"Träume" (Günter Eich): Unterschied zwischen den Versionen
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Die in Günter Eichs Hörspiel inszenierten Träume sind auf doppelte Weise gerahmt. Den Prolog und den Epilog aller fünf bzw. sechs Alpträume bildet jeweils ein Mahngedicht, das sich unter anderem mit der eskapistischen Funktion des Schlafs und des Träumens auseinandersetzt. Das Eingangsgedicht warnt explizit vor der gesellschaftlichen Gefahr, die von einem traumlosen Schlaf ausgeht („und ich zweifle an der Güte des Schlafs, in dem wir uns alle wiegen“, Eich 1991, 351). Dieser erscheint dem lyrischen Ich wie ein fahrlässiges Ausblenden von „Gefängnis und Folterung, / Blindheit und Lähmung, Tod in vieler Gestalt“ (ebd.). Das Schlussgedicht stellt in programmatischer Weise den „angenehmen Schlaf“ und das „Träumen“ einem für „das Entsetzliche“ empfänglichen Wachzustand gegenüber (Ursendung, vgl. Eich/Klöckner 1996, 39). Damit plädiert Eich für ein Bewusstsein, das den Skandalen, Verbrechen und Ungerechtigkeiten des Weltgeschehens wach und kritisch begegnet. Auch die einzelnen Träume selbst sind durch Gedichte miteinander verbunden, die jedoch nicht den Traum | Die in Günter Eichs Hörspiel inszenierten Träume sind auf doppelte Weise gerahmt. Den Prolog und den Epilog aller fünf bzw. sechs Alpträume bildet jeweils ein Mahngedicht, das sich unter anderem mit der eskapistischen Funktion des Schlafs und des Träumens auseinandersetzt. Das Eingangsgedicht warnt explizit vor der gesellschaftlichen Gefahr, die von einem traumlosen Schlaf ausgeht („und ich zweifle an der Güte des Schlafs, in dem wir uns alle wiegen“, Eich 1991, 351). Dieser erscheint dem lyrischen Ich wie ein fahrlässiges Ausblenden von „Gefängnis und Folterung, / Blindheit und Lähmung, Tod in vieler Gestalt“ (ebd.). Das Schlussgedicht stellt in programmatischer Weise den „angenehmen Schlaf“ und das „Träumen“ einem für „das Entsetzliche“ empfänglichen Wachzustand gegenüber (Ursendung, vgl. Eich/Klöckner 1996, 39). Damit plädiert Eich für ein Bewusstsein, das den Skandalen, Verbrechen und Ungerechtigkeiten des Weltgeschehens wach und kritisch begegnet. Auch die einzelnen Träume selbst sind durch Gedichte miteinander verbunden, die jedoch nicht den Traum im engeren Sinne, sondern allenfalls traumähnliche Zustände zum Thema haben. Während Prolog und Epilog in ihren allgemeinen Formulierungen das historisch unmittelbar zurückliegende nationalsozialistische Grauen geradezu ent-historisieren und verallgemeinern, stellt Eich jedem Traum selbst eine ausgesprochen konkrete, sachlich-präzise Einleitung voran. Hier sind jeweils Name, Herkunft und Beruf der Träumer, Zeitpunkt des Traums (zwischen 1947 und 1950) sowie der Ort, an dem sich der Traum zuträgt, genannt. Diese Fakten werden stets durch eine allgemeine Bemerkung über das Phänomen des Träumens ergänzt. So finden sich etwa Hinweise auf bestimmte Tagesreste und mitunter sogar auf eine ironisch reduzierte Traumtheorie, wie z.B. „Schlechte Träume kommen aus dem Magen, der entweder zu voll oder zu leer ist“, oder „Vermutlich werden die angenehmen Träume dieser Welt von den Schurken geträumt“ (Eich 1991, 351 und 359). Jeder Ort, an dem die einzelnen Alpträume stattfinden, liegt auf einem anderen Kontinent; die Träumer sind ein Deutscher, eine Chinesin, ein Australier, ein Russe und eine Amerikanerin. Sie alle werden von Alpträumen heimgesucht. Die Figuren wiederum, die den Träumern erscheinen, werden meist nur durch ihr Geschlecht („Frau“), ihre Familienposition („Enkel“) oder ihren Beruf („Koch“) eingeführt. Damit spinnen die inszenierten Träume ein globales Netz aus alptraumhaften Szenarien, von denen jeder Durchschnittsmensch unmittelbar betroffen sein könnte. Im ersten Traum, der im Folgenden beispielhaft interpretiert wird, befinden sich Familienmitglieder mehrerer Generationen eingeschlossen in einem dunklen Güterwagon, der immer schneller auf ein unbekanntes Ziel hinsteuert. Der zweite Traum handelt von einem Paar, das sein Kind an eine reiche Dame verkauft. Diese schlachtet es und weidet es aus, um es schließlich ihrem kranken Ehemann als Medizin zu verabreichen. Thema des dritten Traumes ist der Fluchtversuch einer glücklichen Familie vor einem unbekannten Feind, der eine gesamte Stadt in Angst und Schrecken versetzt. Der vierte Traum handelt von zwei Forschern auf Urwald-Expedition. Die Suppe, die ihnen von dem einheimischen Koch vorgesetzt wird, bewirkt, dass sie ihr Gedächtnis verlieren und alleine orientierungslos im Wald zurückbleiben. Im fünften Traum sind alle Menschen und Behausungen innerlich von Termiten zerfressen und bereits derart ausgehöhlt, dass sie jeden Moment zusammenzubrechen drohen. Der von Eich 1954 hinzugefügte sechste Traum, der in späteren Sendungen den zweiten ersetzte, führt einen Beamten vor, der in einem Hotelzimmer immer wieder nach einem Angestellten klingelt und erfahren muss, dass jedes Klingeln ein Fallbeil in Gang gesetzt hat. Sämtliche Träume steuern also auf eine Katastrophe zu und enden mit einem Schreckens-Szenario, das gerade in seiner Offenheit besonders alptraumhaft anmutet. | ||
Während Prolog und Epilog in ihren allgemeinen Formulierungen das historisch unmittelbar zurückliegende nationalsozialistische Grauen geradezu ent-historisieren und verallgemeinern, stellt Eich jedem Traum selbst eine ausgesprochen konkrete, sachlich-präzise Einleitung voran. Hier sind jeweils Name, Herkunft und Beruf der Träumer, Zeitpunkt des Traums (zwischen 1947 und 1950) sowie der Ort, an dem sich der Traum zuträgt, genannt. Diese Fakten werden stets durch eine allgemeine Bemerkung über das Phänomen des Träumens ergänzt. So finden sich etwa Hinweise auf bestimmte Tagesreste und mitunter sogar auf eine ironisch reduzierte Traumtheorie, wie z.B. „Schlechte Träume kommen aus dem Magen, der entweder zu voll oder zu leer ist“, oder „Vermutlich werden die angenehmen Träume dieser Welt von den Schurken geträumt“ (Eich 1991, 351 und 359). Jeder Ort, an dem die einzelnen Alpträume stattfinden, liegt auf einem anderen Kontinent; die Träumer sind ein Deutscher, eine Chinesin, ein Australier, ein Russe und eine Amerikanerin. Sie alle werden von Alpträumen heimgesucht. Die Figuren wiederum, die den Träumern erscheinen, werden meist nur durch ihr Geschlecht („Frau“), ihre Familienposition („Enkel“) oder ihren Beruf („Koch“) eingeführt. Damit spinnen die inszenierten Träume ein globales Netz aus alptraumhaften Szenarien, von denen jeder Durchschnittsmensch unmittelbar betroffen sein könnte. | |||