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==Themen und Motive==
 
==Themen und Motive==
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* Träume vom Einrichten der eigenen Wohnung, z.B. Nr. 17 (Dachterrasse mit Gras auf feuchtem Zeitungspapier), Nr. 21 („Korb mit Kapuzinern“),
 
* Träume vom Einrichten der eigenen Wohnung, z.B. Nr. 17 (Dachterrasse mit Gras auf feuchtem Zeitungspapier), Nr. 21 („Korb mit Kapuzinern“),
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* Träume vom Sumpf, z.B. Nr. 8 (sumpfiger Wald), Nr. 18 (kochender Sumpf im Zuber) oder
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* Träume vom Sumpf, z.B. Nr. 8 (sumpfiger Wald), Nr. 18 (kochender Sumpf im Zuber),
    
* Träume von einem Haus im Umbau, z.B. Nr. 82 (Zimmer im Umbau, Wind und Sturm), Nr. 85 (Dachstuhl, unausgebaute Räume, Maler vor Staffelei).
 
* Träume von einem Haus im Umbau, z.B. Nr. 82 (Zimmer im Umbau, Wind und Sturm), Nr. 85 (Dachstuhl, unausgebaute Räume, Maler vor Staffelei).
      
==Interpretationen==
 
==Interpretationen==
Meret Oppenheim verstand ihre Träume als Äußerungen ihres eigenen Unbewussten, die auf ihre persönliche und künstlerische Entwicklung sowie auf die Entwicklung ihres künstlerischen Werkes Einfluss nehmen können, und maß ihnen deshalb eine erhebliche Bedeutung bei (Schulz 2006, 51). Sie notierte ihre eigenen Träume auch deshalb, weil sie aufgrund von „Diskussionen im Elternhaus über die Lehren Carl Gustav Jungs“ – Meret Oppenheims Vater, der Arzt Erich Alfons Oppenheim, stand mit C.G. Jung in Kontakt (Curiger 1989, 9; Meyer-Thoss, T 87 f.) – ein Interesse am Themengebiet der Psychologie und der Bedeutung des Traums als „Regulativ der Psyche“ entwickelt hatte (Schulz 2006, 53). In den aufgezeichneten Trauminhalten, aber auch in Meret Oppenheims eigenen Deutungen sowie Trauminterpretationen finden sich immer wieder Hinweise auf C.G. Jungs Ideen zum „kollektiven Unbewussten“, zu den sogenannten „Archetypen“ – den von Jung beschriebenen „universellen“ Grundstrukturen in den Vorstellungen und Handlungen von Menschen –, zum Konzept von Anima und Animus – der „psychologischen Zweigeschlechtlichkeit“ – oder zur „universellen“ Bedeutung von Symbolen (Jung 2001). Auf diesen Ideen begründete Meret Oppenheim auch ihr Selbstverständnis als Künstlerin, wenn sie nicht nur die von ihr erinnerten Trauminhalte als „weit über die eigene Person hinausgehend“ betrachtete, sondern auch davon ausging, dass die Beschäftigung mit Träumen eine gesellschaftliche Dimension bzw. Bedeutung habe. Außerdem stellte sie fest: „Es sind die Künstler, die träumen für die Gesellschaft“ (Schulz 2006, 54). Weiterhin hat Meret Oppenheims Beschäftigung mit C.G. Jungs Symbolforschung auf die verwendete Ikonografie ihres künstlerischen Werkes Einfluss genommen; sie verwendet in ihren Werken bestimmte Motive und Gestalten, wie z.B. Schlangen, Spiralen, das Auge etc., welche auch häufig in ihren Traumaufzeichnungen vorkommen und Leitmotive der ewigen Wiederkehr und des niemals endenden Naturkreislaufs darstellen (Schulz 2006, 59).
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Meret Oppenheim verstand ihre Träume als Äußerungen ihres eigenen Unbewussten, die auf ihre persönliche und künstlerische Entwicklung sowie auf die Entwicklung ihres künstlerischen Werkes Einfluss nehmen können, und maß ihnen deshalb eine erhebliche Bedeutung bei (Schulz 2006, 51). Sie notierte ihre eigenen Träume auch deshalb, weil sie aufgrund von „Diskussionen im Elternhaus über die Lehren Carl Gustav Jungs“ – Meret Oppenheims Vater, der Arzt Erich Alfons Oppenheim, stand mit C.G. Jung in Kontakt (Curiger 1989, 9; Meyer-Thoss, T 87 f.) – ein Interesse am Themengebiet der Psychologie und der Bedeutung des Traums als „Regulativ der Psyche“ entwickelt hatte (Schulz 2006, 53). In den aufgezeichneten Trauminhalten, aber auch in Oppenheims eigenen Deutungen sowie Trauminterpretationen finden sich immer wieder Hinweise auf C.G. Jungs Ideen zum „kollektiven Unbewussten“, zu den sogenannten „Archetypen“ – den von Jung beschriebenen „universellen“ Grundstrukturen in den Vorstellungen und Handlungen von Menschen –, zum Konzept von Anima und Animus – der „psychologischen Zweigeschlechtlichkeit“ – oder zur „universellen“ Bedeutung von Symbolen (Jung 2001). Auf diesen Ideen begründete Oppenheim auch ihr Selbstverständnis als Künstlerin, wenn sie nicht nur die von ihr erinnerten Trauminhalte als „weit über die eigene Person hinausgehend“ betrachtete, sondern auch davon ausging, dass die Beschäftigung mit Träumen eine gesellschaftliche Dimension bzw. Bedeutung habe. Außerdem stellte sie fest: „Es sind die Künstler, die träumen für die Gesellschaft“ (Schulz 2006, 54). Weiterhin hat Oppenheims Beschäftigung mit C.G. Jungs Symbolforschung auf die verwendete Ikonografie ihres künstlerischen Werkes Einfluss genommen; sie verwendet in ihren Werken bestimmte Motive und Gestalten, wie z.B. Schlangen, Spiralen, das Auge etc., welche auch häufig in ihren Traumaufzeichnungen vorkommen und Leitmotive der ewigen Wiederkehr und des niemals endenden Naturkreislaufs darstellen (Schulz 2006, 59).
    
Eine der Traumaufzeichnungen, die von Meret Oppenheim als Anima-Animus-Traum im Sinne C. G. Jungs ausgelegt wurden, ist z.B. Nr. 73:
 
Eine der Traumaufzeichnungen, die von Meret Oppenheim als Anima-Animus-Traum im Sinne C. G. Jungs ausgelegt wurden, ist z.B. Nr. 73:
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Meret Oppenheim erläutert dazu ihr eigenes Verständnis von den männlichen und weiblichen Seelenanteilen, die in ihr (im „Ich selbst“) um ein „Gleichgewicht der Mächte“ streiten:
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Oppenheim erläutert dazu ihr eigenes Verständnis von den männlichen und weiblichen Seelenanteilen, die in ihr (im „Ich selbst“) um ein „Gleichgewicht der Mächte“ streiten:
 
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Ein weiteres Beispiel für einen Traum, den Meret Oppenheim im Sinne eines Anima-Animus-Traums deutete, ist der Traum Nr. 13 (T 17-19), welchen sie bereits im Jahr 1935 in Barcelona träumte und notierte:
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Ein weiteres Beispiel für einen Traum, den Oppenheim im Sinne eines Anima-Animus-Traums deutete, ist der Traum Nr. 13 (T 17-19), welchen sie bereits im Jahr 1935 in Barcelona träumte und notierte:
 
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Im Jahr 1978 – also ca. 43 Jahre nach der Niederschrift des Traumes – formulierte Meret Oppenheim nachträglich folgende persönliche Trauminterpretation (T 18-19):
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Im Jahr 1978 – also ca. 43 Jahre nach der Niederschrift des Traumes – formulierte Meret Oppenheim nachträglich folgende persönliche Trauminterpretation:
 
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Wie diese Beispiele zeigen, bietet Meret Oppenheim zu ihren Traumaufzeichnungen manchmal Deutungsmöglichkeiten an, die auf zentrale Konzepte in C.G. Jungs Lehre und auch dort adressierte Symbole zurückgreifen. Meret Oppenheim hat sich lebenslang mit Jungs Ideen beschäftigt, und diese haben ihre persönliche Perspektive auf ihre eigenen Träume geprägt, auch noch Jahrzehnte nach dem Notieren. Es kann spekuliert werden, dass sich eine solch intensive Beschäftigung mit Träumen und möglichen Deutungen nicht nur die Traumauffassung im Wachleben einer Person auswirkt, sondern eventuell auch das Träumen selbst prägen könnte. Um mit Sigmund Freuds ''Die Traumdeutung'' zu Sprechen: Träume setzen sich auch aus Erlebnissen im Wachleben zusammen (Freud 2014, 27), und die im Wachleben verinnerlichten und im Rahmen von Traumauslegungen angewandten Traumtheorieinhalte können so selbst zum „Traummaterial“ werden, was als ein sich selbst verstärkender Mechanismus betrachtet werden kann.  
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Wie diese Beispiele zeigen, bietet Oppenheim zu ihren Traumaufzeichnungen manchmal Deutungsmöglichkeiten an, die auf zentrale Konzepte in C.G. Jungs Lehre und auch dort adressierte Symbole zurückgreifen. Oppenheim hat sich lebenslang mit Jungs Ideen beschäftigt, und diese haben ihre persönliche Perspektive auf ihre eigenen Träume geprägt, auch noch Jahrzehnte nach dem Notieren. Es kann spekuliert werden, dass sich eine solch intensive Beschäftigung mit Träumen und möglichen Deutungen nicht nur die Traumauffassung im Wachleben einer Person auswirkt, sondern eventuell auch das Träumen selbst prägen könnte. Um mit Sigmund Freuds ''Die Traumdeutung'' zu sprechen: Träume setzen sich auch aus Erlebnissen im Wachleben zusammen (Freud 2014, 27), und die im Wachleben verinnerlichten und im Rahmen von Traumauslegungen angewandten Traumtheorieinhalte können so selbst zum „Traummaterial“ werden, was als ein sich selbst verstärkender Mechanismus betrachtet werden kann.
 
      
==Fazit==
 
==Fazit==
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===Ausgaben===
 
===Ausgaben===
 
* Oppenheim, Meret: Aufzeichnungen 1928-1985. Träume. Hg. von Christiane Meyer-Thoss. Bern, Berlin: Gachnang & Springer 1986 (Erstausgabe).
 
* Oppenheim, Meret: Aufzeichnungen 1928-1985. Träume. Hg. von Christiane Meyer-Thoss. Bern, Berlin: Gachnang & Springer 1986 (Erstausgabe).
* Oppenheim, Meret: Träume. Aufzeichnungen 1928–1985. Hg. mit einem Nachwort von Christiane Meyer-Thoss. Berlin: Suhrkamp 2. Auflage 2013; zitiert mit der Sigle T.
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* Oppenheim, Meret: Träume. Aufzeichnungen 1928–1985. Hg. mit einem Nachwort von Christiane Meyer-Thoss. Berlin: Suhrkamp 2. Aufl. 2013; zitiert mit der Sigle T.
    
===Kontexte===
 
===Kontexte===
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* Meyer-Thoss, Christiane: Editorische Notiz. In: T 117.
 
* Meyer-Thoss, Christiane: Editorische Notiz. In: T 117.
 
* Meyer-Thoss, Christiane: Komplizin des Traums. Meret Oppenheim in ihren Traumaufzeichnungen. In: T 85-111.  
 
* Meyer-Thoss, Christiane: Komplizin des Traums. Meret Oppenheim in ihren Traumaufzeichnungen. In: T 85-111.  
* Meyer-Thoss, Christiane: Maskerade und Spiele der Verwandlung. In: Meret Oppenheim: „Warum ich meine Schuhe liebe“. Mode – Zeichnungen und Gedichte. Hg. und mit einem Nachwort von Christiane Meyer-Thoss. Berlin: Insel 3. Auflage 2013b, 69-87.
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* Meyer-Thoss, Christiane: Maskerade und Spiele der Verwandlung. In: Meret Oppenheim: „Warum ich meine Schuhe liebe“. Mode – Zeichnungen und Gedichte. Hg. und mit einem Nachwort von Christiane Meyer-Thoss. Berlin: Insel 3. Aufl. 2013b, 69-87.
 
* Oberhuber, Andrea: Figuration de soi et de l’autre chez Meret Oppenheim. In: Mélusine 33 (2013), 111-123.
 
* Oberhuber, Andrea: Figuration de soi et de l’autre chez Meret Oppenheim. In: Mélusine 33 (2013), 111-123.
 
* Probst, Rudolf/Magnus Wieland (Hg.): Meret Oppenheim; Quarto. Zeitschrift des Schweizerischen Literaturarchivs 48 (2020).
 
* Probst, Rudolf/Magnus Wieland (Hg.): Meret Oppenheim; Quarto. Zeitschrift des Schweizerischen Literaturarchivs 48 (2020).

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