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==Film==
 
==Film==
Der zentrale Unterschied zu Borcherts Theaterstück – das im Februar 1947 zunächst als Hörspiel im Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR) gesendet und dann von Liebeneiner im November des gleichen Jahres in Hamburg uraufgeführt wurde, nur wenige Stunden, nachdem der gerade 26-jährige Borchert in einem Krankenhaus in Basel gestorben war (vgl. Calzoni 2013, 210) – dürfte in der Hinzufügung der "gleichwertigen Geschichte einer jungen Kriegswitwe mit gleichen Selbstmordabsichten" (Weckel 2003, 153) bestehen.
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Der zentrale Unterschied zu Borcherts Theaterstück – das im Februar 1947 zunächst als Hörspiel im Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR) gesendet und dann von Liebeneiner im November des gleichen Jahres in Hamburg uraufgeführt wurde, nur wenige Stunden, nachdem der gerade 26-jährige Borchert in einem Krankenhaus in Basel gestorben war (vgl. Calzoni 2013, 210) – besteht in der Hinzufügung der "gleichwertigen Geschichte einer jungen Kriegswitwe mit gleichen Selbstmordabsichten" (Weckel 2003, 153).
    
===Anna und Beckmann===
 
===Anna und Beckmann===
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Zum Beerdigungsunternehmer tritt "Gott" (in Gestalt eines alten Geistlichen); gemeinsam beobachtet das ungleiche Paar eine 'Hochzeit' (00:11:30), zu der sich ein junger Mann und ein "Mädchen" auf dem Steg einfinden: Der gerade vor drei Tagen aus Russland nach Hamburg zurückgekehrte Fritz Beckmann – in zerlumpten Uniformfetzen und mit Gasmaskenbrille als ein gespenstisches Fragment des vergangenen Krieges – möchte sich im kalten Wasser das Leben nehmen, als er auf die Kriegswitwe Anna Gehrke trifft, die es aus gleichem Grund an die Landungsbrücken verschlagen hat.
 
Zum Beerdigungsunternehmer tritt "Gott" (in Gestalt eines alten Geistlichen); gemeinsam beobachtet das ungleiche Paar eine 'Hochzeit' (00:11:30), zu der sich ein junger Mann und ein "Mädchen" auf dem Steg einfinden: Der gerade vor drei Tagen aus Russland nach Hamburg zurückgekehrte Fritz Beckmann – in zerlumpten Uniformfetzen und mit Gasmaskenbrille als ein gespenstisches Fragment des vergangenen Krieges – möchte sich im kalten Wasser das Leben nehmen, als er auf die Kriegswitwe Anna Gehrke trifft, die es aus gleichem Grund an die Landungsbrücken verschlagen hat.
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In mehreren Rückblenden erzählt sie – immer wieder aus dem Off zu hören – ihr Schicksal: Nachdem ihr Mann Jürgen, mit einer gewissen Begeisterung in Hitlers Krieg gezogen, im Kaukasus gefallen ist, und der Krieg in den letzten Monaten auch immer näher nach Deutschland gerückt ist, beginnt für Anna eine leidvolle Fluchtgeschichte, in deren Verlauf sie ihre Tochter Monika bei einem traumatischen Unglück verliert (00:37:56). In den Wirren der Kriegszeit und den Unordnungen des Nachkriegs als "Objekt" (00:47:21) und "Arbeitstier" (00:56:10) ausgenutzt, hat sie inzwischen alles verloren, inklusive des Lebenswillens.
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In mehreren Rückblenden erzählt sie – immer wieder aus dem Off zu hören – ihr Schicksal: Nachdem ihr Mann Jürgen, der mit einer gewissen Begeisterung in Hitlers Krieg gezogen war, im Kaukasus gefallen ist, und der Krieg in den letzten Monaten auch immer näher nach Deutschland rückte, begann für Anna eine leidvolle Fluchtgeschichte, in deren Verlauf ihre Tochter Monika bei einem traumatischen Unglück starb (00:37:56). In den Wirren der Kriegszeit und den Unordnungen des Nachkriegs als "Objekt" (00:47:21) und "Arbeitstier" (00:56:10) ausgenutzt, hat sie inzwischen alles verloren, inklusive des Lebenswillens.
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Anna ist in ihrem Leiden damit dem Beckmann aus Borcherts Theaterstück nun als gleichberechtigtes Äquivalent gegenübergestellt, wenn auch mit unterschiedlichen Erfahrungen und einer anderen Perspektive: Nicht nur der männliche Kriegsheimkehrer findet sich in der Trümmerwüste der Großstadt nicht mehr zurecht, hat seine Kniescheibe (im Gefecht), seine Ehefrau Lisa (an einen jüngeren Mann) und seinen Sohn Andreas (bei den alliierten Bombenangriffen) verloren, sondern auch die zu Hause gebliebene Frau hat unter dem Krieg gelitten, ist auf ihre Art 'versehrt'. Anna klagt in ihren rückblickenden Erzählungen ebenso jene Männer an, die in den Krieg gezogen sind und so ihre Frauen zurückgelassen haben, wie auch die Nachkriegsgewinnler, die nun die Schwäche der Frauen ausnutzen und diese in die (symbolische wie tatsächliche) Prostitution drängen (vgl. Baer 2012, 85): "Die Welt wird von Männern regiert, und so sieht sie auch aus." (00:21:07)
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Anna ist in ihrem Leiden damit dem Beckmann aus Borcherts Theaterstück als gleichberechtigtes Äquivalent gegenübergestellt, wenn auch mit unterschiedlichen Erfahrungen und einer anderen Perspektive. Nicht nur der männliche Kriegsheimkehrer findet sich in der Trümmerwüste der Großstadt nicht mehr zurecht, hat seine Kniescheibe (im Gefecht), seine Ehefrau Lisa (an einen jüngeren Mann) und seinen Sohn Andreas (bei den alliierten Bombenangriffen) verloren, sondern auch die zu Hause gebliebene Frau hat unter dem Krieg gelitten, ist auf ihre Art 'versehrt'. Anna klagt in ihren rückblickenden Erzählungen ebenso jene Männer an, die in den Krieg gezogen sind und so ihre Frauen zurückgelassen haben, wie auch die Nachkriegsgewinnler, die nun die Schwäche der Frauen ausnutzen und diese in die (symbolische wie tatsächliche) Prostitution drängen (vgl. Baer 2012, 85): "Die Welt wird von Männern regiert, und so sieht sie auch aus" (00:21:07).
 
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Tatsächlich entsteht so gerade keine "Opferkonkurrenz" (Weckel 2003, 153), denn während Anna nicht mehr will, kann Beckmann nicht mehr (vgl. 00:21:52). Stärker noch als Annas Nacherzählung gleichen seine Rückblicke einem klassischen Stationendrama, das ihn aus Russland zunächst nach Berlin-Zehlendorf geführt hat. Dort sucht er seinen früheren Oberst auf, der offenbar nicht in russischer Kriegsgefangenschaft war, sondern gerade mit seiner Familie beim opulenten Abendessen sitzt, und der dem Unteroffizier Beckmann einst das Kommando für eine Erkundung gegeben hat, von der elf Kameraden dann nicht wieder zurückgekehrt sind. Der Heimkehrer beschwert sich beim Oberst, damals von ihm diese Verantwortung über die Soldaten bekommen zu haben – schließlich könne er nun nicht mehr ruhig schlafen, sei einfach müde und wolle in Ruhe "richtig tief pennen" (01:09:22).
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Tatsächlich entsteht so gerade keine "Opferkonkurrenz" (Weckel 2003, 153), denn während Anna nicht mehr will, kann Beckmann nicht mehr (vgl. 00:21:52). Stärker noch als Annas Nacherzählung gleichen seine Rückblicke einem klassischen Stationendrama, das ihn aus Russland zunächst nach Berlin-Zehlendorf geführt hat. Dort sucht er seinen früheren Oberst auf, der offensichtlich nicht in russischer Kriegsgefangenschaft war, sondern gerade mit seiner Familie beim opulenten Abendessen sitzt. Einst hatte er dem Unteroffizier Beckmann das Kommando für eine Erkundung gegeben, von der elf Kameraden nicht wieder zurückgekehrt sind. Der Heimkehrer beschwert sich beim Oberst, damals von ihm diese Verantwortung über die Soldaten bekommen zu haben – schließlich könne er nun nicht mehr schlafen, sei einfach müde und wolle in Ruhe "richtig tief pennen" (01:09:22).
    
==Träume==
 
==Träume==

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