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''Reisende auf einem Bein'' ist der erste längere Erzähltext der rumänisch-deutschen Autorin Herta Müller, der nach ihrer Ausreise aus Rumänien in der Bundesrepublik 1987 beim Rotbuch-Verlag erschien (McGowan 2017, 25). Der Text enthält vier Traumdarstellungen: drei Träume der Hauptprotagonistin Irene und einen Traum der Nebenfigur Thomas. Irenes zweiter Traum setzt sich aus zwei Traumsequenzen zusammen, die sich in derselben Nacht ereignen und von einem kurzen Aufschrecken Irenes aus dem Traum unterbrochen werden (Müller 2013a, 102-104). Einen der insgesamt vier Träume träumt der homosexuelle Protagonist Thomas, mit dem Irene eine misogyne Beziehung eingeht und dessen Traumerzählung sich als Irenes Erinnerung an einen ihrer Dialoge mit ihm unmittelbar an ihren zweiten Traum anschließt (ebd., 104f.).
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''Reisende auf einem Bein'' ist der erste längere Erzähltext der rumänisch-deutschen Autorin Herta Müller (*1953), der nach ihrer Ausreise aus Rumänien in der Bundesrepublik 1987 beim Rotbuch-Verlag erschien (McGowan 2017, 25). Der Text enthält vier Traumdarstellungen: drei Träume der Hauptprotagonistin Irene und einen Traum der Nebenfigur Thomas. Irenes zweiter Traum setzt sich aus zwei Traumsequenzen zusammen, die sich in derselben Nacht ereignen und von einem kurzen Aufschrecken Irenes aus dem Traum unterbrochen werden (RB 102-104). Der Traum des homosexuellen Protagonisten Thomas, mit dem Irene eine misogyne Beziehung eingeht, schließt sich als Irenes Erinnerung an einen ihrer Dialoge mit ihm unmittelbar an ihren zweiten Traum an (RB 104 f.).
          
==Autorin==
 
==Autorin==
Herta Müller, 1953 im rumänischen Niţchidorf geboren, immigrierte 1987 unter dem Ceauşescu-Regime aufgrund der Verfolgung durch die rumänische Securitate in die Bundesrepublik. In ihren Werken thematisiert sie die Beschädigungen des Subjekts unter einer totalitären Herrschaft. Ohne sich auf den kommunistischen Terror zu begrenzen, schildert die Autorin auch das triste, auf die Vernichtung des Individuellen ausgerichtete Dorfmilieu der banatdeutschen Minderheit in Rumänien, dessen abgeschottete, „zugeschnürte“ Atmosphäre von Normierungen und Verhaltenscodes eine an die Majorität angepasste Wahrnehmung erzeugen und jeden Ausdruck von Subjektivität verhindern. Die doppelte Herkunftslast aus zwei Diktaturen prägen Herta Müllers Schreiben. In der Zeit der deutschen Okkupation schloss sich ihr Vater der Waffen-SS an, während ihre Mutter wegen ihrer Zugehörigkeit zur deutschen Minderheit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in ein stalinistisches Arbeitslager auf dem Gebiet der heutigen Ukraine deportiert wurde (Eke 2017, 2-9). Herta Müller schreibt: „[…] gezeugt worden war ich nach dem Zweiten Weltkrieg von einem heimgekehrten SS-Soldaten. Und hineingeboren war ich in den Stalinismus. Der Vater und die Zeit – beides Tatsachen, die das Sich-wieder-Erfinden der Grazie unwiederbringlich machen“ (Müller 1995, 10). Nach dem Studium der Germanistik und Romanistik an der Universitatea de Vest din Timişoara arbeitete Herta Müller als Übersetzerin in einer Maschinenfabrik bis der rumänische Geheimdienst Securitate versuchte, sie für Spitzeldienste anzuwerben. Während ihres Studiums gehörte Herta Müller zum Kreis junger Autoren der sogenannten Aktionsgruppe ''Banat'', die kritisch versuchte, mit der proletkultischen Tradition zu brechen, ohne sich dem formalen Avantgardismus der 1960er Jahre anzuschließen. 1975 beendete die Staatsmacht dieses Experiment, aus der staatsgelenkten Literatur auszubrechen und die Gruppe wurde aufgelöst. Wegen der verweigerten Kollaboration mit der Securitate beginnt eine zermürbende Zeit der Einschüchterung und Verleugnung für die Autorin, die in Durchsuchungen, Verhören sowie in ein ihre Existenzgrundlage gefährdendes Arbeitsverbot münden und schließlich in der Streuung von Gerüchten kulminiert, sie sei ein Securitatespitzel (Eke 2017, 6-9) - ein Vorwurf, den Herta Müller als besonders psychisch aufreibend beschreibt und der selbst nach ihrer erzwungenen Ausreise aus Rumänien im Jahr 1987 in die Bundesrepublik Konsequenzen für die Autorin nach sich zieht, wie etwa Verhöre beim Bundesnachrichtendienst (Müller 2013b, 52-53). 2009 verlieh das schwedische Nobelpreiskomitee Herta Müller den Nobelpreis für Literatur und begründete diese Auszeichnung mit der besonderen Sprache der Autorin: „who, with the concentration of poetry and the frankness of prose, depicts the landscape of the dispossessed“ (Nobelpreiskomitee).
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Herta Müller, 1953 im rumänischen Niţchidorf geboren, immigrierte 1987 unter dem Ceauşescu-Regime wegen ihrer Verfolgung durch die rumänische Securitate in die Bundesrepublik. In ihren Werken thematisiert sie die Beschädigungen des Subjekts unter einer totalitären Herrschaft. Ohne sich auf den kommunistischen Terror zu begrenzen, schildert die Autorin auch das triste, auf die Vernichtung des Individuellen ausgerichtete Dorfmilieu der banatdeutschen Minderheit in Rumänien, dessen abgeschottete, „zugeschnürte“ Atmosphäre von Normierungen und Verhaltenscodes eine an die Majorität angepasste Wahrnehmung erzeugt und jeden Ausdruck von Subjektivität verhindert. Die doppelte Herkunftslast aus zwei Diktaturen prägt Herta Müllers Schreiben. In der Zeit der deutschen Okkupation schloss sich ihr Vater der Waffen-SS an, während ihre Mutter wegen ihrer Zugehörigkeit zur deutschen Minderheit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in ein stalinistisches Arbeitslager auf dem Gebiet der heutigen Ukraine deportiert wurde (Eke 2017, 2-9). Herta Müller schreibt: „gezeugt worden war ich nach dem Zweiten Weltkrieg von einem heimgekehrten SS-Soldaten. Und hineingeboren war ich in den Stalinismus. Der Vater und die Zeit – beides Tatsachen, die das Sich-wieder-Erfinden der Grazie unwiederbringlich machen“ (Müller 1995, 10). Nach einem Studium der Germanistik und Romanistik an der Universitatea de Vest din Timişoara arbeitete Herta Müller als Übersetzerin in einer Maschinenfabrik bis der rumänische Geheimdienst Securitate versuchte, sie für Spitzeldienste anzuwerben. Während ihres Studiums gehörte sie zum Kreis junger Autoren der sogenannten Aktionsgruppe ''Banat'', die kritisch versuchte, mit der proletkultischen Tradition zu brechen, ohne sich dem formalen Avantgardismus der 1960er Jahre anzuschließen. 1975 beendete die Staatsmacht diesen Versuch, aus der staatsgelenkten Literatur auszubrechen, und die Gruppe wurde aufgelöst. Wegen der verweigerten Kollaboration mit der Securitate beginnt eine zermürbende Zeit der Einschüchterung und Verleugnung für die Autorin, die in Durchsuchungen, Verhören sowie in ein ihre Existenzgrundlage gefährdendes Arbeitsverbot mündet und schließlich in der Streuung von Gerüchten kulminiert, sie sei ein Securitatespitzel (Eke 2017, 6-9) - ein Vorwurf, den Herta Müller als besonders psychisch belastend beschreibt und der selbst nach ihrer erzwungenen Ausreise aus Rumänien im Jahr 1987 Konsequenzen für die Autorin hatte wie etwa Verhöre beim Bundesnachrichtendienst (Müller 2013b, 52-53). 2009 verlieh das schwedische Nobelpreiskomitee Herta Müller den Nobelpreis für Literatur und begründete diese Auszeichnung mit der besonderen Sprache der Autorin: „who, with the concentration of poetry and the frankness of prose, depicts the landscape of the dispossessed“ (Nobelpreiskomitee).
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==Literatur==
 
==Literatur==
 
===Ausgabe der Erzählung===
 
===Ausgabe der Erzählung===
* Müller, Herta: Reisende auf einem Bein. Frankfurt/M.: Fischer 2013a.
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* Müller, Herta: Reisende auf einem Bein. Frankfurt/M.: Fischer 2013a; zitiert als RB.
     

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