"Traumsymbole des Individuationsprozesses" (Carl Gustav Jung): Unterschied zwischen den Versionen

Zur Navigation springen Zur Suche springen
keine Bearbeitungszusammenfassung
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 16: Zeile 16:
|-
|-
||
||
: <span style="color: #7b879e;">In Erinnerung an die bald ein halbes Jahrhundert hinter uns liegenden Anfangszeiten der Analyse mit ihren pseudobiologischen Auffassungen und Entwertungen des seelischen Entwicklungsprozesses wird das Verharren in der analytischen Arbeit gerne als "Lebensflucht", "unabgelöste Übertragung", "Autoerotismus" und was der unliebenswürdigen Auffassungen mehr sind, bezeichnet. […] Der richtige Weg zur Ganzheit aber besteht – leider – aus schicksalsmäßigen Um- und Irrwegen. Es ist eine "longissima via", […] ein Pfad, dessen labyrinthische Verschlungenheit des Schreckens nicht entbehrt. […]  Eine ausschließlich religiöse Projektion kann die Seele ihrer Werte berauben, so daß sie sich infolge der Inanition [Entleerung] nicht mehr weiter zu entwickeln vermag und in einem unbewußten Zustand steckenbleibt (GW 12, 19 f., 22 f.).</span>
: <span style="color: #7b879e;">In Erinnerung an die bald ein halbes Jahrhundert hinter uns liegenden Anfangszeiten der Analyse mit ihren pseudobiologischen Auffassungen und Entwertungen des seelischen Entwicklungsprozesses wird das Verharren in der analytischen Arbeit gerne als "Lebensflucht", "unabgelöste Übertragung", "Autoerotismus" und was der unliebenswürdigen Auffassungen mehr sind, bezeichnet. […] Der richtige Weg zur Ganzheit aber besteht – leider – aus schicksalsmäßigen Um- und Irrwegen. Es ist eine "longissima via", […] ein Pfad, dessen labyrinthische Verschlungenheit des Schreckens nicht entbehrt. […]  Eine ausschließlich religiöse Projektion kann die Seele ihrer Werte berauben, so daß sie sich infolge der Inanition [Entleerung] nicht mehr weiter zu entwickeln vermag und in einem unbewußten Zustand steckenbleibt (TS 19 f., 22 f.).</span>
|}
|}


In den von Rosenbaum und Jung aufgezeichneten und analysierten Träumen Wolfgang Paulis tritt der Gedanke der "longissima via" ebenfalls auf. Die von Pauli geträumte "unerkannte Frau", die dem Traumsubjekt den Weg "im Schlafland" weist, wird von Jung dahingehend gedeutet, dass das Traumsubjekt im Verlaufe seines Individuationsprozesses lange Wanderungen auf verschlungenen Pfaden zu verrichten habe, ehe es von einem Gipfel der Erkenntnis zum nächsten gelangen könne (GW 12, 10. Initialtraum, 79-82). Im weiteren Argumentationsverlauf des Einleitungskapitels zu ''Traumsymbole des Individuationsprozesses'' gesteht Jung ferner ein, dass er nicht angeben könne, aus welchen Urquellen sich Archetypen im Allgemeinen ableiten ließen (GW 12, 27). Deshalb müsse sich die Psychologie "als empirische Wissenschaft" (GW 14, 130) auf Fragen beschränken, die darauf abzielen, ob die in den Träumen zum Ausdruck kommenden Bilder phänomenologisch charakterisiert werden können, zum Beispiel als Helden- oder Gottesbilder, ohne dabei über deren Existenz zu urteilen (GW 12, 27).
In den von Rosenbaum und Jung aufgezeichneten und analysierten Träumen Wolfgang Paulis tritt der Gedanke der "longissima via" ebenfalls auf. Die von Pauli geträumte "unerkannte Frau", die dem Traumsubjekt den Weg "im Schlafland" weist, wird von Jung dahingehend gedeutet, dass das Traumsubjekt im Verlaufe seines Individuationsprozesses lange Wanderungen auf verschlungenen Pfaden zu verrichten habe, ehe es von einem Gipfel der Erkenntnis zum nächsten gelangen könne (10. Initialtraum; TS 79-82). Im weiteren Argumentationsverlauf des Einleitungskapitels zu ''Traumsymbole des Individuationsprozesses'' gesteht Jung ferner ein, dass er nicht angeben könne, aus welchen Urquellen sich Archetypen im Allgemeinen ableiten ließen (TS 27). Deshalb müsse sich die Psychologie "als empirische Wissenschaft" (GW 14, 130) auf Fragen beschränken, die darauf abzielen, ob die in den Träumen zum Ausdruck kommenden Bilder phänomenologisch charakterisiert werden können, zum Beispiel als Helden- oder Gottesbilder, ohne dabei über deren Existenz zu urteilen (TS 27).


Für diese psychologisch-alchemistische Arbeit sei es zudem vonnöten, den bisweilen chaotischen und – analog zur Hermeneutik – als spiralförmig angenommenen Erkenntnisprozess auf Traumserien zu übertragen: Weil Jung einzelne Träume aufgrund ihrer Bizarrheit, Chiffrierung und Individualität in letzter Konsequenz für tendenziell undeutbar hielt, versuchte er mithilfe einer Kombination von empirischen und hermeneutischen Mitteln, aus Traumserien so etwas wie eine spiralförmige, mandalaartige Struktur mit einem archetypischen Zentrum abzuleiten (GW 12, 41 f.).
Für diese psychologisch-alchemistische Arbeit sei es zudem vonnöten, den bisweilen chaotischen und – analog zur Hermeneutik – als spiralförmig angenommenen Erkenntnisprozess auf Traumserien zu übertragen: Weil Jung einzelne Träume aufgrund ihrer Bizarrheit, Chiffrierung und Individualität in letzter Konsequenz für tendenziell undeutbar hielt, versuchte er mithilfe einer Kombination von empirischen und hermeneutischen Mitteln, aus Traumserien so etwas wie eine spiralförmige, mandalaartige Struktur mit einem archetypischen Zentrum abzuleiten (TS 41 f.).


==Traummaterial und -analyse==
==Traummaterial und -analyse==
Zeile 122: Zeile 122:
   
   
Das Zusammenspiel der einzelnen Traumelemente der Weltzeituhrvision werde durch die Farben gesteuert: Der blaue, vertikale Kreis verbinde die Höhen des [blauen] Himmels mit den Tiefen des [blauen] Meeres und fungiere als Störfaktor in Bezug auf die planare, rein horizontal gedachte Harmonie, die sich aus den "drei Hauptfarben: Grün [Heiliger Geist], Rot [Gott Sohn] und Gold [Gott Vater]" (TS 246 f.) ergebe, welche die Trinität farblich zum Ausdruck brächte. Die Tiefen des Meeres sowie die gesamte vertikale Komponente der dreidimensionalen Weltuhr führt Jung ferner zu seiner theoretischen Prämisse, wonach die Tiefen des Unbewussten männlicher Traumprobanden von einer weiblichen ''Anima'' regiert würden (TS 42, 256; GW 9,2, 423). Im horizontalen Kreis würde die vierte Farbe daher folgerichtig nicht erscheinen, wodurch die Weltuhr im Traum zu einem zunächst paradoxen Symbol avanciere, dessen innerer Widerspruch sich erst durch die aus der Verschränkung von horizontalen und vertikalen Elementen resultierenden Dreidimensionalität des Mandalas auflöse (TS 249 f.). Ohne die vertikale Dimension ergebe sich in summa lediglich ein körperloses "abstraktes[, äußeres] Bild", dem gegenüber erst die "Interferenz von Zeit und Raum in dem Hier und Jetzt […] Wirklichkeit" kreiere (ebd.). Die Weltuhr verdeutliche also schlussendlich, dass die weibliche ''Anima'' als vertikales, unbewusstes Komplement der männlichen ''Persona'' des Traumprobanden "Ganzheit im Augenblick" verleihe (TS 250 f.).
Das Zusammenspiel der einzelnen Traumelemente der Weltzeituhrvision werde durch die Farben gesteuert: Der blaue, vertikale Kreis verbinde die Höhen des [blauen] Himmels mit den Tiefen des [blauen] Meeres und fungiere als Störfaktor in Bezug auf die planare, rein horizontal gedachte Harmonie, die sich aus den "drei Hauptfarben: Grün [Heiliger Geist], Rot [Gott Sohn] und Gold [Gott Vater]" (TS 246 f.) ergebe, welche die Trinität farblich zum Ausdruck brächte. Die Tiefen des Meeres sowie die gesamte vertikale Komponente der dreidimensionalen Weltuhr führt Jung ferner zu seiner theoretischen Prämisse, wonach die Tiefen des Unbewussten männlicher Traumprobanden von einer weiblichen ''Anima'' regiert würden (TS 42, 256; GW 9,2, 423). Im horizontalen Kreis würde die vierte Farbe daher folgerichtig nicht erscheinen, wodurch die Weltuhr im Traum zu einem zunächst paradoxen Symbol avanciere, dessen innerer Widerspruch sich erst durch die aus der Verschränkung von horizontalen und vertikalen Elementen resultierenden Dreidimensionalität des Mandalas auflöse (TS 249 f.). Ohne die vertikale Dimension ergebe sich in summa lediglich ein körperloses "abstraktes[, äußeres] Bild", dem gegenüber erst die "Interferenz von Zeit und Raum in dem Hier und Jetzt […] Wirklichkeit" kreiere (ebd.). Die Weltuhr verdeutliche also schlussendlich, dass die weibliche ''Anima'' als vertikales, unbewusstes Komplement der männlichen ''Persona'' des Traumprobanden "Ganzheit im Augenblick" verleihe (TS 250 f.).


==Die Rolle der Alchemie für die Analyse des Individuationsprozess anhand von Traumserien ==
==Die Rolle der Alchemie für die Analyse des Individuationsprozess anhand von Traumserien ==
Träume fungieren nach Jung als Brücke zwischen dem einem Menschen innewohnenden Potenzial und dem zum gleichen Zeitpunkt im realen Alltagsleben wirklich Erreichten (Ermann 2014, 49-50). Träume würden dabei eine "spontane Selbstdarstellung der aktuellen Lage des Selbst in symbolischer Ausdrucksform" (GW 8, 300) repräsentieren. Dabei sei die normale psychische Entwicklung, so Jung, durch eine ausgeprägte "Folgerichtigkeit in der Entwicklung des zentralen Symbols" (TS 239) gekennzeichnet. Demgegenüber schließe eine gescheiterte Individuation mit einer psychischen Katastrophe, meist einer Psychose, ab (TS 239 f.). Die spiralförmige Bewegung des unbewussten Prozesses im Traum um ein Zentrum oder eine Mitte verweist dabei in letzter Instanz – ähnlich wie Magnetnadeln (TS 241) – auf das zentrale Symbol des ''Selbst''. Die Entstehung des Mandalamotivs im Laufe der Traumserie mache es in diesem Zusammenhang wahrscheinlich, dass dieses zentrale Symbol meist bereits als Archetypus beziehungsweise "ewige Präsenz" in den ersten Initialträumen der Träumer*innen auftauche. Dieser zunächst fremd erscheinende Archetypus differenziere sich allerdings im Verlaufe von Traumserien zusehends aus und verhelfe dem Individuum über "anthropomorphe Umdeutungen" zu einer auf die eigene Lebenswelt hin bezogenen Orientierung (TS 245 f.).  
Träume fungieren nach Jung als Brücke zwischen dem einem Menschen innewohnenden Potenzial und dem zum gleichen Zeitpunkt im realen Alltagsleben wirklich Erreichten (Ermann 2014, 49 f.). Träume würden dabei eine "spontane Selbstdarstellung der aktuellen Lage des Selbst in symbolischer Ausdrucksform" (GW 8, 300) repräsentieren. Dabei sei die normale psychische Entwicklung durch eine ausgeprägte "Folgerichtigkeit in der Entwicklung des zentralen Symbols" (TS 239) gekennzeichnet. Demgegenüber schließe eine gescheiterte Individuation mit einer psychischen Katastrophe, meist einer Psychose, ab (TS 239 f.). Die spiralförmige Bewegung des unbewussten Prozesses im Traum um ein Zentrum oder eine Mitte verweist dabei in letzter Instanz – ähnlich wie Magnetnadeln (TS 241) – auf das zentrale Symbol des ''Selbst''. Die Entstehung des Mandalamotivs im Laufe der Traumserie mache es in diesem Zusammenhang wahrscheinlich, dass dieses zentrale Symbol meist bereits als Archetypus beziehungsweise "ewige Präsenz" in den ersten Initialträumen der Träumer*innen auftauche. Dieser zunächst fremd erscheinende Archetypus differenziere sich allerdings im Verlaufe von Traumserien zusehends aus und verhelfe dem Individuum über "anthropomorphe Umdeutungen" zu einer auf die eigene Lebenswelt hin bezogenen Orientierung (TS 245 f.).  
Abschließend soll nicht verschwiegen werden, dass Jung sich selbst dafür kritisierte, auf die Alchemie angewiesen gewesen zu sein. Die in seinen Werken getätigten und auf Interpretationen von Imaginationen und Träumen basierenden Theorien wären laut eigenem Befinden ohne den "in Stein verwandelt[en] […] heißen Basalt" des aus der Geschichte der Alchemie übernommenen Motivreservoirs gar nicht möglich gewesen, was ihm aus der Rückschau betrachtet selbst wie "Dilettantismus" vorgekommen ist (Bair 2005, 709). Jung drückt mit diesem sprachlichen Bild des versteinerten Basalts also nicht weniger als seine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der von ihm vorgenommenen "Entlehnung" aus. Zum Vorwurf machte er sich in diesem Zusammenhang insbesondere, dass er der Alchemie als Hilfsdisziplin zur Verschiebung der eng gesteckten Erkenntnisgrenzen der Psychoanalyse bedurft hatte: "Das war auch das Gefühl, das ich bezüglich der Alchemie empfand: Ich habe es zusammengeklaubt. Alchemie – das kam nicht von innen" (zit. nach: Bair 2005, 709). Nichtsdestoweniger glaubte Jung trotz methodischer Zweifel bis zuletzt unerschütterlich an den praktischen Nutzen "der Suche alten Alchemisten nach Verwandlung" für seine "moderne Suche nach erfolgreicher Individuation" (Bair 2005, 524)
 
Abschließend soll nicht verschwiegen werden, dass Jung sich selbst dafür kritisierte, auf die Alchemie angewiesen gewesen zu sein. Die in seinen Werken getätigten und auf Interpretationen von Imaginationen und Träumen basierenden Theorien wären laut eigenem Befinden ohne den "in Stein verwandelten […] heißen Basalt" des aus der Geschichte der Alchemie übernommenen Motivreservoirs gar nicht möglich gewesen, was ihm aus der Rückschau betrachtet selbst wie "Dilettantismus" vorgekommen ist (Bair 2005, 709). Jung drückt mit diesem sprachlichen Bild des versteinerten Basalts also seine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der von ihm vorgenommenen "Entlehnung" aus. Zum Vorwurf machte er sich in diesem Zusammenhang insbesondere, dass er der Alchemie als Hilfsdisziplin zur Verschiebung der eng gesteckten Erkenntnisgrenzen der Psychoanalyse bedurft hatte: "Das war auch das Gefühl, das ich bezüglich der Alchemie empfand: Ich habe es zusammengeklaubt. Alchemie – das kam nicht von innen" (zit. nach: Bair 2005, 709). Nichtsdestoweniger glaubte Jung trotz methodischer Zweifel bis zuletzt unerschütterlich an den praktischen Nutzen "der Suche der alten Alchemisten nach Verwandlung" für seine "moderne Suche nach erfolgreicher Individuation" (Bair 2005, 524)


Inspiriert zur Auseinandersetzung mit der Geschichte der Alchemie sei Jung nicht zuletzt durch die persönliche Bekanntschaft mit dem renommierten Sinologen Richard Wilhelm geworden, wie er in seiner Einleitung zu ''Traumsymbole des Individuationsprozesses'' freimütig einräumt. Insbesondere die Lektüre von dessen ''Das Geheimnis der goldenen Blüte'' (Bair 2005, 525) habe ihn künftig dauerhaft geprägt. Vor allem die Symbolsprache des historisch gesehen oft subversiv geführten alchemistischen Diskurses gegen die christliche Dogmatik hätten ihm in seiner tiefenpsychologischen Akzentsetzung geholfen:  
Inspiriert zur Auseinandersetzung mit der Geschichte der Alchemie sei Jung nicht zuletzt durch die persönliche Bekanntschaft mit dem renommierten Sinologen Richard Wilhelm (1873-1920) geworden, wie er in seiner Einleitung zu ''Traumsymbole des Individuationsprozesses'' freimütig einräumt. Insbesondere die Lektüre von dessen ''Das Geheimnis der goldenen Blüte'' (Bair 2005, 525) habe ihn künftig dauerhaft geprägt. Vor allem die Symbolsprache des historisch gesehen oft subversiv geführten alchemistischen Diskurses gegen die christliche Dogmatik hätten ihm in seiner tiefenpsychologischen Akzentsetzung geholfen:  
{| style="border: 0px; background-color: #ffffff; border-left: 2px solid #7b879e; margin-bottom: 0.4em; margin-left:0.1em; margin-right: auto; width: auto;" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0"
{| style="border: 0px; background-color: #ffffff; border-left: 2px solid #7b879e; margin-bottom: 0.4em; margin-left:0.1em; margin-right: auto; width: auto;" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0"
|-
|-
||
||
:<span style="color: #7b879e;">„Die Alchemie nämlich bildet wie eine Unterströmung zu dem die Oberfläche beherrschenden Christentum. Sie verhält sich zu diesem wie ein Traum zum Bewußtsein, und wie dieser die Konflikte des Bewußtseins kompensiert, so bestrebt sich jene, die Lücken, die Lücken, welche die Gegensatzspannung des Christentums offengelassen hat, auszufüllen. Dies drückt sich wohl am prägnantesten in jenem Axiom aus, […das die] Lebensdauer der Alchemie durchzieht: eben jener oben zitierte Satz der Maria Prophetissa[: "Die Eins wird zu Zwei, die Zwei zu Drei, und aus dem Dritten war das Eine als Viertes."] Hier schieben sich zwischen ungerade Zahlen der christlichen Dogmatik die geraden Zahlen, welche das Weibliche, die Erde, das Unterirdische […] bedeuten" (TS 38).</span>
:<span style="color: #7b879e;">Die Alchemie nämlich bildet wie eine Unterströmung zu dem die Oberfläche beherrschenden Christentum. Sie verhält sich zu diesem wie ein Traum zum Bewußtsein, und wie dieser die Konflikte des Bewußtseins kompensiert, so bestrebt sich jene, die Lücken, die Lücken, welche die Gegensatzspannung des Christentums offengelassen hat, auszufüllen. Dies drückt sich wohl am prägnantesten in jenem Axiom aus, […] [das die] Lebensdauer der Alchemie durchzieht: eben jener oben zitierte Satz der Maria Prophetissa ["Die Eins wird zu Zwei, die Zwei zu Drei, und aus dem Dritten war das Eine als Viertes"]. Hier schieben sich zwischen ungerade Zahlen der christlichen Dogmatik die geraden Zahlen, welche das Weibliche, die Erde, das Unterirdische […] bedeuten (TS 38).</span>
|}
|}
Mit Jung gesprochen lässt sich diese Analogiebeziehung zwischen den Binnenverhältnissen von Alchemie und Christentum einerseits sowie Traum und Psychologie also auf das ähnlich geartete Charakteristikum der "Unterströmung", das Alchemie und Traum innewohne, zurückführen. Mit diskursanalytischer Terminologie lässt sich der roten Faden der ''Traumsymbole des Individuationsprozesses'' also abschließend auf die Formel bringen, dass der Individuationsprozess des Individuums erst dann abgeschlossen ist, wenn es das Zusammenspiel des von kulturellen Epistemen geprägten, eigenen Wachbewusstseins und des komplementären Traumbewusstseins zu verstehen und akzeptieren gelernt hat.
Mit Jung gesprochen lässt sich diese Analogiebeziehung zwischen den Binnenverhältnissen von Alchemie und Christentum einerseits sowie Traum und Psychologie also auf das ähnlich geartete Charakteristikum der "Unterströmung" zurückführen, das Alchemie und Traum innewohne. Mit diskursanalytischer Terminologie lässt sich der roten Faden der ''Traumsymbole des Individuationsprozesses'' also abschließend auf die Formel bringen, dass der Individuationsprozess des Individuums erst dann abgeschlossen ist, wenn es das Zusammenspiel des von kulturellen Epistemen geprägten, eigenen Wachbewusstseins und des komplementären Traumbewusstseins zu verstehen und akzeptieren gelernt hat.
 


<div style="text-align: right;">[[Autoren|Till Speicher]]</div>
<div style="text-align: right;">[[Autoren|Till Speicher]]</div>


==Literaturverzeichnis==
==Literaturverzeichnis==

Navigationsmenü