"Wolga" (Lou Andreas-Salomé): Unterschied zwischen den Versionen
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"Wolga" (Lou Andreas-Salomé) (Quelltext anzeigen)
Version vom 1. März 2022, 18:49 Uhr
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== Aufbau und Thematik der Novelle == | == Aufbau und Thematik der Novelle == | ||
Geschildert wird die Reise der 16jährigen mutterlosen Deutschrussin Ljubow (dt. „Liebe“) Wassiliewna auf der Wolga von Nižnij Novgorod nach | Geschildert wird die Reise der 16jährigen mutterlosen Deutschrussin Ljubow (dt. „Liebe“) Wassiliewna auf der Wolga von Nižnij Novgorod nach Astrachan, dem Vater entgegen. Wichtige Motive entstammen der Wolgareise der Autorin, die jedoch stromaufwärts, nicht wie in der Novelle stromabwärts verlief (W 393). Auf dem Mikrokosmos des Schiffes befindet sich Ljubow in der Obhut des Kapitäns und seiner Schwester. Der Name des Dampfschiffs „Zcar Saltan“ rekurriert auf das gleichnamige Märchen des russischen Romantikers Alexander Puschkin (1799-1837). Intertextuelle Verweise prägen auch weitere Partien der Novelle, insbesondere den ersten der beiden Träume Ljubows. | ||
Eingangs schildert die Erzählerin das Zusammenspiel von Fluss und Natur, um von diesen poetisch anmutenden Eindrücken den Blick auf die junge Reisende zu richten. Transparent werden in dieser Naturwahrnehmung eine romantisch-verklärte Weltsicht, aber auch sexuelle Sehnsüchte, die etwa an der Beschreibung der Birken, die in der russischen Kultur sinnbildlich für junge Frauen steht (Schäfer/Leingang 2022): „Urwaldbirken, heben ihre weißlichen Stämme in leuchtender Nacktheit aus dem Bade im Strom“ (W 278). Diese sinnliche Wahrnehmung wird kontrastiert von einem nüchternen Zitat aus einem Reiseführer, mit dem sich die Protagonistin erstmals zu Wort meldet. Die Polarität von sinnlicher Wahrnehmung und nüchterner Verlesung von Fakten über die Stadt Nischni Nowgorod wird sodann auf den Körper der Figur übertragen, die aus der Erzählperspektive wie folgt beschrieben wird: „Die große, schöne, weiche Gestalt verkündete: ,ich bin eine ausgewachsene Person, eine Dame bin ich!' jedoch das runde Kindergesicht widersprach lebhaft“ (W 280). | Eingangs schildert die Erzählerin das Zusammenspiel von Fluss und Natur, um von diesen poetisch anmutenden Eindrücken den Blick auf die junge Reisende zu richten. Transparent werden in dieser Naturwahrnehmung eine romantisch-verklärte Weltsicht, aber auch sexuelle Sehnsüchte, die etwa an der Beschreibung der Birken, die in der russischen Kultur sinnbildlich für junge Frauen steht (Schäfer/Leingang 2022): „Urwaldbirken, heben ihre weißlichen Stämme in leuchtender Nacktheit aus dem Bade im Strom“ (W 278). Diese sinnliche Wahrnehmung wird kontrastiert von einem nüchternen Zitat aus einem Reiseführer, mit dem sich die Protagonistin erstmals zu Wort meldet. Die Polarität von sinnlicher Wahrnehmung und nüchterner Verlesung von Fakten über die Stadt Nischni Nowgorod wird sodann auf den Körper der Figur übertragen, die aus der Erzählperspektive wie folgt beschrieben wird: „Die große, schöne, weiche Gestalt verkündete: ,ich bin eine ausgewachsene Person, eine Dame bin ich!' jedoch das runde Kindergesicht widersprach lebhaft“ (W 280). | ||
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* Lüthi, Max: Das europäische Volksmärchen. Tübingen, Basel: Francke 11. Aufl. 2005. | * Lüthi, Max: Das europäische Volksmärchen. Tübingen, Basel: Francke 11. Aufl. 2005. | ||
* Röllecke, Heinz: Die Frau in den Märchen der Brüder Grimm. In: Sigrid Früh/Rainer Wehse (Hg.): Die Frau im Märchen. Kassel: Röth 1985, 72-88. | * Röllecke, Heinz: Die Frau in den Märchen der Brüder Grimm. In: Sigrid Früh/Rainer Wehse (Hg.): Die Frau im Märchen. Kassel: Röth 1985, 72-88. | ||
* Schäfer, Iris/Oxane Leingang: Eine deutschsprachige Jugendnovelle mit russischer Seele. Lou Andreas-Salomés ''Wolga'' (1902). In: Oxane Leingang/Klaus Schenk (Hg.): Ost-westlicher Kulturtransfer in Kinder- und Jugendliteratur | * Schäfer, Iris/Oxane Leingang: Eine deutschsprachige Jugendnovelle mit russischer Seele. Lou Andreas-Salomés ''Wolga'' (1902). In: Oxane Leingang/Klaus Schenk (Hg.): Ost-westlicher Kulturtransfer in der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2022 [im Druck]. | ||
* Schäfer, Iris: ''Menschenkinder'' – Eine transdisziplinäre und multiperspektivische Analyse der modernen Menschenseele. In: Lou Andreas-Salomé: Menschenkinder. Kommentierte Neuauflage des gleichnamigen Novellenzyklus aus dem Jahr 1899. Hg. von Iris Schäfer in Zusammenarbeit mit dem Lou Andreas-Salomé Archiv in Göttingen. Taching am See: MedienEdition Welsch 2017, 354-377. | * Schäfer, Iris: ''Menschenkinder'' – Eine transdisziplinäre und multiperspektivische Analyse der modernen Menschenseele. In: Lou Andreas-Salomé: Menschenkinder. Kommentierte Neuauflage des gleichnamigen Novellenzyklus aus dem Jahr 1899. Hg. von Iris Schäfer in Zusammenarbeit mit dem Lou Andreas-Salomé Archiv in Göttingen. Taching am See: MedienEdition Welsch 2017, 354-377. | ||
* Schütz, Katrin: Geschlechterentwürfe im literarischen Werk von Lou Andreas-Salomé unter Berücksichtigung ihrer Geschlechtertheorie. Würzburg: Königshausen und Neumann 2008. | * Schütz, Katrin: Geschlechterentwürfe im literarischen Werk von Lou Andreas-Salomé unter Berücksichtigung ihrer Geschlechtertheorie. Würzburg: Königshausen und Neumann 2008. |