"Reisende auf einem Bein" (Herta Müller): Unterschied zwischen den Versionen

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[[Datei:HMueller_Reisende.jpg|thumb|right|''Reisende auf einem Bein'', Erstausgabe]]
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''Reisende auf einem Bein'' ist der erste längere Erzähltext der rumänisch-deutschen Autorin Herta Müller (*1953), der nach ihrer Ausreise aus Rumänien in der Bundesrepublik 1987 beim Rotbuch-Verlag erschien (McGowan 2017, 25). Der Text enthält vier Traumdarstellungen: drei Träume der Hauptprotagonistin Irene (RB 19, 102-104, 164-166) und einen Traum von Thomas, einem ihrer Freunde, der sich direkt an Irenes zweiten Traum anschließt (RB 104 f.).
''Reisende auf einem Bein'' ist der erste längere Erzähltext der rumänisch-deutschen Autorin Herta Müller (*1953), der nach ihrer Ausreise aus Rumänien in der Bundesrepublik 1987 beim Rotbuch-Verlag erschien (McGowan 2017, 25). Der Text enthält vier Traumdarstellungen: drei Träume der Hauptprotagonistin Irene (RB 19, 102-104, 163-166) und einen Traum von Thomas, einem ihrer Freunde, der sich direkt an Irenes zweiten Traum anschließt (RB 104 f.).






==Autorin==
==Autorin==
Herta Müller, 1953 im rumänischen Niţchidorf geboren, immigrierte 1987 unter dem Ceauşescu-Regime wegen ihrer Verfolgung durch die rumänische Securitate in die Bundesrepublik. In ihren Werken thematisiert sie die Beschädigungen des Subjekts unter einer totalitären Herrschaft. Ohne sich auf den kommunistischen Terror zu begrenzen, schildert die Autorin auch das triste, auf die Vernichtung des Individuellen ausgerichtete Dorfmilieu der banatdeutschen Minderheit in Rumänien, dessen abgeschottete, „zugeschnürte“ Atmosphäre von Normierungen und Verhaltenscodes eine an die Majorität angepasste Wahrnehmung erzeugt und jeden Ausdruck von Subjektivität verhindert. Die doppelte Herkunftslast aus zwei Diktaturen prägt Herta Müllers Schreiben. In der Zeit der deutschen Okkupation schloss sich ihr Vater der Waffen-SS an, während ihre Mutter wegen ihrer Zugehörigkeit zur deutschen Minderheit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in ein stalinistisches Arbeitslager auf dem Gebiet der heutigen Ukraine deportiert wurde (Eke 2017, 2-9). Herta Müller schreibt: „gezeugt worden war ich nach dem Zweiten Weltkrieg von einem heimgekehrten SS-Soldaten. Und hineingeboren war ich in den Stalinismus. Der Vater und die Zeit – beides Tatsachen, die das Sich-wieder-Erfinden der Grazie unwiederbringlich machen“ (Müller 1995, 10). Nach einem Studium der Germanistik und Romanistik an der Universitatea de Vest din Timişoara arbeitete Herta Müller als Übersetzerin in einer Maschinenfabrik bis der rumänische Geheimdienst Securitate versuchte, sie für Spitzeldienste anzuwerben. Während ihres Studiums gehörte sie zum Kreis junger Autoren der sogenannten Aktionsgruppe ''Banat'', die kritisch versuchte, mit der proletkultischen Tradition zu brechen, ohne sich dem formalen Avantgardismus der 1960er Jahre anzuschließen. 1975 beendete die Staatsmacht diesen Versuch, aus der staatsgelenkten Literatur auszubrechen, und die Gruppe wurde aufgelöst. Wegen der verweigerten Kollaboration mit der Securitate beginnt eine zermürbende Zeit der Einschüchterung und Verleugnung für die Autorin, die in Durchsuchungen, Verhören sowie in ein ihre Existenzgrundlage gefährdendes Arbeitsverbot mündet und schließlich in der Streuung von Gerüchten kulminiert, sie sei ein Securitatespitzel (Eke 2017, 6-9) - ein Vorwurf, den Herta Müller als besonders psychisch belastend beschreibt und der selbst nach ihrer erzwungenen Ausreise aus Rumänien im Jahr 1987 Konsequenzen für die Autorin hatte wie etwa Verhöre beim Bundesnachrichtendienst (Müller 2013, 52 f.). 2009 verlieh das schwedische Nobelpreiskomitee Herta Müller den Nobelpreis für Literatur und begründete diese Auszeichnung mit der besonderen Sprache der Autorin: „who, with the concentration of poetry and the frankness of prose, depicts the landscape of the dispossessed“ (Nobelpreiskomitee).
Herta Müller, 1953 im rumänischen Niţchidorf geboren, immigrierte 1987 unter dem Ceauşescu-Regime wegen ihrer Verfolgung durch die rumänische Securitate in die Bundesrepublik. In ihren Werken thematisiert sie die Beschädigungen des Subjekts unter einer totalitären Herrschaft. Ohne sich auf den kommunistischen Terror zu begrenzen, schildert die Autorin auch das triste, auf die Vernichtung des Individuellen ausgerichtete Dorfmilieu der banatdeutschen Minderheit in Rumänien, dessen abgeschottete, „zugeschnürte“ Atmosphäre von Normierungen und Verhaltenscodes eine an die Majorität angepasste Wahrnehmung erzeugt und jeden Ausdruck von Subjektivität verhindert. Die doppelte Herkunftslast aus zwei Diktaturen prägt Herta Müllers Schreiben. In der Zeit der deutschen Okkupation schloss sich ihr Vater der Waffen-SS an, während ihre Mutter wegen ihrer Zugehörigkeit zur deutschen Minderheit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in ein stalinistisches Arbeitslager auf dem Gebiet der heutigen Ukraine deportiert wurde (Eke 2017, 2-9). Herta Müller schreibt: „gezeugt worden war ich nach dem Zweiten Weltkrieg von einem heimgekehrten SS-Soldaten. Und hineingeboren war ich in den Stalinismus. Der Vater und die Zeit – beides Tatsachen, die das Sich-wieder-Erfinden der Grazie unwiederbringlich machen“ (Müller 1995, 10). Nach einem Studium der Germanistik und Romanistik an der Universitatea de Vest din Timişoara arbeitete Herta Müller als Übersetzerin in einer Maschinenfabrik bis der rumänische Geheimdienst Securitate versuchte, sie für Spitzeldienste anzuwerben. Während ihres Studiums gehörte sie zum Kreis junger Autoren der sogenannten Aktionsgruppe ''Banat'', die mit der proletkultischen Tradition brechen wollte, ohne sich dem formalen Avantgardismus der 1960er Jahre anzuschließen. 1975 beendete die Staatsmacht diesen Versuch, aus der staatsgelenkten Literatur auszubrechen, und die Gruppe wurde aufgelöst. Wegen der verweigerten Kollaboration mit der Securitate begann eine zermürbende Zeit der Einschüchterung und Verleugnung für die Autorin, die in Durchsuchungen, Verhören sowie in ein ihre Existenzgrundlage gefährdendes Arbeitsverbot mündete und schließlich in der Streuung von Gerüchten kulminierte, sie sei ein Securitatespitzel (Eke 2017, 6-9) - ein Vorwurf, den Herta Müller als besonders psychisch belastend beschreibt und der selbst nach ihrer erzwungenen Ausreise aus Rumänien im Jahr 1987 Konsequenzen für die Autorin hatte wie etwa Verhöre beim Bundesnachrichtendienst (Müller 2013, 52 f.). 2009 verlieh das schwedische Nobelpreiskomitee Herta Müller den Nobelpreis für Literatur und begründete diese Auszeichnung mit der besonderen Sprache der Autorin: „who, with the concentration of poetry and the frankness of prose, depicts the landscape of the dispossessed“ (Nobelpreiskomitee).




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