"Wolga" (Lou Andreas-Salomé): Unterschied zwischen den Versionen

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=== Beschreibung: Traum I ===
=== Beschreibung: Traum I ===
Nachem Ljubow mit Valdevenen eine ernste Unterhaltung über das unvermeidliche und in seinen Augen einem Leben in Gefangenschaft gleichende Schicksal der Frau geführt hat, wird im dritten Kapitel ein Traum beschrieben. Der Moment des Einschlafens ist nicht explizit markiert, sondern nur durch fünfzehn Gedankenstriche angezeigt. Im Fokus steht auch in dieser Traumszene die individuelle Wahrnehmung der Figur, die sich ihrer Verortung unsicher ist. Sie scheint nicht mehr auf der Wolga zu fahren, sondern fühlt sich in unbeschwerte Kindertage bzw. die königlichen Gärten unweit des Hauses ihrer Tante zurückversetzt. Hier sitzt sie, in ihrem Lieblingsmärchen lesend, in der Nähe der Fontänen und beschreibt ihre Faszination an dieser Erzählung, die eine deutliche Analogie zum Gespräch mit Valdevenen aufweist. Geprägt ist das Traumgeschehen demnach von Kindheitserinnerungen und Tagesresten. Das Märchen kreist um eine am Brunnen schlafende verzauberte Prinzessin, die von einem Ritter innerhalb von drei Nächten erlöst werden könnte, wenn er sie in den tiefen Brunnen wirft. Doch statt ihrer wirft er in der ersten Nacht einen Stein ins Wasser; am nächsten Abend hebt er sie zwar hoch, ist jedoch von ihrer Schönheit derart gebannt, dass er sie wieder ablegt; am dritten Morgen „zerrinnt die Prinzessin vor ihm im Nebel der Morgendämmerung, und vom Platz, wo sie gelegen, schlüpft ein grünes Fröschlein traurig von dannen“ (W 312). Die Analogie dieses fiktiven Märchens zur Prophezeihung Valdevenens, sie werde sich eines Tages wehrlos „wie blind und taub und lahm, wie im tiefsten Schlaf, […] hineinwerfen lassen in das tiefe, enge Gelaß [der Ehe]“ (W 310), ist unverkennbar. Was genau Valdevenen mit diesen Andeutungen meint, erschließt sich Ljubow nicht, doch weckt das Gespräch ihre Neugier, mehr über seine Ansichten zu erfahren. Die Rollenverteilung und -erwartungen in ihrem Lieblingsmärchen sind ihr hingegen vertraut und erscheinen ihr als unveränderlich. So gibt sie sich zunächst einem genussvollen, dionysischen Traum hin, in welchem sie sich als verzauberte Prinzessin imaginiert, die einen Ritter (Valdevenen) in höchste Verzückung versetzt.
Nachem Ljubow mit Valdevenen eine ernste Unterhaltung über das unvermeidliche und in seinen Augen einem Leben in Gefangenschaft gleichende Schicksal der Frau geführt hat, wird im dritten Kapitel ein Traum beschrieben. Der Moment des Einschlafens ist nicht explizit markiert, sondern nur durch fünfzehn Gedankenstriche angezeigt. Im Fokus steht auch in dieser Traumszene die individuelle Wahrnehmung der Figur, die sich ihrer Verortung unsicher ist. Sie scheint nicht mehr auf der Wolga zu fahren, sondern fühlt sich in unbeschwerte Kindertage bzw. die kaiserlichen Gärten unweit des Hauses ihrer Tante zurückversetzt. Hier sitzt sie, in ihrem Lieblingsmärchen lesend, in der Nähe der Fontänen und beschreibt ihre Faszination an dieser Erzählung, die eine deutliche Analogie zum Gespräch mit Valdevenen aufweist. Geprägt ist das Traumgeschehen demnach von Kindheitserinnerungen und Tagesresten. Das Märchen kreist um eine am Brunnen schlafende verzauberte Prinzessin, die von einem Ritter innerhalb von drei Nächten erlöst werden könnte, wenn er sie in den tiefen Brunnen wirft. Doch statt ihrer wirft er in der ersten Nacht einen Stein ins Wasser; am nächsten Abend hebt er sie zwar hoch, ist jedoch von ihrer Schönheit derart gebannt, dass er sie wieder ablegt; am dritten Morgen „zerrinnt die Prinzessin vor ihm im Nebel der Morgendämmerung, und vom Platz, wo sie gelegen, schlüpft ein grünes Fröschlein traurig von dannen“ (W 312). Die Analogie dieses fiktiven Märchens zur Prophezeihung Valdevenens, sie werde sich eines Tages wehrlos „wie blind und taub und lahm, wie im tiefsten Schlaf, […] hineinwerfen lassen in das tiefe, enge Gelaß [der Ehe]“ (W 310), ist unverkennbar. Was genau Valdevenen mit diesen Andeutungen meint, erschließt sich Ljubow nicht, doch weckt das Gespräch ihre Neugier, mehr über seine Ansichten zu erfahren. Die Rollenverteilung und -erwartungen in ihrem Lieblingsmärchen sind ihr hingegen vertraut und erscheinen ihr als unveränderlich. So gibt sie sich zunächst einem genussvollen, dionysischen Traum hin, in welchem sie sich als verzauberte Prinzessin imaginiert, die einen Ritter (Valdevenen) in höchste Verzückung versetzt.


: Getrost und überlegen liegt die Schlafende da. Sie weiß es ja aus dem Märchen, daß sie nicht in den Brunnen fallen wird, nur er, der Ärmste, weiß es noch nicht. Und sie freut sich auf den Schluß, wo er, von ihrer Lieblichkeit berückt, sie in Verzweiflung anschwärmen wird (W 313).
: Getrost und überlegen liegt die Schlafende da. Sie weiß es ja aus dem Märchen, daß sie nicht in den Brunnen fallen wird, nur er, der Ärmste, weiß es noch nicht. Und sie freut sich auf den Schluß, wo er, von ihrer Lieblichkeit berückt, sie in Verzweiflung anschwärmen wird (W 313).

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