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In einem weiteren, hier exemplarisch betrachteten Traum (Nr. 78 der obigen Liste) deutet Adorno mit einem abschließenden Kommentar an, dass er diesen für ein „Fressen für einen Analytiker“ hält (T 68 f.):
 
In einem weiteren, hier exemplarisch betrachteten Traum (Nr. 78 der obigen Liste) deutet Adorno mit einem abschließenden Kommentar an, dass er diesen für ein „Fressen für einen Analytiker“ hält (T 68 f.):
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„Sils-Maria, 23. August 1957 – In der Aula der Universität sollte ein Konzert stattfinden, doch war es gar nicht die Aula sondern ein rot verblichener Musiksalon. Der Zugang war schwierig, über und über mit Glassplittern bedeckt. Um durchzukommen tat ich das törichteste: ich zog die Schuhe aus und ging auf Strümpfen. So gelangte ich nach vorn. Dort saß der Rektor. Er setzte mir ausführlich auseinander, ursprünglich hätte er über romantische Rechtsphilosophie gearbeitet: Othmar Spann. Ich machte ihn auf die Glassplitter aufmerksam. Sie seien von Leuten gestreut, die den Raum zu einer anderen Zeit gepachtet hätten. Er, als Hausherr und Jurist, verfüge über Rechtsmittel dagegen. Daran hätte er nicht gedacht: ich hätte aber ganz recht. Dann blickte ich nach meiner Weise mich manisch im Saal um, ob eine Freundin zugegen wäre; doch konnte ich sie nicht entdecken. Dagegen lag auf einer Art Trägergerüst U., von H. umsorgt. Ich ging rasch vorbei zu G, die mit Fräulein H. saß. Diese erklärte mir sogleich mit großem Nachdruck, die solle mir die allerherzlichsten Abschiedsgrüße von Fräulein Sch. bestellen. Noch im Traum wußte ich, daß das E. war, und wachte lachend auf. (Ein Fressen für einen Analytiker).“
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: <span style="color: #7b879e;">„Sils-Maria, 23. August 1957 – In der Aula der Universität sollte ein Konzert stattfinden, doch war es gar nicht die Aula sondern ein rot verblichener Musiksalon. Der Zugang war schwierig, über und über mit Glassplittern bedeckt. Um durchzukommen tat ich das törichteste: ich zog die Schuhe aus und ging auf Strümpfen. So gelangte ich nach vorn. Dort saß der Rektor. Er setzte mir ausführlich auseinander, ursprünglich hätte er über romantische Rechtsphilosophie gearbeitet: Othmar Spann. Ich machte ihn auf die Glassplitter aufmerksam. Sie seien von Leuten gestreut, die den Raum zu einer anderen Zeit gepachtet hätten. Er, als Hausherr und Jurist, verfüge über Rechtsmittel dagegen. Daran hätte er nicht gedacht: ich hätte aber ganz recht. Dann blickte ich nach meiner Weise mich manisch im Saal um, ob eine Freundin zugegen wäre; doch konnte ich sie nicht entdecken. Dagegen lag auf einer Art Trägergerüst U., von H. umsorgt. Ich ging rasch vorbei zu G, die mit Fräulein H. saß. Diese erklärte mir sogleich mit großem Nachdruck, die solle mir die allerherzlichsten Abschiedsgrüße von Fräulein Sch. bestellen. Noch im Traum wußte ich, daß das E. war, und wachte lachend auf. (Ein Fressen für einen Analytiker).“</span>
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Eindrücklich bei dieser Traumbeschreibung ist das traumtypische unvermittelte Aufeinandertreffen zahlreicher inhaltlich disparater Elemente (Konzert in der Aula der Universität, Glassplitter und Strümpfe, Rektor und romantische Rechtsphilosophie, Pächter und Hausherr, Freundin, umsorgte Person auf Trägergerüst, verschiedene Personen und Abschiedsgrüße). Auffällig ist dabei, dass Adorno in diesem Protokoll sein eigenes Handeln – das Ausziehen der Strümpfe, bevor er den mit Glassplittern bedeckten Boden betritt – mitten in der Beschreibung, wie von außen, als "töricht" beurteilt. Weshalb die beschriebenen Trauminhalte für Adorno derart brisant sind, dass er sie für ein „Fressen für einen Analytiker“ hält, erschließt sich aufgrund der eingeführten Abkürzungen für die Personennamen nicht vollständig, weil keine gesicherten Rückschlüsse bezüglich der tatsächlichen Personenkonstellationen oder -beziehungen getroffen werden können. Allerdings ist festzustellen, dass für Adorno ein besonderes Augenmerk auf den „Abschiedsgrüße[n] von Fräulein Sch.“ zu liegen scheint, die er mit der Person „E.“ in Verbindung bringt und wegen denen er „lachend“ aufwachte. Sein angeführter Nachsatz deutet allerdings zweifelsfrei auf seine Traumauffassung hin, die über den referenzierten Ansatz der ''Psychoanalyse'' sowie ''Traumdeutung'' mit den Ideen Sigmund Freuds verknüpft ist.
 
Eindrücklich bei dieser Traumbeschreibung ist das traumtypische unvermittelte Aufeinandertreffen zahlreicher inhaltlich disparater Elemente (Konzert in der Aula der Universität, Glassplitter und Strümpfe, Rektor und romantische Rechtsphilosophie, Pächter und Hausherr, Freundin, umsorgte Person auf Trägergerüst, verschiedene Personen und Abschiedsgrüße). Auffällig ist dabei, dass Adorno in diesem Protokoll sein eigenes Handeln – das Ausziehen der Strümpfe, bevor er den mit Glassplittern bedeckten Boden betritt – mitten in der Beschreibung, wie von außen, als "töricht" beurteilt. Weshalb die beschriebenen Trauminhalte für Adorno derart brisant sind, dass er sie für ein „Fressen für einen Analytiker“ hält, erschließt sich aufgrund der eingeführten Abkürzungen für die Personennamen nicht vollständig, weil keine gesicherten Rückschlüsse bezüglich der tatsächlichen Personenkonstellationen oder -beziehungen getroffen werden können. Allerdings ist festzustellen, dass für Adorno ein besonderes Augenmerk auf den „Abschiedsgrüße[n] von Fräulein Sch.“ zu liegen scheint, die er mit der Person „E.“ in Verbindung bringt und wegen denen er „lachend“ aufwachte. Sein angeführter Nachsatz deutet allerdings zweifelsfrei auf seine Traumauffassung hin, die über den referenzierten Ansatz der ''Psychoanalyse'' sowie ''Traumdeutung'' mit den Ideen Sigmund Freuds verknüpft ist.