"Reisende auf einem Bein" (Herta Müller): Unterschied zwischen den Versionen

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==Autorin==
==Autorin==
Herta Müller, 1953 im rumänischen Niţchidorf geboren, immigrierte 1987 unter dem Ceauşescu-Regime wegen ihrer Verfolgung durch die rumänische Securitate in die Bundesrepublik. In ihren Werken thematisiert sie die Beschädigungen des Subjekts unter einer totalitären Herrschaft. Ohne sich auf den kommunistischen Terror zu begrenzen, schildert die Autorin auch das triste, auf die Vernichtung des Individuellen ausgerichtete Dorfmilieu der banatdeutschen Minderheit in Rumänien, dessen abgeschottete, „zugeschnürte“ Atmosphäre von Normierungen und Verhaltenscodes eine an die Majorität angepasste Wahrnehmung erzeugt und jeden Ausdruck von Subjektivität verhindert. Die doppelte Herkunftslast aus zwei Diktaturen prägt Herta Müllers Schreiben. In der Zeit der deutschen Okkupation schloss sich ihr Vater der Waffen-SS an, während ihre Mutter wegen ihrer Zugehörigkeit zur deutschen Minderheit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in ein stalinistisches Arbeitslager auf dem Gebiet der heutigen Ukraine deportiert wurde (Eke 2017, 2-9). Herta Müller schreibt: „gezeugt worden war ich nach dem Zweiten Weltkrieg von einem heimgekehrten SS-Soldaten. Und hineingeboren war ich in den Stalinismus. Der Vater und die Zeit – beides Tatsachen, die das Sich-wieder-Erfinden der Grazie unwiederbringlich machen“ (Müller 1995, 10). Nach einem Studium der Germanistik und Romanistik an der Universitatea de Vest din Timişoara arbeitete Herta Müller als Übersetzerin in einer Maschinenfabrik bis der rumänische Geheimdienst Securitate versuchte, sie für Spitzeldienste anzuwerben. Während ihres Studiums gehörte sie zum Kreis junger Autoren der sogenannten Aktionsgruppe ''Banat'', die kritisch versuchte, mit der proletkultischen Tradition zu brechen, ohne sich dem formalen Avantgardismus der 1960er Jahre anzuschließen. 1975 beendete die Staatsmacht diesen Versuch, aus der staatsgelenkten Literatur auszubrechen, und die Gruppe wurde aufgelöst. Wegen der verweigerten Kollaboration mit der Securitate beginnt eine zermürbende Zeit der Einschüchterung und Verleugnung für die Autorin, die in Durchsuchungen, Verhören sowie in ein ihre Existenzgrundlage gefährdendes Arbeitsverbot mündet und schließlich in der Streuung von Gerüchten kulminiert, sie sei ein Securitatespitzel (Eke 2017, 6-9) - ein Vorwurf, den Herta Müller als besonders psychisch belastend beschreibt und der selbst nach ihrer erzwungenen Ausreise aus Rumänien im Jahr 1987 Konsequenzen für die Autorin hatte wie etwa Verhöre beim Bundesnachrichtendienst (Müller 2013b, 52-53). 2009 verlieh das schwedische Nobelpreiskomitee Herta Müller den Nobelpreis für Literatur und begründete diese Auszeichnung mit der besonderen Sprache der Autorin: „who, with the concentration of poetry and the frankness of prose, depicts the landscape of the dispossessed“ (Nobelpreiskomitee).
Herta Müller, 1953 im rumänischen Niţchidorf geboren, immigrierte 1987 unter dem Ceauşescu-Regime wegen ihrer Verfolgung durch die rumänische Securitate in die Bundesrepublik. In ihren Werken thematisiert sie die Beschädigungen des Subjekts unter einer totalitären Herrschaft. Ohne sich auf den kommunistischen Terror zu begrenzen, schildert die Autorin auch das triste, auf die Vernichtung des Individuellen ausgerichtete Dorfmilieu der banatdeutschen Minderheit in Rumänien, dessen abgeschottete, „zugeschnürte“ Atmosphäre von Normierungen und Verhaltenscodes eine an die Majorität angepasste Wahrnehmung erzeugt und jeden Ausdruck von Subjektivität verhindert. Die doppelte Herkunftslast aus zwei Diktaturen prägt Herta Müllers Schreiben. In der Zeit der deutschen Okkupation schloss sich ihr Vater der Waffen-SS an, während ihre Mutter wegen ihrer Zugehörigkeit zur deutschen Minderheit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in ein stalinistisches Arbeitslager auf dem Gebiet der heutigen Ukraine deportiert wurde (Eke 2017, 2-9). Herta Müller schreibt: „gezeugt worden war ich nach dem Zweiten Weltkrieg von einem heimgekehrten SS-Soldaten. Und hineingeboren war ich in den Stalinismus. Der Vater und die Zeit – beides Tatsachen, die das Sich-wieder-Erfinden der Grazie unwiederbringlich machen“ (Müller 1995, 10). Nach einem Studium der Germanistik und Romanistik an der Universitatea de Vest din Timişoara arbeitete Herta Müller als Übersetzerin in einer Maschinenfabrik bis der rumänische Geheimdienst Securitate versuchte, sie für Spitzeldienste anzuwerben. Während ihres Studiums gehörte sie zum Kreis junger Autoren der sogenannten Aktionsgruppe ''Banat'', die kritisch versuchte, mit der proletkultischen Tradition zu brechen, ohne sich dem formalen Avantgardismus der 1960er Jahre anzuschließen. 1975 beendete die Staatsmacht diesen Versuch, aus der staatsgelenkten Literatur auszubrechen, und die Gruppe wurde aufgelöst. Wegen der verweigerten Kollaboration mit der Securitate beginnt eine zermürbende Zeit der Einschüchterung und Verleugnung für die Autorin, die in Durchsuchungen, Verhören sowie in ein ihre Existenzgrundlage gefährdendes Arbeitsverbot mündet und schließlich in der Streuung von Gerüchten kulminiert, sie sei ein Securitatespitzel (Eke 2017, 6-9) - ein Vorwurf, den Herta Müller als besonders psychisch belastend beschreibt und der selbst nach ihrer erzwungenen Ausreise aus Rumänien im Jahr 1987 Konsequenzen für die Autorin hatte wie etwa Verhöre beim Bundesnachrichtendienst (Müller 2013, 52 f.). 2009 verlieh das schwedische Nobelpreiskomitee Herta Müller den Nobelpreis für Literatur und begründete diese Auszeichnung mit der besonderen Sprache der Autorin: „who, with the concentration of poetry and the frankness of prose, depicts the landscape of the dispossessed“ (Nobelpreiskomitee).




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===Irenes Diktator-Traum===
===Irenes Diktator-Traum===
====Beschreibung====
====Beschreibung====
Ihren ersten Traum träumt Irene vor ihrer bevorstehenden Ausreise aus Rumänien in die Bundesrepublik. Während Irene ihre Koffer packt, liegen ihre Blusen auf dem Boden zerstreut. Ein Mann, der als ‚der Diktator‘ bezeichnet wird, tritt über die chaotisch liegenden Kleider „als wären es Laubblätter“ (Müller 2013a, 19), wobei er sich an Irene mit dem Satz wendet: „Dort ist es kälter“ (ebd.). Der Beginn und das Ende des Traums, auch dass es sich um einen nächtlichen Traum handelt, werden durch den ersten Satz „Irene hatte geträumt, daß sie den Koffer packte“ (ebd.) sowie durch eine leere Zeile vor dem nächsten Handlungsstrang am Schluss des Traumes dezidiert markiert.
Ihren ersten Traum träumt Irene vor ihrer bevorstehenden Ausreise aus Rumänien in die Bundesrepublik. Während Irene ihre Koffer packt, liegen ihre Blusen auf dem Boden zerstreut. Ein Mann, der als ‚der Diktator‘ bezeichnet wird, tritt über die chaotisch liegenden Kleider „als wären es Laubblätter“ (RB 19), wobei er sich an Irene mit dem Satz wendet: „Dort ist es kälter“ (ebd.). Der Beginn und das Ende des Traums, auch dass es sich um einen nächtlichen Traum handelt, werden durch den ersten Satz „Irene hatte geträumt, daß sie den Koffer packte“ (ebd.) sowie durch eine leere Zeile vor dem nächsten Handlungsstrang am Schluss des Traumes dezidiert markiert.


====Analyse und Interpretation====
====Analyse und Interpretation====
In der Szene des Kofferpackens greift die bevorstehende Abreise aus dem ‚anderen Land‘ als Tagesrest in das nächtliche Traumgeschehen ein. Der Satz „Dort ist es kälter“ (ebd.) zeugt nicht nur von Irenes Angst vor ihrer Ausreise, sondern weist darauf hin, dass mit dem Verlassen des 'anderen Landes' das totalitäre Macht- und Kontrollgefüge für Irene nicht endet und auch über ihre Emotionen am Ankunftsort dominieren wird. In ihrem Essay Wie ''Wahrnehmung sich erfindet ''reflektiert die Autorin über die Funktionsweise der Wahrnehmung: „Die Wahrnehmung, die sich erfindet [...] steht nicht still. Sie überschreitet ihre Grenzen da, wo sie sich festhält. Sie ist unbeabsichtigt, sie meint nichts Bestimmtes. Sie wird vom Zufall geschaukelt“ (Müller 1991, 19). Diese grenzüberschreitende und vom Zufall geschaukelte Wahrnehmung der Wirklichkeit, die Herta Müllers Schreiben charakterisiert, korrespondiert mit dem psychischen Phänomen des Traumas. In der Forschungsliteratur hat sich ausgehend von diesem Verständnis der erfundenen Wahrnehmung für Herta Müllers ästhetisches Verfahren der Begriff ''Poetik der Entgrenzung'' eingebürgert (Lægreid 2013, 55-79; Schau 1997, 63-77). In ihren Texten lösen sich die Grenzen zwischen den Subjekten und Objekten, den Sprachen, der Vergangenheit und der Gegenwart, der geträumten Realität und der Realität des Traumes auf. Diese Entgrenzung entspricht dem Zustand eines traumatisierten Menschen. Charakteristisch für das Trauma sind eine „dauerhafte Erschütterung von Selbst- und Weltverständnis“ (Fischer 2000, 11f.), die mit einer örtlichen und zeitlichen Diskontinuität (Varvin 2000, 893), der Umkehrung von Subjekt- und Objektrelationen sowie dem Verlust von Ich-Grenzen einhergehen (Lægreid 2013, 79). Der entgrenzende Charakter des Traumes zeigt sich im Vergleich der Kleidungsstücke mit den Laubblättern. In Irenes Wahrnehmung verschwimmen die Kleider, die ihr aus den Händen auf den Boden ‚gleiten‘, zu Laubblättern. Ihr Zimmer büßt seine Grenzen ein und weitet sich aus, entgrenzt sich in der Anwesenheit des Diktators, der durch ihr Zimmer geht, „als hätte er eine weite, offene Straße vor sich“ (Müller 2013a, 19). Für den Diktator scheinen die Grenzen des Raumes aufgehoben zu sein. Dieser totalitären Machtkontrolle kann Irene selbst in ihrem Traum nicht entkommen. Die Reinszenierung, das zwanghafte Wiederholen des traumatischen Ereignisses in Träumen gehört zur Symptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung. Brenner vergleicht diesen Mechanismus mit einer „zerkratzen Schallplatte, deren Nadel hängen geblieben ist“ (zit. nach Laub 2000, 868). Der traumatisierte Mensch spielt in seinen Träumen die Abläufe aus dem Trauma ab, wenn auch die das Trauma auslösenden Ereignisse selbst bruchstückhaft erscheinen und sich dem Träumenden in einer verdichteten und verschobenen Form zeigen (ebd.). Irene reinszeniert in ihrem Traum das Trauma, das in den destruktiven Machtmechanismen eines totalitären Regimes wurzelt. Irene wird mit der absoluten Übermacht des Diktators konfrontiert, die sich auf ihren intimsten Raum erstreckt und Irene in ihren körperlichen Grenzen bedroht. Die Kleidung dient dem Menschen als Ausdruck seiner Subjektivität und bedeckt ihn als Schutzhülle. Der Vergleich mit den über dem Boden liegenden Laubblättern suggeriert Irenes Nacktheit vor dem Diktator. Auch wenn der Text nicht explizit von dieser Nacktheit spricht, referiert der Motiv der Laubblätter auf die im Herbst entblätterten kahlen Bäume. In einem ihrer Essays verweist Herta Müller auf die im Rumänischen noch stärker als im Deutschen existierende Ambiguität des Wortes Blatt, das sowohl das Laub der Bäume als auch die Papierblätter bezeichnen kann. Der Vergleich mit den Laubblättern ließe sich mit den Papierblättern und so mit dem Schreibprozess assoziieren. Das Motiv des Zertretens der Kleider „als wären es Laubblätter“ (Müller 2013a, 19) impliziert also auch die Vernichtung von Irenes Identität als Künstlerin.
In der Szene des Kofferpackens greift die bevorstehende Abreise aus dem ‚anderen Land‘ als Tagesrest in das nächtliche Traumgeschehen ein. Der Satz „Dort ist es kälter“ (ebd.) zeugt nicht nur von Irenes Angst vor ihrer Ausreise, sondern weist darauf hin, dass mit dem Verlassen des 'anderen Landes' das totalitäre Macht- und Kontrollgefüge für Irene nicht endet und auch über ihre Emotionen am Ankunftsort dominieren wird. In ihrem Essay Wie ''Wahrnehmung sich erfindet ''reflektiert die Autorin über die Funktionsweise der Wahrnehmung: „Die Wahrnehmung, die sich erfindet [...] steht nicht still. Sie überschreitet ihre Grenzen da, wo sie sich festhält. Sie ist unbeabsichtigt, sie meint nichts Bestimmtes. Sie wird vom Zufall geschaukelt“ (Müller 1991, 19). Diese grenzüberschreitende und vom Zufall geschaukelte Wahrnehmung der Wirklichkeit, die Herta Müllers Schreiben charakterisiert, korrespondiert mit dem psychischen Phänomen des Traumas. In der Forschungsliteratur hat sich ausgehend von diesem Verständnis der erfundenen Wahrnehmung für Herta Müllers ästhetisches Verfahren der Begriff ''Poetik der Entgrenzung'' eingebürgert (Lægreid 2013, 55-79; Schau 1997, 63-77). In ihren Texten lösen sich die Grenzen zwischen den Subjekten und Objekten, den Sprachen, der Vergangenheit und der Gegenwart, der geträumten Realität und der Realität des Traumes auf. Diese Entgrenzung entspricht dem Zustand eines traumatisierten Menschen. Charakteristisch für das Trauma sind eine „dauerhafte Erschütterung von Selbst- und Weltverständnis“ (Fischer 2000, 11f.), die mit einer örtlichen und zeitlichen Diskontinuität (Varvin 2000, 893), der Umkehrung von Subjekt- und Objektrelationen sowie dem Verlust von Ich-Grenzen einhergehen (Lægreid 2013, 79). Der entgrenzende Charakter des Traumes zeigt sich im Vergleich der Kleidungsstücke mit den Laubblättern. In Irenes Wahrnehmung verschwimmen die Kleider, die ihr aus den Händen auf den Boden ‚gleiten‘, zu Laubblättern. Ihr Zimmer büßt seine Grenzen ein und weitet sich aus, entgrenzt sich in der Anwesenheit des Diktators, der durch ihr Zimmer geht, „als hätte er eine weite, offene Straße vor sich“ (RB 19). Für den Diktator scheinen die Grenzen des Raumes aufgehoben zu sein. Dieser totalitären Machtkontrolle kann Irene selbst in ihrem Traum nicht entkommen. Die Reinszenierung, das zwanghafte Wiederholen des traumatischen Ereignisses in Träumen gehört zur Symptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung. Brenner vergleicht diesen Mechanismus mit einer „zerkratzen Schallplatte, deren Nadel hängen geblieben ist“ (zit. nach Laub 2000, 868). Der traumatisierte Mensch spielt in seinen Träumen die Abläufe aus dem Trauma ab, wenn auch die das Trauma auslösenden Ereignisse selbst bruchstückhaft erscheinen und sich dem Träumenden in einer verdichteten und verschobenen Form zeigen (ebd.). Irene reinszeniert in ihrem Traum das Trauma, das in den destruktiven Machtmechanismen eines totalitären Regimes wurzelt. Irene wird mit der absoluten Übermacht des Diktators konfrontiert, die sich auf ihren intimsten Raum erstreckt und Irene in ihren körperlichen Grenzen bedroht. Die Kleidung dient dem Menschen als Ausdruck seiner Subjektivität und bedeckt ihn als Schutzhülle. Der Vergleich mit den über dem Boden liegenden Laubblättern suggeriert Irenes Nacktheit vor dem Diktator. Auch wenn der Text nicht explizit von dieser Nacktheit spricht, referiert der Motiv der Laubblätter auf die im Herbst entblätterten kahlen Bäume. In einem ihrer Essays verweist Herta Müller auf die im Rumänischen noch stärker als im Deutschen existierende Ambiguität des Wortes Blatt, das sowohl das Laub der Bäume als auch die Papierblätter bezeichnen kann. Der Vergleich mit den Laubblättern ließe sich mit den Papierblättern und so mit dem Schreibprozess assoziieren. Das Motiv des Zertretens der Kleider „als wären es Laubblätter“ (RB 19) impliziert also auch die Vernichtung von Irenes Identität als Künstlerin.


===Irenes Traum vom Sachbearbeiter===
===Irenes Traum vom Sachbearbeiter===
====Beschreibung====
====Beschreibung====
Irene träumt zwei Traumsequenzen in derselben Nacht, was durch den Satz „Es war ein anderer Traum in der gleichen Nacht“ (Müller 2013a, 104) zwischen den beiden Traumteilen dezidiert markiert wird. In der ersten Traumsequenz sitzt Irene im Warteraum des Übergangslagers (ebd., 102). Diese Szenerie wird von einer Befragung Irenes durch einen deutschen Sachbearbeiter abgelöst, wobei der Trialog zwischen dem Sachbearbeiter, seiner Sekretärin und Irene die Sequenz dominiert (ebd., 102f.). Der Sachbearbeiter identifiziert einen Lastwagenfahrer, den er zufällig aus dem Fenster erblickt, als einen Polen, und unterstellt ihm einige Charakteristika wie „keine Aufenthaltsgenehmigung, keine Arbeitsgenehmigung. Nichts.“ (ebd., 103). Als Irene ihn auf eine mögliche Verwechslung hinweist, entgegnet der Sachbearbeiter „Zum Verwechseln braucht es zwei […] Sie können sicher sein, ich werde in Rente gehen, und ich werde sie alle noch kennen. Verwechseln mit wem?“ (ebd.). Irene versucht ihm mit der Umkehrung seiner Ressentiments zu begegnen und merkt an, der Sachbearbeiter hätte ihn auch mit einem Deutschen verwechseln können, woraufhin der Sachbearbieter antwortet: „Ich bitte Sie, Sie haben doch dieses Gesicht gesehen. Politisch verfolgt. Ja, wissen Sie, wenn jemand die Regierung stürzen will, wo kämen wir da hin“ (ebd.). Der Traum endet mit dem Blättern der Sekretärin in Irenes Akte und dem Widerspruch zwischen ihrer Replik „Daß ich nicht lache“ (ebd.) und ihrer Mimik „Sie lachte nicht.“ (ebd.). Die Sequenz erweist sich erst im letzten Satz als Traum: „Irene erwachte verschwitzt, als wäre sie aus diesem Traum hinausgerannt.“ (ebd.). In der zweiten Traumsequenz wechseln das Traumgeschehen sowie die Reflexion im Traum und über das Geträumte einander ab. Irene trifft den Sachbearbeiter in der U-Bahn, der sie verfolgt und observiert. Er wendet sich an Irene mit einer Frage auf Deutsch, auf die Irene jedoch nur auf Rumänisch entgegnen kann (ebd., 104). Der Sachbearbeiter fasst Irene am Ellenbogen und kommentiert diese körperliche Grenzüberschreitung mit dem Satz: „[…] Deutsch sprechen Sie nur, wenn Sie zu mir ins Büro kommen“ (ebd.). Auf diese Replik verstummt Irene: „Irene hatte das Deutsche vergessen“ (ebd.) und nur noch ein einziger deutscher Satz fällt ihr ein, den in Irenes Wachleben Thomas zur ihr gesagt hatte: „Weshalb vergleichst Du immer, es ist doch nicht Deine Muttersprache“ (ebd.). Anschließend folgt eine paradoxe Reflexion Irenes: „Es wäre ein langer Satz gewesen. Er hätte bewiesen, daß Irene Deutsch sprach. Doch er hätte mehr geschadet, als genützt. Das wusste Irene sogar im Traum“ (ebd.).
Irene träumt zwei Traumsequenzen in derselben Nacht, was durch den Satz „Es war ein anderer Traum in der gleichen Nacht“ (RB 104) zwischen den beiden Traumteilen dezidiert markiert wird. In der ersten Traumsequenz sitzt Irene im Warteraum des Übergangslagers (ebd., 102). Diese Szenerie wird von einer Befragung Irenes durch einen deutschen Sachbearbeiter abgelöst, wobei der Trialog zwischen dem Sachbearbeiter, seiner Sekretärin und Irene die Sequenz dominiert (ebd., 102f.). Der Sachbearbeiter identifiziert einen Lastwagenfahrer, den er zufällig aus dem Fenster erblickt, als einen Polen, und unterstellt ihm einige Charakteristika wie „keine Aufenthaltsgenehmigung, keine Arbeitsgenehmigung. Nichts.“ (ebd., 103). Als Irene ihn auf eine mögliche Verwechslung hinweist, entgegnet der Sachbearbeiter „Zum Verwechseln braucht es zwei […] Sie können sicher sein, ich werde in Rente gehen, und ich werde sie alle noch kennen. Verwechseln mit wem?“ (ebd.). Irene versucht ihm mit der Umkehrung seiner Ressentiments zu begegnen und merkt an, der Sachbearbeiter hätte ihn auch mit einem Deutschen verwechseln können, woraufhin der Sachbearbieter antwortet: „Ich bitte Sie, Sie haben doch dieses Gesicht gesehen. Politisch verfolgt. Ja, wissen Sie, wenn jemand die Regierung stürzen will, wo kämen wir da hin“ (ebd.). Der Traum endet mit dem Blättern der Sekretärin in Irenes Akte und dem Widerspruch zwischen ihrer Replik „Daß ich nicht lache“ (ebd.) und ihrer Mimik „Sie lachte nicht.“ (ebd.). Die Sequenz erweist sich erst im letzten Satz als Traum: „Irene erwachte verschwitzt, als wäre sie aus diesem Traum hinausgerannt.“ (ebd.). In der zweiten Traumsequenz wechseln das Traumgeschehen sowie die Reflexion im Traum und über das Geträumte einander ab. Irene trifft den Sachbearbeiter in der U-Bahn, der sie verfolgt und observiert. Er wendet sich an Irene mit einer Frage auf Deutsch, auf die Irene jedoch nur auf Rumänisch entgegnen kann (ebd., 104). Der Sachbearbeiter fasst Irene am Ellenbogen und kommentiert diese körperliche Grenzüberschreitung mit dem Satz: „[…] Deutsch sprechen Sie nur, wenn Sie zu mir ins Büro kommen“ (ebd.). Auf diese Replik verstummt Irene: „Irene hatte das Deutsche vergessen“ (ebd.) und nur noch ein einziger deutscher Satz fällt ihr ein, den in Irenes Wachleben Thomas zur ihr gesagt hatte: „Weshalb vergleichst Du immer, es ist doch nicht Deine Muttersprache“ (ebd.). Anschließend folgt eine paradoxe Reflexion Irenes: „Es wäre ein langer Satz gewesen. Er hätte bewiesen, daß Irene Deutsch sprach. Doch er hätte mehr geschadet, als genützt. Das wusste Irene sogar im Traum“ (ebd.).


====Analyse und Interpretation====
====Analyse und Interpretation====
Die erste Traumsequenz erweist sich erst im letzten Satz als Traum: „Irene erwachte verschwitzt, als wäre sie aus diesem Traum hinausgerannt“ (ebd., 103). Irene nimmt sich in der ohnmächtigen Position gegenüber dem Sachbearbeiter und seiner Sekretärin wahr. Verglichen mit dem Traum verläuft die Begegnung mit dem Sachbearbeiter im Irenes Wachleben wesentlich subtiler, auch wenn seine auf den ersten Blick geäußerte Empathie „Haben Sie Heimweh“ (ebd., 55) floskelhaft klingt und sich als ein latenter Vorwurf entpuppt: „Sie sind so empfindlich […] Man könnte meinen, daß unser Land alles aufwiegen soll, was ihr Land verbrochen hat“ (ebd.). Irene reinszeniert in den beiden Traumsequenzen die Erfahrungen von Observation und Verhören, die sich ihr in verschobener Form zeigen. Spielt in der ersten Traumsequenz noch Irenes Dialog mit dem Sachbearbeiter als Tagesrest hinein, nimmt das Traumgeschehen in der zweiten Traumsequenz eine gänzlich andere, von Irenes Wachleben distinkte Qualität an, wenn der Sachbearbeiter Irene observiert. Im ihrem Essay ''Der Fremde Blick'' reflektiert die Autorin über die Projektion von totalitären Erfahrungen auf anders strukturierte Situationen. Ihre Reflexionen korrelieren dabei mit den psychologischen Erklärungsmodellen des Traumas wie Triggermechanismus oder Reinszenierung. Die Autorin spricht von ‚der gewohnten Angst‘ (Müller 2010, 142) und ‚fremdem Blick‘: „Der fremde Blick bügelt fremde Gesichter und Gesten und konstatiert schnell, wie er es jahrelang geübt hat: Kaum geschaut ist die Deutung eingebaut. Er […] zieht falsche, oft drastische Schlüsse, die nicht korrigiert werden“ (ebd.). Dieser fremde Blick bestimmt auch Irenes Trauminhalte. Irenes Unterbewusstsein projiziert die Bedingungen der totalen Überwachung des ‚anderen Landes‘ auf ihre Begegnung mit dem Sachbearbeiter, wobei die Verhörsituation und die amtliche Stellung den einzigen genuinen Rahmen für beide Erfahrungshorizonte bilden. Herta Müller betont den Inszenierungscharakter der Verhöre (Müller 2013b, 42). Um die totale Macht und Kontrolle über die Verhörsituation zu gewährleisten, versucht der Verhörende den Zufall auszublenden, während dem Verhörten eine fremdbestimmte Rolle zugewiesen wird, die ihn einer vom Befrager für ihn vorgegebenen schaurigen Regie gänzlich unterwirft. Die Fragen, mit denen der Befragte konfrontiert wird, die Marter und Drohgesten werden bis ins Detail kalkuliert und geplant. Die Vorhersehbarkeit, die aus der Vermeidung alles Zufälligen und Unberechenbaren entsteht, räumt dem Verhörenden eine absolute Kontrollposition über den Verlauf des Verhörs ein. Bei dem Verhörten schlägt sie dagegen in eine von den Intentionen des Verhörenden gänzlich abhängige und ohnmächtige Stellung um. Dieser Verlust von Kontrolle geht bis in die Körpergrenzen hinein und bedingt eine traumatische, entgrenzte oder mit Worten Herta Müllers 'vom Zufall geschaukelte Wahrnehmung‘ (Müller 1991, 19) auf Seiten des Verhörten. Gerade weil seine Wahrnehmung gänzlich vom Willen des Verhörenden abhängt, entgleitet sie ihm. Auch die Gesten und Worte des Sachbearbeiters sowie seiner Sekretärin, die als seine Komplizin auftritt, selbst die Anordnung der Gegenstände auf dem Tisch, erscheinen im Traum kalkuliert und demonstrieren eine Machtposition: „Der Sachbearbeiter trank im Stehen“ (Müller 2013a, 103); „Erst als er wieder saß, stellte er die Kaffeetasse auf den Schreibtisch (ebd.). Der Satz „Sie [die Sekretärin] behielt die Türklinke in der Hand“ (ebd., 102) verweist auf seinen semantischen Kern ‚die Verfügungsgewalt über etwas besitzen‘. Das Motiv des Tretens taucht auch hier auf, als der Sachbearbeiter über Irenes Schuhe tritt: „Er [der Sachbearbeiter] machte einen Schritt über Irenes Schuhe. Irene schob die Schuhe unter den Stuhl“ (ebd., 103). Der Text spricht von Schuhen und nicht von Füßen, die Gegenstände ersetzen die Körperteile. Eine derartige Vergegenständlichung des Subjekts ist ebenfalls charakteristisch für das Trauma (Lægreid 2013, 79). Die Observation durch den Sachbearbeiter hat bei Irene den Verlust der rumänischen Sprache zur Folge. Auch Thomas‘ Satz aus Irenes Wachleben bezieht sich auf das Rumänische, das er ihr gegenüber insofern abwertet als er Irene die Vergleichbarkeit des Deutschen mit dem Rumänischen abspricht und es damit begründet, Rumänisch sei nicht ihre Muttersprache (Müller 2013a, 104). Irenes doppelte Identität und ihre Zweisprachigkeit erweisen sich für sie als eine doppelte Erfahrung von Fremdheit und bergen in sich eine potentielle Gefährdung durch die Verwendung einer falschen Sprache, ihre Fremdheit zu offenbaren. Selbst in ihrem Traum formiert sich in Irene ein Mechanismus der Selbstbeobachtung und -kontrolle, der in der Angst vor der totalen Überwachung seinen Urgrund hat.
Die erste Traumsequenz erweist sich erst im letzten Satz als Traum: „Irene erwachte verschwitzt, als wäre sie aus diesem Traum hinausgerannt“ (ebd., 103). Irene nimmt sich in der ohnmächtigen Position gegenüber dem Sachbearbeiter und seiner Sekretärin wahr. Verglichen mit dem Traum verläuft die Begegnung mit dem Sachbearbeiter im Irenes Wachleben wesentlich subtiler, auch wenn seine auf den ersten Blick geäußerte Empathie „Haben Sie Heimweh“ (ebd., 55) floskelhaft klingt und sich als ein latenter Vorwurf entpuppt: „Sie sind so empfindlich […] Man könnte meinen, daß unser Land alles aufwiegen soll, was ihr Land verbrochen hat“ (ebd.). Irene reinszeniert in den beiden Traumsequenzen die Erfahrungen von Observation und Verhören, die sich ihr in verschobener Form zeigen. Spielt in der ersten Traumsequenz noch Irenes Dialog mit dem Sachbearbeiter als Tagesrest hinein, nimmt das Traumgeschehen in der zweiten Traumsequenz eine gänzlich andere, von Irenes Wachleben distinkte Qualität an, wenn der Sachbearbeiter Irene observiert. Im ihrem Essay ''Der Fremde Blick'' reflektiert die Autorin über die Projektion von totalitären Erfahrungen auf anders strukturierte Situationen. Ihre Reflexionen korrelieren dabei mit den psychologischen Erklärungsmodellen des Traumas wie Triggermechanismus oder Reinszenierung. Die Autorin spricht von ‚der gewohnten Angst‘ (Müller 2010, 142) und ‚fremdem Blick‘: „Der fremde Blick bügelt fremde Gesichter und Gesten und konstatiert schnell, wie er es jahrelang geübt hat: Kaum geschaut ist die Deutung eingebaut. Er […] zieht falsche, oft drastische Schlüsse, die nicht korrigiert werden“ (ebd.). Dieser fremde Blick bestimmt auch Irenes Trauminhalte. Irenes Unterbewusstsein projiziert die Bedingungen der totalen Überwachung des ‚anderen Landes‘ auf ihre Begegnung mit dem Sachbearbeiter, wobei die Verhörsituation und die amtliche Stellung den einzigen genuinen Rahmen für beide Erfahrungshorizonte bilden. Herta Müller betont den Inszenierungscharakter der Verhöre (Müller 2013, 42). Um die totale Macht und Kontrolle über die Verhörsituation zu gewährleisten, versucht der Verhörende den Zufall auszublenden, während dem Verhörten eine fremdbestimmte Rolle zugewiesen wird, die ihn einer vom Befrager für ihn vorgegebenen schaurigen Regie gänzlich unterwirft. Die Fragen, mit denen der Befragte konfrontiert wird, die Marter und Drohgesten werden bis ins Detail kalkuliert und geplant. Die Vorhersehbarkeit, die aus der Vermeidung alles Zufälligen und Unberechenbaren entsteht, räumt dem Verhörenden eine absolute Kontrollposition über den Verlauf des Verhörs ein. Bei dem Verhörten schlägt sie dagegen in eine von den Intentionen des Verhörenden gänzlich abhängige und ohnmächtige Stellung um. Dieser Verlust von Kontrolle geht bis in die Körpergrenzen hinein und bedingt eine traumatische, entgrenzte oder mit Worten Herta Müllers 'vom Zufall geschaukelte Wahrnehmung‘ (Müller 1991, 19) auf Seiten des Verhörten. Gerade weil seine Wahrnehmung gänzlich vom Willen des Verhörenden abhängt, entgleitet sie ihm. Auch die Gesten und Worte des Sachbearbeiters sowie seiner Sekretärin, die als seine Komplizin auftritt, selbst die Anordnung der Gegenstände auf dem Tisch, erscheinen im Traum kalkuliert und demonstrieren eine Machtposition: „Der Sachbearbeiter trank im Stehen“ (RB 103); „Erst als er wieder saß, stellte er die Kaffeetasse auf den Schreibtisch (ebd.). Der Satz „Sie [die Sekretärin] behielt die Türklinke in der Hand“ (ebd., 102) verweist auf seinen semantischen Kern ‚die Verfügungsgewalt über etwas besitzen‘. Das Motiv des Tretens taucht auch hier auf, als der Sachbearbeiter über Irenes Schuhe tritt: „Er [der Sachbearbeiter] machte einen Schritt über Irenes Schuhe. Irene schob die Schuhe unter den Stuhl“ (ebd., 103). Der Text spricht von Schuhen und nicht von Füßen, die Gegenstände ersetzen die Körperteile. Eine derartige Vergegenständlichung des Subjekts ist ebenfalls charakteristisch für das Trauma (Lægreid 2013, 79). Die Observation durch den Sachbearbeiter hat bei Irene den Verlust der rumänischen Sprache zur Folge. Auch Thomas‘ Satz aus Irenes Wachleben bezieht sich auf das Rumänische, das er ihr gegenüber insofern abwertet als er Irene die Vergleichbarkeit des Deutschen mit dem Rumänischen abspricht und es damit begründet, Rumänisch sei nicht ihre Muttersprache (RB 104). Irenes doppelte Identität und ihre Zweisprachigkeit erweisen sich für sie als eine doppelte Erfahrung von Fremdheit und bergen in sich eine potentielle Gefährdung durch die Verwendung einer falschen Sprache, ihre Fremdheit zu offenbaren. Selbst in ihrem Traum formiert sich in Irene ein Mechanismus der Selbstbeobachtung und -kontrolle, der in der Angst vor der totalen Überwachung seinen Urgrund hat.


===Thomas' Lakritztraum===
===Thomas' Lakritztraum===
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====Analyse und Interpretation====
====Analyse und Interpretation====
In dieser Traumsequenz dominiert die erwachsene über die kindliche Welt, gleichzeitig zeichnet sich der Traum durch die Omnipräsenz des Weiblichen aus: „Es waren mehr Erwachsene als Kinder da. Alle Erwachsene waren Frauen. Und alle Kinder waren Mädchen“ (ebd., 104). Selbst Thomas‘ eigener Sohn erscheint ihm als Mädchen. Die weiblichen Traumfiguren üben Verfügungsgewalt über die Lakritzschnecken aus, die als einzige Speise auf diesem Kindergeburtstag nicht nur den kompletten Raum besetzen, sondern ausschließlich von weiblichen Figuren gegessen und verformt werden oder ihnen als Spielzeug dienen: „Auf dem Tisch, auf den Stühlen, unter dem Tisch, unter den Stühlen, lag alles voll mit Lakritzschnecken, die Frauen und Mädchen rollten die Lakritzschnecken aus, machten einen Knoten hinein und aßen sie. Die Mädchen spielten mit aufgerollten Lakritzschnecken Eisenbahn“ (ebd., 105). Der Traum erfährt bei Thomas eine negative emotionale Konnotation: „So einen Traum wünsch ich niemandem [..] nicht mal einem Feind“ (ebd.). Verglichen mit Irenes Träumen, die aus der heterodiegetischen Perspektive mit interner Fokalisierung geschildert werden, erzählt Thomas seinen Traum für die Dauer seines Traumberichts aus der homodiegetischen Erzählperspektive. Diese Regression der weiblichen Perspektive illustriert einerseits Irenes traumatische Entfremdung aus ihrem Ich, andererseits korrespondiert sie mit Thomas‘ Dominanz, die sich in der misogynen Verdrängung und Verachtung des Weiblichen äußert und die in der Beziehung zu Irene ebenfalls sichtbar wird: „Ich musste Dich doch rasch noch lieben, bevor du welkst“ (ebd., 111). Thomas‘ Traum kann unter dem Blickwinkel seiner Homosexualität interpretiert werden. Er geht keine Beziehungen mit Männern ein. Wegen seiner Bindungsphobie und der Furcht vor der Aufdeckung kann er seine homoerotische Neigung nur auf dem Strich ausleben. Zwei Interpretationsansätze bieten sich an: In seinem Traum manifestiert sich seine Angst und Ekel vor der weiblichen Vereinnahmung sowie dem Verlust seiner sowohl männlichen als auch homosexuellen Identität. Die aufgerollten Lakritzschnecken, verknüpft mit dem Eisenbahnspiel ließen sich im Sinne einer freudianischen Umkehrung interpretieren. Das Zugmotiv stellt ein klassisches Phallussymbol wie beispielsweise am Ende von Alfred Hitchcocks Film ''Der unsichtbare Dritte'' dar. Im Traum formen die Mädchen aus den Lakritzschnecken, aus einer klebrigen, süß-bitteren, schneckenförmigen Masse, die sich mit einer Vagina assoziieren lässt, die Eisenbahnschienen. In dieser Metamorphose zwischen den weiblichen und männlichen Genitalien tritt einerseits ein Transgenderaspekt zu Tage - auch Thomas Sohn wechselt sein Geschlecht - andererseits repräsentieren die ausschließlich weiblichen Protagonistinnen die Omnipräsenz und Dominanz des Weiblichen. Thomas erlebt den Geschlechterwechsel nicht als ein lustvolles Spiel, er gerinnt für ihn zum Alptraum, in dem das Weibliche aus der Verdrängung auftaucht und die weibliche Lust seine männliche und homosexuelle Identität gleich in doppelter Weise bedroht. Dies geschieht durch die völlige Absenz der männlichen Subjekte. Das Männliche wird auf die Genitalien und die Objekthaftigkeit reduziert und fungiert lediglich als verformbares Sexualobjekt für den weiblichen Blick. Sein Traum ließe sich aber entgegen seiner eigener emotionalen Abwehr als ein Wunschtraum interpretieren. Trotz des artikulierten Ekels „jetzt wirst Du welken, zuerst dein Magen, dann dein Hals, dann dein Gesicht“ (Müller 2013a, 110) geht Thomas eine sexuelle Beziehung mit Irene ein: „Ich musste Dich doch rasch noch lieben, bevor du welkst“ (ebd., 111). Thomas stößt ab, was er begehrt. Dieser Verdrängung und Absenz des Weiblichen in Thomas‘ Wachleben steht die Omnipräsenz des Weiblichen in seinem Traum gegenüber.
In dieser Traumsequenz dominiert die erwachsene über die kindliche Welt, gleichzeitig zeichnet sich der Traum durch die Omnipräsenz des Weiblichen aus: „Es waren mehr Erwachsene als Kinder da. Alle Erwachsene waren Frauen. Und alle Kinder waren Mädchen“ (ebd., 104). Selbst Thomas‘ eigener Sohn erscheint ihm als Mädchen. Die weiblichen Traumfiguren üben Verfügungsgewalt über die Lakritzschnecken aus, die als einzige Speise auf diesem Kindergeburtstag nicht nur den kompletten Raum besetzen, sondern ausschließlich von weiblichen Figuren gegessen und verformt werden oder ihnen als Spielzeug dienen: „Auf dem Tisch, auf den Stühlen, unter dem Tisch, unter den Stühlen, lag alles voll mit Lakritzschnecken, die Frauen und Mädchen rollten die Lakritzschnecken aus, machten einen Knoten hinein und aßen sie. Die Mädchen spielten mit aufgerollten Lakritzschnecken Eisenbahn“ (ebd., 105). Der Traum erfährt bei Thomas eine negative emotionale Konnotation: „So einen Traum wünsch ich niemandem [..] nicht mal einem Feind“ (ebd.). Verglichen mit Irenes Träumen, die aus der heterodiegetischen Perspektive mit interner Fokalisierung geschildert werden, erzählt Thomas seinen Traum für die Dauer seines Traumberichts aus der homodiegetischen Erzählperspektive. Diese Regression der weiblichen Perspektive illustriert einerseits Irenes traumatische Entfremdung aus ihrem Ich, andererseits korrespondiert sie mit Thomas‘ Dominanz, die sich in der misogynen Verdrängung und Verachtung des Weiblichen äußert und die in der Beziehung zu Irene ebenfalls sichtbar wird: „Ich musste Dich doch rasch noch lieben, bevor du welkst“ (ebd., 111). Thomas‘ Traum kann unter dem Blickwinkel seiner Homosexualität interpretiert werden. Er geht keine Beziehungen mit Männern ein. Wegen seiner Bindungsphobie und der Furcht vor der Aufdeckung kann er seine homoerotische Neigung nur auf dem Strich ausleben. Zwei Interpretationsansätze bieten sich an: In seinem Traum manifestiert sich seine Angst und Ekel vor der weiblichen Vereinnahmung sowie dem Verlust seiner sowohl männlichen als auch homosexuellen Identität. Die aufgerollten Lakritzschnecken, verknüpft mit dem Eisenbahnspiel ließen sich im Sinne einer freudianischen Umkehrung interpretieren. Das Zugmotiv stellt ein klassisches Phallussymbol wie beispielsweise am Ende von Alfred Hitchcocks Film ''Der unsichtbare Dritte'' dar. Im Traum formen die Mädchen aus den Lakritzschnecken, aus einer klebrigen, süß-bitteren, schneckenförmigen Masse, die sich mit einer Vagina assoziieren lässt, die Eisenbahnschienen. In dieser Metamorphose zwischen den weiblichen und männlichen Genitalien tritt einerseits ein Transgenderaspekt zu Tage - auch Thomas Sohn wechselt sein Geschlecht - andererseits repräsentieren die ausschließlich weiblichen Protagonistinnen die Omnipräsenz und Dominanz des Weiblichen. Thomas erlebt den Geschlechterwechsel nicht als ein lustvolles Spiel, er gerinnt für ihn zum Alptraum, in dem das Weibliche aus der Verdrängung auftaucht und die weibliche Lust seine männliche und homosexuelle Identität gleich in doppelter Weise bedroht. Dies geschieht durch die völlige Absenz der männlichen Subjekte. Das Männliche wird auf die Genitalien und die Objekthaftigkeit reduziert und fungiert lediglich als verformbares Sexualobjekt für den weiblichen Blick. Sein Traum ließe sich aber entgegen seiner eigener emotionalen Abwehr als ein Wunschtraum interpretieren. Trotz des artikulierten Ekels „jetzt wirst Du welken, zuerst dein Magen, dann dein Hals, dann dein Gesicht“ (RB 110) geht Thomas eine sexuelle Beziehung mit Irene ein: „Ich musste Dich doch rasch noch lieben, bevor du welkst“ (RB 111). Thomas stößt ab, was er begehrt. Dieser Verdrängung und Absenz des Weiblichen in Thomas‘ Wachleben steht die Omnipräsenz des Weiblichen in seinem Traum gegenüber.


===Irenes Metamorphosentraum===
===Irenes Metamorphosentraum===
====Beschreibung====
====Beschreibung====
Ihren letzten Traum träumt Irene im vorletzten Kapitel. Sie sitzt in einem Fischrestaurant an einem Tisch mit den drei männlichen Nebenfiguren Steffen, Thomas und Franz sowie einem Bauarbeiter, den sie in ihrem Wachleben als ein Beobachtungsobjekt ausgesucht hatte. Als Irene sich an den Tisch setzt, sieht sie am Tisch eine andere Frau, die eine getreue Kopie von ihr selbst repräsentiert und ‚die andere Irene‘ genannt wird. Die Figuren reden miteinander, wobei ihre Interaktion von der Metamorphose einer Figur in die andere und einem Verwechslungsspiel zwischen Irene und ‚der anderen Irene‘ begleitet wird: „Irene schaute Thomas an. Dann Franz. Einer hatte das Gesicht des anderen angenommen“ (Müller 2013a, 165), „Thomas oder Franz begleitete Irene nach Hause“ (ebd.), „Auch nach dem langen Zungenkuss wusste Irene nicht, ob Franz oder Thomas sie küsste“ (ebd.), „Der Arbeiter sah Irene an. Dann die andere Irene: Wer von euch beiden ist denn die Attrappe?“ (ebd.). Zwischen Irene und allen männlichen Figuren entsteht eine von heiterer Lust begleitete körperliche Nähe. Der Traum endet mit der Forderung Irenes an Franz und Thomas: „Ihr sollt mich beide nicht verlassen“ (ebd.), wobei „einer von den beiden“ (ebd., 166) darauf erwidert: „Dich nicht. Wenn es sein muß, dann die andere Irene“ (ebd., 166).
Ihren letzten Traum träumt Irene im vorletzten Kapitel. Sie sitzt in einem Fischrestaurant an einem Tisch mit den drei männlichen Nebenfiguren Steffen, Thomas und Franz sowie einem Bauarbeiter, den sie in ihrem Wachleben als ein Beobachtungsobjekt ausgesucht hatte. Als Irene sich an den Tisch setzt, sieht sie am Tisch eine andere Frau, die eine getreue Kopie von ihr selbst repräsentiert und ‚die andere Irene‘ genannt wird. Die Figuren reden miteinander, wobei ihre Interaktion von der Metamorphose einer Figur in die andere und einem Verwechslungsspiel zwischen Irene und ‚der anderen Irene‘ begleitet wird: „Irene schaute Thomas an. Dann Franz. Einer hatte das Gesicht des anderen angenommen“ (RB 165), „Thomas oder Franz begleitete Irene nach Hause“ (ebd.), „Auch nach dem langen Zungenkuss wusste Irene nicht, ob Franz oder Thomas sie küsste“ (ebd.), „Der Arbeiter sah Irene an. Dann die andere Irene: Wer von euch beiden ist denn die Attrappe?“ (ebd.). Zwischen Irene und allen männlichen Figuren entsteht eine von heiterer Lust begleitete körperliche Nähe. Der Traum endet mit der Forderung Irenes an Franz und Thomas: „Ihr sollt mich beide nicht verlassen“ (ebd.), wobei „einer von den beiden“ (RB 166) darauf erwidert: „Dich nicht. Wenn es sein muß, dann die andere Irene“ (ebd.).


====Analyse und Interpretation====
====Analyse und Interpretation====
Verglichen mit den anderen Träumen ist diese Textsequenz weniger deutlich als Traum markiert und ließe sich auch als ein postmodernes Spiel mit Fiktion und Intertextualität interpretieren. Jedoch weist der Satz, der den Traum einleitet „In dieser Nacht trug Irene in der Spanne zwischen Stirn und Mund, auf dem Kissen, Leute zusammen, die sich nicht kannten“ (ebd., 163) auf ein nächtliches Geschehen hin. Die Passage referiert auf Calvinos Roman ''Die unsichtbaren Städte'', in dem eine der Städte den Namen Irene trägt. Bei Calvino ist Irene die einzige Stadt, die für Kublai Khan unerreichbar bleibt und die gleichzeitig über keine konstanten Eigenschaften verfügt, sondern sich stetig wandelt: „Irene ist der Name einer Stadt in der Ferne, die sich ändert, wenn man ihr näher kommt“ (Calvino 2007, 134). Diese Unschärfe der Stadt äußert sich im „Rosa der Häuser […], das sich verdünnt“ und in den diversen Deutungen der Geräusche, die von der Stadt ausgehen: „Die Hinunterblickenden ergehen sich in Mutmaßungen über das, was in der Stadt vorgehen mag“ (Calvino 2007, 133), „Manchmal trägt der Wind Musik von Pauken und Trompeten“ (ebd.), „manchmal das Rattern von Maschinengewehren“ (ebd.). Auch Herta Müller greift diese flüssige, sich wandelnde Form auf: „Kaum hab ich den Bahnhof verlassen, merk ich, wie mir Asphalt durch die Zehen rinnt. All die Schuhe mit ledernen Rosen. Die nackten Armhöhlen der Frauen, in denen sich die Stadt zusammenzieht“ (Müller 2013a, 164). Bereits bei Calvino wird die Stadt Irene als Projektionsfläche demaskiert, sie bietet eine Leerstelle für männliche Imagination und erscheint austauschbar: „vielleicht habe ich von Irene schon unter anderen Namen gesprochen; vielleicht habe ich von nichts anderem als von Irene gesprochen“ (Calvino 2007, 134). In Kublai Kahns Träumen repräsentiert die symbolisch-allegorische Archetypik der Städte den weiblichen Körper. Verglichen mit Calvino verknüpft Herta Müller das Stadtmotiv mit der exponierten weiblichen Körperlichkeit, gleichzeitig wird der Text als Fiktion entlarvt: „Ich weiß, es ist nur Einbildung, nur Schwindel […] Ja, alles nur Schwindel, sagte Steffen zur Irene. Weshalb glaubst Du daran. Das ist erfunden, und Du glaubst daran“ (Müller 2013a, 164). Im Gegensatz zur Alptraumhaftigkeit der ersten beiden Träume, bietet hier die Fiktion jedoch ein erlösendes poetisches Potential. Der Traum wird zu einem Ort der Imagination, der die gleichzeitige Anwesenheit von Männern aus Irenes Leben ermöglicht. Auffallend an diesem letzten Traum sind die narrativreflexiven Passagen und der lustbesetzte humoreske Stil, der mit dem beklemmenden Grundton des übrigen Textes kontrastiert: „Wer von euch beiden ist denn die Attrappe“ (ebd., 165). Wer als Subjekt und wer als Objekt des Begehrens fungiert, verbleibt ebenfalls in der Uneindeutigkeit: „Zwischen Mond und Schatten hatte das Gesicht, das Irene küßte eine bläuliche Farbe“ (ebd.). In dieser ambigen Konstruktion kann Irene grammatikalisch sowohl eine Subjekt- als auch eine Akkusativposition besetzen. Der Satz ließe sich in ‚von Irene geküsstes Gesicht‘ sowie in ‚Irenes Gesicht, das geküsst wird‘, auflösen. Die Farbe ‚bläulich‘ repräsentiert im Gesamtgefüge des Traumes die Treue. Gleichzeitig reagiert Irene auf das männliche Treueverlangen „Du sollst Augen haben nur für mich“ (ebd., 165) mit Verdruss: „Das macht müde“ (ebd.). Projiziert Calvino die weiblichen Körper in die Stadtarchitektonik, die auf diese Weise vergegenständlicht werden, erlangt das Weibliche bei Herta Müller eine Subjekthaftigkeit und Körperlichkeit. Der Traum wird vom weiblichen Begehren dominiert, auch wenn diese Demaskierung der männlich konstruierten Weiblichkeit im imaginierten Raum des Traumes sich ereignet und sich daher ihrerseits als eine weibliche Wunschprojektion entpuppt.
Verglichen mit den anderen Träumen ist diese Textsequenz weniger deutlich als Traum markiert und ließe sich auch als ein postmodernes Spiel mit Fiktion und Intertextualität interpretieren. Jedoch weist der Satz, der den Traum einleitet „In dieser Nacht trug Irene in der Spanne zwischen Stirn und Mund, auf dem Kissen, Leute zusammen, die sich nicht kannten“ (ebd., 163) auf ein nächtliches Geschehen hin. Die Passage referiert auf Calvinos Roman ''Die unsichtbaren Städte'', in dem eine der Städte den Namen Irene trägt. Bei Calvino ist Irene die einzige Stadt, die für Kublai Khan unerreichbar bleibt und die gleichzeitig über keine konstanten Eigenschaften verfügt, sondern sich stetig wandelt: „Irene ist der Name einer Stadt in der Ferne, die sich ändert, wenn man ihr näher kommt“ (Calvino 2007, 134). Diese Unschärfe der Stadt äußert sich im „Rosa der Häuser […], das sich verdünnt“ und in den diversen Deutungen der Geräusche, die von der Stadt ausgehen: „Die Hinunterblickenden ergehen sich in Mutmaßungen über das, was in der Stadt vorgehen mag“ (Calvino 2007, 133), „Manchmal trägt der Wind Musik von Pauken und Trompeten“ (ebd.), „manchmal das Rattern von Maschinengewehren“ (ebd.). Auch Herta Müller greift diese flüssige, sich wandelnde Form auf: „Kaum hab ich den Bahnhof verlassen, merk ich, wie mir Asphalt durch die Zehen rinnt. All die Schuhe mit ledernen Rosen. Die nackten Armhöhlen der Frauen, in denen sich die Stadt zusammenzieht“ (RB 164). Bereits bei Calvino wird die Stadt Irene als Projektionsfläche demaskiert, sie bietet eine Leerstelle für männliche Imagination und erscheint austauschbar: „vielleicht habe ich von Irene schon unter anderen Namen gesprochen; vielleicht habe ich von nichts anderem als von Irene gesprochen“ (Calvino 2007, 134). In Kublai Kahns Träumen repräsentiert die symbolisch-allegorische Archetypik der Städte den weiblichen Körper. Verglichen mit Calvino verknüpft Herta Müller das Stadtmotiv mit der exponierten weiblichen Körperlichkeit, gleichzeitig wird der Text als Fiktion entlarvt: „Ich weiß, es ist nur Einbildung, nur Schwindel […] Ja, alles nur Schwindel, sagte Steffen zur Irene. Weshalb glaubst Du daran. Das ist erfunden, und Du glaubst daran“ (RB 164). Im Gegensatz zur Alptraumhaftigkeit der ersten beiden Träume, bietet hier die Fiktion jedoch ein erlösendes poetisches Potential. Der Traum wird zu einem Ort der Imagination, der die gleichzeitige Anwesenheit von Männern aus Irenes Leben ermöglicht. Auffallend an diesem letzten Traum sind die narrativreflexiven Passagen und der lustbesetzte humoreske Stil, der mit dem beklemmenden Grundton des übrigen Textes kontrastiert: „Wer von euch beiden ist denn die Attrappe“ (ebd., 165). Wer als Subjekt und wer als Objekt des Begehrens fungiert, verbleibt ebenfalls in der Uneindeutigkeit: „Zwischen Mond und Schatten hatte das Gesicht, das Irene küßte eine bläuliche Farbe“ (ebd.). In dieser ambigen Konstruktion kann Irene grammatikalisch sowohl eine Subjekt- als auch eine Akkusativposition besetzen. Der Satz ließe sich in ‚von Irene geküsstes Gesicht‘ sowie in ‚Irenes Gesicht, das geküsst wird‘, auflösen. Die Farbe ‚bläulich‘ repräsentiert im Gesamtgefüge des Traumes die Treue. Gleichzeitig reagiert Irene auf das männliche Treueverlangen „Du sollst Augen haben nur für mich“ (ebd., 165) mit Verdruss: „Das macht müde“ (ebd.). Projiziert Calvino die weiblichen Körper in die Stadtarchitektonik, die auf diese Weise vergegenständlicht werden, erlangt das Weibliche bei Herta Müller eine Subjekthaftigkeit und Körperlichkeit. Der Traum wird vom weiblichen Begehren dominiert, auch wenn diese Demaskierung der männlich konstruierten Weiblichkeit im imaginierten Raum des Traumes sich ereignet und sich daher ihrerseits als eine weibliche Wunschprojektion entpuppt.


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