"Kinder – Träume – Zukunft" (Erhard Großmann): Unterschied zwischen den Versionen

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Am linken Rand von ''Kinder – Träume – Zukunft'' präsentiert sich ein nacktes Paar. Sowohl Mann als auch Frau scheinen auf einem kleineren Baum zu sitzen, der sich hinter ihnen befindet. Auch wenn die Frau den Betrachtenden entgegenblickt und Brust und Scham teilweise mit Arm und Bein bedeckt, zeigt sie durch ihre Körperhaltung (ihre rechte Hand ist hinter den Kopf gelegt) einen offenen Umgang mit der eigenen Nacktheit. Daher ist ihre Pose, gerade auch im Balanceakt auf dem Baum und dem Blickkontakt zu den Betrachtenden, von einer leichten Laszivität geprägt. Die Frau ist außerdem mit ihrem Oberkörper zur Brust des Mannes geneigt. Der Mann hingegen richtet seinen Blick auf eine weiße Taube, die sich oberhalb der Frau befindet. Diesen Vogel versucht der Mann gerade mit seiner rechten Hand zu ergreifen. Umrahmt wird die Szene von einer Kreisform, die in den nächsten Teilbereich weiterleitet. Das rahmende Kreiselement kehrt zudem in den anderen beiden Bereichen des Wandbildes wieder und bildet die kompositorische Grundlage für das mittlere Motiv. Die geometrische Form verbindet also die autonomen Einzelmotive miteinander.
Am linken Rand von ''Kinder – Träume – Zukunft'' präsentiert sich ein nacktes Paar. Sowohl Mann als auch Frau scheinen auf einem kleineren Baum zu sitzen, der sich hinter ihnen befindet. Auch wenn die Frau den Betrachtenden entgegenblickt und Brust und Scham teilweise mit Arm und Bein bedeckt, zeigt sie durch ihre Körperhaltung (ihre rechte Hand ist hinter den Kopf gelegt) einen offenen Umgang mit der eigenen Nacktheit. Daher ist ihre Pose, gerade auch im Balanceakt auf dem Baum und dem Blickkontakt zu den Betrachtenden, von einer leichten Laszivität geprägt. Die Frau ist außerdem mit ihrem Oberkörper zur Brust des Mannes geneigt. Der Mann hingegen richtet seinen Blick auf eine weiße Taube, die sich oberhalb der Frau befindet. Diesen Vogel versucht der Mann gerade mit seiner rechten Hand zu ergreifen. Umrahmt wird die Szene von einer Kreisform, die in den nächsten Teilbereich weiterleitet. Das rahmende Kreiselement kehrt zudem in den anderen beiden Bereichen des Wandbildes wieder und bildet die kompositorische Grundlage für das mittlere Motiv. Die geometrische Form verbindet also die autonomen Einzelmotive miteinander.


In der Mitte sind drei Kindergestalten zu einer gemeinsamen Halbfigur zusammengefasst und bilden eine Art Trinität. Hierbei variieren aber Mimik, Handlung und Gestik der Kinderdarstellungen, die sich denselben Oberkörper teilen. Das linke Gesicht in Dreiviertelprofil hat gesenkte Augenlider und blickt zu Boden. Ihm ist ein halbdurchsichtiger Arm vorgelagert, während die zugehörige Hand bereits an die Stirn des mittleren Kindes in Frontalperspektive reicht. Im Zusammenspiel des linken Gesichtes und der stützenden Armhaltung werden Erinnerungen an den Melancholie-Gestus wachgerufen (Jacobs 2006, 145), d.h. wir haben eine Figur vorliegen, die in sich selbst versunken ist, sinniert und imaginiert. In Bezug auf den Bildtitel kann das Kind daher als Tagträumender ausgelegt werden, wodurch die umliegenden Motive Traumbilder sind. Eine weitere Hand, die sich aufgrund der Positionierung eher der mittleren Kinder-Figur zuordnen lässt, hält ein aufgeschlagenes Buch, dessen Umschlagsbild geometrische Formen aufweist. Das rechte Kind blickt im Seitenprofil ernst nach rechts oben. Hinter seinem Gesicht und ungefähr auf der Höhe der Lippenpartie zeichnet sich eine Schulter ab. Dieser Partie mit den Augen weiter folgend, gelangt der Blick zum unteren Bildrand. Dort ist eine linke Hand zu sehen, die in Schreibhaltung einen Zirkel fasst.  
In der Mitte sind drei Kindergestalten zu einer gemeinsamen Halbfigur zusammengefasst und bilden eine Art Trinität. Hierbei variieren aber Mimik, Handlung und Gestik der Kinderdarstellungen, die sich denselben Oberkörper teilen. Das linke Gesicht in Dreiviertelprofil hat gesenkte Augenlider und blickt zu Boden. Ihm ist ein halbdurchsichtiger Arm vorgelagert, während die zugehörige Hand bereits an die Stirn des mittleren Kindes in Frontalperspektive reicht. Im Zusammenspiel des linken Gesichtes und der stützenden Armhaltung werden Erinnerungen an den Melancholie-Gestus wachgerufen (Jacobs 2006, 145), d.h. wir haben eine Figur vorliegen, die in sich selbst versunken ist, sinniert und imaginiert. In Bezug auf den Bildtitel kann das Kind daher als Tagträumender ausgelegt werden, wodurch die umliegenden Motive Traumbilder sind. Eine weitere Hand, die sich aufgrund der Positionierung eher der mittleren Kinder-Figur zuordnen lässt, hält ein aufgeschlagenes Buch, dessen Umschlagsbild geometrische Formen aufweist. Das im Seitenprofil dargestellte dritte Kind blickt hingegen ernst nach rechts oben. Hinter seinem Gesicht und ungefähr auf der Höhe der Lippenpartie zeichnet sich eine Schulter ab. Dieser Partie mit den Augen weiter folgend, gelangt der Blick zum unteren Bildrand. Dort ist eine linke Hand zu sehen, die in Schreibhaltung einen Zirkel fasst.  


Im rechten Teilbereich schwebt mit ausgestreckten Armen und angewinkelten Beinen ein Kosmonaut, während unter ihm ein Ikarus mit nur einem Flügel zum kraftvollen Absprung diagonal nach oben anzusetzen scheint. Interessanterweise leitet die rechte Hand des Ikarus den Blick der Betrachtenden wieder zurück auf den gehaltenen Zirkel des benachbarten Kinder-Porträts.  
Im rechten Teilbereich schwebt mit ausgestreckten Armen und angewinkelten Beinen ein Kosmonaut, während unter ihm ein Ikarus mit nur einem Flügel zum kraftvollen Absprung diagonal nach oben anzusetzen scheint. Interessanterweise leitet die rechte Hand des Ikarus den Blick der Betrachtenden wieder zurück auf den gehaltenen Zirkel des benachbarten Kinder-Porträts.  
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===Werkprozess===
===Werkprozess===
Im Jahr 1973 erschien in der Zeitschrift ''Bildende Kunst'' (1953–1990)<ref> Für weiterführende Informationen zur Zeitschrift (Vierneisel, 276–288).</ref> ein Beitrag von Christine Oswald, in dem fünf Kompositionsentwürfe von ''Kinder – Träume – Zukunft'' abgebildet sind (Oswald 1973, 591). Damit lässt sich der Werkprozess partiell nachvollziehen. Nach Oswalds Schilderungen (und auch Dietmar Eisolds Lexikoneintrag zum Künstler) dürften die Vorarbeiten etwas umfangreicher gewesen sein, als es die getroffene Bildauswahl in der Zeitschrift aufzeigt (Oswald 1973, 593; Eisold 2010, 283)<ref>Der Standort der Entwürfe konnte nicht ermittelt und für die Untersuchung berücksichtigt werden. Die Datierungen der Entwurfsskizzen bei Oswald stimmen nicht mit den Angaben im Lexikoneintrag des Kunsthistorikers und Publizisten Dietmar Eisold (*1947–2017) überein. Bei Eisold findet sich sowohl der Vermerk zu einer Skizze von 1969 als auch zu farbigen Entwürfen von 1972. In Oswalds Beitrag hingegen werden die abgebildeten fünf Kompositionsentwürfe auf 1969/71 datiert (Oswald 1973, 591; Eisold, 283).</ref>. Dennoch ermöglichen die Abbildungen in ''Bildende Kunst'' erste Einblicke in die künstlerischen Entwicklungsabschnitte. Für den Traumkontext besonders interessant ist, dass sich durch die Veränderung eines Motivs die im Bild eröffnete Traumerzählung gewandelt hat. Ursprünglich war auf der linken Seite in einer Baumkrone ein kleines, liegendes Paar geplant. In der dritten abgedruckten Abbildung wird ersichtlich, dass die den Betrachtenden zugewendete Frauenfigur ihren Kopf in die linke Hand stützt, während sich der Mann hinter ihr in Rückenlage befindet und das Haupt in seine hinter dem Kopf verschränkte Händen bettet. Beide scheinen geschlossene Lider zu haben und greifen somit Schlafgesten auf. Zwar sind die Kinder bereits zentral positioniert, von größerem Format und daher bedeutungsperspektivisch schwerer gewichtet, allerdings rücken durch die Schlafenden weitere mögliche Träumende ins Bild, auf die umliegenden Szenen hätten bezogen werden können. Ferner thematisiert das schlafende Paar den Nachttraum, sodass sich eine Deutung des Bildes als Traum-im-Traum-Darstellung eröffnet. Der dargestellte Traum findet demnach über einen längeren Zeitraum hinweg statt. Die dritte Abbildung in der ''Bildende Kunst'' war nämlich kompositorisch in die drei Teilbereiche Nachttraum, Tagtraum/Gegenwart, Traum- bzw. Zukunftsvision unterteilt.  
Im Jahr 1973 erschien in der Zeitschrift ''Bildende Kunst'' (1953–1990)<ref> Für weiterführende Informationen zur Zeitschrift (Vierneisel, 276–288).</ref> ein Beitrag von Christine Oswald, in dem fünf Kompositionsentwürfe von ''Kinder – Träume – Zukunft'' abgebildet sind (Oswald 1973, 591). Damit lässt sich der Werkprozess partiell nachvollziehen. Nach Oswalds Schilderungen (und auch Dietmar Eisolds Lexikoneintrag zum Künstler) dürften die Vorarbeiten etwas umfangreicher gewesen sein, als es die getroffene Bildauswahl in der Zeitschrift aufzeigt (Oswald 1973, 593; Eisold 2010, 283)<ref>Der Standort der Entwürfe konnte nicht ermittelt und für die Untersuchung berücksichtigt werden. Die Datierungen der Entwurfsskizzen bei Oswald stimmen nicht mit den Angaben im Lexikoneintrag des Kunsthistorikers und Publizisten Dietmar Eisold (*1947–2017) überein. Bei Eisold findet sich sowohl der Vermerk zu einer Skizze von 1969 als auch zu farbigen Entwürfen von 1972. In Oswalds Beitrag hingegen werden die abgebildeten fünf Kompositionsentwürfe auf 1969/71 datiert (Oswald 1973, 591; Eisold, 283).</ref>. Dennoch ermöglichen die Abbildungen in ''Bildende Kunst'' erste Einblicke in die künstlerischen Entwicklungsabschnitte. Für den Traumkontext besonders interessant ist, dass sich durch die Veränderung eines Motivs die im Bild eröffnete Traumerzählung gewandelt hat. Ursprünglich war auf der linken Seite in einer Baumkrone ein kleines, liegendes Paar geplant. In der dritten abgedruckten Abbildung wird ersichtlich, dass die den Betrachtenden zugewendete Frauenfigur ihren Kopf in die linke Hand stützt, während sich der Mann hinter ihr in Rückenlage befindet und das Haupt in seine hinter dem Kopf verschränkte Händen bettet. Beide scheinen geschlossene Lider zu haben und greifen somit Schlafgesten auf. Zwar sind die Kinder bereits zentral positioniert, von größerem Format und daher bedeutungsperspektivisch schwerer gewichtet, allerdings rücken durch die Schlafenden weitere mögliche Träumende ins Bild, auf die die umliegenden Szenen hätten bezogen werden können. Ferner thematisiert das schlafende Paar den Nachttraum, sodass sich eine Deutung des Bildes als Traum-im-Traum-Darstellung eröffnet. Der dargestellte Traum findet demnach über einen längeren Zeitraum hinweg statt. Die dritte Abbildung in der ''Bildende Kunst'' war nämlich kompositorisch in die drei Teilbereiche Nachttraum, Tagtraum/Gegenwart, Traum- bzw. Zukunftsvision unterteilt.  


Mit der zusehenden Reduzierung von Details und Figurationen im Werkprozess tritt die Dreiergruppe der Kinderfiguren deutlicher hervor. Demnach beziehen sich im Endprodukt die umliegenden Traumsequenzen ausschließlich auf die kindliche Gruppe. Auch wenn im Bildtitel der generalisierende Traumbegriff noch auftaucht und die Komposition des Simultanbildes Anwendung findet, so umfasst die Endfassung die Imaginationen, das Tagträumen, die Gegenwart und Zukunftsvisionen. Bei Letzteren handelt es sich aber nicht um realitätsferne bzw. prophetische Vorstellungen, sondern um Geschehnisse, die planbar, kontrollierbar und tatsächlich erreichbar sein sollen (Hofer 2012, 209). Davon zeugt auch folgende Aussage Oswalds:
Mit der zusehenden Reduzierung von Details und Figurationen im Werkprozess tritt die Dreiergruppe der Kinderfiguren deutlicher hervor. Demnach beziehen sich im Endprodukt die umliegenden Traumsequenzen ausschließlich auf die kindliche Gruppe. Auch wenn im Bildtitel der generalisierende Traumbegriff noch auftaucht und die Komposition des Simultanbildes Anwendung findet, so umfasst die Endfassung die Imaginationen, das Tagträumen, die Gegenwart und Zukunftsvisionen. Bei Letzteren handelt es sich aber nicht um realitätsferne bzw. prophetische Vorstellungen, sondern um Geschehnisse, die planbar, kontrollierbar und tatsächlich erreichbar sein sollen (Hofer 2012, 209). Davon zeugt auch folgende Aussage Oswalds:
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