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Das gut vier Seiten umfassende Schlusskapitel von ''La Tregua'' (Levi 2014, 197-201) setzt sich in mehrfacher Hinsicht mit der Shoah als individuellem und kollektivem Trauma auseinander. Zum einen wird, Bezug nehmend auf den Titel des Werkes, die Rückkehr als ein Aufschub, eine Atempause zwischen Lagerterror und Normalität charakterisiert. Zum anderen durchquert das autobiographische Ich hier das Land der Täter: In Deutschland stellen sich die grundsätzlichen Fragen, wer in welchem Maße von den Verbrechen Kenntnis hatte, wie sich das Erlebte vermitteln, welcher Umgang sich zwischen Tätern und Opfern finden lässt (Cannon 2001, 9). Zugleich rückt die Ankunft in der Heimat in unmittelbare Nähe – und damit auch die Angst in den Vordergrund, die sämtliche KZ-Häftlinge in ihren Träumen umgetrieben hatte: dass Haus und Familie verschwunden sein könnten, die Sehnsucht nach einer Welt jenseits des Lagers und einer Fortführung des früheren Lebens also keine Erfüllung findet. Dem Alptraumbericht, der das Ende des Kapitels und damit des gesamten Buches darstellt, geht die einigermaßen geglückte Eingliederung des Erzählers in den Familienalltag voraus: Das erzählende Ich berichtet von „amici pieni di vita“ [Freunde voller Leben, Levi 2014, 200), dem Einfinden am Tisch der Familie, befriedigenden Alltagsarbeiten und der befreienden Freude des Erzählens. Dennoch wird das abendliche Zubettgehen als sich stetig wiederholender Moment des Schreckens erlebt. Auch in die Bewegungen des Körpers hat sich das Trauma eingeschrieben: Der Erzähler bewegt sich noch immer mit zum Boden gesenktem Kopf vorwärts, als suche er nach etwas Essbarem, mit dem sich der Tod für einen Moment aufschieben lässt. An diese Selbstbeobachtung schließt sich der eigentliche Traumbericht an.
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Das gut vier Seiten umfassende Schlusskapitel von ''La Tregua'' (Levi 2014, 197-201) setzt sich in mehrfacher Hinsicht mit der Shoah als individuellem und kollektivem Trauma auseinander. Zum einen wird, Bezug nehmend auf den Titel des Werkes, die Rückkehr als ein Aufschub, eine Atempause zwischen Lagerterror und Normalität charakterisiert. Zum anderen durchquert das autobiographische Ich hier das Land der Täter: In Deutschland stellen sich die grundsätzlichen Fragen, wer in welchem Maße von den Verbrechen Kenntnis hatte, wie sich das Erlebte vermitteln, welcher Umgang sich zwischen Tätern und Opfern finden lässt (Cannon 2001, 9). Zugleich rückt die Ankunft in der Heimat in unmittelbare Nähe – und damit auch die Angst in den Vordergrund, die sämtliche KZ-Häftlinge in ihren Träumen umgetrieben hatte: dass Haus und Familie verschwunden sein könnten, die Sehnsucht nach einer Welt jenseits des Lagers und einer Fortführung des früheren Lebens also keine Erfüllung findet. Dem Alptraumbericht, der das Ende des Kapitels und damit des gesamten Buches darstellt, geht die einigermaßen geglückte Eingliederung des Erzählers in den Familienalltag voraus: Das erzählende Ich berichtet von „amici pieni di vita“ [Freunde voller Leben], Levi 2014, 200), dem Einfinden am Tisch der Familie, befriedigenden Alltagsarbeiten und der befreienden Freude des Erzählens. Dennoch wird das abendliche Zubettgehen als sich stetig wiederholender Moment des Schreckens erlebt. Auch in die Bewegungen des Körpers hat sich das Trauma eingeschrieben: Der Erzähler bewegt sich noch immer mit zum Boden gesenktem Kopf vorwärts, als suche er nach etwas Essbarem, mit dem sich der Tod für einen Moment aufschieben lässt. An diese Selbstbeobachtung schließt sich der eigentliche Traumbericht an.
     
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