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Bräkers Traumberichte exemplifizieren die drei allgemeinen Entwicklungslinien im Umgang mit Träumen, die sich im 18. Jahrhundert beobachten lassen (Engel 1998): Erstens zeigt sich eine zunehmende Abkehr von einer religiösen, übernatürlich-christlichen Auffassung des Traumes (vgl. auch Leutert 2001) – in Bräkers Fall konkret als Übergang von pietistischer zu aufklärerischer Selbstbeobachtung. Dass dabei der Glaube an ein prophetisches Potential des Traumes nicht vollkommen getilgt wird, lässt sich an Bräkers Tagebüchern ebenfalls belegen: Als er, sechs Jahre nach dem Belgradtraum, sich nächtlings auf einer bevorstehenden Geschäftsfahrt von Räubern überfallen sieht, kann er sich nur mit Mühe dazu bringen, die Reise dennoch anzutreten (20.9.1795; SW III, 578). Zweitens wird durch das verstärkte Interesse an „natürlichen“ Träumen die Schilderung der Träume deutlich traumhafter, was sich bei Bräker etwa in Hemmungen von Bewegungs- und Handlungsfähigkeit, der genauen Schilderung phantastischer Details und den abrupten Szenewechseln zeigt. Zum dritten sind auch Bräkers Traumberichte von der schon in der späten Aufklärung immer wieder betonten Affinität von Traum und Dichtung bestimmt, die ihren Höhepunkt in der Romantik erreichen wird.
 
Bräkers Traumberichte exemplifizieren die drei allgemeinen Entwicklungslinien im Umgang mit Träumen, die sich im 18. Jahrhundert beobachten lassen (Engel 1998): Erstens zeigt sich eine zunehmende Abkehr von einer religiösen, übernatürlich-christlichen Auffassung des Traumes (vgl. auch Leutert 2001) – in Bräkers Fall konkret als Übergang von pietistischer zu aufklärerischer Selbstbeobachtung. Dass dabei der Glaube an ein prophetisches Potential des Traumes nicht vollkommen getilgt wird, lässt sich an Bräkers Tagebüchern ebenfalls belegen: Als er, sechs Jahre nach dem Belgradtraum, sich nächtlings auf einer bevorstehenden Geschäftsfahrt von Räubern überfallen sieht, kann er sich nur mit Mühe dazu bringen, die Reise dennoch anzutreten (20.9.1795; SW III, 578). Zweitens wird durch das verstärkte Interesse an „natürlichen“ Träumen die Schilderung der Träume deutlich traumhafter, was sich bei Bräker etwa in Hemmungen von Bewegungs- und Handlungsfähigkeit, der genauen Schilderung phantastischer Details und den abrupten Szenewechseln zeigt. Zum dritten sind auch Bräkers Traumberichte von der schon in der späten Aufklärung immer wieder betonten Affinität von Traum und Dichtung bestimmt, die ihren Höhepunkt in der Romantik erreichen wird.
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<div style="text-align: right;">[[Autoren|ME]]</div>
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<div style="text-align: right;">[[Autoren|Manfred Engel]]</div>
 
      
==Literatur==
 
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* Engel, Manfred: Traumtheorie und literarische Träume im 18. Jahrhundert. Eine Fallstudie zum Verhältnis von Wissen und Literatur. In: Scientia Poetica 2 (1998), 97-128.
 
* Engel, Manfred: Traumtheorie und literarische Träume im 18. Jahrhundert. Eine Fallstudie zum Verhältnis von Wissen und Literatur. In: Scientia Poetica 2 (1998), 97-128.
 
* Engel, Manfred: Traumnotate in Dichter-Tagebüchern (Bräker, Keller, Schnitzler). In: Bernard Dieterle/M.E. (Hg.): Writing the Dream/Écrire le rêve. Würzburg: Königshausen & Neumann 2016 (= Cultural Dream Studies 1), 211-238.
 
* Engel, Manfred: Traumnotate in Dichter-Tagebüchern (Bräker, Keller, Schnitzler). In: Bernard Dieterle/M.E. (Hg.): Writing the Dream/Écrire le rêve. Würzburg: Königshausen & Neumann 2016 (= Cultural Dream Studies 1), 211-238.
* Groppe, Sabine: Ulrich Bräker: Tagebuchautor, Literaturkritiker und Autobiograph oder die Permanenz selbstbiographischen Schreibens. In: Dies.: Das Ich am Ende des Schreibens. Autobiographisches Erzählen im 18. und frühen 19. Jahrhundert. Würzburg: Königshausen & Neumann 1990, 131-177.
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* Groppe, Sabine: Ulrich Bräker. Tagebuchautor, Literaturkritiker und Autobiograph oder die Permanenz selbstbiographischen Schreibens. In: Dies.: Das Ich am Ende des Schreibens. Autobiographisches Erzählen im 18. und frühen 19. Jahrhundert. Würzburg: Königshausen & Neumann 1990, 131-177.
 
* Holliger, Christian/Claudia Holliger-Wiesmann/Heinz Graber/Karl Pestalozzi: Chronik Ulrich Bräker. Auf der Grundlage der Tagebücher 1770-1798. Bern, Stuttgart: Haupt 1985.
 
* Holliger, Christian/Claudia Holliger-Wiesmann/Heinz Graber/Karl Pestalozzi: Chronik Ulrich Bräker. Auf der Grundlage der Tagebücher 1770-1798. Bern, Stuttgart: Haupt 1985.
 
* Leutert, Sebastian: „All dies, was mir mein Genius vorgezeichnet hatte“. Zur Psychologisierung des Traumes in Selbstzeugnissen des 18. Jahrhunderts. In: Kaspar von Greyertz/Hans Medick/Patrice Veit (Hg.), Von der dargestellten Person zum erinnerten Ich. Europäische Selbstzeugnisse als historische Quelle (1500–1850). Köln, Weimar: Böhlau 2001, 251–273.
 
* Leutert, Sebastian: „All dies, was mir mein Genius vorgezeichnet hatte“. Zur Psychologisierung des Traumes in Selbstzeugnissen des 18. Jahrhunderts. In: Kaspar von Greyertz/Hans Medick/Patrice Veit (Hg.), Von der dargestellten Person zum erinnerten Ich. Europäische Selbstzeugnisse als historische Quelle (1500–1850). Köln, Weimar: Böhlau 2001, 251–273.

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