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==Die Träume==
 
==Die Träume==
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Traumerzählungen, traumhaft-halluzinatorische Episoden und alptraumartige Wahrnehmungen der Protagonistin Maria stellen ein durchgehendes Erzählprinzip des Romans dar. Regelmäßig erscheinen der Hauptfigur im Traum oder in Visionen die im Konzentrationslager ermordeten Eltern und eine weitere geliebte Figur (BS 10, 47, 158, 204 u.a.). Diese wird in der nur spärlich vorhandenen Forschung aufgrund einer (oft unreflektiert erfolgenden) autobiographischen Deutung des Romans meist als Ehemann identifiziert (z.B. Friedemann 2007, 124), auch wenn der Text selbst diesbezüglich nicht eindeutig ist und vieles für den Bruder spricht. Zentrale Themen solcher Träume sind das eigene Schuldgefühl, als einzige die Shoah überlebt zu haben, aber auch der Vorwurf des erzählenden Ich an die Angehörigen, von ihnen verlassen worden zu sein. In weiteren Alp- und Fieberträumen (BS 52, 65, 66) bricht die Vergangenheit in die Gegenwart der Erzählerin ein. Wichtige Motive sind etwa Gebäude, in denen Menschen und Tiere verbrennen (BS 51), die Folter eines Babys durch die Gestapo (BS 110) oder das Foto eines deportierten Kindes, das helfen soll, die Bedrohung durch deutsche Soldaten abzuwenden (BS 36, 37). Die erzählten Träume sind selten eindeutig als solche markiert. Jedoch werden sie zumeist gerahmt, etwa durch die Situation des Einschlafens (BS 36), eine nachträgliche Fieberdiagnose (BS 67) oder den Anbruch eines neuen Tages (BS 85). Auch der Bericht von zunehmender Müdigkeit oder die direkte Verbindung mit Tagesresten aus zuvor erzählten Episoden (BS 37) legen es nahe, bestimmte Passagen als Träume zu lesen. Die Protagonistin selbst hat allerdings aufgehört, zwischen Wirklichkeit und Imagination zu unterscheiden: „il y a longtemps que je ne distingue plus entre ce que j’imagine et ce que je fais“ (BS 13). Auch die Wachwelt der Hauptfigur ist daher von einer traumhaften, halluzinatorischen Wahrnehmung geprägt. Damit geht ein grundsätzlicher Zweifel an der Realität bzw. der Eindruck einer Entwirklichung der eigenen Existenz einher. Beispielhaft präsentiert werden im Folgenden ein nächtlicher Alptraum und demgegenüber eine Situation, in der die Wirklichkeit als traumhaft erlebt wird.
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Traumerzählungen, traumhaft-halluzinatorische Episoden und alptraumartige Wahrnehmungen der Protagonistin Maria stellen ein durchgehendes Erzählprinzip des Romans dar. Regelmäßig erscheinen der Hauptfigur im Traum oder in Visionen die im Konzentrationslager ermordeten Eltern und eine weitere geliebte Figur (BS 10, 47, 158, 204 u.a.). Diese wird in der nur spärlich vorhandenen Forschung aufgrund einer (oft unreflektiert erfolgenden) autobiographischen Deutung des Romans meist als Ehemann identifiziert (z.B. Friedemann 2007, 124), auch wenn der Text selbst diesbezüglich nicht eindeutig ist und vieles für den Bruder spricht.  
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Zentrale Themen solcher Träume sind das eigene Schuldgefühl, als einzige die Shoah überlebt zu haben, aber auch der Vorwurf des erzählenden Ich an die Angehörigen, von ihnen verlassen worden zu sein. In weiteren Alp- und Fieberträumen (BS 52, 65, 66) bricht die Vergangenheit in die Gegenwart der Erzählerin ein. Wichtige Motive sind etwa Gebäude, in denen Menschen und Tiere verbrennen (BS 51), die Folter eines Babys durch die Gestapo (BS 110) oder das Foto eines deportierten Kindes, das helfen soll, die Bedrohung durch deutsche Soldaten abzuwenden (BS 36, 37). Die erzählten Träume sind selten eindeutig als solche markiert. Jedoch werden sie zumeist gerahmt, etwa durch die Situation des Einschlafens (BS 36), eine nachträgliche Fieberdiagnose (BS 67) oder den Anbruch eines neuen Tages (BS 85). Auch der Bericht von zunehmender Müdigkeit oder die direkte Verbindung mit Tagesresten aus zuvor erzählten Episoden (BS 37) legen es nahe, bestimmte Passagen als Träume zu lesen. Die Protagonistin selbst hat allerdings aufgehört, zwischen Wirklichkeit und Imagination zu unterscheiden: „il y a longtemps que je ne distingue plus entre ce que j’imagine et ce que je fais“ (BS 13). Auch die Wachwelt der Hauptfigur ist daher von einer traumhaften, halluzinatorischen Wahrnehmung geprägt. Damit geht ein grundsätzlicher Zweifel an der Realität bzw. der Eindruck einer Entwirklichung der eigenen Existenz einher. Beispielhaft präsentiert werden im Folgenden ein nächtlicher Alptraum und eine Situation, in der die Wirklichkeit als traumhaft erlebt wird.
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====Situierung====
 
====Situierung====
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Der knapp fünfseitige Traum wird im ersten Drittel des Romans erzählt (BS 62-64) und schließt direkt an einen Ausflug der Hauptfigur mit ihrem neuen Bekannten an. Diese Fahrt ins Grüne ist die bisher einzige Episode, in der die Protagonistin ihr Leben für einen kurzen Moment nicht als Qual erlebt hat. Die Ich-Erzählerin kehrt erschöpft nach Hause zurück, legt sich angekleidet ins Bett und nimmt im Übergang zwischen Wachzustand und Schlaf eigenartige Körpersymptome und sich merkwürdig verschiebende Objekte in ihrer Umgebung wahr: Der Klang aus dem Bett fallender Schuhe dröhnt schmerzlich im Kopf, der Leib zittert trotz der Sommerhitze, im Kiefer haben sich zu viele Zähne ausgebreitet, die Glühbirne im Zimmer verwandelt sich in eine schrille Feuerglocke. Der Mann, der plötzlich an ihrer Bettkante sitzt und von dem der nun einsetzende Traum handelt, entpuppt sich während des späteren Aufwachens als Arzt, der eine schwere Erkrankung seiner Patientin feststellt. Als die Erzählerin vollständig erwacht ist, hat sich die Gestalt des Arztes in diejenige ihres Bekannten verwandelt, der sie darüber aufklärt, wie lange sie geschlafen hat (BS 67).
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Der knapp fünfseitige <!-- dreiseitige?? -->Traum wird im ersten Drittel des Romans erzählt (BS 62-64) und schließt direkt an einen Ausflug der Hauptfigur mit ihrem neuen Bekannten an. Diese Fahrt ins Grüne ist die bisher einzige Episode, in der die Protagonistin ihr Leben für einen kurzen Moment nicht als Qual erlebt hat. Die Ich-Erzählerin kehrt erschöpft nach Hause zurück, legt sich angekleidet ins Bett und nimmt im Übergang zwischen Wachzustand und Schlaf eigenartige Körpersymptome und sich merkwürdig verschiebende Objekte in ihrer Umgebung wahr: Der Klang aus dem Bett fallender Schuhe dröhnt schmerzlich im Kopf, der Leib zittert trotz der Sommerhitze, im Kiefer haben sich zu viele Zähne ausgebreitet, die Glühbirne im Zimmer verwandelt sich in eine schrille Feuerglocke. Der Mann, der plötzlich an ihrer Bettkante sitzt und von dem der nun einsetzende Traum handelt, entpuppt sich während des späteren Aufwachens als Arzt, der eine schwere Erkrankung seiner Patientin feststellt. Als die Erzählerin vollständig erwacht ist, hat sich die Gestalt des Arztes in diejenige ihres Bekannten verwandelt, der sie darüber aufklärt, wie lange sie geschlafen hat (BS 67).
     

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