"Tagebücher" (Ulrich Bräker): Unterschied zwischen den Versionen

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Der Schweizer Autodidakt, Autobiograph und Gelegenheitsschriftsteller Ulrich Bräker (* 22. Dezember 1735 in Näppis bei Wattwil, Toggenburg,<ref>Das Toggenburg (auch: Tockenburg) ist eine Tallandschaft im Schweizer Kanton St. Gallen, benannt nach dem Adelsgeschlecht der Toggenburger.</ref> Kanton St. Gallen; † im September 1798, begraben am 11. September 1798 in Wattwil) verfasste von 1770 bis zu seinem Tod regelmäßig Tagebuchaufzeichnungen, die auch 16 Traumberichte enthalten.<ref>Vgl. SW I, 541 (6.9.1773), 681 f. (14./18.9.1774), 682 (18.9.1774); SW II, 102 (14.6.1779), 130 f. (4.1.1780), 353 f. (20.1.1783), 354 f. (22.1.1783), 358 (31.1.1783), 358 f. (1.2.1783), 417 (24.7.1783), 423 f. (29.8.1783), 634 f. (14.1.1788), 637-639 (20.1.1788), 786 (31.12.1788); SW III, 258-261 (November 1789), 578 (20.9.1795).</ref>
Der Schweizer Autodidakt, Autobiograph und Gelegenheitsschriftsteller Ulrich Bräker (* 22. Dezember 1735 in Näppis bei Wattwil, Toggenburg,<ref>Das Toggenburg (auch: Tockenburg) ist eine Tallandschaft im Schweizer Kanton St. Gallen, benannt nach dem Adelsgeschlecht der Toggenburger.</ref> Kanton St. Gallen; † im September 1798, begraben am 11. September 1798 in Wattwil) verfasste von 1770 bis zu seinem Tod regelmäßig Tagebuchaufzeichnungen, die auch 16 Traumberichte enthalten.<ref>Vgl. SW I, 541 (6.9.1773), 681 f. (14./18.9.1774), 682 (18.9.1774); SW II, 102 (14.6.1779), 130 f. (4.1.1780), 353 f. (20.1.1783), 354 f. (22.1.1783), 358 (31.1.1783), 358 f. (1.2.1783), 417 (24.7.1783), 423 f. (29.8.1783), 634 f. (14.1.1788), 637-639 (20.1.1788), 786 (31.12.1788); SW III, 258-261 (November 1789), 578 (20.9.1795).</ref>


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Bräkers Traumberichte exemplifizieren die drei allgemeinen Entwicklungslinien im Umgang mit Träumen, die sich im 18. Jahrhundert beobachten lassen (Engel 1998): Erstens zeigt sich eine zunehmende Abkehr von einer religiösen, übernatürlich-christlichen Auffassung des Traumes (vgl. auch Leutert 2001) – in Bräkers Fall konkret als Übergang von pietistischer zu aufklärerischer Selbstbeobachtung. Dass dabei der Glaube an ein prophetisches Potential des Traumes nicht vollkommen getilgt wird, lässt sich an Bräkers Tagebüchern ebenfalls belegen: Als er, sechs Jahre nach dem Belgradtraum, sich nächtlings auf einer bevorstehenden Geschäftsfahrt von Räubern überfallen sieht, kann er sich nur mit Mühe dazu bringen, die Reise dennoch anzutreten (20.9.1795; SW III, 578). Zweitens wird durch das verstärkte Interesse an „natürlichen“ Träumen die Schilderung der Träume deutlich traumhafter, was sich bei Bräker etwa in Hemmungen von Bewegungs- und Handlungsfähigkeit, der genauen Schilderung phantastischer Details und den abrupten Szenewechseln zeigt. Zum dritten sind auch Bräkers Traumberichte von der schon in der späten Aufklärung immer wieder betonten Affinität von Traum und Dichtung bestimmt, die ihren Höhepunkt in der Romantik erreichen wird.
Bräkers Traumberichte exemplifizieren die drei allgemeinen Entwicklungslinien im Umgang mit Träumen, die sich im 18. Jahrhundert beobachten lassen (Engel 1998): Erstens zeigt sich eine zunehmende Abkehr von einer religiösen, übernatürlich-christlichen Auffassung des Traumes (vgl. auch Leutert 2001) – in Bräkers Fall konkret als Übergang von pietistischer zu aufklärerischer Selbstbeobachtung. Dass dabei der Glaube an ein prophetisches Potential des Traumes nicht vollkommen getilgt wird, lässt sich an Bräkers Tagebüchern ebenfalls belegen: Als er, sechs Jahre nach dem Belgradtraum, sich nächtlings auf einer bevorstehenden Geschäftsfahrt von Räubern überfallen sieht, kann er sich nur mit Mühe dazu bringen, die Reise dennoch anzutreten (20.9.1795; SW III, 578). Zweitens wird durch das verstärkte Interesse an „natürlichen“ Träumen die Schilderung der Träume deutlich traumhafter, was sich bei Bräker etwa in Hemmungen von Bewegungs- und Handlungsfähigkeit, der genauen Schilderung phantastischer Details und den abrupten Szenewechseln zeigt. Zum dritten sind auch Bräkers Traumberichte von der schon in der späten Aufklärung immer wieder betonten Affinität von Traum und Dichtung bestimmt, die ihren Höhepunkt in der Romantik erreichen wird.


<div style="text-align: right;">[[Autoren|ME]]</div>
<div style="text-align: right;">[[Autoren|Manfred Engel]]</div>
 


==Literatur==
==Literatur==
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==Kategorien==
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