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==Traumtheorie==
 
==Traumtheorie==
Artemidor legt an mehreren Stellen seiner ''Oneirokritika,'' nicht nur in den Proömien der Bücher I und IV, Überlegungen zur Traumtheorie vor. Dabei grenzt er sich von Vorgängern (zu ihnen: Vinagre Lobo 2011) und Zeitgenossen ab und macht sein Vorgehen transparent. Seiner Ansicht nach sind für die Deutung allein die symbolisch verschlüsselten ''oneiroi'' zu gebrauchen, und bei ihnen auch nur die allegorisch-verschlüsselten: Ihnen allein wird ein prognostischer Wert zugebilligt. und Artemidors Ziel bestand ja darin, die Bedeutung eines Traums für das zukünftige Leben des Träumenden zu ergründen. Die theorematischen ''oneiroi'' hingegen bedürfen, weil sie unverschlüsselt sind und sich „Traumbild und Realität völlig entsprechen“ (Artem. 1,2) nicht der Deutung; den ''enhypnia,'' die sich als ‚Tagesreste‘ definieren lassen, käme keine Signifikanz zu, weshalb sie auch nicht gedeutet werden dürfen. Damit stellt sich Artemidor explizit gegen die Deutbarkeit von Träumen, die sich von der menschlichen Seele angeregten physiologischen Vorgängen verdanken und die zu diagnostischen Zwecken in der antiken Medizin verwendet wurden (Walde 2013). Außerdem schloss Artemidor ''chrematismoi,'' gemeint sind direkte Mitteilungen der Götter, ''horamata'' als Abbilder zukünftigen Geschehens und ''phantasmata,'' Illusionen oder Trugbilder, kategorisch von der Deutung aus.
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Artemidor legt an mehreren Stellen seiner ''Oneirokritika,'' nicht nur in den Proömien der Bücher I und IV, Überlegungen zur Traumtheorie vor. Dabei grenzt er sich von Vorgängern (zu ihnen: Vinagre Lobo 2011) und Zeitgenossen ab und macht sein Vorgehen transparent. Seiner Ansicht nach sind für die Deutung allein die symbolisch verschlüsselten ''oneiroi'' zu gebrauchen, und bei ihnen auch nur die allegorisch-verschlüsselten: Ihnen allein wird ein prognostischer Wert zugebilligt, und Artemidors Ziel bestand ja darin, die Bedeutung eines Traums für das zukünftige Leben des Träumenden zu ergründen. Die theorematischen ''oneiroi'' hingegen bedürfen, weil sie unverschlüsselt sind und sich „Traumbild und Realität völlig entsprechen“ (Artem. 1,2) nicht der Deutung; den ''enhypnia'', die sich als ‚Tagesreste‘ definieren lassen, kommt keine Signifikanz zu, weshalb sie auch nicht gedeutet werden dürfen. Damit stellt sich Artemidor explizit gegen die Deutbarkeit von Träumen, die sich von der menschlichen Seele angeregten physiologischen Vorgängen verdanken und die zu diagnostischen Zwecken in der antiken Medizin verwendet wurden (Walde 2013). Außerdem schließt Artemidor ''chrematismoi'' (gemeint sind direkte Mitteilungen der Götter), ''horamata'' (als Abbilder zukünftigen Geschehens) und ''phantasmata'' (Illusionen oder Trugbilder) kategorisch von der Deutung aus.
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Woher die Träume kommen, die Artemidor für deutungswürdig hält, bleibt merkwürdig opak: Zwar wird auf die mit Homer beginnende literarische Tradition verwiesen, dass Zeus der Urheber sei, aber Artemidor hält sich bedeckt und vermeidet eine klare Stellungnahme (Artem. 1,6). Er entwickelt vielmehr eine Fülle an Kategorisierungen, die bei der Deutung zu berücksichtigen sind und zitiert Experten, denen zufolge alles „glückverheißend“ zu deuten ist, „was im Einklang mit Natur, Gesetz, Sitte, Kunst, Namen und Zeit geträumt wird“ (1,3); daraus ergibt sich für ihn die Notwendigkeit, die individuelle Situation des Träumenden und die kollektiven Gewohnheiten von dessen Umfeld in den Blick zu nehmen (1,8).
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Woher die Träume kommen, die Artemidor für deutungswürdig hält, bleibt merkwürdig opak: Zwar wird auf die mit Homer beginnende literarische Tradition verwiesen, dass Zeus der Urheber sei, aber Artemidor hält sich bedeckt und vermeidet eine klare Stellungnahme (Artem. 1,6). Er entwickelt vielmehr eine Fülle an Kategorisierungen, die bei der Deutung zu berücksichtigen sind, und zitiert Experten, denen zufolge alles „glückverheißend“ zu deuten ist, „was im Einklang mit Natur, Gesetz, Sitte, Kunst, Namen und Zeit geträumt wird“ (1,3); daraus ergibt sich für ihn die Notwendigkeit, die individuelle Situation des Träumenden und die kollektiven Gewohnheiten von dessen Umfeld in den Blick zu nehmen (1,8).
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==Deutepraxis==
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==Deutungspraxis==
 
Die Erfassung dieser Aspekte hatte in einer Art Anamnesegespräch zu erfolgen (Artem. 1,9,18,16 19,4, dazu Walde 2001, 200-222), bei dem sich der Deuter möglichst umfassend über den Träumenden, seine Lebensumstände und -gewohnheiten sowie kulturellen Prägungen zu informieren versuchte und ebenso die körperliche Verfassung, in der sich der Träumende zur Zeit des Traums befand, erhoben wurde. Denn nur so konnte die Interpretation des Traumes erfolgreich sein bzw. war die Anwendung der Grundsätze zielführend, denn ein Traum für die gleiche Person konnte in verschiedenen Situationen jeweils etwas anderes bedeuten, wie auch derselbe Traum für verschiedene Personen unterschiedlich zu deuten war.
 
Die Erfassung dieser Aspekte hatte in einer Art Anamnesegespräch zu erfolgen (Artem. 1,9,18,16 19,4, dazu Walde 2001, 200-222), bei dem sich der Deuter möglichst umfassend über den Träumenden, seine Lebensumstände und -gewohnheiten sowie kulturellen Prägungen zu informieren versuchte und ebenso die körperliche Verfassung, in der sich der Träumende zur Zeit des Traums befand, erhoben wurde. Denn nur so konnte die Interpretation des Traumes erfolgreich sein bzw. war die Anwendung der Grundsätze zielführend, denn ein Traum für die gleiche Person konnte in verschiedenen Situationen jeweils etwas anderes bedeuten, wie auch derselbe Traum für verschiedene Personen unterschiedlich zu deuten war.
      
Die Kunst des Deuters, die auf großem Allgemeinwissen (Harris-McCoy 2013), einer ausgeprägten Beobachtungsgabe und langjähriger Erfahrung basierte, zielte zunächst darauf ab, die Traumart zu identifizieren, um dann die Methodik zur Anwendung zu bringen. Artemidor ging dabei von der grundsätzlichen Übertragbarkeit von Gesetzmäßigkeiten aus der Wachwelt in die Traumwelt aus, er deutete aber mitunter auch nach dem Prinzip des Gegenteils (Artem. 2,25,145,11f. und 4,2,245,2-9). Dann zerlegte der Deuter die ihm berichtete Traumsequenz in ihre Hauptbestandteile, die einzeln zu deuten waren und bei denen ein leitender Aspekt herausgefiltert wurde. Damit sollte es gelingen, die Unsicherheit, die aus der Bedeutungsvielfalt der Bilder herrühren konnte, durch Kohärenz einzudämmen.
 
Die Kunst des Deuters, die auf großem Allgemeinwissen (Harris-McCoy 2013), einer ausgeprägten Beobachtungsgabe und langjähriger Erfahrung basierte, zielte zunächst darauf ab, die Traumart zu identifizieren, um dann die Methodik zur Anwendung zu bringen. Artemidor ging dabei von der grundsätzlichen Übertragbarkeit von Gesetzmäßigkeiten aus der Wachwelt in die Traumwelt aus, er deutete aber mitunter auch nach dem Prinzip des Gegenteils (Artem. 2,25,145,11f. und 4,2,245,2-9). Dann zerlegte der Deuter die ihm berichtete Traumsequenz in ihre Hauptbestandteile, die einzeln zu deuten waren und bei denen ein leitender Aspekt herausgefiltert wurde. Damit sollte es gelingen, die Unsicherheit, die aus der Bedeutungsvielfalt der Bilder herrühren konnte, durch Kohärenz einzudämmen.
      
Die entscheidende Rolle bei der Anwendung der Deutungsregeln spielte der Sozialstatus des Träumenden: Die Begründungen für die Deutung, die fest im gesellschaftlichen Wissens- und Erfahrungsschatz verankert waren, wurden nach Männern und Frauen, Armen und Reichen, Gesunden und Kranken, Sklaven und Freien etc. differenziert und mussten den Klienten plausibel erscheinen. Ein Beispiel (4,67), aus dem hervorgeht, dass auch Frauen zu Artemidors Klientel gehörten, und das Artemidor als „Übungsbeispiel“ bezeichnet, vermag dies zu verdeutlichen:
 
Die entscheidende Rolle bei der Anwendung der Deutungsregeln spielte der Sozialstatus des Träumenden: Die Begründungen für die Deutung, die fest im gesellschaftlichen Wissens- und Erfahrungsschatz verankert waren, wurden nach Männern und Frauen, Armen und Reichen, Gesunden und Kranken, Sklaven und Freien etc. differenziert und mussten den Klienten plausibel erscheinen. Ein Beispiel (4,67), aus dem hervorgeht, dass auch Frauen zu Artemidors Klientel gehörten, und das Artemidor als „Übungsbeispiel“ bezeichnet, vermag dies zu verdeutlichen:
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: „Eine schwangere Frau träumte, sie habe eine Schlange [in der Übersetzung: ein Drache, GW] geboren. Der Sohn, den sie zur Welt brachte, wurde ein sehr guter und berühmter Redner; denn eine Schlange hat wie ein Redner eine zweischneidige Zunge. Freilich war das eine reiche Frau, und der Reichtum ist ein Hilfsmittel der Bildung. Eine andere hatte dasselbe Traumgesicht, und der von ihr geborene Sohn wurde Oberpriester; denn heilig ist die Schlange und heilig auch der in die Mysterien Eingeweihte. Diesmal war die Träumende die Gattin eines Priesters. Eine dritte sah ebenfalls dieses Traumgesicht, der von ihr geborene Sohn wurde ein hervorragender Weissager, denn die Schlange ist dem Apollon, dem besten aller Weissager, heilig. Diese Frau war die Tochter eines Weissagers. Ebenso sah eine vierte dieses Traumgesicht. Ihr Sohn wurde ein zügelloser und frecher Mensch, der viele Frauen in der Stadt verführte; denn eine Schlange schleicht durch die engsten Spalten und versucht, von Beobachtern verborgen zu bleiben. Auch die Mutter war schon ein ziemlich liederliches Weib, das es gerne mit den Männern trieb. Der Sohn einer fünften, die dasselbe Traumgesicht sah, wurde bei einem Raubüberfall ergriffen und geköpft; denn auch die Schlange wird, wenn sie gefangen wird, auf den Kopf geschlagen und stirbt so. Es war aber auch die Mutter nicht gerade vorbildlich. Der Sohn einer sechsten, die dasselbe Traumgesicht hatte, wurde ein flüchtiger Sklave; denn die Schlange geht nicht in gerader Richtung. Die Mutter aber war eine Sklavin. Der Sohn einer siebenten, die dasselbe Traumgesicht schaute, wurde gelähmt; die Schlange nämlich benutzt den ganzen Körper zum Vorwärtskommen wie auch gelähmte Menschen. Als die Mutter dieses Traumgesicht hatte, war sie krank. Folgerichtig konnte ein während der Krankheit empfangenes und ausgetragenes Kind nicht einen normalen Gang behalten.“
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„Eine schwangere Frau träumte, sie habe eine Schlange [in der Übersetzung: ein Drache, GW] geboren. Der Sohn, den sie zur Welt brachte, wurde ein sehr guter und berühmter Redner; denn eine Schlange hat wie ein Redner eine zweischneidige Zunge. Freilich war das eine reiche Frau, und der Reichtum ist ein Hilfsmittel der Bildung. Eine andere hatte dasselbe Traumgesicht, und der von ihr geborene Sohn wurde Oberpriester; denn heilig ist die Schlange und heilig auch der in die Mysterien Eingeweihte. Diesmal war die Träumende die Gattin eines Priesters. Eine dritte sah ebenfalls dieses Traumgesicht, der von ihr geborene Sohn wurde ein hervorragender Weissager, denn die Schlange ist dem Apollon, dem besten aller Weissager, heilig. Diese Frau war die Tochter eines Weissagers. Ebenso sah eine vierte dieses Traumgesicht. Ihr Sohn wurde ein zügelloser und frecher Mensch, der viele Frauen in der Stadt verführte; denn eine Schlange schleicht durch die engsten Spalten und versucht, von Beobachtern verborgen zu bleiben. Auch die Mutter war schon ein ziemlich liederliches Weib, das es gerne mit den Männern trieb. Der Sohn einer fünften, die dasselbe Traumgesicht sah, wurde bei einem Raubüberfall ergriffen und geköpft; denn auch die Schlange wird, wenn sie gefangen wird, auf den Kopf geschlagen und stirbt so. Es war aber auch die Mutter nicht gerade vorbildlich. Der Sohn einer sechsten, die dasselbe Traumgesicht hatte, wurde ein flüchtiger Sklave; denn die Schlange geht nicht in gerader Richtung. Die Mutter aber war eine Sklavin. Der Sohn einer siebenten, die dasselbe Traumgesicht schaute, wurde gelähmt; die Schlange nämlich benutzt den ganzen Körper zum Vorwärtskommen wie auch gelähmte Menschen. Als die Mutter dieses Traumgesicht hatte, war sie krank. Folgerichtig konnte ein während der Krankheit empfangenes und ausgetragenes Kind nicht einen normalen Gang behalten.
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Artemidors Ausführungen zeigen, wie Verhaltensweisen und Eigenschaften von Schlangen den Ausgangspunkt für bestimmte Deutungen abgaben, wenngleich schon allein aus Umfanggründen Artemidor nicht für jedes Traumsymbol bezüglich der möglichen Träumenden Vollständigkeit erreichen konnte. Sonst hätte nämlich die Enzyklopädie von 1.400 Traumsymbolen mit fast 3.000 Deutungen jedes handhabbare Maß gesprengt. Nach welchen Kriterien die Auswahl im Einzelnen erfolgte – bereits in den Quellen vorgefundenes Material, systematische Zusammenstellung, exemplarische Erfindung? –, entzieht sich letztlich unserer Kenntnis.
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Artemidors Ausführungen zeigen, wie Verhaltensweisen und Eigenschaften von Schlangen den Ausgangspunkt für bestimmte Deutungen abgaben, wenngleich schon allein aus Umfanggründen Artemidor nicht für jedes Traumsymbol bezüglich der möglichen Träumenden Vollständigkeit erreichen konnte. Sonst hätte nämlich die Enzyklopädie von 1.400 Traumsymbolen mit fast 3.000 Deutungen jedes handhabbare Maß gesprengt. Nach welchen Kriterien die Auswahl im Einzelnen erfolgte – bereits in den Quellen vorgefundenes Material, systematische Zusammenstellung, exemplarische Erfindung? –, entzieht sich letztlich unserer Kenntnis.
      
==Forschung==
 
==Forschung==
 
Gerade die Begründungen, die mitunter banal oder weit hergeholt erscheinen, sind für (sozial-)historische Fragestellungen ungemein wertvoll: Sie bieten nämlich reichhaltiges Material für Einsichten in antike Mentalitäten und in zentrale Bereiche des Alltagslebens, etwa in Ängste und Hoffnungen gesellschaftlicher Gruppen, zumal solcher, die in anderen Quellen nicht dergestalt fassbar sind (Laukamm 1930; Hahn 1992). Dies gilt insbesondere für die Passagen über verschiedene Formen der Sexualität (Artem. 1,78-80, dazu Foucault 41995, 7-51; Meyer-Zwiffelhoffer 1995, 166-177), die in früheren Artemidor-Übersetzungen übergangen wurden, und über die Gladiatur (2,32, dazu Harris-McCoy 2012, 485f.). Gerade in diesen Kontexten ist die moderne Forschung in den letzten Jahren erheblich weitergekommen (Perspektiven bei Weber 2017). So wurden etliche Themenbereiche neu erschlossen, etwa die Rechtstraditionen (Ménard 2015), die Tierwelt (Monbrun 2015), die Ernährung (Dalby 2014), Gottheiten und Mythen (Maffre 2012; Bilbija/Flinterman 2015, Auger 2015) und Gender-Fragen (MacAlister 1992; Walde 2014), aber auch Emotionen (Weber 2015b), Jenseitsvorstellungen (Weber 2012) sowie Gesundheit und Krankheit (Walde 2013; Weber 2019) Es ist nicht überraschend, dass das Material von Artemidor mit methodischen Zugriffsweisen aus Psychologie und Psychoanalyse zusammengebracht wurden (Price 1986/2004).
 
Gerade die Begründungen, die mitunter banal oder weit hergeholt erscheinen, sind für (sozial-)historische Fragestellungen ungemein wertvoll: Sie bieten nämlich reichhaltiges Material für Einsichten in antike Mentalitäten und in zentrale Bereiche des Alltagslebens, etwa in Ängste und Hoffnungen gesellschaftlicher Gruppen, zumal solcher, die in anderen Quellen nicht dergestalt fassbar sind (Laukamm 1930; Hahn 1992). Dies gilt insbesondere für die Passagen über verschiedene Formen der Sexualität (Artem. 1,78-80, dazu Foucault 41995, 7-51; Meyer-Zwiffelhoffer 1995, 166-177), die in früheren Artemidor-Übersetzungen übergangen wurden, und über die Gladiatur (2,32, dazu Harris-McCoy 2012, 485f.). Gerade in diesen Kontexten ist die moderne Forschung in den letzten Jahren erheblich weitergekommen (Perspektiven bei Weber 2017). So wurden etliche Themenbereiche neu erschlossen, etwa die Rechtstraditionen (Ménard 2015), die Tierwelt (Monbrun 2015), die Ernährung (Dalby 2014), Gottheiten und Mythen (Maffre 2012; Bilbija/Flinterman 2015, Auger 2015) und Gender-Fragen (MacAlister 1992; Walde 2014), aber auch Emotionen (Weber 2015b), Jenseitsvorstellungen (Weber 2012) sowie Gesundheit und Krankheit (Walde 2013; Weber 2019) Es ist nicht überraschend, dass das Material von Artemidor mit methodischen Zugriffsweisen aus Psychologie und Psychoanalyse zusammengebracht wurden (Price 1986/2004).
      
Allerdings ermöglichen die ''Oneirokritika'' keinen direkten Zugang zum realen Leben der antiken Zeitgenossen, da viele Deutungen ohne jeglichen Kontext gegeben werden bzw. assoziativ erscheinen. Dies gilt auch für Versuche, Träume, die etwa in historiographischen oder biographischen Quellen überliefert sind, mit Hilfe der ''Oneirokritika'' zu deuten (Weber 2000). Auch wenn ein solches Unterfangen in Einzelfällen gelingen mag und sich zumindest eine Vorstellung von möglichen Symbolfeldern erreichen lässt, kann eine Anamnese im beschriebenen und erforderlichen Sinne nicht gelingen, weil in aller Regel die für die Deutung notwendigen Informationen fehlen, ein anderer Sozialstatus vorliegt oder bestimmte Symbolkonstellationen bei Artemidor nicht vorhanden sind (Näf 2010).
 
Allerdings ermöglichen die ''Oneirokritika'' keinen direkten Zugang zum realen Leben der antiken Zeitgenossen, da viele Deutungen ohne jeglichen Kontext gegeben werden bzw. assoziativ erscheinen. Dies gilt auch für Versuche, Träume, die etwa in historiographischen oder biographischen Quellen überliefert sind, mit Hilfe der ''Oneirokritika'' zu deuten (Weber 2000). Auch wenn ein solches Unterfangen in Einzelfällen gelingen mag und sich zumindest eine Vorstellung von möglichen Symbolfeldern erreichen lässt, kann eine Anamnese im beschriebenen und erforderlichen Sinne nicht gelingen, weil in aller Regel die für die Deutung notwendigen Informationen fehlen, ein anderer Sozialstatus vorliegt oder bestimmte Symbolkonstellationen bei Artemidor nicht vorhanden sind (Näf 2010).
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Steten Materialzuwachs lässt sich freilich bei Traumdeutungsbüchern in hieroglyphischer Schrift und vor allem demotischer Sprache feststellen. Auch wenn Artemidor derartige Texte und die verwendeten Deutemethoden nicht kannte (Prada 2015) und bei ihm Ägypten weder topographisch noch im Bereich der Religion (mit Ausnahme der Gottheiten Isis, Sarapis und Anubis) vertreten ist, macht ein Vergleich durchaus Sinn, um einerseits die jeweiligen Spezifika der Deutung und andererseits die Orts- und Zeitgebundenheit der Symbolwelt stärker zu profilieren. Dies gilt auch für die verschiedenen Traumdeutungsbücher aus byzantinischer Zeit, die weitgehend auf Begründungen für die Deutung verzichten, gegenüber Artemidor geradezu ‚unterkomplex‘ erscheinen und ihn nur bedingt rezipiert haben (Weber 2020).
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Steten Materialzuwachs lässt sich freilich bei Traumdeutungsbüchern in hieroglyphischer Schrift und vor allem demotischer Sprache feststellen. Auch wenn Artemidor derartige Texte und die verwendeten Deutemethoden nicht kannte (Prada 2015) und bei ihm Ägypten weder topographisch noch im Bereich der Religion (mit Ausnahme der Gottheiten Isis, Sarapis und Anubis) vertreten ist, macht ein Vergleich durchaus Sinn, um einerseits die jeweiligen Spezifika der Deutung und andererseits die Orts- und Zeitgebundenheit der Symbolwelt stärker zu profilieren. Dies gilt auch für die verschiedenen Traumdeutungsbücher aus byzantinischer Zeit, die weitgehend auf Begründungen für die Deutung verzichten, gegenüber Artemidor geradezu ‚unterkomplex‘ erscheinen und ihn nur bedingt rezipiert haben (Weber 2020).
      
==Leserschaft==
 
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