gottes in einem Traum zu Josef spricht: »Fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was sie empfangen hat, das ist von dem Heiligen Geist. Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden« (Mt. 1,21-22). Um die drei Ebenen der Erfahrung in einem Bild zu vereinen, zeigt Bastari links unten den schlafenden Josef, oben den Engel, von dem die Offenbarung ausgeht, und rechts Maria, das Objekt des Traums. Interessant ist hier das figurative Vokabular, das der Künstler verwendet, um dem Betrachter zu verstehen zu geben, dass er es mit einer wundersamen, spirituellen, nicht körperlichen Erfahrung zu tun hat.
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''Il Sogno di San Giuseppe'' von Francesco Bastari zeigt den im Matthäusevangelium beschriebenen Moment, in dem der Engel Gottes in einem Traum zu Josef spricht: »Fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was sie empfangen hat, das ist von dem Heiligen Geist. Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden« (Mt. 1,21-22). Um die drei Ebenen der Erfahrung in einem Bild zu vereinen, zeigt Bastari links unten den schlafenden Josef, oben den Engel, von dem die Offenbarung ausgeht, und rechts Maria, das Objekt des Traums. Interessant ist hier das figurative Vokabular, das der Künstler verwendet, um dem Betrachter zu verstehen zu geben, dass er es mit einer wundersamen, spirituellen, nicht körperlichen Erfahrung zu tun hat.
    
===Werkanalyse===
 
===Werkanalyse===
Auf sehr einfache, geradezu offensichtliche Weise trennt Francesco Bastari die göttliche Sphäre von der irdischen, indem er eine Leinwand im Hochformat wählt, die er in zwei Register unterteilt: im oberen Register steht der Engel auf einer himmlischen Wolke, im unteren wird der schlafende Josef auf dem Boden gezeigt. Im ›Cinquecento‹ etabliert sich dieser vertikale Aufbau, der die Zweiteilung in Himmel und Erde verdeutlicht – welche auf die in den theologischen Texten dargestellte Zweiteilung von Körper und Geist verweist. Diese »Ritualisierung« der Morphologie des Werkes erlaubt es den Gläubigen, mit einem Blick die wundersame Natur des Ereignisses zu erkennen, dessen Zeuge sie werden (Cassegrain 2017, S. 87).
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Auf sehr einfache, geradezu offensichtliche Weise trennt Francesco Bastari die göttliche Sphäre von der irdischen, indem er eine Leinwand im Hochformat wählt, die er in zwei Register unterteilt: im oberen Register steht der Engel auf einer himmlischen Wolke, im unteren wird der schlafende Josef auf dem Boden gezeigt. Im 16. Jahrhundert etabliert sich dieser vertikale Aufbau, der die Zweiteilung in Himmel und Erde verdeutlicht – welche auf die in den theologischen Texten dargestellte Zweiteilung von Körper und Geist verweist. Diese »Ritualisierung« der Morphologie des Werkes erlaubt es den Gläubigen, mit einem Blick die wundersame Natur des Ereignisses zu erkennen, dessen Zeuge sie werden (Cassegrain 2017, 87).
    
Ein weiteres Schlüsselelement für das ikonographische Verständnis ist das Motiv der Wolke, da diese das göttliche Erscheinen verbildlicht. In seinem Buch ''Theorie der Wolke. Für eine Geschichte der Malerei'' erklärt Hubert Damisch, dass das Motiv der Wolke seit der frühesten Neuzeit in der Malerei verwendet wird, um die aus der byzantinischen Tradition übernommenen Goldhintergründe zu ersetzen und dem Betrachter die übernatürliche Natur des darin repräsentierten Wesens oder Objekts zu signalisieren:
 
Ein weiteres Schlüsselelement für das ikonographische Verständnis ist das Motiv der Wolke, da diese das göttliche Erscheinen verbildlicht. In seinem Buch ''Theorie der Wolke. Für eine Geschichte der Malerei'' erklärt Hubert Damisch, dass das Motiv der Wolke seit der frühesten Neuzeit in der Malerei verwendet wird, um die aus der byzantinischen Tradition übernommenen Goldhintergründe zu ersetzen und dem Betrachter die übernatürliche Natur des darin repräsentierten Wesens oder Objekts zu signalisieren:
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: <span style="color: #7b879e;">Nicht nur entzieht die ''Wolke ''die, die sie trägt, den Gesetzen der Schwere, sondern sie manifestiert auch die Öffnung des profanen Raums auf einen ''anderen'', der ihm seine Wahrheit gibt […] Die Wolke wird, allgemeiner, regelmäßig mit dem Einbruch des ''Anderen'', des ''Heiligen'', assoziiert (2013, S. 68f.).</span>
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: <span style="color: #7b879e;">Nicht nur entzieht die ''Wolke'' die, die sie trägt, den Gesetzen der Schwere, sondern sie manifestiert auch die Öffnung des profanen Raums auf einen ''anderen'', der ihm seine Wahrheit gibt […] Die Wolke wird, allgemeiner, regelmäßig mit dem Einbruch des ''Anderen'', des ''Heiligen'', assoziiert (Damisch 2013, 68 f.).</span>
 
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Doch die Wolke weist nicht nur auf die göttliche Natur des Dargestellten hin, sondern zeugt darüber hinaus auch von der räumlichen Heterogenität dieses Austauschs, in dessen Verlauf sich Himmlisches und Irdisches nicht berühren. So trennt der Maler auf der Leinwand die Konzepte von Sichtbarkeit und Präsenz und erlaubt es dem Betrachter, die irdische und himmlische Welt gleichzeitig visuell wahrzunehmen.
 
Doch die Wolke weist nicht nur auf die göttliche Natur des Dargestellten hin, sondern zeugt darüber hinaus auch von der räumlichen Heterogenität dieses Austauschs, in dessen Verlauf sich Himmlisches und Irdisches nicht berühren. So trennt der Maler auf der Leinwand die Konzepte von Sichtbarkeit und Präsenz und erlaubt es dem Betrachter, die irdische und himmlische Welt gleichzeitig visuell wahrzunehmen.
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In den schriftlichen Quellen wird das Konzept der Präsenz durch das Prisma der Sinneswahrnehmung erfasst: Diese ist entweder äußerlich, wenn sich das manifestierte Objekt selbst gegenwärtig macht, oder sie ist innerlich und spricht daher nur den Verstand an, was dem nahekommt, was Victor Stoïchita zu Recht eine »telepathische Erfahrung« (2017, S. 153-173) nennt. In letzterem Fall, der auch den Traum betrifft, wird die Offenbarung von einer vollständigen Abstraktion der Sinne des Schlafenden begleitet, wie es der heilige Thomas von Aquin nennt, die mit der eigentlichen Abwesenheit des gesehenen Wesens einhergeht. Er plädiert für »ein Empfangen auf dem Wege der Einbildungskraft, wenn nämlich im Geist des Propheten durch göttliches Wirken Bilder der Dinge geformt werden« (Aquino 1952, Frage XII, S. 326). Für Augustinus wiederum zeichnet sich die zweite Ebene des Sehens, die geistige, gerade dadurch aus, dass sie »in Abwesenheit der Objekte« stattfindet (1964, Bd. 2, Kap. IX, S. 22; Lagouanière 2007).
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In den schriftlichen Quellen wird das Konzept der Präsenz durch das Prisma der Sinneswahrnehmung erfasst: Diese ist entweder äußerlich, wenn sich das manifestierte Objekt selbst gegenwärtig macht, oder sie ist innerlich und spricht daher nur den Verstand an, was dem nahekommt, was Victor Stoïchita zu Recht eine »telepathische Erfahrung« (Stoïchita 2017, 153-173) nennt. In letzterem Fall, der auch den Traum betrifft, wird die Offenbarung von einer vollständigen Abstraktion der Sinne des Schlafenden begleitet, wie es der heilige Thomas von Aquin (1225-1274) nennt, die mit der eigentlichen Abwesenheit des gesehenen Wesens einhergeht. Er plädiert für »ein Empfangen auf dem Wege der Einbildungskraft, wenn nämlich im Geist des Propheten durch göttliches Wirken Bilder der Dinge geformt werden« (Aquino 1952, Frage XII, 326). Für Augustinus wiederum zeichnet sich die zweite Ebene des Sehens, die geistige, gerade dadurch aus, dass sie »in Abwesenheit der Objekte« stattfindet (1964, Bd. 2, Kap. IX, 22; Lagouanière 2007, Seit 2018).
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Auf dem Gemälde von Francesco Bastari repräsentiert die Gestalt der Jungfrau Maria das Bild, das im Kopf von Joseph entsteht. Gleichzeitig verdeutlicht der zu Josef gewandte Kopf des Engels die geistige Natur des Austausches, während die Geste seiner rechten Hand auf die Jungfrau als Objekt der Botschaft Gottes verweist. Die Jungfrau ist also nicht wirklich da, sie ist jenes »Bild der Dinge«, von dem Thomas von Aquin spricht, ein Bild von Maria, wie sie in Josephs Geist durch den Engel geformt und durch das Gemälde sichtbar gemacht wird. Wenn Joseph in diesem Traum die Prophezeiung sieht und hört, so geschieht dies nicht durch seine äußeren Organe, sondern durch eine innere Sensorik. Diese innere Sinnlichkeit, oder Sinnlichkeit des »inneren Menschen«, wie es der heilige Augustinus nennt (1964, Bd. 2), bringt eine Zweiteilung von Körper und Geist zum Vorschein, die Francesco Bastari dem Betrachter dank der Wolke zu verdeutlichen vermag. Dabei gelingt es dem Maler, auf der Leinwand eine Unterscheidung zwischen dem Sichtbar-Anwesenden und dem Sichtbar-Abwesenden zu etablieren.
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Auf dem Gemälde von Francesco Bastari repräsentiert die Gestalt der Jungfrau Maria das Bild, das im Kopf von Joseph entsteht. Gleichzeitig verdeutlicht der zu Josef gewandte Kopf des Engels die geistige Natur des Austausches, während die Geste seiner rechten Hand auf die Jungfrau als Objekt der Botschaft Gottes verweist. Die Jungfrau ist also nicht wirklich da, sie ist jenes »Bild der Dinge«, von dem Thomas von Aquin spricht, ein Bild von Maria, wie sie in Josephs Geist durch den Engel geformt und durch das Gemälde sichtbar gemacht wird. Wenn Joseph in diesem Traum die Prophezeiung sieht und hört, so geschieht dies nicht durch seine äußeren Organe, sondern durch eine innere Sensorik. Diese innere Sinnlichkeit, oder Sinnlichkeit des »inneren Menschen«, wie es der heilige Augustinus nennt (Augustinus 1964, Bd. 2), bringt eine Zweiteilung von Körper und Geist zum Vorschein, die Francesco Bastari dem Betrachter dank der Wolke zu verdeutlichen vermag. Dabei gelingt es dem Maler, auf der Leinwand eine Unterscheidung zwischen dem Sichtbar-Anwesenden und dem Sichtbar-Abwesenden zu etablieren.
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Den Traum darzustellen bedeutet, das herauszustellen, was Guillaume Cassegrain »das Aufkommen des Sichtbaren« (2017, S. 29) nennt: Die bildlichen Werke versetzen den Betrachtenden in die Präsenz des Göttlichen. Der Künstler ermöglicht es den Betrachtern, das zu sehen, was sie selbst nicht sehen könnten, nämlich ein Bild, das nur im Kopf des Träumenden existiert. Der Blick des Betrachters, der sich der Leinwand zuwendet, geht ganz natürlich in einer aufsteigenden Bewegung vom irdischen zum himmlischen Register über: Der Vorgang des Betrachtens wird so zur sinnbildlichen Präambel der geistigen Erhebung.
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Den Traum darzustellen bedeutet, das herauszustellen, was Guillaume Cassegrain »das Aufkommen des Sichtbaren« (Cassegrain 2017, 29) nennt: Die bildlichen Werke versetzen den Betrachtenden in die Präsenz des Göttlichen. Der Künstler ermöglicht es den Betrachtern, das zu sehen, was sie selbst nicht sehen könnten, nämlich ein Bild, das nur im Kopf des Träumenden existiert. Der Blick des Betrachters, der sich der Leinwand zuwendet, geht ganz natürlich in einer aufsteigenden Bewegung vom irdischen zum himmlischen Register über: Der Vorgang des Betrachtens wird so zur sinnbildlichen Präambel der geistigen Erhebung.
     

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