Die Beziehung zwischen Film und Traum aus phÀnomenologischer Perspektive: Unterschied zwischen den Versionen

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Noch kritischer gegenĂŒber dem kulturellen Klima ihrer Zeit ist der Ansatz der Surrealisten, in dem Film und Traum untrennbar miteinander verknĂŒpft sind. Michael Lommel beobachtet: „Die Schauspiele des Traums zĂ€hlen zu den konstitutiven Merkmalen einer Ästhetik des Surrealen, die im Filmischen einen adĂ€quaten Ort der Umsetzung findet, der jene surrealen AtmosphĂ€ren und Wahrnehmungsformen am besten zu vermitteln vermag“ (Lommel 2008, 15). Durch den Einsatz von hyperassoziativer Montage und durch den Bruch mit der Konvention des ''continuity editing'' versuchte beispielsweise Luis Buñuels (1900-1983) und Salvador DalĂ­s (1904-1989) berĂŒchtigter Film [http://traumkulturen.uni-saarland.de/Lexikon-Traumkultur/index.php?title=%22Un_chien_andalou%22_(Luis_Bu%C3%B1uel) ''Un chien andalou''] (1929) eine traumhafte Filmerfahrung zu evozieren, die die konventionelle Dichotomisierung in ,real‘ und ,irreal‘ unterlĂ€uft und zu einer RealitĂ€t fĂŒhrt, die ,ĂŒber‘ (vgl. französisch ,sur‘) der regulĂ€ren, von der RationalitĂ€t und den moralischen Werten der Bourgeoisie bestimmten, RealitĂ€t existiert. „Der Traumzustand wurde so zu einem Modell, das die RealitĂ€tswahrnehmung bereichern, ja verĂ€ndern sollte“ (BrĂŒtsch 2011, 32). Auch wenn das Medium Film womöglich nicht per se traumhaft ist, hat es im Vergleich zu anderen Kunstformen ein besonderes Potential, eine traumartige Erfahrung hervorzurufen. Im Hinblick auf die Surrealisten wurde beobachtet: „the film camera possessed a unique capacity to capture and convey the sensation of dreaming“ (Kuhn/Westwell 2012, 415). Aus film-phĂ€nomenologischer Perspektive scheint es wichtig zu unterstreichen, dass, wie Laura Rascaroli beobachtet, die Schriften der Surrealisten AndrĂ© Breton (1896-1966) und RĂ©ne Clair (1898-1981) die Grundlage darstellten fĂŒr „the comparison between spectator and dreamer [which] became the most widely quoted and important similarity between film and dream“ (Rascaroli 2002, 2). Das heißt, die NĂ€he von Film und Traum wurde durch die Ähnlichkeit zwischen dem Zustand des Filmzuschauers und demjenigen des TrĂ€umenden erklĂ€rt. Eher als die PhĂ€nomene selbst sind es die Bedingungen ihrer Rezeption, die viele Autoren dazu gebracht haben, deren Ähnlichkeit zu behaupten.
 
Noch kritischer gegenĂŒber dem kulturellen Klima ihrer Zeit ist der Ansatz der Surrealisten, in dem Film und Traum untrennbar miteinander verknĂŒpft sind. Michael Lommel beobachtet: „Die Schauspiele des Traums zĂ€hlen zu den konstitutiven Merkmalen einer Ästhetik des Surrealen, die im Filmischen einen adĂ€quaten Ort der Umsetzung findet, der jene surrealen AtmosphĂ€ren und Wahrnehmungsformen am besten zu vermitteln vermag“ (Lommel 2008, 15). Durch den Einsatz von hyperassoziativer Montage und durch den Bruch mit der Konvention des ''continuity editing'' versuchte beispielsweise Luis Buñuels (1900-1983) und Salvador DalĂ­s (1904-1989) berĂŒchtigter Film [http://traumkulturen.uni-saarland.de/Lexikon-Traumkultur/index.php?title=%22Un_chien_andalou%22_(Luis_Bu%C3%B1uel) ''Un chien andalou''] (1929) eine traumhafte Filmerfahrung zu evozieren, die die konventionelle Dichotomisierung in ,real‘ und ,irreal‘ unterlĂ€uft und zu einer RealitĂ€t fĂŒhrt, die ,ĂŒber‘ (vgl. französisch ,sur‘) der regulĂ€ren, von der RationalitĂ€t und den moralischen Werten der Bourgeoisie bestimmten, RealitĂ€t existiert. „Der Traumzustand wurde so zu einem Modell, das die RealitĂ€tswahrnehmung bereichern, ja verĂ€ndern sollte“ (BrĂŒtsch 2011, 32). Auch wenn das Medium Film womöglich nicht per se traumhaft ist, hat es im Vergleich zu anderen Kunstformen ein besonderes Potential, eine traumartige Erfahrung hervorzurufen. Im Hinblick auf die Surrealisten wurde beobachtet: „the film camera possessed a unique capacity to capture and convey the sensation of dreaming“ (Kuhn/Westwell 2012, 415). Aus film-phĂ€nomenologischer Perspektive scheint es wichtig zu unterstreichen, dass, wie Laura Rascaroli beobachtet, die Schriften der Surrealisten AndrĂ© Breton (1896-1966) und RĂ©ne Clair (1898-1981) die Grundlage darstellten fĂŒr „the comparison between spectator and dreamer [which] became the most widely quoted and important similarity between film and dream“ (Rascaroli 2002, 2). Das heißt, die NĂ€he von Film und Traum wurde durch die Ähnlichkeit zwischen dem Zustand des Filmzuschauers und demjenigen des TrĂ€umenden erklĂ€rt. Eher als die PhĂ€nomene selbst sind es die Bedingungen ihrer Rezeption, die viele Autoren dazu gebracht haben, deren Ähnlichkeit zu behaupten.
  
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Ähnlich wie die surrealistische Filmauffassung basiert der in den frĂŒhen 1950ern verfasste Film/Traum-Vergleich in Susanne Langers philosophischer Kunsttheorie ''Feeling and Form'' im Vergleich zu von Hofmannsthals Ansatz auf einem konkreteren Traumbegriff. Langer schreibt: „cinema is ‘like’ dream in the mode of its presentation: it creates a virtual present, an order of direct apparition. That is the mode of the dream“ (Langer 1953, 412). Was das Kino vom Traum abstrahiert, ist die „immediacy of experience“, die „givenness“, die sich aus dem Eindruck ergibt, „im Zentrum“ der Situation zu stehen (Langer 1953, 413): „The most noteworthy formal characteristic of dream is that the dreamer is always at the center of it“ (ebd.). Wie der TrĂ€umer in einem Traum ist die Kamera „equidistant from all events“ (ebd.). Der Betrachter bewegt sich mit der Kamera mit (ebd.). „He takes the place of the dreamer, but in a perfectly objectified dream – that is, he is not in the story. The work is the appearance of a dream, a unified, continuously passing, significant apparition“ (ebd.). Außerdem beruht die Ähnlichkeit von Filmerfahrung und Traumerfahrung auf einer gemeinsamen Tendenz zur SynĂ€sthesie (Langer 1953, 414),<ref>VorlĂ€ufige empirische Belege fĂŒr die Tendenz des Nachttraums zur SynĂ€sthesie liefern Daniel Reznik et al.. Die Autoren sprechen von „oneiric synesthesia“ als Ergebnis eines „hyper-associative cognitive state following sleep“ und argumentieren fĂŒr die Annahme omnidirektionaler VerknĂŒpfungen von normalerweise unidirektionalen neuronalen Bahnen wĂ€hrend des Schlafs (Reznik et al. 2018, 379).</ref> wobei der Raum durch die rĂ€umliche ''Erfahrung'' ĂŒberhaupt erst zu existieren beginnt (d.h. Traum und Film „are not oriented in any total space“; Langer 1953, 415), und auf einer „affective or associative logic“, die sowohl dem Filmschnitt als auch den Traumbildern zugrunde liegt (Carroll 1988, 13). Im Bezug auf Langers Beobachtung, dass der Filmbetrachter „the place of the dreamer“ einnimmt, ohne physisch im Szenario anwesend zu sein, wĂŒrden die meisten Traumforscherinnen wahrscheinlich eher von einer hypnagogischen als von einer traumartigen ErlebnisqualitĂ€t im engeren Sinne sprechen. Der Körper des Traum-Ichs materialisiert sich nĂ€mlich erst im Traumzustand, nicht etwa schon in der hypnagogen Phase, d.h. in dem Bewusstseinszustand zwischen Wachen und TrĂ€umen. In den Worten Evan Thompsons: „The experience of being a self in the world, which marks the waking state but diminishes in the hypnagogic state, reappears in dreams“ (Thompson 2017, 127).
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Ähnlich wie die surrealistische Filmauffassung basiert der in den frĂŒhen 1950ern verfasste Film/Traum-Vergleich in Susanne Langers philosophischer Kunsttheorie ''Feeling and Form'' im Vergleich zu von Hofmannsthals Ansatz auf einem konkreteren Traumbegriff. Langer schreibt: „cinema is ‘like’ dream in the mode of its presentation: it creates a virtual present, an order of direct apparition. That is the mode of the dream“ (Langer 1953, 412). Was das Kino vom Traum abstrahiert, ist die „immediacy of experience“, die „givenness“, die sich aus dem Eindruck ergibt, „im Zentrum“ der Situation zu stehen (Langer 1953, 413): „The most noteworthy formal characteristic of dream is that the dreamer is always at the center of it“ (ebd.). Wie der TrĂ€umer in einem Traum ist die Kamera „equidistant from all events“ (ebd.). Der Betrachter bewegt sich mit der Kamera mit (ebd.). „''He takes the place of the dreamer'', but in a perfectly objectified dream – that is, he is not in the story. The work is the appearance of a dream, a unified, continuously passing, significant ''apparition''“ (ebd.). Außerdem beruht die Ähnlichkeit von Filmerfahrung und Traumerfahrung auf einer gemeinsamen Tendenz zur SynĂ€sthesie (Langer 1953, 414),<ref>VorlĂ€ufige empirische Belege fĂŒr die Tendenz des Nachttraums zur SynĂ€sthesie liefern Daniel Reznik et al.. Die Autoren sprechen von „oneiric synesthesia“ als Ergebnis eines „hyper-associative cognitive state following sleep“ und argumentieren fĂŒr die Annahme omnidirektionaler VerknĂŒpfungen von normalerweise unidirektionalen neuronalen Bahnen wĂ€hrend des Schlafs (Reznik et al. 2018, 379).</ref> wobei der Raum durch die rĂ€umliche ''Erfahrung'' ĂŒberhaupt erst zu existieren beginnt (d.h. Traum und Film „are not oriented in any total space“; Langer 1953, 415), und auf einer „affective or associative logic“, die sowohl dem Filmschnitt als auch den Traumbildern zugrunde liegt (Carroll 1988, 13). Im Bezug auf Langers Beobachtung, dass der Filmbetrachter „the place of the dreamer“ einnimmt, ohne physisch im Szenario anwesend zu sein, wĂŒrden die meisten Traumforscherinnen wahrscheinlich eher von einer hypnagogischen als von einer traumartigen ErlebnisqualitĂ€t im engeren Sinne sprechen. Der Körper des Traum-Ichs materialisiert sich nĂ€mlich erst im Traumzustand, nicht etwa schon in der hypnagogen Phase, d.h. in dem Bewusstseinszustand zwischen Wachen und TrĂ€umen. In den Worten Evan Thompsons: „The experience of being a self in the world, which marks the waking state but diminishes in the hypnagogic state, reappears in dreams“ (Thompson 2017, 127).
  
 
Christian Metz’ Beitrag zur Filmtheorie basiert auf der Kombination von Semiotik und Freud’scher Psychoanalyse. Interessanterweise beschreibt Metz allerdings ausfĂŒhrlich die Beziehung zwischen Zuschauerin und Film, wenn es um die Traumartigkeit des filmischen Mediums geht. Seiner Ausgangsbeobachtung nach besteht der prinzipielle Unterschied zwischen der Film- und der Traumsituation darin, dass sich der TrĂ€umer des TrĂ€umens nicht bewusst ist, wohingegen „the film spectator knows that he is at the cinema“ (Metz 1985, 101). Jedoch kann sich in beiden FĂ€llen der Bewusstseinsgrad Ă€ndern, kann sich doch die trĂ€umende Person ihres Traumes gewahr werden und die Filmzuschauerin vergessen, dass sie im Kino ist. Metz regt die Idee des luziden TrĂ€umens an, wenn er ĂŒber das „open[ing of] a gap in the hermetic sealing-off that ordinarily defines dreaming“, schreibt (Metz 1985, 104). Als Konsequenz dieser doppelten Dynamik bemerkt Metz: „[I]t is in their gaps rather than in their more normal functioning that the filmic state and the dream state tend to converge“ (ebd.). Das heißt, die beiden ZustĂ€nde nĂ€hern sich dann an, wenn die TrĂ€umende an Bewusstsein gewinnt und die Filmschauende an Bewusstsein verliert. Genauer gesagt kann der Filmzustand, der durch „a general tendency to lower wakefulness“ gekennzeichnet ist, den Zuschauer in Richtung des TrĂ€umens bewegen, und zwar durch seine „encouragement of narcissistic withdrawal“, sein „indulgence of phantasy“, den „withdrawal of the libido within the ego“ und durch die „suspension of concern for the exterior world“ (Metz, 1985, 107). Film wird zur „machine for grinding up affectivity and inhibiting action“ (ebd.), ein Punkt der besonders fĂŒr die phĂ€nomenologisch ausgerichteten Studien Vlada Petrićs und Rainer Schönhammers von Belang ist (s. nĂ€chstes Unterkapitel). Es scheint wichtig zu betonen, dass die Reduktion von Wachheit im Kino zu einer „impression of reality“ fĂŒhrt, der sich der genuinen Illusion des TrĂ€umens zwar annĂ€hern, sie jedoch nie erreichen kann (ebd.). Das hat mit dem Unterschied zwischen Wahrnehmung und Imagination, „in terms of a phenomenology of consciousness“, zu tun (Metz 1985, 109). Filmische Wahrnehmung setzt einen Ă€ußeren Reiz voraus, TrĂ€umen nicht. Die Filmerfahrung involviert einen „progressive path“ der „psychical excitation“, bei dem Ă€ußere Objekte die Wahrnehmung verursachen (Metz 1985, 114). Das TrĂ€umen hingegen ist von einem „regressive path“ gekennzeichnet, d.h. von einer Erregung von innen nach außen (ebd.). Streng freudianisch in seiner Herangehensweise argumentiert Metz, dass die WahrnehmungstĂ€uschung in einem Traum durch die Kombination aus unbewusstem Wunsch und wunschauslösender, kĂŒrzlicher, vorbewusster Erinnerung verursacht wird (ebd.). Obwohl die Filmsituation eine Tendenz zur Regression aufweist, in dem sie die motorische AusfĂŒhrung der Zuschauerin nicht zulĂ€sst, ist die Regression nie vollstĂ€ndig, da die filmische Wahrnehmung doppelt, d.h. „simultaneously from without and within“, verstĂ€rkt wird und damit sowohl von der progressiven Bahn als auch von der regressiven Bahn geprĂ€gt ist (Metz 1985, 117 f).
 
Christian Metz’ Beitrag zur Filmtheorie basiert auf der Kombination von Semiotik und Freud’scher Psychoanalyse. Interessanterweise beschreibt Metz allerdings ausfĂŒhrlich die Beziehung zwischen Zuschauerin und Film, wenn es um die Traumartigkeit des filmischen Mediums geht. Seiner Ausgangsbeobachtung nach besteht der prinzipielle Unterschied zwischen der Film- und der Traumsituation darin, dass sich der TrĂ€umer des TrĂ€umens nicht bewusst ist, wohingegen „the film spectator knows that he is at the cinema“ (Metz 1985, 101). Jedoch kann sich in beiden FĂ€llen der Bewusstseinsgrad Ă€ndern, kann sich doch die trĂ€umende Person ihres Traumes gewahr werden und die Filmzuschauerin vergessen, dass sie im Kino ist. Metz regt die Idee des luziden TrĂ€umens an, wenn er ĂŒber das „open[ing of] a gap in the hermetic sealing-off that ordinarily defines dreaming“, schreibt (Metz 1985, 104). Als Konsequenz dieser doppelten Dynamik bemerkt Metz: „[I]t is in their gaps rather than in their more normal functioning that the filmic state and the dream state tend to converge“ (ebd.). Das heißt, die beiden ZustĂ€nde nĂ€hern sich dann an, wenn die TrĂ€umende an Bewusstsein gewinnt und die Filmschauende an Bewusstsein verliert. Genauer gesagt kann der Filmzustand, der durch „a general tendency to lower wakefulness“ gekennzeichnet ist, den Zuschauer in Richtung des TrĂ€umens bewegen, und zwar durch seine „encouragement of narcissistic withdrawal“, sein „indulgence of phantasy“, den „withdrawal of the libido within the ego“ und durch die „suspension of concern for the exterior world“ (Metz, 1985, 107). Film wird zur „machine for grinding up affectivity and inhibiting action“ (ebd.), ein Punkt der besonders fĂŒr die phĂ€nomenologisch ausgerichteten Studien Vlada Petrićs und Rainer Schönhammers von Belang ist (s. nĂ€chstes Unterkapitel). Es scheint wichtig zu betonen, dass die Reduktion von Wachheit im Kino zu einer „impression of reality“ fĂŒhrt, der sich der genuinen Illusion des TrĂ€umens zwar annĂ€hern, sie jedoch nie erreichen kann (ebd.). Das hat mit dem Unterschied zwischen Wahrnehmung und Imagination, „in terms of a phenomenology of consciousness“, zu tun (Metz 1985, 109). Filmische Wahrnehmung setzt einen Ă€ußeren Reiz voraus, TrĂ€umen nicht. Die Filmerfahrung involviert einen „progressive path“ der „psychical excitation“, bei dem Ă€ußere Objekte die Wahrnehmung verursachen (Metz 1985, 114). Das TrĂ€umen hingegen ist von einem „regressive path“ gekennzeichnet, d.h. von einer Erregung von innen nach außen (ebd.). Streng freudianisch in seiner Herangehensweise argumentiert Metz, dass die WahrnehmungstĂ€uschung in einem Traum durch die Kombination aus unbewusstem Wunsch und wunschauslösender, kĂŒrzlicher, vorbewusster Erinnerung verursacht wird (ebd.). Obwohl die Filmsituation eine Tendenz zur Regression aufweist, in dem sie die motorische AusfĂŒhrung der Zuschauerin nicht zulĂ€sst, ist die Regression nie vollstĂ€ndig, da die filmische Wahrnehmung doppelt, d.h. „simultaneously from without and within“, verstĂ€rkt wird und damit sowohl von der progressiven Bahn als auch von der regressiven Bahn geprĂ€gt ist (Metz 1985, 117 f).

Version vom 25. Februar 2022, 11:10 Uhr

Filmische Traumdarstellungen

BeschĂ€ftigt sich die FilmphĂ€nomenologie, allgemein gesprochen, mit der FĂ€higkeit des Films „to present the outward appearance of the world“ (Kuhn/Westwell 2012, 309), so mag man daraus ableiten, die PhĂ€nomenologie sei fĂŒr die Untersuchung filmischer TrĂ€ume ungeeignet. Schließlich drehen sich Traumsequenzen um die innere Erfahrung einer trĂ€umenden Figur. Da aber eine Traumsequenz diese innere Erfahrung als eine externalisierte (im Kontext des Kinos im wörtlichen Sinne) Projektion darstellt, steht sie der PhĂ€nomenologie als Untersuchungsobjekt zur VerfĂŒgung – der Traum erscheint als ein Objekt in der Welt. Eine PhĂ€nomenologie der filmischen Traumdarstellung interessiert sich also fĂŒr das Potential des Kinos, die innere Erfahrung des Bewusstseins als Ă€ußere Erscheinung darzustellen. Diese Formulierung deutet auf die gegenseitige Durchdringung von Subjekt und Welt hin – ein Aspekt, der sowohl im Bezug auf das Medium Film als auch auf den nĂ€chtlichen Traum herausgestellt wurde. Maurice Merleau-Ponty schreibt: „Nun ist das Kino besonders geeignet, die Verbindung von Geist und Körper, von Geist und Welt und den Ausdruck des einen im anderen hervortreten zu lassen“ (Merleau-Ponty 2005, 82). Ähnlich wie die Existenzphilosophie lasse uns der Film „das Band zwischen dem Subjekt und der Welt, zwischen dem Subjekt und den anderen ‚sehen‘, anstatt es zu ,erklĂ€ren‘“ (ebd.). Im Bezug auf das nĂ€chtliche Traumerleben beobachtet Medard Boss: „Wie kĂŒnstlich und falsch erscheint an diesem unmittelbaren Traumereignis gemessen die ĂŒbliche gedankliche Trennung einer solchen Zusammengehörigkeit in die zwei StĂŒcke einer Aussenwelt und einer Innenwelt, in einen blossen aussenweltlichen Raumgegenstand, einen Zimmerraum einerseits und in irgendwelche darin unbeteiligt an ihm vorhandene, psychische Erlebnisse, ZustĂ€nde und Verhaltensweisen des Menschen andererseits“ (Boss 1974, 92).

Dieser GegenĂŒberstellung nach zu urteilen, Ă€hneln sich Film- und Traumerfahrung dahingehend, dass beide die VerschrĂ€nkung von Subjekt und Welt zum Ausdruck bringen. Michel Foucault schreibt: „Im Traum sagt alles ,ich‘: selbst die GegenstĂ€nde und die Tiere, selbst der leere Raum, selbst die fernen und fremden Dinge, die seine Phantasmagorie bevölkern“ (Foucault 1992, 63). Das trĂ€umende Subjekt ist ,in‘ den wahrgenommenen Objekten (sie sind Projektionen seiner SelbstzustĂ€nde) genau so wie die Objekte ,im‘ trĂ€umenden Subjekt sind (sie sind Teile seiner Psyche). Analog hierzu ist ein Film sowohl eine Art ,BehĂ€lter‘ einer Vielzahl von Objekten, die ,in‘ ihm erscheinen als auch eine bestimmte Art und Weise, diese Objekte zu prĂ€sentieren. Eine Welt ist ,in‘ einem Film (enthalten), ebenso wie der Film ,in‘ dieser Welt (situiert) ist. Wie ein Traum ist ein Film immer sowohl gesehenes Objekt als auch sehendes Subjekt, eine Welt und das Sehen dieser Welt zugleich.

Dieser filmspezifische Doppelstatus wurde von Vivian Sobchak mit dem temporalen Charakter des Mediums in Verbindung gebracht. Anders als eine Photographie können wir einen Film nicht materiell in Besitz nehmen bzw. schwer kontrollieren (Sobchak 2004, 62 f.). Auch wenn ein Traum ein StĂŒck weit kontrolliert werden kann (luzides TrĂ€umen), können wir auch ihn aufgrund seiner FlĂŒchtigkeit nicht materiell besitzen. Laut Sobchak baut die phĂ€nomenologische Ambivalenz des Films darauf auf, dass er Erfahrung gleichzeitig als ReprĂ€sentation und als PrĂ€sentation ausweist (Sobchak 2004, 74). Einerseits erwecken die Bilder des Films den Eindruck einer „post hoc fixity of already-perceived and now expressed images“ (Äquivalent zur Substantivform), andererseits manifestiert der Bilderfluss die „ongoing present tense of sensory perception“ (Äquivalent zur Verbform; ebd.). Auf den Traum bezogen wĂŒrde eine Reduktion auf dessen symbolischen Gehalt bedeuten, ihn auf den Status eines „already-perceived“ festzulegen, statt ihn als eine sich im Werden befindende Erfahrung aufzufassen. Der Erfahrungscharakter des filmischen Traums wĂŒrde ignoriert – Figuren durchleben TrĂ€ume, Zuschauerinnen erleben die Sequenz zeitlich. Die dynamische, Verb-basierte, prĂ€sentationale ModalitĂ€t des TrĂ€umens und Filmerlebens bedingt die Möglichkeit, emotionale Spannung aufzubauen. Wenn es beispielsweise einer Albtraum-Sequenz gelingt, ein GefĂŒhl des Ausgeliefertseins zu erzeugen, dann existiert dieses GefĂŒhl nur in AbhĂ€ngigkeit davon, dass es dem Zuschauer möglich ist, eine VerĂ€nderung in dem dargestellten Szenario wahrzunehmen. Film ist also dazu in der Lage, den Eindruck eines „dream as it is being dreamed“ hervorzurufen (Flitterman-Lewis, zit in Dickson 2017, 19).


Die implizit phÀnomenologische Basis der Film/Traum-Analogie

Analogien zwischen Film und Traum gibt es bereits fast so lange wie den Film selbst (Carroll 1988, 11). Schon in den 1950er Jahren wurde die Idee, dass das Kino ein Traum sei, als das „key word“ der Filmtheorie bezeichnet (Morin 2005, 7). Aus phĂ€nomenologischer Perspektive ist es auffallend, dass viele Analogisierungsversuche, ob zu Beginn des 20. Jahrhunderts oder zur Hochzeit der psychoanalytischen Tradition in den 1970ern und 80ern, auf eine bestimmte AffinitĂ€t zwischen „Filmwahrnehmung und Traum“ (so auch der Titel des 1998 erschienenen Aufsatzes von Irmela Schneider) abzielen. Mit dem Schlagwort Wahrnehmung ist natĂŒrlich ein (wenn nicht der) zentrale Untersuchungsgegenstand der PhĂ€nomenologie benannt. Ein kurzer Ausflug in die Filmtheorie soll zeigen, dass historisch gesehen phĂ€nomenologisches Denken (auch wenn es oftmals nicht als solches benannt wurde) einen gewichtigen Teil von Film/Traum-Analogien ausmacht, weil diese Analogien oftmals auf der Konzeptualisierung der Beziehung zwischen Zuschauerin und Film, und damit auf dem Sujet der Film-PhĂ€nomenologie (Ferencz-Flatz/Hanich 2016, 26), beruhen.

In einem Aufsatz von 1911 argumentiert der ungarische Philosoph und Literaturwissenschaftler Georg LukĂĄcs (1885-1971), das Kino sei traumartig, da es die Unterscheidung zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit verneine: „weil seine Technik in jedem einzelnen Moment die absolute (wenn auch nur empirische) Wirklichkeit dieses Moments ausdrĂŒckt, wird das Gelten der ,Möglichkeit‘ als einer der ,Wirklichkeit‘ entgegengesetzten Kategorie aufgehoben“ (LukĂĄcs, zit. in Schneider 1998, 25). Wie der TrĂ€umende macht der Filmzuschauer eine Erfahrung, in der gilt: „Alles ist wahr und wirklich, alles ist gleich wahr und gleich wirklich“ (ebd.). Wie Schneider kommentiert, vergleicht LukĂĄcs das Erleben eines Films mit dem Erleben eines Traums. Es ist nicht die (wache) Erinnerung an den Nachttraum, die als Vergleichspunkt dient – hier wurde der Unterschied zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit wiederhergestellt – sondern die (manifeste) Erfahrung des Nachttraums, d.h. „die der Beobachtung im strengen Sinne gar nicht zugĂ€ngliche Ebene des Traums“ (Schneider 1998, 25 f.).

1921, inmitten des Stummfilmzeitalters, adressiert der österreichische Schriftsteller Hugo von Hofmannsthal (1874-1929) einen Aspekt von TrĂ€umen, der fĂŒr die Traumdarstellungen vieler Filmemacher (z.B. Maya Deren, Federico Fellini, Andrei Tarkovsky und David Lynch) von großer Bedeutung sein wird, nĂ€mlich den RĂŒcktritt oder gar Verlust von Sprache. Ähnlich wie im ersten markierten Traum im Oeuvre David Lynchs (im Kurzfilm The Alphabet, 1968) wird die Sprache bei Hofmannsthal als „das Werkzeug der Gesellschaft“ gesehen und verkörpert die Machtdynamiken der Wachwelt (Hofmannsthal 1979, 142). Laut Hofmannsthal gingen die Leute im frĂŒhen 20. Jahrhundert ins Kino, um der Stumpfsinnigkeit ihres Alltagslebens zu entfliehen. Sie suchten nach einem „Ersatz fĂŒr die TrĂ€ume“ (so der Titel des Essays), derer sie durch die Monotonie des industriell-modernen Stadtlebens beraubt worden waren. Hofmannsthals Verwendung des Begriffs ,Traum‘ mag uns fĂŒr die unterschiedlichen Grade der MetaphorizitĂ€t sensibilisieren, mit der der Begriff von verschiedenen Vertretern einer Film/Traum-Analogie gebraucht wird. Neben dem Bezug auf den konkreten nĂ€chtlichen Traum scheint von Hofmannsthal das TrĂ€umen als einen Erfahrungsmodus zu begreifen, der von einer gewissen Neugier auf das Unbekannte angetrieben wird (Hofmannsthal 1979, 143). Wenn er das Kino mit dem Traum vergleicht, geht es ihm also nicht so sehr um die tatsĂ€chliche Erfahrung des TrĂ€umens, sondern um das, was ein Traum (fĂŒr ihn) reprĂ€sentiert, nĂ€mlich einen Sinn fĂŒr die Magie des Lebens. Möglicherweise will er andeuten, dass selbst der Verstand der Menschen so ,industrialisiert‘ ist, dass sogar ihre TrĂ€ume durch externe, ,hergestellte‘ Bilder befeuert werden mĂŒssen. Mit seinem metaphorischen Gebrauch des Traumbegriffs antizipierte er die Auffassung von Hollywood als ,Traumfabrik‘ (vgl. Ilja Ehrenburgs Schrift Die Traumfabrik von 1931), die von Hortense Powdermaker in den 1950ern popularisiert wurde (vgl. ihr Buch: Hollywood, the Dream Factory).

Noch kritischer gegenĂŒber dem kulturellen Klima ihrer Zeit ist der Ansatz der Surrealisten, in dem Film und Traum untrennbar miteinander verknĂŒpft sind. Michael Lommel beobachtet: „Die Schauspiele des Traums zĂ€hlen zu den konstitutiven Merkmalen einer Ästhetik des Surrealen, die im Filmischen einen adĂ€quaten Ort der Umsetzung findet, der jene surrealen AtmosphĂ€ren und Wahrnehmungsformen am besten zu vermitteln vermag“ (Lommel 2008, 15). Durch den Einsatz von hyperassoziativer Montage und durch den Bruch mit der Konvention des continuity editing versuchte beispielsweise Luis Buñuels (1900-1983) und Salvador DalĂ­s (1904-1989) berĂŒchtigter Film Un chien andalou (1929) eine traumhafte Filmerfahrung zu evozieren, die die konventionelle Dichotomisierung in ,real‘ und ,irreal‘ unterlĂ€uft und zu einer RealitĂ€t fĂŒhrt, die ,ĂŒber‘ (vgl. französisch ,sur‘) der regulĂ€ren, von der RationalitĂ€t und den moralischen Werten der Bourgeoisie bestimmten, RealitĂ€t existiert. „Der Traumzustand wurde so zu einem Modell, das die RealitĂ€tswahrnehmung bereichern, ja verĂ€ndern sollte“ (BrĂŒtsch 2011, 32). Auch wenn das Medium Film womöglich nicht per se traumhaft ist, hat es im Vergleich zu anderen Kunstformen ein besonderes Potential, eine traumartige Erfahrung hervorzurufen. Im Hinblick auf die Surrealisten wurde beobachtet: „the film camera possessed a unique capacity to capture and convey the sensation of dreaming“ (Kuhn/Westwell 2012, 415). Aus film-phĂ€nomenologischer Perspektive scheint es wichtig zu unterstreichen, dass, wie Laura Rascaroli beobachtet, die Schriften der Surrealisten AndrĂ© Breton (1896-1966) und RĂ©ne Clair (1898-1981) die Grundlage darstellten fĂŒr „the comparison between spectator and dreamer [which] became the most widely quoted and important similarity between film and dream“ (Rascaroli 2002, 2). Das heißt, die NĂ€he von Film und Traum wurde durch die Ähnlichkeit zwischen dem Zustand des Filmzuschauers und demjenigen des TrĂ€umenden erklĂ€rt. Eher als die PhĂ€nomene selbst sind es die Bedingungen ihrer Rezeption, die viele Autoren dazu gebracht haben, deren Ähnlichkeit zu behaupten.

Ähnlich wie die surrealistische Filmauffassung basiert der in den frĂŒhen 1950ern verfasste Film/Traum-Vergleich in Susanne Langers philosophischer Kunsttheorie Feeling and Form im Vergleich zu von Hofmannsthals Ansatz auf einem konkreteren Traumbegriff. Langer schreibt: „cinema is ‘like’ dream in the mode of its presentation: it creates a virtual present, an order of direct apparition. That is the mode of the dream“ (Langer 1953, 412). Was das Kino vom Traum abstrahiert, ist die „immediacy of experience“, die „givenness“, die sich aus dem Eindruck ergibt, „im Zentrum“ der Situation zu stehen (Langer 1953, 413): „The most noteworthy formal characteristic of dream is that the dreamer is always at the center of it“ (ebd.). Wie der TrĂ€umer in einem Traum ist die Kamera „equidistant from all events“ (ebd.). Der Betrachter bewegt sich mit der Kamera mit (ebd.). „He takes the place of the dreamer, but in a perfectly objectified dream – that is, he is not in the story. The work is the appearance of a dream, a unified, continuously passing, significant apparition“ (ebd.). Außerdem beruht die Ähnlichkeit von Filmerfahrung und Traumerfahrung auf einer gemeinsamen Tendenz zur SynĂ€sthesie (Langer 1953, 414),[1] wobei der Raum durch die rĂ€umliche Erfahrung ĂŒberhaupt erst zu existieren beginnt (d.h. Traum und Film „are not oriented in any total space“; Langer 1953, 415), und auf einer „affective or associative logic“, die sowohl dem Filmschnitt als auch den Traumbildern zugrunde liegt (Carroll 1988, 13). Im Bezug auf Langers Beobachtung, dass der Filmbetrachter „the place of the dreamer“ einnimmt, ohne physisch im Szenario anwesend zu sein, wĂŒrden die meisten Traumforscherinnen wahrscheinlich eher von einer hypnagogischen als von einer traumartigen ErlebnisqualitĂ€t im engeren Sinne sprechen. Der Körper des Traum-Ichs materialisiert sich nĂ€mlich erst im Traumzustand, nicht etwa schon in der hypnagogen Phase, d.h. in dem Bewusstseinszustand zwischen Wachen und TrĂ€umen. In den Worten Evan Thompsons: „The experience of being a self in the world, which marks the waking state but diminishes in the hypnagogic state, reappears in dreams“ (Thompson 2017, 127).

Christian Metz’ Beitrag zur Filmtheorie basiert auf der Kombination von Semiotik und Freud’scher Psychoanalyse. Interessanterweise beschreibt Metz allerdings ausfĂŒhrlich die Beziehung zwischen Zuschauerin und Film, wenn es um die Traumartigkeit des filmischen Mediums geht. Seiner Ausgangsbeobachtung nach besteht der prinzipielle Unterschied zwischen der Film- und der Traumsituation darin, dass sich der TrĂ€umer des TrĂ€umens nicht bewusst ist, wohingegen „the film spectator knows that he is at the cinema“ (Metz 1985, 101). Jedoch kann sich in beiden FĂ€llen der Bewusstseinsgrad Ă€ndern, kann sich doch die trĂ€umende Person ihres Traumes gewahr werden und die Filmzuschauerin vergessen, dass sie im Kino ist. Metz regt die Idee des luziden TrĂ€umens an, wenn er ĂŒber das „open[ing of] a gap in the hermetic sealing-off that ordinarily defines dreaming“, schreibt (Metz 1985, 104). Als Konsequenz dieser doppelten Dynamik bemerkt Metz: „[I]t is in their gaps rather than in their more normal functioning that the filmic state and the dream state tend to converge“ (ebd.). Das heißt, die beiden ZustĂ€nde nĂ€hern sich dann an, wenn die TrĂ€umende an Bewusstsein gewinnt und die Filmschauende an Bewusstsein verliert. Genauer gesagt kann der Filmzustand, der durch „a general tendency to lower wakefulness“ gekennzeichnet ist, den Zuschauer in Richtung des TrĂ€umens bewegen, und zwar durch seine „encouragement of narcissistic withdrawal“, sein „indulgence of phantasy“, den „withdrawal of the libido within the ego“ und durch die „suspension of concern for the exterior world“ (Metz, 1985, 107). Film wird zur „machine for grinding up affectivity and inhibiting action“ (ebd.), ein Punkt der besonders fĂŒr die phĂ€nomenologisch ausgerichteten Studien Vlada Petrićs und Rainer Schönhammers von Belang ist (s. nĂ€chstes Unterkapitel). Es scheint wichtig zu betonen, dass die Reduktion von Wachheit im Kino zu einer „impression of reality“ fĂŒhrt, der sich der genuinen Illusion des TrĂ€umens zwar annĂ€hern, sie jedoch nie erreichen kann (ebd.). Das hat mit dem Unterschied zwischen Wahrnehmung und Imagination, „in terms of a phenomenology of consciousness“, zu tun (Metz 1985, 109). Filmische Wahrnehmung setzt einen Ă€ußeren Reiz voraus, TrĂ€umen nicht. Die Filmerfahrung involviert einen „progressive path“ der „psychical excitation“, bei dem Ă€ußere Objekte die Wahrnehmung verursachen (Metz 1985, 114). Das TrĂ€umen hingegen ist von einem „regressive path“ gekennzeichnet, d.h. von einer Erregung von innen nach außen (ebd.). Streng freudianisch in seiner Herangehensweise argumentiert Metz, dass die WahrnehmungstĂ€uschung in einem Traum durch die Kombination aus unbewusstem Wunsch und wunschauslösender, kĂŒrzlicher, vorbewusster Erinnerung verursacht wird (ebd.). Obwohl die Filmsituation eine Tendenz zur Regression aufweist, in dem sie die motorische AusfĂŒhrung der Zuschauerin nicht zulĂ€sst, ist die Regression nie vollstĂ€ndig, da die filmische Wahrnehmung doppelt, d.h. „simultaneously from without and within“, verstĂ€rkt wird und damit sowohl von der progressiven Bahn als auch von der regressiven Bahn geprĂ€gt ist (Metz 1985, 117 f).

Explizit phÀnomenologische Untersuchungen zum oneirischen Film

Der Mangel an explizit phĂ€nomenologischen Untersuchungen oneirischer Filme ist alleine schon deswegen auffallend, weil einerseits die PhĂ€nomenologie dazu geneigt ist, binĂ€res Denken zu hinterfragen, und andererseits der filmische Traum bereits seiner Natur nach die BinaritĂ€t von innen–außen auf die Probe stellt; die Traumsequenz prĂ€sentiert innere Erfahrung als Ă€ußere Erscheinung. Es gibt zwar keine monographische Studie zur PhĂ€nomenologie des filmischen Traums, jedoch wĂ€re es falsch anzunehmen, dass phĂ€nomenologisches Denken bisher ĂŒberhaupt nicht auf oneirische Filme angewendet wurde. Simon Dicksons Arbeit The Oneiric Film: Refocusing the Film-Dream Analogy from an Existential Phenomenological Perspective zeigt die Wichtigkeit, Vivian Sobchaks Konzept des fleischlichen Wissens zu erweitern. Sobchak schreibt: „we see and comprehend and feel films with our entire bodily being, informed by the full history and carnal knowledge of our acculturated sensorium“ (Sobchak 2004, 63). In diesem Zusammenhang betont Dickson die Notwendigkeit, das Konzept dieses Wissens zu erweitern, um Traumerfahrung mit einzuschließen. Er schreibt, dass man anerkennen könnte, „that our ‘acculturated sensorium’ would thus factor in what we experience and sense in dreams. In short, as well as ‘carnal,’ one might begin to recognise an oneiric knowledge embedded in the film spectator“ (Dickson, 9 f). Wann immer man sagt, ein Film habe einen traumartigen Effekt auf die Zuschauerin, setzt man gewissermaßen die Existenz dessen, was Dickson „oneiric knowledge“ nennt, also Wissen darĂŒber, wie es ist, einen Traum zu erleben, voraus – wie sonst könnten wir die Ähnlichkeit von Filmszene und Traum wahrnehmen? In diesem – mimetischen – Sinne geht es darum, das Potential zu beurteilen, den wachen Zuschauer an die phĂ€nomenale QualitĂ€t (das what-it-is-like) des TrĂ€umens zu erinnern, d.h. sein oneirisches Wissen zu adressieren. Ein Ansatz, der allein auf der Idee von oneirischem Wissen aufbaut, könnte allerdings aufgrund seines implizit mimetischen VerstĂ€ndnisses von filmischer Traumartigkeit als problematisch gelten. Denn etwas wĂ€re nur dann traumartig, wenn es auf die eine oder andere Art die nĂ€chtliche Traumerfahrung widerspiegelt. Einerseits mag dieser Ansatz, der in vielen psychologischen ZugĂ€ngen zu kĂŒnstlerischen Traumdarstellungen dominant ist, den Diskurs um oneirisches Kino erweitern, da er nun nicht mehr auf markierte Traumsequenzen beschrĂ€nkt ist; ein traumartiger Effekt, im Sinne der Adressierung oneirischen Wissens, ist unabhĂ€ngig vom Markierungsstatus der jeweiligen Szene. Jedoch erweist es sich in einem rein mimetischen Ansatz als schwieriger, die kreativen Aspekte derjenigen Traumsequenzen in Betracht zu ziehen, die allein aufgrund ihrer Markierung als Traum zu erkennen sind. Das heißt, diejenigen erfahrungsbezogenen Aspekte einer Traumsequenz, die den Nachttraum nicht imitieren, sondern Ă€sthetisch einen Effekt konstruieren, der einfach deshalb als „traumartig“ bezeichnet werden kann, weil er in einer markierten Traumsequenz auftritt (oder eine deutliche Referenz auf eine solche beinhaltet), sind gar nicht Teil der Diskussion. Anders als mimetische AnsĂ€tze neigen konstruktivistische AnsĂ€tze zu der Frage, was (vom Kunstwerk selbst) als traumartig ausgewiesen wird, anstatt zu fragen, was traumartig ist. Im Mittelpunkt steht also das kreative Potential eines Mediums zur Darstellung von TrĂ€umen, und weniger der Bezug zum nĂ€chtlichen Traumerleben.

Man mag einen grundlegenden Unterschied zwischen nĂ€chtlichem Traumerleben und dem Schauen einer filmischen Traumszene darin sehen, dass im Falle der Filmszene oftmals eine Markierung des Traums vorliegt, wĂ€hrend dies beim Nachttraum nicht der Fall ist. Es wĂ€re allerdings nicht gerechtfertigt, den markierten Traum aufgrund einer Abweichung von der PhĂ€nomenologie des nĂ€chtlichen Traums von einer nĂ€heren Betrachtung auszuschließen: das wĂŒrde den „retroactive mode“ der Traummarkierung ignorieren (vgl. Eberwein 1984, 160-191), indem wir uns des Traumstatus einer Filmszene erst im Nachhinein bewusst werden, beispielsweise wenn plötzlich eine Figur aus dem Schlaf hervorschnellt, ohne dass sie am Anfang der Szene einschlafend gezeigt wurde. Doch sogar eine Traumsequenz mit einleitender Markierung kann einen traumartigen Effekt ausĂŒben, denn die Zuschauerin begegnet dem Film zunĂ€chst auf prĂ€reflektiver Ebene (auf der eine Erfahrung noch nicht in ,wirklich‘ und ,unwirklich‘ ausdifferenziert ist) – eine Ebene, die auch der nĂ€chtliche Traum nutzt, um intensive Momente der sinnlichen Involvierung oder Störung zu schaffen.

Um ein möglichst differenziertes Bild des Attributs ,traumartig‘ (im Kontext des jeweiligen Forschungsfokus) zu bekommen, sollte sich eine Filmanalyse weder auf das Kriterium beschrĂ€nken, an den nĂ€chtlichen Traum erinnern zu mĂŒssen, noch auf das Kriterium, einen Traum eindeutig markieren zu mĂŒssen. Wenn ein Film also keine markierten TrĂ€ume beinhaltet, heißt das noch nicht unbedingt, dass er keine traumartigen QualitĂ€ten besitzen kann. Markiert ein Film seine TrĂ€ume, heißt das wiederum noch nicht, dass er uns nicht auch an die nĂ€chtliche Traumerfahrung erinnern kann. Konstruktivistische und mimetische AnsĂ€tze schließen sich also nicht aus, sondern können sich gegenseitig befruchten, wie beispielsweise die Arbeiten Vlada Petrićs zeigen.

Neurophysiologische AnsÀtze

Vlada Petrićs Aufsatz Film and Dreams: A Theoretical-Historical Survey könnte als Spezifizierung der Bedingungen gelesen werden, unter denen das oneirische Wissen eines Filmzuschauers aktiviert wird und legt den Aufmerksamkeitsfokus auf die prĂ€reflektive, physiologische Dimension der Filmerfahrung. Petrić schlĂ€gt vor, dass, wenn das Kino seine medienspezifischen Mittel angemessen nutzt, es in der Lage ist, die Zuschauerin dazu zu bringen, dargestellte TrĂ€ume nicht nur distanziert wahrzunehmen, sondern sie sinnlich zu erleben, d. h. „in a way which approximates the process and impact of dreaming“ (Petrić 1980, 2). Mit Blick auf den „psycho-physiological impact on the viewer“ (Petrić 1980, 14) schreibt Petrić: „In the process of dreaming, our neural and muscular systems respond differently to various situations in spite of the fact that we accept them as reality. In essence, this unique aspect of dreaming parallels the impact of some cinematic devices on the film viewer. This impact is the subject which must be studied by both film theorists and psycho-neurologists“ (Petrić 1980, 14 f).

WĂ€hrend des TrĂ€umens akzeptiert der TrĂ€umer die Traumsituation als RealitĂ€t und doch reagiert er auf (neuro-)physiologischer Ebene anders als er es tun wĂŒrde, wenn er wirklich in der Situation wĂ€re. Diese Dynamik findet sich ebenso in der Filmsituation: „the sensory-motor responses (characteristic of film viewing) correspond to muscular sensations (experienced by the dreamer)“, so schreibt Petrić (1980, 19). WĂ€hrend die beiden Antworten auf psychologischer Ebene verschieden sind, zeigen sie eine Ähnlichkeit auf der physiologischen Ebene: „each in its own way enhances the dream or film viewer’s identification, alienation and comprehension of the dreamed event. The most exciting dream films [...] employ the specific cinematic devices to intensify such visceral reactions in the viewer“ (ebd.). Eine kreative Nutzung der psycho-physiologischen Stimulation des Zuschauers kann die metaphorische Bedeutung und ihren oneirischen Effekt intensivieren und beinhaltet folgende filmische Techniken: „camera movement through space“, die zu einer an Hypnagogie erinnernde „kinesthetic sensation“ der Zuschauerin fĂŒhrt, „paradoxical combinations of objects“, „dynamic montage“, die zu „vestibular activation“ und der Förderung von albtraumartiger Angst fĂŒhrt, „photographic effects“, die eine „hypnotic mood“ erzeugen, und „sight-and-sound counterpoint“, der „unusual sound and color combinations“ nach sich zieht, die an TrĂ€ume erinnern (Petrić 1980, 24). Anders als Dickson interessiert sich Petrić sowohl fĂŒr das oneirische Potential des filmischen Mediums im Allgemeinen als auch fĂŒr die Art und Weise, in der bestimmte (markierte) Traumsequenzen dieses Potential nutzen. Es scheint wichtig zu betonen, dass Petrić die Traumartigkeit der Filmerfahrung per se nicht voraussetzt (wie diverse Vertreter der Film/Traum-Analogie es tun). Eher scheint sein Ansatz zu implizieren, dass das Traumhaftigkeitspotential (im Sinne eines sinnlich-oneirischen Effekts auf die Zuschauerin) dem filmischen Medium zwar auf besondere Art und Weise innewohnt, jedoch nur von bestimmten Szenen und Filmen genutzt wird. Dieses Potential entsteht durch die FĂ€higkeit des Films, die sensomotorischen Zentren des Zuschauers zu adressieren, was in einem traumartigen Effekt auf den Zuschauer resultieren kann. So grenzen sich oneirische Bilder von bloß fantastischen ab: letztere bringen keine physiologische, hypnagoge oder hypnotische Stimulation mit sich (Petrić 1980,14). BezĂŒglich der filmischen Mittel, die zum Hervorrufen einer traumartigen, physiologischen Reaktion in der Zuschauerin geeignet sind, hebt Petrić besonders die Wichtigkeit von Kamerabewegungen hervor: „While watching dream sequences executed by a tracking camera, viewers simultaneously experience spatial sensation of the [filmic] environment and muscular activity of their body, supporting a hypothesis that the stimulation of the viewers’ neural centers is closer to a REM sleep (desynchronized sleep) than to a NREM sleep (synchronized sleep). [
] Thus the most evident similarity between REM sleep and film viewing lies in the phenomenon that both dreamers and viewers, while their muscle potential is relatively high, experience sensory motor activity which creates a unique tension that can enhance an anxious mood or hallucinatory imagery“ (Petrić 1980, 22).

Kamerabewegungen provozieren beim Zuschauer eine doppelte rĂ€umliche Erfahrung. Indem sie seine sensomotorischen Zentren aktivieren, bieten sie ein Erleben des virtuellen filmischen Raums; durch das physiologische Erleben von Bewegung werden Bilder als „features of the real world“ wahrgenommen (Petrić 1980, 21). Gleichzeitig erfĂ€hrt der Zuschauer seinen eigenen bewegungslosen Körper. FĂŒr Adriano D’Aloia ist die Filmerfahrung „an intensified sensory stimulation that does not correspond to any explicit motor activation“ (D’Aloia 2012, 219 f). An diesem Punkt ist die Position des Wahrnehmungspsychologen Rainer Schönhammer interessant. In Schönhammers Worten ist „[d]ie Bewegungslosigkeit der Zuschauer [...] gewissermaßen die BĂŒhne, auf der sich innere Mitbewegung mit dem körperlichen Geschehen auf der Leinwand entfaltet (Schönhammer 2007, 76). Die Spannung zwischen der erlebten „inneren Mitbewegung“ (Schönhammer 2013, 168) und der (Ă€ußeren) Bewegungslosigkeit des Körpers erzeugt bei der Zuschauerin eine Irritation. In der nicht-filmischen bzw. der Wachwelt wĂŒrde die AusfĂŒhrung solcher Bewegungen notwendigerweise propriozeptive VerĂ€nderungen mit sich bringen, besonders im vestibulĂ€ren System (Schönhammer 2007, 77). In der Filmsituation ist das nicht der Fall. In dieser Hinsicht Ă€hnelt der physiologische Zustand des Filmzuschauers demjenigen des TrĂ€umers. Die Spannung zwischen der sensomotorischen Aktivierung und der Bewegungslosigkeit der Zuschauerin korrespondiert mit der Spannung zwischen der extremen neuronalen Aktivierung und dem vom Schlaf paralysierten Körper der TrĂ€umerin. Besonders in TrĂ€umen der REM-Schlafphase ist unser sensomotorisches System aktiviert, wĂ€hrend der schlafende Körper regungslos bleibt. Das heißt, dass ein Teil des Hirnstamms die efferenten Bewegungsimpulse wĂ€hrend des REM-Schlafs blockiert, sodass die Bewegungen nicht ausgefĂŒhrt werden. Das wirkt sich wiederum auf den Traum aus. Schönhammer nimmt an, das trĂ€umende Gehirn interpretiert die Muskelhemmung des schlafenden Körpers sowohl als UnfĂ€higkeit, sich in der Traumwelt zu bewegen als auch als Drang, einem Verfolger oder einer Gefahrenquelle zu entfliehen (Schönhammer 2013, 62). WĂ€hrend die Regungslosigkeit des Körpers in der ersten Interpretation in den Traum ĂŒbertragen wird, wird sie bei der zweiten durch den Traum umgekehrt.

Eine starke vs. schwache Version der Film/Traum-Analogie

Auf filmtheoretischer Ebene zeigen die Arbeiten von Dickson, Petrić und Schönhammer die Notwendigkeit auf, zwischen einer starken und einer schwachen Version der Film/Traum-Analogie zu unterscheiden. Laut der starken Version ist jeder Film wie ein Traum, da die Filmerfahrung einige wesentliche Charakteristika mit der Traumerfahrung teilt: Bewegungslosigkeit des Körpers bei Identifikation mit virtuellem Szenario, ImmaterialitĂ€t der Film-/Traumwelt, Formbarkeit der raumzeitlichen Beziehungen usw. Laut der schwachen Version der Analogie wohnt dem Medium Film auf besondere Weise das Potential inne, das TrĂ€umen in seiner sinnlichen IntensitĂ€t darzustellen. Diese Version ist immer noch Teil der Film-/Traum-Analogie, da die Filmerfahrung der Traumerfahrung (bzw. deren wacher Rekonstruktion) hinreichend Ă€hnlich ist, um erstere im RĂŒckgriff auf zweitere zu charakterisieren. Untersucht man die Filme eines bestimmten Regisseurs oder einer bestimmten Regisseurin, oder diejenigen einer bestimmten historischen Periode im Hinblick auf ihre Traumhaftigkeit, so kann man sich nach der NĂŒtzlichkeit der starken Film/Traum-Analogie fragen: wenn die Filmerfahrung an sich bereits ihrer Natur nach traumartig ist, was wĂŒrde es dann bedeuten, die Erfahrung eines bestimmten Films (oder einer bestimmten Szene) als traumartig zu bezeichnen? Was wĂŒrde einen Film als mehr oder weniger traumartig auszeichnen, wenn alle Filme traumartig sind? Untersuchen wir also beispielsweise das Kino Buñuels auf dessen Traumartigkeit, erscheint die starke Analogie nicht als vielversprechend, denn damit die Charakterisierung ,traumartig‘ bedeutungsvoll ist, muss es Filme geben, auf die sie zutrifft und andere, auf die sie nicht zutrifft. Was man in der möglichen Ablehnung der starken Film/Traum-Analogie allerdings nicht ignorieren sollte – wie es beispielsweise bei Matthias BrĂŒtsch der Fall zu sein scheint (BrĂŒtsch 2013, 88 f) – ist die natĂŒrliche Neigung des Kinos zum Traum hin. Indem er die Film/Traum-Analogie auf ihre extreme Version reduziert, scheint BrĂŒtsch zu ignorieren, dass die umkehrbare Natur der Filmerfahrung (der Umstand, dass sich das im Film ReprĂ€sentierte immer zugleich in eine gelebte Erfahrung der Zuschauerin ĂŒbersetzt) den Traum bzw. eher das TrĂ€umen als besonders interessantes PhĂ€nomen fĂŒr Filmschaffende hervorhebt. Weil Film eine primĂ€r audiovisuelle Erfahrung ist, die auf die prĂ€reflektive, sinnliche Involvierung abzielt, besitzt er eine besondere FĂ€higkeit, den wachen Zuschauer an das TrĂ€umen zu erinnern (womöglich an einen bestimmten Traumtypus) – d.h. eine typischerweise audiovisuelle Erfahrung, die oftmals intensive, sinnliche Involvierung provoziert. Das heißt allerdings nicht, dass jeder Film traumartig ist. Viel eher kann man sagen, das filmische Medium stellt eine geeignete Kategorie von Erfahrung bereit, einen besonders intensiven, traumartigen Effekt auf die Zuschauerschaft zu erzeugen. Die Erforschung des filmischen Potentials, den Traum (als Sequenz) darzustellen, ist wohl nicht unabhĂ€ngig von dem breiteren Diskurs um eine Film/Traum-Analogie: möglicherweise sind es bloß bestimmte Filme / Szenen / Regisseure, die diejenigen Elemente manifestieren, die (fĂ€lschlicherweise) dem Kino im Allgemeinen zugeschrieben wurden. Der entscheidende Teil besteht darin, wie ein Film das oneirische Potential des Kinos umsetzt und wie die Erfahrung der Traumhaftigkeit in Bezug zu der vom Film erzĂ€hlten Geschichte steht.


Raphael Morschett


Literatur

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  • Thompson, Evan: Waking, Dreaming, Being. Self and Consciousness in Neuroscience, Meditation, and Philosophy. New York: Columbia UP 2017.

Anmerkungen

  1. ↑ VorlĂ€ufige empirische Belege fĂŒr die Tendenz des Nachttraums zur SynĂ€sthesie liefern Daniel Reznik et al.. Die Autoren sprechen von „oneiric synesthesia“ als Ergebnis eines „hyper-associative cognitive state following sleep“ und argumentieren fĂŒr die Annahme omnidirektionaler VerknĂŒpfungen von normalerweise unidirektionalen neuronalen Bahnen wĂ€hrend des Schlafs (Reznik et al. 2018, 379).


Zitiervorschlag fĂŒr diesen Artikel:

Morschett, Raphael: Die Beziehung zwischen Film und Traum aus phÀnomenologischer Perspektive. In: Lexikon Traumkultur. Ein Wiki des Graduiertenkollegs "EuropÀische Traumkulturen", 2022; http://traumkulturen.uni-saarland.de/Lexikon-Traumkultur/index.php?title=Die_Beziehung_zwischen_Film_und_Traum_aus_ph%C3%A4nomenologischer_Perspektive .