"Helmbrecht" (Wernher der Gärtner): Unterschied zwischen den Versionen
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"Helmbrecht" (Wernher der Gärtner) (Quelltext anzeigen)
Version vom 28. September 2023, 14:27 Uhr
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Das Werk ''Helmbrecht'' wurde von Wernher dem Gärtner (oder Wernher dem gartenære) zwischen 1250 und 1285 im bayerisch-österreichischen Grenzgebiet an Salzach und Inn verfasst (Nolte 2012). Der bedeutende Text, der der Kleinepik zugeordnet werden kann, erzählt die Geschichte eines Bauernsohns und seiner Familie. Der Sohn namens Helmbrecht will in den Stand des Ritters aufsteigen. Um ihren Sohn mit prächtigen Kleidern und einem Pferd ausstatten zu können, verkaufen Mutter und Vater zahlreiche Güter und Tiere. Dem gleichnamigen Vater, Meier Helmbrecht, widerfahren vier Träume, die vier unterschiedliche, zukünftige Bestrafungen (Blendung, zweifache Verstümmelung und Tod) für seinen Sohn voraussagen. Jedoch haben die warnenden Traumbilder keine Wirkung auf Helmbrecht; er wird nach seiner Abreise von einem Burgherrn als Schildknecht aufgenommen und streift von nun an raubend durch das Land. Für seine Verbrechen wird er entsprechend der Träume mehrfach und letztendlich mit dem Tode bestraft. Die Hauptelemente des Werks sind Hochmut und ''superbia'' des Bauernsohns, die soziale Mobilität bzw. der gesellschaftliche Auf- und Abstieg <ref>Nach der idealtypischen, mittelalterlichen Vorstellung ist die hierarchische Gliederung der Gesellschaft von Gott geschaffen, wobei kein Mensch seinen ''ordo'' beeinflussen könne. Veränderungen in dieser Struktur konnten als Verstöße gegen die göttliche Weltordnung gesehen werden. (Menke 1993, 59 f., 101) Im hohen Mittelalter kam es aber zunehmend zu gesellschaftlichen Veränderungen, die zu Bewegungsprozessen der Bevölkerungsschichten in beide Richtungen (sozialer Auf- und Abstieg) führten. Soziale Mobilität war im Mittelalter also möglich, sie wurde nur von rechtlichen und sozialen Regeln, dem gesellschaftlichen Umfeld und regionalen Unterschieden bestimmt (Oberste/Ehrich 2015, 8; Spieß 2001, 25). Für das soziale System der Vormoderne war diese Mobilität jedoch unverzichtbar (Oberste/Ehrich 2015, 8; mehr zur sozialen Mobilität in den Sammelbänden „Die bewegte Stadt“ (2015) und „Zwischen Nicht-Adel und Adel“ (2001)). Da es auch Gegenstimmen zur sozialen Mobilität gab, tauchten seit dem 13. Jahrhundert häufig Dichterklagen über den Verfall der ''ordines'' auf (Menke 1993, 67, 86–88; Haubrichs 1969).</ref> sowie Verfallsklage und Zeitkritik durch die Gegenüberstellung des alten und neuen Rittertums (Seelbach 1987, 129–137; Nolte 2012; Honemann 2001). | Das Werk ''Helmbrecht'' wurde von Wernher dem Gärtner (oder Wernher dem gartenære) zwischen 1250 und 1285 im bayerisch-österreichischen Grenzgebiet an Salzach und Inn verfasst (Nolte 2012). Der bedeutende Text, der der Kleinepik zugeordnet werden kann, erzählt die Geschichte eines Bauernsohns und seiner Familie. Der Sohn namens Helmbrecht will in den Stand des Ritters aufsteigen. Um ihren Sohn mit prächtigen Kleidern und einem Pferd ausstatten zu können, verkaufen Mutter und Vater zahlreiche Güter und Tiere. Dem gleichnamigen Vater, Meier Helmbrecht, widerfahren vier Träume, die vier unterschiedliche, zukünftige Bestrafungen (Blendung, zweifache Verstümmelung und Tod) für seinen Sohn voraussagen. Jedoch haben die warnenden Traumbilder keine Wirkung auf Helmbrecht; er wird nach seiner Abreise von einem Burgherrn als Schildknecht aufgenommen und streift von nun an raubend durch das Land. Für seine Verbrechen wird er entsprechend der Träume mehrfach und letztendlich mit dem Tode bestraft. Die Hauptelemente des Werks sind Hochmut und ''superbia'' des Bauernsohns, die soziale Mobilität bzw. der gesellschaftliche Auf- und Abstieg<ref>Nach der idealtypischen, mittelalterlichen Vorstellung ist die hierarchische Gliederung der Gesellschaft von Gott geschaffen, wobei kein Mensch seinen ''ordo'' beeinflussen könne. Veränderungen in dieser Struktur konnten als Verstöße gegen die göttliche Weltordnung gesehen werden. (Menke 1993, 59 f., 101) Im hohen Mittelalter kam es aber zunehmend zu gesellschaftlichen Veränderungen, die zu Bewegungsprozessen der Bevölkerungsschichten in beide Richtungen (sozialer Auf- und Abstieg) führten. Soziale Mobilität war im Mittelalter also möglich, sie wurde nur von rechtlichen und sozialen Regeln, dem gesellschaftlichen Umfeld und regionalen Unterschieden bestimmt (Oberste/Ehrich 2015, 8; Spieß 2001, 25). Für das soziale System der Vormoderne war diese Mobilität jedoch unverzichtbar (Oberste/Ehrich 2015, 8; mehr zur sozialen Mobilität in den Sammelbänden „Die bewegte Stadt“ (2015) und „Zwischen Nicht-Adel und Adel“ (2001)). Da es auch Gegenstimmen zur sozialen Mobilität gab, tauchten seit dem 13. Jahrhundert häufig Dichterklagen über den Verfall der ''ordines'' auf (Menke 1993, 67, 86–88; Haubrichs 1969).</ref> sowie Verfallsklage und Zeitkritik durch die Gegenüberstellung des alten und neuen Rittertums (Seelbach 1987, 129–137; Nolte 2012; Honemann 2001). | ||
==Überlieferung des ''Helmbrecht''== | ==Überlieferung des ''Helmbrecht''== | ||
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|}Auch eine Zuordnung zu den Wandermönchen ist nicht ausgeschlossen (Nolte 2012; Fränkel 1897). | |}Auch eine Zuordnung zu den Wandermönchen ist nicht ausgeschlossen (Nolte 2012; Fränkel 1897). | ||
==Traum und Traumdeutung im Helmbrecht== | ==Traum und Traumdeutung im ''Helmbrecht''== | ||
Die vier Träume im Helmbrecht werden von einer einzigen Figur, dem Vater, geträumt. Jedoch wird nur deren Inhalt nachträglich durch den Träumenden im Dialog mit seinem Sohn wiedergegeben; das Träumen ist kein Teil der Erzählung. Thematisch sind sie eng miteinander verbunden, da sie die Konsequenzen für Helmbrechts Taten als Raubritter prophezeien; in einer sich steigernden Form berichtet der Vater seinem Sohn von diesen Träumen und versucht, ihn zu warnen. Da Helmbrecht jedoch diesen Vorausdeutungen abweisend gegenübersteht, kehrt er seiner Familie den Rücken zu. Am Ende erfüllen sich die Träume in der Reihenfolge, in der der Vater sie geträumt hat. | Die vier Träume im ''Helmbrecht'' werden von einer einzigen Figur, dem Vater, geträumt. Jedoch wird nur deren Inhalt nachträglich durch den Träumenden im Dialog mit seinem Sohn wiedergegeben; das Träumen ist kein Teil der Erzählung. Thematisch sind sie eng miteinander verbunden, da sie die Konsequenzen für Helmbrechts Taten als Raubritter prophezeien; in einer sich steigernden Form berichtet der Vater seinem Sohn von diesen Träumen und versucht, ihn zu warnen. Da Helmbrecht jedoch diesen Vorausdeutungen abweisend gegenübersteht, kehrt er seiner Familie den Rücken zu. Am Ende erfüllen sich die Träume in der Reihenfolge, in der der Vater sie geträumt hat. | ||
===Prognostische Träume: Vier Vorausdeutungen auf Helmbrechts Strafen=== | ===Prognostische Träume: Vier Vorausdeutungen auf Helmbrechts Strafen=== | ||
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:''<span style="color: #7b879e;">„dû hetest zwei lieht in der hant,'' | :''<span style="color: #7b879e;">„dû hetest zwei lieht in der hant,'' | ||
:''<span style="color: #7b879e;">diu brunnen, daz si durch diu lant'' | :''<span style="color: #7b879e;">diu brunnen, daz si durch diu lant'' | ||
:''<span style="color: #7b879e;">lûhten mit ir schîne.'' | :''<span style="color: #7b879e;">lûhten mit ir schîne.'' | ||
:''<span style="color: #7b879e;">lieber sun der mîne,'' | :''<span style="color: #7b879e;">lieber sun der mîne,'' | ||
:''<span style="color: #7b879e;">sust troumt mir vert von einem man,'' | :''<span style="color: #7b879e;">sust troumt mir vert von einem man,'' | ||
:''<span style="color: #7b879e;">den sach ich hiure blinden gân.“'' <span style="color: #7b879e;">(<span style="color: #7b879e;">H V. 581–586) | :''<span style="color: #7b879e;">den sach ich hiure blinden gân.“'' <span style="color: #7b879e;">(<span style="color: #7b879e;">H V. 581–586) | ||
:<span style="color: #7b879e;">(Du hattest zwei Lichter in der Hand, die brannten, so dass sie weithin leuchteten mit ihrem Schein. Mein lieber Sohn, so träumte mir vergangenes Jahr von einem Mann, den ich dieses Jahr blind umhergehen sah.) | :<span style="color: #7b879e;">(Du hattest zwei Lichter in der Hand, die brannten, so dass sie weithin leuchteten mit ihrem Schein. Mein lieber Sohn, so träumte mir vergangenes Jahr von einem Mann, den ich dieses Jahr blind umhergehen sah.) | ||
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:''<span style="color: #7b879e;">ein fuoz dir ûf der erde gie,'' | :''<span style="color: #7b879e;">ein fuoz dir ûf der erde gie,'' | ||
:''<span style="color: #7b879e;">dâ stüende dû mit dem andern knie'' | :''<span style="color: #7b879e;">dâ stüende dû mit dem andern knie'' | ||
:''<span style="color: #7b879e;">hôhe ûf einem stocke;'' | :''<span style="color: #7b879e;">hôhe ûf einem stocke;'' | ||
:''<span style="color: #7b879e;">dô ragete dir ûz dem rocke'' | :''<span style="color: #7b879e;">dô ragete dir ûz dem rocke'' | ||
:''<span style="color: #7b879e;">einez als ein ahsendrum.“'' <span style="color: #7b879e;">(H V. 592–597) | :''<span style="color: #7b879e;">einez als ein ahsendrum.“'' <span style="color: #7b879e;">(H V. 592–597) | ||
:<span style="color: #7b879e;">(„Mir träumte noch mehr; mit einem Fuß gingst du auf der Erde, aber mit dem anderen Knie standest du hoch auf einer Stelze. Da ragte dir aus dem Rock eines wie ein Stumpf.) | :<span style="color: #7b879e;">(„Mir träumte noch mehr; mit einem Fuß gingst du auf der Erde, aber mit dem anderen Knie standest du hoch auf einer Stelze. Da ragte dir aus dem Rock eines wie ein Stumpf.) | ||
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:''<span style="color: #7b879e;">„dû stüende ûf einem boume;'' | :''<span style="color: #7b879e;">„dû stüende ûf einem boume;'' | ||
:''<span style="color: #7b879e;">von dînen füezen unz an daz gras'' | :''<span style="color: #7b879e;">von dînen füezen unz an daz gras'' | ||
:''<span style="color: #7b879e;">wol anderhalp klâfter was;'' | :''<span style="color: #7b879e;">wol anderhalp klâfter was;'' | ||
:''<span style="color: #7b879e;">ob dînem houpte ûf einem zwî'' | :''<span style="color: #7b879e;">ob dînem houpte ûf einem zwî'' | ||
:''<span style="color: #7b879e;">saz ein rabe und ein krâ dâ bî.'' | :''<span style="color: #7b879e;">saz ein rabe und ein krâ dâ bî.'' | ||
:''<span style="color: #7b879e;">dîn hâr was dir bestroubet:'' | :''<span style="color: #7b879e;">dîn hâr was dir bestroubet:'' | ||
:''<span style="color: #7b879e;">dô strælte dir dîn houbet'' | :''<span style="color: #7b879e;">dô strælte dir dîn houbet'' | ||
:''<span style="color: #7b879e;">zeswenhalp ein rabe dâ,'' | :''<span style="color: #7b879e;">zeswenhalp ein rabe dâ,'' | ||
:''<span style="color: #7b879e;">winsterhalp schiet dirz diu krâ.'' | :''<span style="color: #7b879e;">winsterhalp schiet dirz diu krâ.'' | ||
:''<span style="color: #7b879e;">owê, sun, des troumes!'' | :''<span style="color: #7b879e;">owê, sun, des troumes!'' | ||
:''<span style="color: #7b879e;">owê, sun, des boumes!'' | :''<span style="color: #7b879e;">owê, sun, des boumes!'' | ||
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:''<span style="color: #7b879e;">„sun, und wilt dû edel sîn,'' | :''<span style="color: #7b879e;">„sun, und wilt dû edel sîn,'' | ||
:''<span style="color: #7b879e;">daz rât ich ûf die triuwe mîn,'' | :''<span style="color: #7b879e;">daz rât ich ûf die triuwe mîn,'' | ||
:''<span style="color: #7b879e;">sô tuo vil edellîche:'' | :''<span style="color: #7b879e;">sô tuo vil edellîche:'' | ||
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|}Weiterhin wertet er sie als Träumereien (H V. 589) ab und betont, dass diese ihn nicht von seinem Vorsatz abhalten könnten. So hat Helmbrechts Reaktion auf die Träume die Verstärkung seiner negativen Figurencharakterisierung zur Folge, da er zunehmend als Narr gekennzeichnet wird. Die spätere Erfüllung der Träume bestätigt dies erneut. | |}Weiterhin wertet er sie als Träumereien (H V. 589) ab und betont, dass diese ihn nicht von seinem Vorsatz abhalten könnten. So hat Helmbrechts Reaktion auf die Träume die Verstärkung seiner negativen Figurencharakterisierung zur Folge, da er zunehmend als Narr gekennzeichnet wird. Die spätere Erfüllung der Träume bestätigt dies erneut. | ||
== Fazit== | ==Fazit== | ||
Abschließend lässt sich sagen, dass die Träume, die im ''Helmbrecht'' erzählt werden, alle auf die Zukunft des Protagonisten fokussiert sind. In einer klimaktisch angelegten Steigerung der Strafen erfährt Helmbrecht, welches Schicksal ihn ereilen wird, sollte er den angestrebten Weg zum Raubritter gehen. Die Träume, die eindeutige Warnungen vor folgenschweren Handlungen beinhalten, und deren Erfüllung bilden parallel zu Haube und Haar, die äußerliche Zeichen seiner ''superbia'' sind, eine rezeptionssteuernde Rahmung der gesamten Handlung. Die Träume werden von Wernher wohl gezielt als narrative Stilmittel und literarische Motive eingesetzt, um einerseits in ihrer proleptischen Funktion erzählerische Spannung zu erzeugen sowie andererseits die Figurencharakterisierung zu verstärken. Denn durch die eindeutigen Vorausdeutungen der Träume und den damit übereinstimmenden Fortgang der Handlung können Rezipierende zunehmend erahnen, dass die Träume wahrhaftig sind, bis zu dem Punkt ihres ‚In-Erfüllung-Gehens‘. Gleichzeitig wird aufgrund der unterschiedlichen Reaktionen auf die Träume in Verbindung mit der Figurenskizzierung eine Rezeptionslenkung vorgenommen, mit Hilfe derer die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in die Worte des Vaters gesteigert werden, während für Helmbrecht eine entgegengesetzte, negative Wirkung erzielt wird; es entsteht eine sich zunehmend vergrößernde Differenz der Glaubwürdigkeit zwischen den Figuren. Weiterhin steigern die Träume die didaktische Relevanz und die moralisierende Lehre des Textes, da diese aufgrund ihrer warnenden Botschaften einen möglichen Wendepunkt innerhalb der Erzählung anbieten, den Helmbrecht jedoch nicht wahrnimmt. Ab diesem Zeitpunkt ist das Scheitern Helmbrechts unabdingbar und notwendig; es wird textintern sogar als gottgewollt dargestellt. In den drei Dialogen von Vater und Sohn werden zudem kulturelle, zeitgenössische Thematiken besprochen, wie Verfallsklage und Kritik an Veränderungsprozessen des Rittertums. Da Literatur „durch historische und kulturelle Umstände“ beeinflusst wird, „sind auch Traum- und Visionsberichte stets Veränderungen unterworfen.“ (Barthel 2019, 13) | Abschließend lässt sich sagen, dass die Träume, die im ''Helmbrecht'' erzählt werden, alle auf die Zukunft des Protagonisten fokussiert sind. In einer klimaktisch angelegten Steigerung der Strafen erfährt Helmbrecht, welches Schicksal ihn ereilen wird, sollte er den angestrebten Weg zum Raubritter gehen. Die Träume, die eindeutige Warnungen vor folgenschweren Handlungen beinhalten, und deren Erfüllung bilden parallel zu Haube und Haar, die äußerliche Zeichen seiner ''superbia'' sind, eine rezeptionssteuernde Rahmung der gesamten Handlung. Die Träume werden von Wernher wohl gezielt als narrative Stilmittel und literarische Motive eingesetzt, um einerseits in ihrer proleptischen Funktion erzählerische Spannung zu erzeugen sowie andererseits die Figurencharakterisierung zu verstärken. Denn durch die eindeutigen Vorausdeutungen der Träume und den damit übereinstimmenden Fortgang der Handlung können Rezipierende zunehmend erahnen, dass die Träume wahrhaftig sind, bis zu dem Punkt ihres ‚In-Erfüllung-Gehens‘. Gleichzeitig wird aufgrund der unterschiedlichen Reaktionen auf die Träume in Verbindung mit der Figurenskizzierung eine Rezeptionslenkung vorgenommen, mit Hilfe derer die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in die Worte des Vaters gesteigert werden, während für Helmbrecht eine entgegengesetzte, negative Wirkung erzielt wird; es entsteht eine sich zunehmend vergrößernde Differenz der Glaubwürdigkeit zwischen den Figuren. Weiterhin steigern die Träume die didaktische Relevanz und die moralisierende Lehre des Textes, da diese aufgrund ihrer warnenden Botschaften einen möglichen Wendepunkt innerhalb der Erzählung anbieten, den Helmbrecht jedoch nicht wahrnimmt. Ab diesem Zeitpunkt ist das Scheitern Helmbrechts unabdingbar und notwendig; es wird textintern sogar als gottgewollt dargestellt. In den drei Dialogen von Vater und Sohn werden zudem kulturelle, zeitgenössische Thematiken besprochen, wie Verfallsklage und Kritik an Veränderungsprozessen des Rittertums. Da Literatur „durch historische und kulturelle Umstände“ beeinflusst wird, „sind auch Traum- und Visionsberichte stets Veränderungen unterworfen.“ (Barthel 2019, 13) | ||
Die Traumnarrative im Helmbrecht spiegeln die hohe Popularität von Träumen zu dieser Zeit des Mittelalters. Die Erzählung nutzt die Träume nicht nur als zentrale Motive, sondern zeigt auch, dass Helmbrechts Ignoranz gegenüber den womöglich gottgesandten Warnträumen falsch ist. Hätte er die Traumbotschaften richtig gedeutet, hätte er seinen Tod abwenden können. Hierdurch wird das Misstrauen gegenüber Träumen negiert und ihre Bedeutung in den Vordergrund gerückt. | Die Traumnarrative im Helmbrecht spiegeln die hohe Popularität von Träumen zu dieser Zeit des Mittelalters. Die Erzählung nutzt die Träume nicht nur als zentrale Motive, sondern zeigt auch, dass Helmbrechts Ignoranz gegenüber den womöglich gottgesandten Warnträumen falsch ist. Hätte er die Traumbotschaften richtig gedeutet, hätte er seinen Tod abwenden können. Hierdurch wird das Misstrauen gegenüber Träumen negiert und ihre Bedeutung in den Vordergrund gerückt. |