"Ministerium der Träume" (Hengameh Yaghoobifarah): Unterschied zwischen den Versionen

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So endet der Albtraum, der dem ersten Teil des Romans vorangestellt ist. Dabei sind es keine Markierungen (wie Erwachen oder Einschlafen), sondern die vielen Merkmale von Traum und Traumhaftigkeit, die ihn als solchen ausweisen (Kreuzer 2014, 82–91). Dazu gehören die fehlende Kohärenz des Geschehens und mangelnde kausale Verknüpfungen: Z. B. ist die Erzählerin sicher, dass das Klingeln des Telefons nur für sie bestimmt sein kann. Sie besticht die Person an der Spitze der Schlange mit Geld, allerdings gibt es niemanden, den sie aus der Telefonzelle selbst verdrängen müsste – obwohl also eine „unendlich lange Schlange“ vor der Telefonzelle wartet, schickt sich niemand an, tatsächlich zu telefonieren oder den eingehenden Anruf anzunehmen. Die Identität der Figuren, die Nasrin zuerst als Mutter und Schwester „erkenn[t]“ erweist sich als instabil, sie wandeln sich zu grotesken, verbrannten Gestalten, die die Erzählerin bedrohen, ohne dass der Grund dafür deutlich wird. Die Stimme der (toten) Schwester erklingt sowohl aus dem Hörer als auch aus dem Mund einer der Gestalten. Die Personen am anderen Ende der Leitung wissen ohne Erklärung der Erzählerin um die bedrohliche Lage, in der diese sich gerade befindet. Ihre letzte Aussage verweist sogar darauf, dass sie mehr wissen als die Träumerin selbst. Die extreme Hitze, die die Träumerin zunächst auf die Wetterlage schiebt, ist mit Naturgesetzen nicht zu vereinbaren – z. B. dann, als Schweiß „auf den Boden tropft, wo er sofort verdampft“. Insgesamt ist der Traum von extremer Emotionalität und einem gesteigerten körperlichen Empfinden geprägt („Der Hörer vibriert vom Klingeln so stark, dass ich vor Schmerz aufschreie, als ich nach ihm greife“; „die Leitung surrt, die Hitze sticht, mir ist nach Kotzen zumute“), die ihn von der Wachebene deutlich abheben. Ein intermedialer Verweis, der den Traum anzeigt, ist die Zeile „''Every now and then I fall apart''“ aus Bonnie Tylers „Total Eclipse of the Heart“ (1982). Zwei weitere Zeilen des Liedes, im Roman nicht zitiert, lauten: „Every now and then I get a little bit restless / When I dream of something wild“. Im Video zum Song wird die Sängerin als Träumerin inszeniert.
So endet der Albtraum, der dem ersten Teil des Romans vorangestellt ist. Dabei sind es keine Markierungen (wie Erwachen oder Einschlafen), sondern die vielen Merkmale von Traum und Traumhaftigkeit, die ihn als solchen ausweisen (Kreuzer 2014, 82–91). Dazu gehören die fehlende Kohärenz des Geschehens und mangelnde kausale Verknüpfungen: Z. B. ist die Erzählerin sicher, dass das Klingeln des Telefons nur für sie bestimmt sein kann. Sie besticht die Person an der Spitze der Schlange mit Geld, allerdings gibt es niemanden, den sie aus der Telefonzelle selbst verdrängen müsste – obwohl also eine „unendlich lange Schlange“ vor der Telefonzelle wartet, schickt sich niemand an, tatsächlich zu telefonieren oder den eingehenden Anruf anzunehmen. Die Identität der Figuren, die Nasrin zuerst als Mutter und Schwester „erkenn[t]“ erweist sich als instabil, sie wandeln sich zu grotesken, verbrannten Gestalten, die die Erzählerin bedrohen, ohne dass der Grund dafür deutlich wird. Die Stimme der (toten) Schwester erklingt sowohl aus dem Hörer als auch aus dem Mund einer der Gestalten. Die Personen am anderen Ende der Leitung wissen ohne Erklärung der Erzählerin um die bedrohliche Lage, in der diese sich gerade befindet. Ihre letzte Aussage verweist sogar darauf, dass sie mehr wissen als die Träumerin selbst. Die extreme Hitze, die die Träumerin zunächst auf die Wetterlage schiebt, ist mit Naturgesetzen nicht zu vereinbaren – z. B. dann, als Schweiß „auf den Boden tropft, wo er sofort verdampft“. Insgesamt ist der Traum von extremer Emotionalität und einem gesteigerten körperlichen Empfinden geprägt („Der Hörer vibriert vom Klingeln so stark, dass ich vor Schmerz aufschreie, als ich nach ihm greife“; „die Leitung surrt, die Hitze sticht, mir ist nach Kotzen zumute“), die ihn von der Wachebene deutlich abheben. Ein intermedialer Verweis, der den Traum anzeigt, ist die Zeile „''Every now and then I fall apart''“ aus Bonnie Tylers „Total Eclipse of the Heart“ (1982). Zwei weitere Zeilen des Liedes, im Roman nicht zitiert, lauten: „Every now and then I get a little bit restless / When I dream of something wild“. Im Video zum Song wird die Sängerin als Träumerin inszeniert.


Im Traum finden sich zahlreiche Motive, die im Verlauf der Erzählung und auch in den weiteren Träumen wieder aufgegriffen werden. Dazu zählt in erster Linie das Telefonklingeln. Der Gedanke der Erzählerin – „Schon wieder dieses Geräusch“ – ergibt erst durch die weitere Lektüre einen Sinn, denn hier werden traumatische Erinnerungen mit akustischen Signalen verbunden: Die Sirenen in Teheran (MdT 36); die Telefonzelle, durch die die Familie mit dem Vater kommunizierte und in der schließlich die Mutter von dessen Ermordung erfuhr (MdT 49); die Türklingel, die die Polizisten mit dem Nachricht vom Tod der Schwester ankündigt (MdT 16). Die traumatischen Erlebnisse, die mit diesen Geräuschen verbunden sind, verdichten sich in diesem und den anderen Träumen zu einem Symbol: Die Telefonzelle ist der Mittelpunkt des Traums, mit ihr sind extreme Emotionalität und körperliches Empfinden verknüpft. Sie ist ein realer Gegenstand (noch dazu ein naheliegender in der Erzählung von migrantischen Erfahrungen), der in den Träumen zum Symbol wird. Sie ist außerdem ein Relikt aus einer vergangenen Zeit, die im Kopf der Erzählerin allerdings nicht abgeschlossen ist, sondern in Träumen, Erinnerungen und Flashbacks immer wieder auftaucht, um alte Wunden aufzureißen.
Im Traum finden sich zahlreiche Motive, die im Verlauf der Erzählung und auch in den weiteren Träumen wieder aufgegriffen werden. Dazu zählt in erster Linie das Telefonklingeln. Der Gedanke der Erzählerin – „Schon wieder dieses Geräusch“ – ergibt erst durch die weitere Lektüre einen Sinn, denn hier werden traumatische Erinnerungen mit akustischen Signalen verbunden: Die Sirenen in Teheran (MdT 36); die Telefonzelle, durch die die Familie mit dem Vater kommunizierte und in der schließlich die Mutter von dessen Ermordung erfuhr (MdT 49); die Türklingel, die die Polizisten mit der Nachricht vom Tod der Schwester ankündigt (MdT 16). Die traumatischen Erlebnisse, die mit diesen Geräuschen verbunden sind, verdichten sich in diesem und den anderen Träumen zu einem Symbol: Die Telefonzelle ist der Mittelpunkt des Traums, mit ihr sind extreme Emotionalität und körperliches Empfinden verknüpft. Sie ist ein realer Gegenstand (noch dazu ein naheliegender in der Erzählung von migrantischen Erfahrungen), der in den Träumen zum Symbol wird. Sie ist außerdem ein Relikt aus einer vergangenen Zeit, die im Kopf der Erzählerin allerdings nicht abgeschlossen ist, sondern in Träumen, Erinnerungen und Flashbacks immer wieder auftaucht, um alte Wunden aufzureißen.


Ein weiteres Motiv sind die Löcher – Löcher auf der Straße, Löcher im fallengelassenen Buch, Leere in den Augen der verbrannten Gestalten und schließlich ein Loch da, wo eigentlich das eigene Spiegelbild sein sollte. Löcher oder Krater werden im Verlauf der Erzählung immer wieder im Zusammenhang mit der eigenen (traumatisch verzerrten und unvollständigen) Erinnerung evoziert (das Buch scheint ein treffendes Bild dafür). Auch für die Leser*innen ergibt sich mit diesem Traum ein unvollständiges Bild und eine Desorientierung, die zunächst noch anhalten wird, da der daran anschließende erste Teil des Romans achronologisch davon erzählt, wie Nasrin vom Tod ihrer Schwester erfährt. Es wird, anders als in den folgenden Träumen, nicht ersichtlich, wie dieser Traum zeitlich verortet ist oder in welches Ich sich die Träumerin zeitlich hineinträumt. Dass die Schwester gegenüber der Mutter als „kleinere der beiden Personen“ beschrieben wird, könnte dafür sprechen, dass diese als kindlich geträumt wird. Zugleich spricht sie aus dem Mund einer der verbrannten Gestalten, was an ihren Tod in einem brennenden Auto erinnert. Daher scheinen sich in diesem Traum verschiedene zeitliche Ebenen zu überlagern.  
Ein weiteres Motiv sind die Löcher – Löcher auf der Straße, Löcher im fallengelassenen Buch, Leere in den Augen der verbrannten Gestalten und schließlich ein Loch da, wo eigentlich das eigene Spiegelbild sein sollte. Löcher oder Krater werden im Verlauf der Erzählung immer wieder im Zusammenhang mit der eigenen (traumatisch verzerrten und unvollständigen) Erinnerung evoziert (das Buch scheint ein treffendes Bild dafür). Auch für die Leser*innen ergibt sich mit diesem Traum ein unvollständiges Bild und eine Desorientierung, die zunächst noch anhalten wird, da der daran anschließende erste Teil des Romans achronologisch davon erzählt, wie Nasrin vom Tod ihrer Schwester erfährt. Es wird, anders als in den folgenden Träumen, nicht ersichtlich, wie dieser Traum zeitlich verortet ist oder in welches Ich sich die Träumerin zeitlich hineinträumt. Dass die Schwester gegenüber der Mutter als „kleinere der beiden Personen“ beschrieben wird, könnte dafür sprechen, dass diese als kindlich geträumt wird. Zugleich spricht sie aus dem Mund einer der verbrannten Gestalten, was an ihren Tod in einem brennenden Auto erinnert. Daher scheinen sich in diesem Traum verschiedene zeitliche Ebenen zu überlagern.  
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