"Le due chiese" (Sebastiano Vassalli): Unterschied zwischen den Versionen
Zur Navigation springen
Zur Suche springen
"Le due chiese" (Sebastiano Vassalli) (Quelltext anzeigen)
Version vom 22. Februar 2022, 11:49 Uhr
, 22. Februar 2022keine Bearbeitungszusammenfassung
Keine Bearbeitungszusammenfassung |
|||
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
[[Datei:Due chiese.jpg|thumb|right|]] | [[Datei:Due chiese.jpg|thumb|right|]] | ||
Sebastiano Vassalli ( | Sebastiano Vassalli (1941–2015) gehört zu den bekanntesten Autoren der italienischen Neoavanguardia (vgl. Barański 1993; Nesi 2005). Sein Roman ''Le due chiese'' (dt.: Die zwei Kirchen; eine Übersetzung ins Deutsche existiert bislang nicht) erschien 2010 bei Einaudi. Es handelt sich um einen historischen Roman (vgl. Aust 1994), der eine lange zeitliche Periode vom beginnenden 20. Jahrhundert bis in die Gegenwart umfasst. Schauplatz der Handlung ist ein kleines Dorf in den italienischen Alpen, das geographisch jedoch nicht genau verortet ist. Der symbolisch aufgeladene »Macigno Bianco« verweist allerdings auf den Monte Rosa, ein Bergmassiv in den Walliser Alpen. Die Erzählung beschreibt anhand unterschiedlicher Einzelschicksale welche Spuren die europäische Geschichte, insbesondere die beiden Weltkriege, selbst in diesem abgelegenen Alpendorf hinterlassen haben. Die Frage nach einer transeuropäischen Gedächtniskultur steht somit im Zentrum des Werks. Dabei wird den Alpen eine essentielle Rolle für die Herausbildung eines europäischen Bewusstseins zugeschrieben. | ||
== Der geplatzte Traum von der Menschlichkeit == | == Der geplatzte Traum von der Menschlichkeit == | ||
Dem Gebirge | Dem Gebirge und insbesondere dem »Macigno Bianco« eignet in Vassallis Roman eine starke spirituelle Kraft. Aufgrund ihrer Nähe zum Himmel dienen Berge seit jeher als Symbol für Transzendenz und Spiritualität, aufgrund ihrer Abgeschiedenheit auch als Ort der Selbsterfahrung, auf das die Träume des Individuums projiziert werden (Kopf 2016, 83–98; Silber 2019, 18). Diese metaphorische Traumdimension greift Sebastiano Vassalli im Vorwort zu seinem Roman ''Le due chiese'' auf und versieht sie mit einer kollektiven Dimension. Die Handlung seines Romans verankert er in einem kollektiven Traum, der durch die beiden Weltkriege zerplatzt: | ||
{| style="border: 0px; background-color: #ffffff; border-left: 2px solid #7b879e; margin-bottom: 0.4em; margin-left:0.1em; margin-right: auto; width: auto;" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0" | {| style="border: 0px; background-color: #ffffff; border-left: 2px solid #7b879e; margin-bottom: 0.4em; margin-left:0.1em; margin-right: auto; width: auto;" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0" | ||
Zeile 13: | Zeile 13: | ||
: <span style="color: #7b879e;">Cento e cinquanta anni fa, [il] sogno [di un mondo più giusto e più libero] diventò un inno: l’''Internazionale'', che poi è risuonato in ogni parte del mondo e che era nato tra queste montagne e in queste valli intorno al Macigno Bianco, dove si svolge la nostra storia. | : <span style="color: #7b879e;">Cento e cinquanta anni fa, [il] sogno [di un mondo più giusto e più libero] diventò un inno: l’''Internazionale'', che poi è risuonato in ogni parte del mondo e che era nato tra queste montagne e in queste valli intorno al Macigno Bianco, dove si svolge la nostra storia. | ||
: <span style="color: #7b879e;">Anche se l’autore delle parole è un certo Pierre Degeyter, di nazionalità francese: la musica, nella sua parte essenziale, esisteva prima delle parole ed era un inno alle Alpi. Era una «marcia per banda» del maestro Vincenzo Petrali, e si intitolava ''Orobia''. Come abbia poi fatto l’inno delle Alpi a diventare l’inno del genere humano […] resterà un mistero, che nessuno probabilmente potrà mai spiegare. La musica, si sa, è la cosa più volatile e orecchiabile del mondo. Ma è bello, è consolante, che dietro alle rivoluzioni fallite et alle speranze tradite, dietro al sangue e alle lacrime delle guerre ci sia la visione maestosa delle grandi montagne. | : <span style="color: #7b879e;">Anche se l’autore delle parole è un certo Pierre Degeyter, di nazionalità francese: la musica, nella sua parte essenziale, esisteva prima delle parole ed era un inno alle Alpi. Era una «marcia per banda» del maestro Vincenzo Petrali, e si intitolava ''Orobia''. Come abbia poi fatto l’inno delle Alpi a diventare l’inno del genere humano […] resterà un mistero, che nessuno probabilmente potrà mai spiegare. La musica, si sa, è la cosa più volatile e orecchiabile del mondo. Ma è bello, è consolante, che dietro alle rivoluzioni fallite et alle speranze tradite, dietro al sangue e alle lacrime delle guerre ci sia la visione maestosa delle grandi montagne (DC 7 f.) | ||
|} | |} | ||
Dieser Ausschnitt aus dem Vorwort bildet den Rahmen der nachfolgenden Geschichte des kleinen, geographisch nicht eindeutig verorteten, italienischen Alpendorfs und seiner Bewohner. Dabei betont Vassalli einerseits die strategische Lage der Alpen als transkultureller Raum der Begegnung, die besonders im Kontext der Weltkriege relevant wird, andererseits die Rolle der Alpen als Wiege einer gemeinsamen, internationalen Vision von mehr Gerechtigkeit. Die »Alpenhymne« wird zu einer »Hymne der Menschheit«, die Vassalli ganz bewusst als ''sogno'', Traum beschreibt. Dieser Traum von mehr Freiheit und mehr Gerechtigkeit bildet den eigentlichen Rahmen des Romans: Durch die Grauen der beiden Weltkriege scheint dieser Traum selbst in den abgeschiedensten Bergdörfern ad absurdum geführt zu werden. Das Vorwort erfüllt so eine entscheidende Funktion für die Leserlenkung, da sie den alptraumhaften Erfahrungen der Diegese die Hoffnung des kollektiven Traums entgegenstellt, dessen Echo zwischen den Felswänden der Alpen doch bis ins 21. Jahrhundert nachhallt.<ref> | Dieser Ausschnitt aus dem Vorwort bildet den Rahmen der nachfolgenden Geschichte des kleinen, geographisch nicht eindeutig verorteten, italienischen Alpendorfs und seiner Bewohner. Dabei betont Vassalli einerseits die strategische Lage der Alpen als transkultureller Raum der Begegnung, die besonders im Kontext der Weltkriege relevant wird, andererseits die Rolle der Alpen als Wiege einer gemeinsamen, internationalen Vision von mehr Gerechtigkeit. Die »Alpenhymne« wird zu einer »Hymne der Menschheit«, die Vassalli ganz bewusst als ''sogno'', Traum beschreibt. Dieser Traum von mehr Freiheit und mehr Gerechtigkeit bildet den eigentlichen Rahmen des Romans: Durch die Grauen der beiden Weltkriege scheint dieser Traum selbst in den abgeschiedensten Bergdörfern ad absurdum geführt zu werden. Das Vorwort erfüllt so eine entscheidende Funktion für die Leserlenkung, da sie den alptraumhaften Erfahrungen der Diegese die Hoffnung des kollektiven Traums entgegenstellt, dessen Echo zwischen den Felswänden der Alpen doch bis ins 21. Jahrhundert nachhallt.<ref>Zu den Alpen als Erinnerungsspeicher vgl. Lughofer 2014, 8–14; Quendler 2020.</ref></span> | ||
Zu den Alpen als Erinnerungsspeicher vgl. Lughofer 2014, 8–14; Quendler 2020.</ref></span> | |||
== Alpträume und Kriegstrauma == | == Alpträume und Kriegstrauma == | ||
Zeile 54: | Zeile 54: | ||
<div style="text-align: right;">[[Autoren|Sophia Mehrbrey]]</div> | <div style="text-align: right;">[[Autoren|Sophia Mehrbrey]]</div> | ||
==Literatur== | ==Literatur== | ||
===Ausgaben=== | ===Ausgaben=== | ||
Zeile 86: | Zeile 88: | ||
[[Kategorie:Vassalli, Sebastiano|Sebastiano Vassalli]] | [[Kategorie:Vassalli, Sebastiano|Sebastiano Vassalli]] | ||
[[Kategorie:21. | [[Kategorie:21._Jahrhundert]] | ||
[[Kategorie:Gegenwart]] | [[Kategorie:Gegenwart]] | ||
[[Kategorie:Italien]] | [[Kategorie:Italien]] | ||
[[Historischer Roman]] |