"Wolga" (Lou Andreas-Salomé): Unterschied zwischen den Versionen

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=== Beschreibung: Traum II ===
=== Beschreibung: Traum II ===
Obwohl sie in der nächsten Nacht vor dem Einschlafen an die wärmenden Hände ihrer verstorbenen Mutter denkt, bleibt diese Nacht traumlos. Erst in der darauffolgenden Nacht – wie in ihrem Lieblingsmärchen werden auch in der Novelle drei Nächte beschrieben – träumt sie in einem Zustand des „Halbschlummers“ (334). Der zweite Traum steht ebenfalls im Spannungsfeld von Kindheitserinnerungen, Tagesresten und (sexuellen) Sehnsüchten. Da sie am Tag Postkarten an ihre Klassenkameradinnen geschrieben hat, träumt sie von ihren Freundinnen, doch stets im Bewusstsein, dass Valdevenen am nächsten Morgen das Schiff verlassen wird und sie ihn unbedingt noch vor seiner Abreise sehen möchte, weshalb sie nicht in ihrer Kabine, sondern im Salon der 1. Klasse schläft, wo er sie leichter aufsuchen kann, ohne Aufsehen zu erregen. So heißt es: „ein Halbschlummer kam über sie mit halben Träumen –, aber immer entsann sie sich doch, daß sie dasaß und worauf sie wartete. Erinnerungen aus ihrer Schulzeit kamen ihr, alle die Mädchen tauchten in ihrem dämmernden Bewußtsein auf, mit denen sie bis vor einigen Tagen ganz unzertrennlich vertraut gewesen.“ (334) Im Halbschlaf reflektiert sie darüber, ob sie nach den Erlebnissen der letzten beiden Tage noch so unbefangen mit ihnen umgehen könnte wie sie es vor ihrer Reise gewohnt war. Dem harmlosen Ballspiel, das sie sodann imaginiert, wird eine anrüchige Note verliehen, als der Ball unversehens „dicht an ihnen vorbei, in die Untiefe“ (ebd.) entgleitet. Und ein
Obwohl sie in der nächsten Nacht vor dem Einschlafen an die wärmenden Hände ihrer verstorbenen Mutter denkt, bleibt diese Nacht traumlos. Erst in der darauffolgenden Nacht – wie in ihrem Lieblingsmärchen werden auch in der Novelle drei Nächte beschrieben – träumt sie in einem Zustand des „Halbschlummers“ (W 334). Der zweite Traum steht ebenfalls im Spannungsfeld von Kindheitserinnerungen, Tagesresten und (sexuellen) Sehnsüchten. Da sie am Tag Postkarten an ihre Klassenkameradinnen geschrieben hat, träumt sie von ihren Freundinnen, doch stets im Bewusstsein, dass Valdevenen am nächsten Morgen das Schiff verlassen wird und sie ihn unbedingt noch vor seiner Abreise sehen möchte. Daher schläft sie nicht in ihrer Kabine, sondern im Salon der 1. Klasse, wo er sie leichter aufsuchen kann, ohne Aufsehen zu erregen. So heißt es:  


„schwindelndes Prickeln überlief sie, als glitte sie jetzt selbst – ja, sie selbst war es ja, die da ausglitt, am Abhang, wo sie alle gespielt, sie glitt, glitt hinab, hinunter, wer weiß wohin, wer weiß wie tief! Schlaftrunken griff sie haltlos, suchend in die Luft. Nur noch wie eine von ihnen längst Geschiedene unterschied sie ihre Gefährtinnen dort oben, irgendwo, auf freundlicher, sonniger Wiese. Alle sah sie.“ (334 f)
: ein Halbschlummer kam über sie mit halben Träumen –, aber immer entsann sie sich doch, daß sie dasaß und worauf sie wartete. Erinnerungen aus ihrer Schulzeit kamen ihr, alle die Mädchen tauchten in ihrem dämmernden Bewußtsein auf, mit denen sie bis vor einigen Tagen ganz unzertrennlich vertraut gewesen (W 334).
 
Im Halbschlaf reflektiert sie darüber, ob sie nach den Erlebnissen der letzten beiden Tage noch so unbefangen mit ihnen umgehen könnte wie sie es vor ihrer Reise gewohnt war. Dem harmlosen Ballspiel, das sie sodann imaginiert, wird eine anrüchige Note verliehen, als der Ball unversehens „dicht an ihnen vorbei, in die Untiefe“ (ebd.) entgleitet. Und ein
 
: schwindelndes Prickeln überlief sie, als glitte sie jetzt selbst – ja, sie selbst war es ja, die da ausglitt, am Abhang, wo sie alle gespielt, sie glitt, glitt hinab, hinunter, wer weiß wohin, wer weiß wie tief! Schlaftrunken griff sie haltlos, suchend in die Luft. Nur noch wie eine von ihnen längst Geschiedene unterschied sie ihre Gefährtinnen dort oben, irgendwo, auf freundlicher, sonniger Wiese. Alle sah sie.“ (334 f)


Rekurriert wird hier auf das Bild des „gefallenen“ Mädchens, das sich weder moralisch noch gesellschaftlich auf Augenhöhe mit ihren Spielgefährtinnen befindet:
Rekurriert wird hier auf das Bild des „gefallenen“ Mädchens, das sich weder moralisch noch gesellschaftlich auf Augenhöhe mit ihren Spielgefährtinnen befindet:


„Alle sah sie – doch nur noch von fern, nur noch blaß, als sei sie schon aus dem heitern Reigen ausgetreten, als blickten alle schon fast fremd nach ihr. Und immer blasser standen sie vor ihr, – jetzt flatterte deutlich nur noch ein helles Kleid, – jetzt wehte noch gelöstes blondes Mädchenhaar, winkte noch eine Hand, – und bald wußte Ljubow nicht mehr, ob es nicht nur wieder die Birken am hohen Rande der Wolga seien, die im Winde so wehten und winkten, abschied grüßend – –.“ ( 335)
: Alle sah sie – doch nur noch von fern, nur noch blaß, als sei sie schon aus dem heitern Reigen ausgetreten, als blickten alle schon fast fremd nach ihr. Und immer blasser standen sie vor ihr, – jetzt flatterte deutlich nur noch ein helles Kleid, – jetzt wehte noch gelöstes blondes Mädchenhaar, winkte noch eine Hand, – und bald wußte Ljubow nicht mehr, ob es nicht nur wieder die Birken am hohen Rande der Wolga seien, die im Winde so wehten und winkten, abschied grüßend – –.“ ( 335)


Die Birken, mit denen sie sich zunächst identifiziert, erscheinen nach diesem Halbschlaf plötzlich als das Fremde und Andere eines vergangenen Lebens. Sie befindet sich tatsächlich in einem Zwischenland, dessen zahlreiche Unwägbarkeiten durch den Zustand des Halbschlafs zur Darstellung gelangen.
Die Birken, mit denen sie sich zunächst identifiziert, erscheinen nach diesem Halbschlaf plötzlich als das Fremde und Andere eines vergangenen Lebens. Sie befindet sich tatsächlich in einem Zwischenland, dessen zahlreiche Unwägbarkeiten durch den Zustand des Halbschlafs zur Darstellung gelangen.

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