"Malina" (Ingeborg Bachmann): Unterschied zwischen den Versionen
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"Malina" (Ingeborg Bachmann) (Quelltext anzeigen)
Version vom 22. Februar 2022, 14:01 Uhr
, 22. Februar 2022→Träume deuten
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Wenn das Ich insgesamt 35 Träume erzählt, erinnert dies zunächst in der basalen Struktur an das psychoanalytische Verfahren der 'freien Assoziation' (vgl. Freud 1982, 253), zumal es ja einen expliziten Zuhörer und Traumdeuter gibt: Malina, der die "Wahrheit" hinter den Träumen (Herrmann 2020, 133) zu ergründen und erklären sucht, repräsentiert damit als Therapeuten-Figur – wenn auch in "eine[r] eher | Wenn das Ich insgesamt 35 Träume erzählt, erinnert dies zunächst in der basalen Struktur an das psychoanalytische Verfahren der 'freien Assoziation' (vgl. Freud 1982, 253), zumal es ja einen expliziten Zuhörer und Traumdeuter gibt: Malina, der die "Wahrheit" hinter den Träumen (Herrmann 2020, 133) zu ergründen und erklären sucht, repräsentiert damit als Therapeuten-Figur – wenn auch in "eine[r] eher distanzierten Sanitäterrolle" (Wohmann 1971, 163) – nicht nur den psychoanalytischen Diskurs, sondern steht (erneut) für die männliche 'Rationalität'. | ||
Gleichzeitig scheinen diese zehn Dialoge zwischen Malina und dem Ich, die sich teilweise wohl sehr unmittelbar an die Traumerlebnisse anschließen, auch die bereits in Freuds Psychoanalyse reflektierte Unzuverlässigkeit des Träumenden zu reflektieren, wonach eine nachträgliche Wiedergabe des manifesten Trauminhalts stets zu zwangsläufigen Auslassungen und auch zu eigenen Deutungsansätzen führen muss. | Gleichzeitig scheinen diese zehn Dialoge zwischen Malina und dem Ich, die sich teilweise wohl sehr unmittelbar an die Traumerlebnisse anschließen, auch die bereits in Freuds Psychoanalyse reflektierte Unzuverlässigkeit des Träumenden zu reflektieren, wonach eine nachträgliche Wiedergabe des manifesten Trauminhalts stets zu zwangsläufigen Auslassungen und auch zu eigenen Deutungsansätzen führen muss. | ||
Ohnehin wirken die Traumsequenzen in ihrer nahezu lehrbuchartigen Perfektion, in der Konstruiertheit der Figuren und Räume, der sprachlichen Verfremdungs- und Verschiebungsarbeit fast wie ein parodistisches Spiel, zumal zahlreiche archetypische Symbole – wie etwa das Krokodil etwa als möglicher Verweis auf C.G. Jung (Kanz 2020, 362) – aus der einschlägigen Traumforschung entnommen scheinen. Denn zwar tauchen auch bereits in Bachmanns Hörspiel [["Ein Geschäft mit Träumen" (Ingeborg Bachmann)|Ein Geschäft mit Träumen]] (1952) die 'kanonischen' Bilder sexualisierter Trauminhalte auf, doch dürften sowohl ihre sprachreflexive und sprachphilosophische Beschäftigungen wie auch ihre höchstpersönliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Traums/Träumens gerade in den unmittelbaren Jahren der Romanentstehung zu einer nochmals gesteigerten Reflektion traumtypischer Merkmale (Struktur, Narration, Symbolik usw.) geführt haben. So lässt der geplante "Todesarten"-Zyklus mit Bachmanns Ansätzen einer Sprache des Unbewussten (vgl. Leahy 2006; Steinhoff 2008) eine intensive Auseinandersetzung mit Sigmund Freud vermuten, die besonders am Romanfragment ''Das Buch Franza'' deutlich wird, das ebenfalls zahlreiche "Traumrätsel" (Bachmann 1995b, 229) enthält. Dort bezeichnet Bachmann etwa den Wiener 'Übervater' in ihrem Entwurf zur Vorrede als "größten Pionier" (Bachmann 1995b, 16); in ihrer persönlichen Bibliothek sind mehrere Bände Sigmund Freuds verzeichnet, darunter die im Fischer Verlag erschienene Studienausgabe. | |||
Und auch | Und auch Bachmanns Interesse an psychischen Vorgängen in Verbindung mit den gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen ist nicht neu: So hat sich Ingeborg Bachmann, die in Graz und später in Wien Psychologie im Nebenfach studiert und im September 1947 ein Praktikum in einer Nervenheilanstalt in der österreichischen Hauptstadt absolvierte, tatsächlich auch schon früh für eine Verbindung zwischen Psychologie und den nationalsozialistischen Konzentrationslagern interessiert. Hier scheint gerade der Einfluss ihres Professors, des Neurologen Viktor Frankl (1905–1997), besonders deutlich zu werden, der 1946 sein Buch ''…trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager'' veröffentlicht hat. Von ihm stammt auch der im 25. Traum abgewandelte – und selbst frei auf ein Zitat des deutschen Philosophen Friedrich Nietzsche (1844–1900) zurückgehende – Satz: "Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie" (M 544). | ||
<div style="text-align: right;">[[Autoren|Jonas Nesselhauf]]</div> | <div style="text-align: right;">[[Autoren|Jonas Nesselhauf]]</div> | ||
==Literatur== | ==Literatur== |