"Werde munter mein Gemüte" (Johann Rist): Unterschied zwischen den Versionen
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"Werde munter mein Gemüte" (Johann Rist) (Quelltext anzeigen)
Version vom 9. Mai 2022, 15:06 Uhr
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Das Bild vom göttlichen Beschützer in der Nacht wird in den abschließenden drei Strophen erweitert: Der Segen Gottes wird als Bettdecke metaphorisiert, die sich schützend über das schlafende Ich legen soll. Gott soll jedoch nicht nur das Ich selbst behüten, sondern den christlichen Wertevorstellungen der Zeit folgend auch all das, was diesem zugehörig oder wichtig ist – selbst seine Feinde: „Leib und Seele/ Muth und Blut/ Weib und Kinder/ Haab’ und Gut/ Freunde/ Feind’ und Haußgenossen/ Seyn in deinen Schutz geschlossen.“ (Str. 10) Mit der Formulierung „Weib und Kinder“ wird dabei erstmals eine geschlechtliche Markierung des lyrischen Ichs angedeutet. Eine männliche Sprechinstanz erscheint insofern plausibel, als davon auszugehen ist, dass das Vorsingen von Abendliedern traditionell durch den Hausvater erfolgte, dem in der frühen Neuzeit sowie darüber hinaus die (An-)Leitung häuslicher Andachten zufiel (vgl. Meyer 2020, 476), wie etwa auch das ein Jahrhundert später erschienene Abend- und heutige Volkslied ''Der Mond ist aufgegangen'' (ED 1779)<ref>Claudius’ Abendlied ''Der Mond ist aufgegangen'' erschien erstmals 1779 im ''Musen Almanach''.</ref> von Matthias Claudius (1740 bis 1815) impliziert (vgl. Str. 3 und 7). | Das Bild vom göttlichen Beschützer in der Nacht wird in den abschließenden drei Strophen erweitert: Der Segen Gottes wird als Bettdecke metaphorisiert, die sich schützend über das schlafende Ich legen soll. Gott soll jedoch nicht nur das Ich selbst behüten, sondern den christlichen Wertevorstellungen der Zeit folgend auch all das, was diesem zugehörig oder wichtig ist – selbst seine Feinde: „Leib und Seele/ Muth und Blut/ Weib und Kinder/ Haab’ und Gut/ Freunde/ Feind’ und Haußgenossen/ Seyn in deinen Schutz geschlossen.“ (Str. 10) Mit der Formulierung „Weib und Kinder“ wird dabei erstmals eine geschlechtliche Markierung des lyrischen Ichs angedeutet. Eine männliche Sprechinstanz erscheint insofern plausibel, als davon auszugehen ist, dass das Vorsingen von Abendliedern traditionell durch den Hausvater erfolgte, dem in der frühen Neuzeit sowie darüber hinaus die (An-)Leitung häuslicher Andachten zufiel (vgl. Meyer 2020, 476), wie etwa auch das ein Jahrhundert später erschienene Abend- und heutige Volkslied ''Der Mond ist aufgegangen'' (ED 1779)<ref>Claudius’ Abendlied ''Der Mond ist aufgegangen'' erschien erstmals 1779 im ''Musen Almanach''.</ref> von Matthias Claudius (1740 bis 1815) impliziert (vgl. Str. 3 und 7). | ||
An die Wünsche für die Mitmenschen schließt sich die Bitte um Schutz vor Unheil an: Gott soll das Sprecher-Ich vor Krankheit, Krieg und Umweltkatastrophen bewahren. | An die Wünsche für die Mitmenschen schließt sich die Bitte um Schutz vor Unheil an: Gott soll das Sprecher-Ich vor Krankheit, Krieg und Umweltkatastrophen bewahren. Wie aus der Bitte „Laß mich nicht in Sünden sterben Noch an Leib’ und Seel verderben“ (Str. 11) hervorgeht, fürchtet sich das Ich insbesondere vor einem sündvollen Tod. Beim zweiten Teil dieses Verses, der als Anspielung auf die Machenschaften des Teufels zu verstehen ist und damit einen Rückbezug zu den ersten drei Strophen herstellt, handelt es sich vermutlich um eine weitere Bibelreferenz: „VND fürchtet euch nicht fur denen / die den Leib tödten / vnd die Seele nicht mögen tödten. Fürchtet euch aber viel mehr fur ''dem / der Leib vnd Seele verderben mag / in die Helle'' [Hervorh. d. Verf.].“ (Mt 10,28) | ||
Der Gebetscharakter des Liedes kommt in der letzten Strophe am stärksten zum Vorschein: „Amen/ ja/ das sol geschehen.“ (Str. 10) Indem das lyrische Ich seine bittenden Worte an Gott, Jesus und den Heiligen Geist richtet, wird der christliche Trinitätsgedanke aufgegriffen. Schlaf und Traum kommen hier zwar nicht mehr zur Sprache, jedoch spielt die Metaphorisierung des Geistes als „Hort“ auf ein (endgültiges) Ruhen des Ichs in Gott an. | Der Gebetscharakter des Liedes kommt in der letzten Strophe am stärksten zum Vorschein: „Amen/ ja/ das sol geschehen.“ (Str. 10) Indem das lyrische Ich seine bittenden Worte an Gott, Jesus und den Heiligen Geist richtet, wird der christliche Trinitätsgedanke aufgegriffen. Schlaf und Traum kommen hier zwar nicht mehr zur Sprache, jedoch spielt die Metaphorisierung des Geistes als „Hort“ auf ein (endgültiges) Ruhen des Ichs in Gott an. | ||