"Manifeste du surréalisme" (André Breton): Unterschied zwischen den Versionen

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: <span style="color: #7b879e;">Sur la foi de […] découvertes [de Freud], un courant d’opinion se dessine enfin, à la faveur duquel l’explorateur humain pourra pousser plus loin ses investigations, autorisé qu’il sera à ne plus seulement tenir compte des réalités sommaires. L’imagination est peut-être sur le point de reprendre ses droits (MS 20).
: <span style="color: #7b879e;">Sur la foi de […] découvertes [de Freud], un courant d’opinion se dessine enfin, à la faveur duquel l’explorateur humain pourra pousser plus loin ses investigations, autorisé qu’il sera à ne plus seulement tenir compte des réalités sommaires. L’imagination est peut-être sur le point de reprendre ses droits (MS 20).


: <span style="color: #7b879e;">Auf Grund von [Freuds] Entdeckungen bildet sich eine Strömung im Denken heraus, mit deren Hilfe der Erforscher der Menschen seine Untersuchungen weiter treiben vermag, da er nun nicht mehr nur summarische Fakten in Betracht zu ziehen braucht. Die Imagination ist vielleicht im Begriff, wieder in ihre alten Rechte einzutreten (MSd 15).</span>
: <span style="color: #7b879e;">Auf Grund von [Freuds] Entdeckungen bildet sich endlich eine Strömung im Denken heraus, mit deren Hilfe der Erforscher der Menschen seine Untersuchungen weiter treiben vermag, da er nun nicht mehr nur summarische Fakten in Betracht zu ziehen braucht. Die Imagination ist vielleicht im Begriff, wieder in ihre alten Rechte einzutreten (MSd 15).</span>
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Nach Bretons Ansicht kann zudem geistiges Potenzial aus Imaginationen geschöpft werden, indem auch verborgene Inhalte an die „surface“ treten. Mit Zuspruch gegenüber Freuds Kritik bemängelt anschließend Breton die ungenügende, allgemeine Auseinandersetzung mit dem Traum, der einen großen Bestandteil der menschlichen Psyche einnehme. Da die Erinnerung an den Traum nur einen Bruchteil des Traumerlebens wiedergibt und bisweilen undeutlich ist, führt Breton seinen eigenen Gedankengang über Traum und Realität weiter aus (MS 20–23; MSd 15 f.). An dieser Stelle wird deutlich, wie Breton Freuds Traumtheorie primär zur Untermauerung eigener Argumentationen nutzt (Goumegou 2007, 269, 279).
Nach Bretons Ansicht kann zudem geistiges Potenzial aus Imaginationen geschöpft werden, indem auch verborgene Inhalte an die Oberfläche treten. Mit Zuspruch gegenüber Freuds Kritik bemängelt anschließend Breton die ungenügende allgemeine Auseinandersetzung mit dem Traum, der einen großen Bestandteil der menschlichen Psyche einnehme. Da die Erinnerung an den Traum nur einen Bruchteil des Traumerlebens wiedergibt und bisweilen undeutlich ist, führt Breton seinen eigenen Gedankengang über Traum und Realität weiter aus (MS 20–23; MSd 15 f.). An dieser Stelle wird deutlich, wie Breton Freuds Traumtheorie primär zur Untermauerung eigener Argumentationen nutzt (Goumegou 2007, 269, 279).


Ein weiteres Mal bezieht sich Breton auf Freuds Psychoanalyse, als er die Überlegungen zur freien Assoziation von Patienten als einen Denkanstoß für die Entwicklung der ''écriture automatique'' charakterisiert (Goumegou 2007, 267 f.):
Ein weiteres Mal bezieht sich Breton auf Freuds Psychoanalyse, als er die Überlegungen zur freien Assoziation von Patienten als einen Denkanstoß für die Entwicklung der ''écriture automatique'' charakterisiert (Goumegou 2007, 267 f.):
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: <span style="color: #7b879e;">Tout occupé que j’étais encore de Freud à cette époque et familiarisé avec ses méthodes d’examen que j’avais eu quelque peu l’occasion de pratiquer sur des malades pendant la guerre, je résolus d’obtenir de moi ce qu’on cherche à obtenir d´eux, soit un monologue de débit aussi rapide que possible, sur lequel l’esprit critique du sujet ne fasse porter aucun jugement, qui ne s’embarasse, par suite, d’aucune réticence, et qui soit aussi exactement que possible la pensée parlée. Il m’avait paru, et il ma paraît encore […] que la vitesse de la pensée n´est pas supérieur à celle de la parole, et qu´elle ne défie pas forcément la langue, ni même la plume qui court (MS 33).
: <span style="color: #7b879e;">Tout occupé que j’étais encore de Freud à cette époque et familiarisé avec ses méthodes d’examen que j’avais eu quelque peu l’occasion de pratiquer sur des malades pendant la guerre, je résolus d’obtenir de moi ce qu’on cherche à obtenir d´eux, soit un monologue de débit aussi rapide que possible, sur lequel l’esprit critique du sujet ne fasse porter aucun jugement, qui ne s’embarasse, par suite, d’aucune réticence, et qui soit aussi exactement que possible la pensée parlée. Il m’avait paru, et il ma paraît encore […] que la vitesse de la pensée n´est pas supérieur à celle de la parole, et qu´elle ne défie pas forcément la langue, ni même la plume qui court (MS 33).


: <span style="color: #7b879e;">Ich beschäftigte mich damals noch eingehend mit Freud und war mit seinen Untersuchungsmethoden vertraut, die ich im Kriege gelegentlich selbst bei Kranken hatte anwenden können,<ref>Während des Ersten Weltkrieges war Breton medizinischer Assistent im psychiatrischen Zentrum in Saint-Dizier. Die Eindrücke vor Ort mit mental Erkrankten regten ihn zu seiner Auseinandersetzung mit den Theorien Pierre Janets (1859-1947) und Sigmund Freuds über das Unbewusste und den Traum an (Schneede 2006, 42–44). </ref> und beschloß nun, von mir selbst das zu erreichen, was man von ihnen haben wollte: nämlich einen so rasch wie möglich fließenden Monolog, der dem kritischen Verstand des Subjekts in keiner Weise unterliegt, der sich infolgedessen keinerlei Zurückhaltung auferlegt und der so weit möglich gesprochener Gedanke wäre. Ich hatte den Eindruck, und habe ihn noch […], daß das Tempo des Denkstroms nicht größer ist als das des Redestroms und daß das Denken nicht unbedingt die Zunge oder gar die Feder am Mitkommen hindert (MSd 24 f.).</span>
: <span style="color: #7b879e;">Ich beschäftigte mich damals noch eingehend mit Freud und war mit seinen Untersuchungsmethoden vertraut, die ich im Kriege gelegentlich selbst bei Kranken hatte anwenden können,<ref>Während des Ersten Weltkrieges war Breton medizinischer Assistent im psychiatrischen Zentrum in Saint-Dizier. Die Eindrücke vor Ort mit mental Erkrankten regten ihn zu seiner Auseinandersetzung mit den Theorien Pierre Janets und Sigmund Freuds über das Unbewusste und den Traum an (Schneede 2006, 42–44). </ref> und beschloß nun, von mir selbst das zu erreichen, was man von ihnen haben wollte: nämlich einen so rasch wie möglich fließenden Monolog, der dem kritischen Verstand des Subjekts in keiner Weise unterliegt, der sich infolgedessen keinerlei Zurückhaltung auferlegt und der so weit möglich gesprochener Gedanke wäre. Ich hatte den Eindruck, und habe ihn noch […], daß das Tempo des Denkstroms nicht größer ist als das des Redestroms und daß das Denken nicht unbedingt die Zunge oder gar die Feder am Mitkommen hindert (MSd 24 f.).</span>
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Zuvor berichtet Breton noch von einem Satz, der zugleich mit einer vagen, visuellen Vorstellung verbunden war und der ihm einst kurz vor dem Einschlafen einfiel. An den Satz könne er sich immer noch nicht vollständig erinnern, ihn beschäftigte aber zugleich die Satzstruktur von „Il y a un homme coupé en deux par la fenêtre“ (MS 31; „Da ist ein Mann, der vom Fenster entzweigeschnitten wird“, MSd 23).
Zuvor berichtet Breton noch von einem Satz, der mit einer vagen, visuellen Vorstellung verbunden war und ihm einst kurz vor dem Einschlafen einfiel. An den Satz könne er sich immer noch nicht vollständig erinnern, ihn beschäftigte aber zugleich die Satzstruktur von „Il y a un homme coupé en deux par la fenêtre“ (MS 31; „Da ist ein Mann, der vom Fenster entzweigeschnitten wird“, MSd 23).


Im Manifest tauchen zudem Bezüge zum Traumdiskurs in Frankreich des 19. Jahrhunderts auf (z.B. beim bereits geschilderten narrativen Fortgang von Träumen), sodass der Imaginationsbegriff von Breton eher mit Auffassungen des Unbewussten aus dieser Zeit korreliert (Goumegou 2007, 268 f.). Daneben haben ihn die Überlegungen der Symbolisten und Romantiker zum Traum inspiriert, woraus er im Manifest eine Traumauffassung formuliert (Jiménez 2013, 24–29). Diese Auffassung Bretons streift also bisweilen flüchtig sowie partiell diverse Traumdiskurse mit denen er überwiegend seine Ansicht zum Verhältnis zwischen Traum und Realität zu bekräftigen sucht; deshalb werden in der Forschungsliteratur seine Reflexionen nicht als Traumtheorie eingestuft (Goumegou 2007, 279).
Im Manifest tauchen zudem Bezüge zum französischen Traumdiskurs des 19. Jahrhunderts auf (z.B. beim bereits geschilderten narrativen Fortgang von Träumen), sodass der Imaginationsbegriff von Breton eher mit Auffassungen des Unbewussten aus dieser Zeit korreliert (Goumegou 2007, 268 f.). Daneben haben ihn die Überlegungen der Symbolisten und Romantiker zum Traum inspiriert, woraus er im Manifest eine Traumauffassung formuliert (Jiménez 2013, 24–29). Diese streift also bisweilen flüchtig sowie partiell diverse Traumdiskurse, mit denen Breton überwiegend seine Ansicht zum Verhältnis zwischen Traum und Realität zu bekräftigen sucht; deshalb werden in der Forschungsliteratur seine Reflexionen nicht als Traumtheorie eingestuft (Goumegou 2007, 279).


==Rezeption und Bedeutung des Werks==
==Rezeption und Bedeutung des Werks==

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