"Spellbound" (Alfred Hitchcock): Unterschied zwischen den Versionen

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===Traum und Wahrheit===
===Traum und Wahrheit===
Hitchcock wird das über die Handlung gelegte Vokabular und Bildinventar der Psychoanalyse auch in späteren Filmen – wie etwa in ''Psycho'' (1960) oder ''Marnie'' (1964), wenn auch weniger stark als in ''Spellbound'' – zwar erneut aufgreifen (vgl. Penning 1999, 103), sich aber nur noch ein weiteres Mal in dieser Intensität mit filmischen Traumszenen beschäftigen: In ''Vertigo'' von 1958 wird die gut einminütige, farbenfrohe, fast psychedelische (Alb-)Traumsequenz vom Maler John Ferren (1905–1970) entworfen; der Surrealismus ist nun dem abstrakten Expressionismus gewichen.
Hitchcock wird das über die Handlung gelegte Vokabular und Bildinventar der Psychoanalyse auch in späteren Filmen – wie etwa in ''Psycho'' (1960) oder ''Marnie'' (1964), wenn auch weniger stark als in ''Spellbound'' – erneut aufgreifen (vgl. Penning 1999, 103), sich aber nur noch ein weiteres Mal in dieser Intensität mit filmischen Traumszenen beschäftigen: In ''Vertigo'' von 1958 wird die gut einminütige, farbenfrohe, fast psychedelische (Alp-)Traumsequenz vom Maler John Ferren (1905–1970) entworfen; der Surrealismus ist nun dem abstrakten Expressionismus gewichen.


In ''Spellbound'' fungieren die Träume und die Traumdeutung – so amateurhaft und schematisch die Analyse auch durchgeführt wird (vgl. Marantz Cohen 1995, 60f.) – damit innerhalb der Filmhandlung als Katalysator für die Aufklärung des Traumas. Denn werden die drei kurzen Traumsequenzen mehrfach durch psychoanalytische Deutungen unterbrochen, macht dies einerseits den analytischen 'Entschlüsselungsprozess' als Moment der Erkenntnis (wenn auch stark vereinfacht) deutlich. Gleichzeitig jedoch entsteht so aber eine starke Diskrepanz zwischen der nüchternen Interpretation und der surrealistischen Ästhetik, schließlich werden die Träume innerhalb der Diegese ja lediglich von Ballantyne nacherzählt, im Filmbild aber für die Zuschauenden sichtbar gemacht. Und ohnehin unterstreichen die von Dalí entworfenen und von Hitchcock inszenierten Szenen vor allem die Symbolkraft der Träume, lehnen sich aber bspw. nicht filmisch an eine Wahrnehmungsästhetik des Träumens an (vgl. Engel 2020, 580).
In ''Spellbound'' fungieren die Träume und die Traumdeutung – so amateurhaft und schematisch die Analyse auch durchgeführt wird (vgl. Marantz Cohen 1995, 60 f.) – damit innerhalb der Filmhandlung als Katalysator für die Aufklärung des Traumas. Dass die drei kurzen Traumsequenzen mehrfach durch psychoanalytische Deutungen unterbrochen werden, macht einerseits den analytischen 'Entschlüsselungsprozess' als Moment der Erkenntnis (wenn auch stark vereinfacht) deutlich. Gleichzeitig entsteht so aber eine starke Diskrepanz zwischen der nüchternen Interpretation und der surrealistischen Ästhetik, schließlich werden die Träume innerhalb der Diegese ja lediglich von Ballantyne nacherzählt, im Filmbild aber für die Zuschauenden sichtbar gemacht. Und ohnehin unterstreichen die von Dalí entworfenen und von Hitchcock inszenierten Szenen vor allem die Symbolkraft der Träume, lehnen sich aber bspw. nicht filmisch an eine Wahrnehmungsästhetik des Träumens an (vgl. Engel 2020, 580).


Doch auch wenn Hitchcock die Psychoanalyse "nur als visuelle[n] Fundus, keinesfalls als Abbild einer klinischen Realität" (Treppner 1988, 170) verwendet, so öffnete ''Spellbound'' dennoch der analytischen Traumdeutung in Nordamerika die Türe, und "within weeks, a new lease was given on the popularity of psychotherapy" (Spoto 1983, 288). Daher spiegelt der Film aus heutiger Perspektive wohl vor allem die Erwartungen, die noch in den 1940er Jahren an die Psychoanalyse, diese seltsame 'Heilkunde' aus Europa, gestellt wurden, wenn "psychoanalysis first became, for the Hollywood cinema, the means of solving a crime, not a means of committing one" (Freedman 1999, 83). Ob ''Spellbound'' damit eventuell als verklärender "Lehrfilm über Psychotherapie" (Zwiebel 169) oder gar als ironische Parodie der gefeierten Psychoanalyse zu verstehen ist, muss jedoch offen bleiben.
Doch auch wenn Hitchcock die Psychoanalyse "nur als visuelle[n] Fundus, keinesfalls als Abbild einer klinischen Realität" (Treppner 1988, 170) verwendet, so öffnete ''Spellbound'' dennoch der analytischen Traumdeutung in Nordamerika die Türe, und "within weeks, a new lease was given on the popularity of psychotherapy" (Spoto 1983, 288). Daher spiegelt der Film aus heutiger Perspektive wohl vor allem die Erwartungen, die noch in den 1940er Jahren an die Psychoanalyse, diese seltsame 'Heilkunde' aus Europa, gestellt wurden, wenn "psychoanalysis first became, for the Hollywood cinema, the means of solving a crime, not a means of committing one" (Freedman 1999, 83). Ob ''Spellbound'' damit eventuell als verklärender "Lehrfilm über Psychotherapie" (Zwiebel 169) oder gar als ironische Parodie der gefeierten Psychoanalyse zu verstehen ist, muss jedoch offen bleiben.