"Traumprotokolle" (Theodor W. Adorno): Unterschied zwischen den Versionen

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Die ''Traumprotokolle'' von Theodor W. Adorno (1903-1969) sind eine Sammlung von mehr als einhundert ausgewählten Traum-aufzeichnungen, die Adorno in der Zeit zwischen Januar 1934 und April 1969 angefertigt hat. Adorno plante bereits zu Lebzeiten die Publikation einer Reihe von Traumprotokollen, u. a. um einen Überblick über motivische Zusammenhänge seiner Träume geben zu können (Gödde und Lonitz in Adorno 2018, 88). Die Traumprotokolle halten persönliche Traumbilder und Traumsituationen Adornos fest, die sich sowohl psychoanalytisch als auch im Kontext der äußeren Lebensumstände bzw. der Biografie Adornos, wie z. B. der Zeit des aufkommenden Nationalsozialismus in Deutschland, der Exilzeit zunächst in England (Oxford und London), den USA (New York und Los Angeles) und der Rückkehr in das Nachkriegsdeutschland, deuten lassen. Die Traumprotokolle sind allerdings aufgrund der „bewussten Auswahl“ und ihres komponierten „Arrangements“ auch als eine „eigenwillige Form authentischer Selbstdarstellung intimer Innenerlebnisse“ und eher als die „Selbstinszenierung emotionaler Befindlichkeiten“ des Autors zu verstehen als ein „sich gänzlich Offenbaren oder Preisgeben“ (Müller-Doohm 2019, 19).
Die ''Traumprotokolle'' von Theodor W. Adorno (1903-1969) sind eine Sammlung von mehr als einhundert ausgewählten Traumaufzeichnungen, die Adorno in der Zeit zwischen Januar 1934 und April 1969 angefertigt hat. Adorno plante bereits zu Lebzeiten die Publikation einer Reihe von Traumprotokollen, u. a. um einen Überblick über motivische Zusammenhänge seiner Träume geben zu können (Gödde und Lonitz in Adorno 2018, 88). Die ''Traumprotokolle'' halten persönliche Traumbilder und Traumsituationen Adornos fest, die sich sowohl psychoanalytisch als auch im Kontext der äußeren Lebensumstände bzw. der Biografie Adornos, wie z. B. der Zeit des aufkommenden Nationalsozialismus in Deutschland, der Exilzeit zunächst in England (Oxford und London), den USA (New York und Los Angeles) und der Rückkehr in das Nachkriegsdeutschland, deuten lassen. Die Traumprotokolle sind allerdings aufgrund der „bewussten Auswahl“ und ihres komponierten „Arrangements“ auch als eine „eigenwillige Form authentischer Selbstdarstellung intimer Innenerlebnisse“ und eher als die „Selbstinszenierung emotionaler Befindlichkeiten“ des Autors zu verstehen als ein „sich gänzlich Offenbaren oder Preisgeben“ (Müller-Doohm 2019, 19).




==Entstehung und die ersten Veröffentlichungen==
==Entstehung und die ersten Veröffentlichungen==


Adornos philosophisches und soziologisches Werk schließt, wie auch die Arbeiten anderer Vertreter der sogenannten Frankfurter Schule, an die Tradition Georg Wilhelm Friedrich Hegels, Karl Marx‘ und Sigmund Freuds an. Adorno maß vor dem Hintergrund der Denktradition Freuds dem Träumen und den Trauminhalten besondere Bedeutung bei. Pläne, seine Traumaufzeichnungen zu veröffentlichen, insbesondere drei „Träume in Amerika“ (vom 30.12.1940, vom 22.05.1941 und aus dem Januar 1942) hielt Adorno im Laufe des Jahres 1942 fest (Reemtsma in Adorno 2018, 91). Publiziert wurden die drei amerikanischen Traumprotokolle dann bereits im Oktober 1942 in der in New York erscheinenden deutschsprachigen Wochenzeitschrift ''Aufbau'', welche vor allem die Gemeinschaft der in die USA immigrierten Deutschsprechenden adressierte (Halley 1997, 60; Müller-Doohm 2019, 19). Adorno notierte zur Bedeutung von Träumen und dem Vorhaben, seine eigenen Träume umfassend zu dokumentieren und ausgewählte Träume in einer umfangreicheren Sammlung zu publizieren, Anfang Januar 1956 folgende Gedanken (Gödde und Lonitz in Adorno 2018, 88):
Adornos philosophisches und soziologisches Werk schließt, wie auch die Arbeiten anderer Vertreter der sogenannten ''Frankfurter Schule'', an die Tradition Georg Wilhelm Friedrich Hegels, Karl Marx‘ und Sigmund Freuds an. Adorno maß vor dem Hintergrund der Denktradition Freuds dem Träumen und den Trauminhalten besondere Bedeutung bei. Pläne, seine Traumaufzeichnungen zu veröffentlichen, insbesondere drei „Träume in Amerika“ (vom 30.12.1940, vom 22.05.1941 und aus dem Januar 1942) hielt Adorno im Laufe des Jahres 1942 fest (Reemtsma in Adorno 2018, 91). Publiziert wurden die drei amerikanischen Traumprotokolle dann bereits im Oktober 1942 in der in New York erscheinenden deutschsprachigen Wochenzeitschrift ''Aufbau'', welche vor allem die Gemeinschaft der in die USA immigrierten Deutschsprechenden adressierte (Halley 1997, 60; Müller-Doohm 2019, 19). Adorno notierte zur Bedeutung von Träumen und dem Vorhaben, seine eigenen Träume umfassend zu dokumentieren und ausgewählte Träume in einer umfangreicheren Sammlung zu publizieren, Anfang Januar 1956 folgende Gedanken (Gödde und Lonitz in Adorno 2018, 88):
 


„Gewisse Traumerfahrungen geben mir Anlaß zu vermuten, daß das Individuum den eigenen Tod als kosmische Katastrophe erlebt.“ (Adorno 2018, 88)
„Gewisse Traumerfahrungen geben mir Anlaß zu vermuten, daß das Individuum den eigenen Tod als kosmische Katastrophe erlebt.“ (Adorno 2018, 88)


und
und


„Unsere Träume sind nicht nur als >unsere< untereinander verbunden, sondern bilden auch ein Kontinuum, gehören einer einheitlichen Welt an, so etwa wie alle Erzählungen von Kafka in >Demselben< spielen. Je enger aber Träume untereinander zusammenhängen oder sich wiederholen, um so größer die Gefahr, daß wir sie von der Wirklichkeit nicht mehr unterscheiden können.“ (Adorno 2018, 88).
„Unsere Träume sind nicht nur als >unsere< untereinander verbunden, sondern bilden auch ein Kontinuum, gehören einer einheitlichen Welt an, so etwa wie alle Erzählungen von Kafka in >Demselben< spielen. Je enger aber Träume untereinander zusammenhängen oder sich wiederholen, um so größer die Gefahr, daß wir sie von der Wirklichkeit nicht mehr unterscheiden können.“ (Adorno 2018, 88).


Eine erste größere Sammlung und Auswahl von neunzehn ''Traumprotokollen'' aus dem Zeitraum 1937 bis 1967 wurde postum und erst im Jahre 1986 in den von Rolf Tiedemann herausgegebenen ''Gesammelten Schriften'' im zweiten Teil des 20. Bandes (''Vermischte Schriften II. Aesthetica Miscellanea'') veröffentlicht. Diese Auswahl traf Adorno allerdings selbst bereits im Jahr 1968 und wählte die neunzehn Traumprotokolle „aus einem umfangreichen Typoskriptkonvolut für eine Publikation“ aus, „die dann nicht zustande kam“ (Reemtsma in Adorno 2018, 91). Die Freigabe zur Publikation dieser ausgewählten Traumprotokolle hatte Adorno seinem Verleger Siegfried Unseld 1968 erteilt (Müller-Doohm 2019, 19). Seine Auswahlkriterien für die Traumprotokolle, die in den ''Gesammelten Schriften'' erschienen, hat Adorno nicht expliziert (Halley 1997, 61). Halley stellt bezüglich der nicht erläuterten Auswahlkriterien folgende spannenden Fragen, die in großen Teilen leider offenbleiben müssen bzw. nur rein spekulativ adressiert werden können (Halley 1997, 61): „were these dreams typical, for instance, or representative of the others? Or might they have been livelier, more literary, clearer in visual imagery, less or more revealing, possibly even more or less embarrassing than those he chose to omit? Did the chosen dreams seem to him penetrable – their latent as well as manifest content available to an analyst? to an ordinary reader? to his friends and colleagues?“
 
Eine erste größere Sammlung und Auswahl von neunzehn Traumprotokollen aus dem Zeitraum 1937 bis 1967 wurde postum und erst im Jahre 1986 in den von Rolf Tiedemann herausgegebenen ''Gesammelten Schriften'' im zweiten Teil des 20. Bandes (''Vermischte Schriften II. Aesthetica Miscellanea'') veröffentlicht. Diese Auswahl traf Adorno allerdings selbst bereits im Jahr 1968 und wählte die neunzehn Traumprotokolle „aus einem umfangreichen Typoskriptkonvolut für eine Publikation [.], die dann nicht zustande kam“ aus (Reemtsma in Adorno 2018, 91). Die Freigabe zur Publikation der ausgewählten Traumprotokolle hatte Adorno seinem Verleger Siegfried Unseld 1968 erteilt (Müller-Doohm 2019, 19). Seine Auswahlkriterien für die Traumprotokolle, die in den ''Gesammelten Schriften'' erschienen, hat Adorno nicht expliziert (Halley 1997, 61). Halley stellt bezüglich der nicht erläuterten Auswahlkriterien folgende spannenden Fragen, die in großen Teilen leider offenbleiben müssen bzw. nur rein spekulativ adressiert werden können (Halley 1997, 61): „were these dreams typical, for instance, or representative of the others? Or might they have been livelier, more literary, clearer in visual imagery, less or more revealing, possibly even more or less embarrassing than those he chose to omit? Did the chosen dreams seem to him penetrable – their latent as well as manifest content available to an analyst? to an ordinary reader? to his friends and colleagues?“
 


Als Vorbemerkung zu der Auswahl der neunzehn Traumprotokolle formulierte Adorno selbst noch folgenden Hinweis, welcher den Protokollen in den Gesammelten Schriften vorangestellt wurde (Adorno 2003, 572; Adorno 2018, 88):
Als Vorbemerkung zu der Auswahl der neunzehn Traumprotokolle formulierte Adorno selbst noch folgenden Hinweis, welcher den Protokollen in den Gesammelten Schriften vorangestellt wurde (Adorno 2003, 572; Adorno 2018, 88):


„Die Traumprotokolle, aus einem umfangreichen Bestand ausgewählt, sind authentisch. Ich habe sie jeweils gleich beim Erwachen niedergeschrieben und für die Publikation nur die empfindlichsten sprachlichen Mängel korrigiert. T.W.A.“
„Die Traumprotokolle, aus einem umfangreichen Bestand ausgewählt, sind authentisch. Ich habe sie jeweils gleich beim Erwachen niedergeschrieben und für die Publikation nur die empfindlichsten sprachlichen Mängel korrigiert. T.W.A.“


Bezüglich des „umfangreichen“ Bestandes notieren Gödde und Lonitz in der „Editorischen Nachbemerkung“ zur Separatausgabe von 2005 folgendes: „‘Ein umfangreicher Bestand‘ meint nicht nur die große Zahl der in den Notizbüchern aufbewahrten Träume, sondern auch ein Konvolut, das aus diesen von Gretel Adorno diplomatisch getreu abgeschrieben wurde.“ (Gödde und Lonitz in Adorno 2018, 88). Das hier erwähnte „Konvolut“ bzw. die von Reemtsma als umfangreiches „Typoskriptkonvolut“ bezeichnete Sammlung von mehr als einhundert Traumaufzeichnungen (Reemtsma in Adorno 2018, 91, siehe oben) ist die Grundlage der 2005 erstmals erschienenen Separatausgabe der Traumprotokolle. Müller-Doohm spricht auch bezüglich der dort publizierten größeren Auswahl, zu der Adorno ebenso keine Auswahlkriterien expliziert hat, nur von einem „geringen Teil“ der von Adorno tatsächlich notierten Träume (Müller-Doohm 2019, 19).
Bezüglich des „umfangreichen“ Bestandes notieren Gödde und Lonitz in der „Editorischen Nachbemerkung“ zur Separatausgabe von 2005 folgendes: „‘Ein umfangreicher Bestand‘ meint nicht nur die große Zahl der in den Notizbüchern aufbewahrten Träume, sondern auch ein Konvolut, das aus diesen von Gretel Adorno diplomatisch getreu abgeschrieben wurde.“ (Gödde und Lonitz in Adorno 2018, 88). Das hier erwähnte „Konvolut“ bzw. die von Reemtsma als umfangreiches „Typoskriptkonvolut“ bezeichnete Sammlung von mehr als einhundert Traumaufzeichnungen (Reemtsma in Adorno 2018, 91, siehe oben) ist die Grundlage der 2005 erstmals erschienenen Separatausgabe der Traumprotokolle. Müller-Doohm spricht auch bezüglich der dort publizierten größeren Auswahl, zu der Adorno ebenso keine Auswahlkriterien expliziert hat, nur von einem „geringen Teil“ der von Adorno tatsächlich notierten Träume (Müller-Doohm 2019, 19).


Zur Entwicklung des Typoskriptkonvoluts ist bekannt, dass Gretel Adorno die ausgewählten handschriftlichen Notizen Adornos maschinenschriftlich erfasst hat, bevor Adorno die erwähnten geringfügigen Korrekturen angebracht hat (Reemtsma in Adorno 2018, 91). Gödde und Lonitz weisen auf zwei Transkriptionsfehler in der Ausgabe der Traumprotokolle in den ''Gesammelten Schriften'' hin (Gödde und Lonitz in Adorno 2018, 89). Durch diese Transkriptionsfehler sind chronologische Verschiebungen bzw. eine leicht abweichende Reihenfolge in den ''Gesammelten Schriften'' im Vergleich zur Separatausgabe entstanden.
Zur Entwicklung des Typoskriptkonvoluts ist bekannt, dass Gretel Adorno die ausgewählten handschriftlichen Notizen Adornos maschinenschriftlich erfasst hat, bevor Adorno die erwähnten geringfügigen Korrekturen angebracht hat (Reemtsma in Adorno 2018, 91). Gödde und Lonitz weisen auf zwei Transkriptionsfehler in der Ausgabe der Traumprotokolle in den ''Gesammelten Schriften'' hin (Gödde und Lonitz in Adorno 2018, 89). Durch diese Transkriptionsfehler sind chronologische Verschiebungen bzw. eine leicht abweichende Reihenfolge in den ''Gesammelten Schriften'' im Vergleich zur Separatausgabe entstanden.
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Die ''Traumprotokolle'' lassen sich jeweils mithilfe ihrer Überschriften, welche chronologisch sortiert sind und in der Regel Ort und Datum der jeweiligen Aufzeichnung festhalten, eindeutig identifizieren. Folgende Liste präsentiert sämtliche in der Separatausgabe publizierten Traumprotokolle Adornos und umfasst 109 Einträge. Dies ist die Anzahl der jeweiligen Traumprotokollüberschriften mit Ort und Datum. In fünf Fällen notierte Adorno allerdings jeweils zwei Träume verschiedenen Inhalts unter einer Überschrift bzw. zu einem Eintragsdatum: Oxford, 10. März 1937 (Adorno 2018, 8), Los Angeles, 6. Oktober 1945 (Adorno 2018, 47), Los Angeles, 14. März 1948 (Adorno 2018, 54), Frankfurt, Ende Dezember 1959 (Adorno 2018, 72) und 17. Dezember 1967 (Adorno 2018, 85). Insofern liegen insgesamt die Protokolle von einhundertvierzehn verschiedenen Träumen vor:
Die ''Traumprotokolle'' lassen sich jeweils mithilfe ihrer Überschriften, welche chronologisch sortiert sind und in der Regel Ort und Datum der jeweiligen Aufzeichnung festhalten, eindeutig identifizieren. Folgende Liste präsentiert sämtliche in der Separatausgabe publizierten Traumprotokolle Adornos und umfasst 109 Einträge. Dies ist die Anzahl der jeweiligen Traumprotokollüberschriften mit Ort und Datum. In fünf Fällen notierte Adorno allerdings jeweils zwei Träume verschiedenen Inhalts unter einer Überschrift bzw. zu einem Eintragsdatum: Oxford, 10. März 1937 (Adorno 2018, 8), Los Angeles, 6. Oktober 1945 (Adorno 2018, 47), Los Angeles, 14. März 1948 (Adorno 2018, 54), Frankfurt, Ende Dezember 1959 (Adorno 2018, 72) und 17. Dezember 1967 (Adorno 2018, 85). Insofern liegen insgesamt die Protokolle von einhundertvierzehn verschiedenen Träumen vor:


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==Themen, Motive und Deutungen==
==Themen, Motive und Deutungen==


In Adornos Traumprotokollen treten verschiedene Themen und Motive in unterschiedlichen Typen von Träumen auf, häufig in Form von Alp- oder Angstträumen oder zuweilen auch libidinösen Träumen. Häufige Themen und Motive sind, u. a. Hinrichtungen (zum Beispiel die eigene, diejenige von Bekannten oder auch Hinrichtungen anderer unter eigenem Befehl), Bordellbesuche, Examen bzw. Prüfungen, Wortspiele und kreative Sprachschöpfungen, Spott und Hohn, Wunscherfüllung und Versagung im Zusammenhang mit seiner Mutter und seiner Tante Agathe („zweite Mutter“), „Träume von Toten, in denen man das Gefühl hat, daß sie einen um Hilfe bitten“, Dinosaurier (insb. Triceratops und Ankylosaurus), übermäßiger Harndrang, Folter, Konzentrationslager, Weltuntergang und Naturkatastrophen (z. B. eine Hitzekatastrophe) oder der Tod seines Freundes und Kompositionslehrers Alban Berg (Halley 1997, 61; Stephan 2008, 9; Schünemann 2012; Reemtsma in Adorno 2018, 111ff.; Müller-Doohm 2019, 19-22).
In Adornos ''Traumprotokollen'' treten verschiedene Themen und Motive in unterschiedlichen Typen von Träumen auf, häufig in Form von Alp- oder Angstträumen oder zuweilen auch libidinösen Träumen. Häufige Themen und Motive sind, u. a. Hinrichtungen (zum Beispiel die eigene, diejenige von Bekannten oder auch Hinrichtungen anderer unter eigenem Befehl), Bordellbesuche, Examen bzw. Prüfungen, Wortspiele und kreative Sprachschöpfungen, Spott und Hohn, Wunscherfüllung und Versagung im Zusammenhang mit seiner Mutter und seiner Tante Agathe („zweite Mutter“), „Träume von Toten, in denen man das Gefühl hat, daß sie einen um Hilfe bitten“, Dinosaurier (insb. Triceratops und Ankylosaurus), übermäßiger Harndrang, Folter, Konzentrationslager, Weltuntergang und Naturkatastrophen (z. B. eine Hitzekatastrophe) oder der Tod seines Freundes und Kompositionslehrers Alban Berg (Halley 1997, 61; Stephan 2008, 9; Schünemann 2012; Reemtsma in Adorno 2018, 111ff.; Müller-Doohm 2019, 19-22).
 
Während Reemtsma im Nachwort zur Separatausgabe der Traumprotokolle Sinn und Unsinn des psychoanalytischen Deutens der Traumprotokolle diskutiert („Doch welcher Art wäre die Deutungskunst, die hier die normativen Vorgaben machen sollte? Die Psychoanalyse, die jedem, auch dem, der sich wer-weiß-was-für-Vorstellungen davon macht, als erste einfällt, wäre gerade, und zwar auf Grund ihrer eigenen technischen Verfahrensregeln, durchaus nicht zuständig. Die psychoanalytische Deutung eines Traums ist ein dialogischer Prozeß zwischen zwei Menschen, in dem die Mitteilung der Assoziationen desjenigen, der den Traum berichtet, eine entscheidende Rolle spielt“, Reemtsma in Adorno 2018, 108ff.), werden die Träume Adornos in verschiedenen Beiträgen dennoch unter Berücksichtigung psychoanalytischer Ansätze detaillierter gedeutet.
Während Reemtsma im Nachwort zur Separatausgabe der Traumprotokolle Sinn und Unsinn des psychoanalytischen Deutens der Traumprotokolle diskutiert („Doch welcher Art wäre die Deutungskunst, die hier die normativen Vorgaben machen sollte? Die Psychoanalyse, die jedem, auch dem, der sich wer-weiß-was-für-Vorstellungen davon macht, als erste einfällt, wäre gerade, und zwar auf Grund ihrer eigenen technischen Verfahrensregeln, durchaus nicht zuständig. Die psychoanalytische Deutung eines Traums ist ein dialogischer Prozeß zwischen zwei Menschen, in dem die Mitteilung der Assoziationen desjenigen, der den Traum berichtet, eine entscheidende Rolle spielt“, Reemtsma in Adorno 2018, 108ff.), werden die Träume Adornos in verschiedenen Beiträgen dennoch unter Berücksichtigung psychoanalytischer Ansätze detaillierter gedeutet.
Exemplarisch wird im Folgenden ein Beitrag von Leithäuser näher betrachtet. Leithäuser analysiert ausführlich zwei Traumprotokolle Adornos mithilfe eines „psychoanalytisch orientierten tiefenhermeneutischen“ Textinterpretationsansatzes basierend auf der „Freudschen Deutungsmethode, wie er sie in der ‚Traumdeutung‘ und den ‚Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse‘ sowie ‚Neue Folge der Vorlesung‘ erörtert hat.“ (Leithäuser 2007, 1 bzw. 8). Leithäuser zielt insbesondere darauf ab, den „gesellschaftlichen Gehalt“ von Adornos Träumen herauszuarbeiten. Es handelt sich dabei um die Träume Nr. 12 (Los Angeles, Ende Mai 1942: „Ich träumte, ich solle gekreuzigt werden.“, Leithäuser 2007, 9-17) und Nr. 91 (Sils-Maria, 4. September 1964: „(Kurz vorm Erwachen) Ich hatte einen sechsstündigen Schulaufsatz über Goethe zu schreiben.“, Leithäuser 2007, 17-22). Bezüglich des ersten untersuchten Traums, einem Hinrichtungstraum, arbeitet Leithäuser unter anderem mögliche Deutungen zu den Ängsten Adornos, insbesondere seiner Todesangst im nationalsozialistischen Deutschland auf der Grundlage von enthaltenen Symbolen des beschriebenen „Kreuzigungsszenarios“ heraus: „Kreuz“ und „Hakenkreuz“, „Spaziergang durch Bockenheim“ und „Passionsweg Christi“, „Bockenheimer Warte“ und „Golgatha“ (Leithäuser 2007, 12), „Kreuzigung“ und „Hinrichtung, Mord, Vernichtung“ (Leithäuser 2007, 16). Außerdem betont er dabei zwei zentrale Mechanismen der Traumarbeit nach Freud, die bestimmend für den „manifesten Trauminhalt“ sind: die „Umsetzung von Gedanken in visuelle Bilder“ und „die Ersetzung ins Gegenteil“ (Leithäuser 2007, 13).
 
Exemplarisch wird im Folgenden ein Beitrag von Leithäuser näher betrachtet. Leithäuser analysiert ausführlich zwei Traumprotokolle Adornos mithilfe eines „psychoanalytisch orientierten tiefenhermeneutischen“ Textinterpretationsansatzes basierend auf der „Freudschen Deutungsmethode, wie er sie in der ‚Traumdeutung‘ und den ‚Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse‘ sowie ‚Neue Folge der Vorlesung‘ erörtert hat.“ (Leithäuser 2007, 1 bzw. 8). Leithäuser zielt insbesondere darauf ab, den „gesellschaftlichen Gehalt“ von Adornos Träumen herauszuarbeiten. Es handelt sich dabei um die Träume Nr. 12 (Los Angeles, Ende Mai 1942: „Ich träumte, ich solle gekreuzigt werden.“, Leithäuser 2007, 9-17) und Nr. 91 (Sils-Maria, 4. September 1964: „(Kurz vorm Erwachen) Ich hatte einen sechsstündigen Schulaufsatz über Goethe zu schreiben.“, Leithäuser 2007, 17-22).  
 
Bezüglich des ersten untersuchten Traums, einem Hinrichtungstraum, arbeitet Leithäuser unter anderem mögliche Deutungen zu den Ängsten Adornos, insbesondere seiner Todesangst im nationalsozialistischen Deutschland auf der Grundlage von enthaltenen Symbolen des beschriebenen „Kreuzigungsszenarios“ heraus: „Kreuz“ und „Hakenkreuz“, „Spaziergang durch Bockenheim“ und „Passionsweg Christi“, „Bockenheimer Warte“ und „Golgatha“ (Leithäuser 2007, 12), „Kreuzigung“ und „Hinrichtung, Mord, Vernichtung“ (Leithäuser 2007, 16). Außerdem betont er dabei zwei zentrale Mechanismen der Traumarbeit nach Freud, die bestimmend für den „manifesten Trauminhalt“ sind: die „Umsetzung von Gedanken in visuelle Bilder“ und „die Ersetzung ins Gegenteil“ (Leithäuser 2007, 13).
 
In der Deutung des zweiten untersuchten Traums, eines Prüfungstraums, beschreibt Leithäuser die Unsicherheit und Ängste Adornos, ob er fähig sei, „die Aufgabe überhaupt zu bewältigen“ (Leithäuser 2007, 20), einen sechsstündigen Schulaufsatz über Goethe zu schreiben. Adorno schreibt dazu: „Sogleich war mir bewusst, dass ich einen Komplex auszusuchen hatte und zwar den zentralen. […] Während der Arbeit ergriff mich die Angst, ob ich in der zur Verfügung stehenden Zeit überhaupt fertig werden könnte, und ob irgendein Lehrer fähig sei, den Aufsatz zu verstehen, so daß ich eine schlechte Note bekäme. Vor lauter Angst wachte ich auf.“ (Adorno 2018, 78). Die „Traumarbeit“ Adornos greife hier „zum Mittel der Verschiebung“ und „verschiebt die Unfähigkeit auf die Lehrer“ (Leithäuser 2007, 20), was aber in diesem Traum misslinge und Adornos überwältigende Ängste nicht davon abbringen kann, ihn „vor lauter Angst“ aufzuwecken.
In der Deutung des zweiten untersuchten Traums, eines Prüfungstraums, beschreibt Leithäuser die Unsicherheit und Ängste Adornos, ob er fähig sei, „die Aufgabe überhaupt zu bewältigen“ (Leithäuser 2007, 20), einen sechsstündigen Schulaufsatz über Goethe zu schreiben. Adorno schreibt dazu: „Sogleich war mir bewusst, dass ich einen Komplex auszusuchen hatte und zwar den zentralen. […] Während der Arbeit ergriff mich die Angst, ob ich in der zur Verfügung stehenden Zeit überhaupt fertig werden könnte, und ob irgendein Lehrer fähig sei, den Aufsatz zu verstehen, so daß ich eine schlechte Note bekäme. Vor lauter Angst wachte ich auf.“ (Adorno 2018, 78). Die „Traumarbeit“ Adornos greife hier „zum Mittel der Verschiebung“ und „verschiebt die Unfähigkeit auf die Lehrer“ (Leithäuser 2007, 20), was aber in diesem Traum misslinge und Adornos überwältigende Ängste nicht davon abbringen kann, ihn „vor lauter Angst“ aufzuwecken.
Die publizierte Sammlung von Adornos Traumprotokollen ermöglicht nicht nur aufgrund ihres Umfangs weitere spannende Deutungen und Interpretationen. Die vorliegende Literatur geht bisher nur auf einen überschaubaren Teil der aufgezeichneten Träume in detaillierter Form ein, weshalb sowohl für die Traum- als auch für die Adorno-Forschung noch erhebliches Erkenntnispotential aus der Betrachtung von Adornos Traumprotokollen vorliegt.
Die publizierte Sammlung von Adornos Traumprotokollen ermöglicht nicht nur aufgrund ihres Umfangs weitere spannende Deutungen und Interpretationen. Die vorliegende Literatur geht bisher nur auf einen überschaubaren Teil der aufgezeichneten Träume in detaillierter Form ein, weshalb sowohl für die Traum- als auch für die Adorno-Forschung noch erhebliches Erkenntnispotential aus der Betrachtung von Adornos Traumprotokollen vorliegt.


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