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“I almost wish I would dream the same dream again, so that I could get inside and see what the house is like.“ (MD 17)
 
“I almost wish I would dream the same dream again, so that I could get inside and see what the house is like.“ (MD 17)
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Storr greift mit der Vorstellung eines wiederkehrenden Traums die schon im 17. Jahrhundert von Blaise Pascal (1623-1662) artikulierte und auch von anderen kinderliterarischen Autor:innen wie etwa Paul Maar verwendete Idee eines Traums, der jede Nacht aufs neue geträumt werden kann auf.1 Ästhetisiert wird demnach ein serielles Träumen, das es der Figur erlaubt, das tagsüber gezeichnete Traumsetting nachts zu erkunden. Die Verschränkung der beiden Bewusstseinszustände wird Marianne immer schneller bewusst. Interessanterweise besitzt Marianne die mit luzidem Träumen üblicherweise verbundenen Fähigkeiten nur während ihrer wachen künstlerischen Aktivitäten. In ihren Träumen hat sie keinen Einfluss auf das Traumsetting, die erträumten Figuren oder Begebenheiten, sodass sie die mit ihrer unbenannten Krankheit verbundene Passivität auch in ihren seriellen Träumen erlebt. Mit dieser Konstellation lenkt Storr den Fokus auf die Zustände der Ungewissheit und der Einsamkeit, die sowohl das Onirische als auch das Pathologische betreffen.
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Storr greift mit der Vorstellung eines wiederkehrenden Traums die schon im 17. Jahrhundert von Blaise Pascal (1623-1662) artikulierte und auch von anderen kinderliterarischen Autor:innen wie etwa Paul Maar verwendete Idee eines Traums, der jede Nacht aufs neue geträumt werden kann auf. <ref>Als Widmung zu Lippels Traum zitiert Paul Maar Pascal wie folgt: „Wenn ein Handwerker sicher sein könnte, jede Nacht zwölf Stunden lang zu träumen, er sei König, so wäre er ebenso glücklich wie ein König, der jede Nacht zwölf Stunden lang träumte, er sei ein Handwerker.“ Pascal nach Maar 1984.</ref> Ästhetisiert wird demnach ein serielles Träumen, das es der Figur erlaubt, das tagsüber gezeichnete Traumsetting nachts zu erkunden. Die Verschränkung der beiden Bewusstseinszustände wird Marianne immer schneller bewusst. Interessanterweise besitzt Marianne die mit luzidem Träumen üblicherweise verbundenen Fähigkeiten nur während ihrer wachen künstlerischen Aktivitäten. In ihren Träumen hat sie keinen Einfluss auf das Traumsetting, die erträumten Figuren oder Begebenheiten, sodass sie die mit ihrer unbenannten Krankheit verbundene Passivität auch in ihren seriellen Träumen erlebt. Mit dieser Konstellation lenkt Storr den Fokus auf die Zustände der Ungewissheit und der Einsamkeit, die sowohl das Onirische als auch das Pathologische betreffen.
    
Da die Verbindung von Zeichnung und Traumsetting bzw. Zeichnen und Träumen auf die Künstlichkeit literarischer (Traum-)Erzählungen übertragbar sind, kommt in der künstlerischen Aktivität auch eine Selbstreferenzialität zum Ausdruck. Enggeführt werden auf diese Weise die Figuren des Kindes, des/der Künstler:in und Erkrankten. Mariannes Motivation für das tägliche Zeichnen oszilliert zwischen Pragmatismus, um das Traumsetting angenehmer zu gestalten und ästhetischem Spiel, das im Sinne eines freien Assoziierens dem Bild auch die im Wachen unterdrückten, unerwünschten Gefühle einschreibt. So finden die vielfältigen, etwa im Gespräch mit ihrer Hauslehrerin demonstrativ verschwiegenen Gefühlsregungen im Zuge der stetigen Überarbeitung und Erweiterung einen Weg in ihre Zeichnung und folglich auch in ihre Träume. Hier wird sie mit den Auswirkungen dieser Regungen konfrontiert, wenn sie z. B. bemerkt, dass die um das Haus stehenden Steine plötzlich Augen aufweisen und eine bedrohliche Aura ausstrahlen. Eine dramatische Zuspitzung erfährt die Wechselwirkung zwischen täglicher künstlerischer Betätigung und nächtlicher Erkundung der Zeichnung durch den Umstand, dass sie dasjenige, was sie mit dem magischen Bleistift zeichnet, nicht ausradieren bzw. ungeschehen machen kann. Die auf diese Weise kreierte logische Struktur wird immer wieder brüchig, etwa wenn Marianne tagsüber im Zwiegespräch mit verschiedenen Persönlichkeitsanteilen ihrer selbst darüber sinniert, ob der von ihr gezeichnete und sich als ein weiterer Patient bzw. Schüler ihrer Hauslehrerin entpuppende Junge mit Namen Mark, sich auch an diesem Ort aufhält, wenn sie wach ist, oder er sie darum bittet, in ihrem Traum mit dem magischen Stift zeichnen und somit Einfluss auf das Traumsetting nehmen zu dürfen. Zentral ist demnach die Frage nach der Bedeutung von Träumen und der Auswirkung von Traumhandlungen auf das wache Leben. Abgesehen von existenzial-philosophischen Fragen gelangen auch intertextuelle Verweise zu Darstellung, lässt sich doch Marks Äußerung:
 
Da die Verbindung von Zeichnung und Traumsetting bzw. Zeichnen und Träumen auf die Künstlichkeit literarischer (Traum-)Erzählungen übertragbar sind, kommt in der künstlerischen Aktivität auch eine Selbstreferenzialität zum Ausdruck. Enggeführt werden auf diese Weise die Figuren des Kindes, des/der Künstler:in und Erkrankten. Mariannes Motivation für das tägliche Zeichnen oszilliert zwischen Pragmatismus, um das Traumsetting angenehmer zu gestalten und ästhetischem Spiel, das im Sinne eines freien Assoziierens dem Bild auch die im Wachen unterdrückten, unerwünschten Gefühle einschreibt. So finden die vielfältigen, etwa im Gespräch mit ihrer Hauslehrerin demonstrativ verschwiegenen Gefühlsregungen im Zuge der stetigen Überarbeitung und Erweiterung einen Weg in ihre Zeichnung und folglich auch in ihre Träume. Hier wird sie mit den Auswirkungen dieser Regungen konfrontiert, wenn sie z. B. bemerkt, dass die um das Haus stehenden Steine plötzlich Augen aufweisen und eine bedrohliche Aura ausstrahlen. Eine dramatische Zuspitzung erfährt die Wechselwirkung zwischen täglicher künstlerischer Betätigung und nächtlicher Erkundung der Zeichnung durch den Umstand, dass sie dasjenige, was sie mit dem magischen Bleistift zeichnet, nicht ausradieren bzw. ungeschehen machen kann. Die auf diese Weise kreierte logische Struktur wird immer wieder brüchig, etwa wenn Marianne tagsüber im Zwiegespräch mit verschiedenen Persönlichkeitsanteilen ihrer selbst darüber sinniert, ob der von ihr gezeichnete und sich als ein weiterer Patient bzw. Schüler ihrer Hauslehrerin entpuppende Junge mit Namen Mark, sich auch an diesem Ort aufhält, wenn sie wach ist, oder er sie darum bittet, in ihrem Traum mit dem magischen Stift zeichnen und somit Einfluss auf das Traumsetting nehmen zu dürfen. Zentral ist demnach die Frage nach der Bedeutung von Träumen und der Auswirkung von Traumhandlungen auf das wache Leben. Abgesehen von existenzial-philosophischen Fragen gelangen auch intertextuelle Verweise zu Darstellung, lässt sich doch Marks Äußerung:
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• Storr, Catherine: Fear and Evil in Children’s Books. In: Children’s Literature in Education 1, S. 22-40 (März 1970). URL: https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/BF01140654.pdf (Letzte Konsultation: 21.09.2021)
 
• Storr, Catherine: Fear and Evil in Children’s Books. In: Children’s Literature in Education 1, S. 22-40 (März 1970). URL: https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/BF01140654.pdf (Letzte Konsultation: 21.09.2021)
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Anmerkungen
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1 Als Widmung zu Lippels Traum zitiert Paul Maar Pascal wie folgt: „Wenn ein Handwerker sicher sein könnte, jede Nacht zwölf Stunden lang zu träumen, er sei König, so wäre er ebenso glücklich wie ein König, der jede Nacht zwölf Stunden lang träumte, er sei ein Handwerker.“ Pascal nach Maar 1984.
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Iris Schäfer
 
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